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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 07.01.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189801077
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18980107
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18980107
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-07
- Monat1898-01
- Jahr1898
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 07.01.1898
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„Kaatje, bring mir daS Effm!" Auf diesen Ruf, den Fanning mit lauter Stimme erschallen ließ, trat eine Gestalt ei», deren mahagonibraune Farbe und pergamentartige Haut auf den ersten Blick ein Buschweib verrieth. kin Weib von geradezu verblüffender Häßlichkeit mit dem grinsenden Gesicht, dem breite» Mund, den mächtigen Ohren und dem dickwolligen Schädel, — wenig geeignet, Appetit für das Mahl zu er wecken, da» sie vor ihren Herrn auf den Tisch setzte. Aber sie war «in gutmüthigeS, treue» Geschöpf, Fanning's Fakto tum, die bei ihm da» Amt einer Köchin und Haushälterin bekleidete. DaS magere Huhn in Reis vermochte die Eßlust deS Farmer» nicht zu erwecken, er schob bald den Teller zurück und trat an die offene HauSthüre, unbehaglich vor sich hin starrend; selbst seine gewohnte Pfeife rauchte er heute nicht. Ein Schwirren in der Lust ließ ihn aufschauen und dann erbleichend zurückprallen. „Großer Gott! die Heu schrecken!" ES klang wie ein Ruf der Verzweiflung. „Nun auch noch diese Plage! Was die Dürre noch übrig gelassen hat, wird dies gefräßige Insekt vollends vernichten!" Ehe er noch zu Ende gesprochen, war die Luft von den geflügelten Raubthieren erfüllt; ihre dichten Schaaren ver dunkelten fast daS Sonnenlicht und wie eine mächtige schwarze Wolke bedeckten sie das Land, dem einsamen Beobachter Ver derbt» und Ruin verkündend. Der Gluthhauch der Atmosphäre zwang Fanning schon nach wenigen Minuten, sich wieder in das kühlere Zimmer zu begeben, und hier saß er die nächsten Stunden in dumpfer Niedergeschlagenheit, eine lähmende Schwere in den Gliedern und einen heftigen Schmerz im Kopf verspürend. Endlich neigte sich die Sonne am fernen Horizont zum Untergang; dar bedeutete doch wenigstens eine Keine Abnahme der Tageshitze, wenn auch eine kaum merkliche, denn der Erd boden glich noch immer äner Lavaschicht, der heiße erstickende Dünste entstiegen. Das empfand auf jeden Fall der Reiter, der sich mühsam einen Weg durch die unwirthliche Gegend bahnte. Sein Pferd schien furchtbar unter dem Mangel von Futter und Wasser zu leiden, denn es schleppte sich kaum vorwärts und mehr als einmal erleichterte ihm sein Herr die Last, indem er eine Strecke nebenher ging. „Ein verwünschtes Land!" brummte der Mann, stehen bleibend und sich den Schweiß von der Stirne wischend. „Beinahe Abend, keine menschliche Behausung in Sicht und weit und breit kein Tropfen Wasser in dieser Wüste. Da hört wahrhaftig die Gemüthlichkeit auf!" Mit dieser letzteren Bemerkung hatte er sehr recht, denn seine Lage war durchaus keine angenehme; sand er nicht bald ein Obdach für sich und sein abgetriebenes Roß, so mußte er sich in dieser endlosen Gnöde für verloren halten. Und doch verspürte er so gar keine Lust, jetzt schon vom Leben zu scheiden. Nun, er war ja auch noch jung, kaum dreißig Jahre att und obendrein ein hübscher Mann groß und kräftig, von sehnigem Körperbau, mit blauen Augen und tiesdunklem Haar und Bart, was seinem schmalen Gesicht einen eigenartigen Ausdruck verlieh. Daß er kein Kolonist und ebenso wenig ein Bur war, zeigte nicht nur sein Aeußeres, sondern auch seine Kleidung, die den europäischen Ursprung verrieth. Ohne des WegeS zu achten, schleppte der sich langsam vorwärts und hatte eben eine kleine Anhöhe, aus einem Stein haufen gebildet, erreicht, als er plötzlich einen Ruf der Ueber- raschung auSstieß. War es eine trügerische Vision oder Wirk lichkeit? Bor ihm, nur wenige Meilen entfernt, stand ein Haus — eine menschliche Wohnstätte. Wie eine erfrischende Labung wirkte dieser Anblick auf den müden Reisenden und selbst da» Pferd schien die Ruhe eine» Stalle» zu wittern, denn es spitzte die Ohren und trabte in lebhafterem Ganges dem ersehnten Ziele entgegen Voraussichtlich war dies nur daS armselige Heim eines Buren, ohne jede Bequemlichkeit und, was noch empfindlicher — aller Reinlichkeit entbehrend, die ja bekanntlich die schwache Seite dieses Volkes ist; aber der Wanderer hoffte, hier wenigstens Nahrung für sich und seine Stute zu finden, und das war für den Augenblick da» Allernothwendigste. Er hatte sich jetzt dem Orte bis auf einige hundert Schritte genähert, als er sich in höchst unerwarteter Weise durch eine Kugel begrüßt sah, die dicht an seinem Kopfe vorbeipfiff. Verwun dert schaute er um sich und nun gewahrte er auf der Thür- schwelle des Hauses einen großen, breitschultrigen Mann, der eine Flinte in der H-md hielt, die er in der nächsten Sekunde nochmals abschoß. Dieser Empfang erschien dem Reiter in Anbetracht der Gastfreundschaft, die er zu finden hoffte, ein wenig versprechender, überaus ungemüthlicher. Was war de« Menschen nur eingefallen, einen harmlosen, friedlichen Wan derer zur Zielscheibe für seine Schießübungen zu wählen? Oder sollte es wirklich eine offene Feindseligkeit bedeuten, wie sie ja in jenen Gegenden zwischen den Buren und Englän dern häufig genug vorkam? Aus jeden Fall galt es, sich über die Absichten des Gegners klar zu werden. „Heda! Hallo!" rief er daher, sein Pferd anhaltend. „Spart Eure Kugeln und gönnt mir lieber einen Trunk Wasser, denn ich bin dem Verschmachten nahe." Ehe er noch geendet, drehte sich der Andere um und verschwand im Innern des Gebäudes, den Reiter im Zweifel lastend, ob sein Ruf verstanden oder überhaupt gehört worden war. Vielleicht holte er sich noch Patronen, um den unwill kommenen Besuch dann mit aller Kaltblütigkeit über den Haufen zu schießen. Dieser Gedanke war mehr als unbehagstch, aber Hunger und Müdigkeit überwogen schließlich doch alle Beden ken, und nachdem der Reiter noch etliche Minuten gewartet hatte, ohne daß der sonderbare Insasse wieder sichtbar ge worden wäre, wagte er es, sich dem Hause zu nähern und vom Pferd zu steigen. Die Hausthür stand weit offen, aber kein menschliches Wesen zeigte sich — es herrschte eine wahre Grabesstille. In diesem Augenblick verschwand die Sonne hinter dem Horizont und die momentane Düsterkeit, die auf die Landschaft fiel, ließ den Reisenden unwillkürlich erschauern. Vorsichtig, die Hand an der Pistole, betrat er das Innere des Gebäudes; doch was er hier sah, ließ ihn be ttoffen zurückweichen. In der einrrt Ecke des Zimmers lehnte eine hohe Ge stalt, die großen tiefliegenden Augen starr auf den Eindring ling gerichtet. Ihr unheimlicher. ..Glanz und die tödtliche Bläste des Gesichtes, die durch den dunklen Bart noch mehr hervorgehoben wurde, ließen den Mann fast wie ein Gespenst erscheinen. Ec stand völlig regungslos da, nur die Lippen bewegten sich, obgleich kein Laut über dieselben kam. Der Reisende war keine schwachherzige Natur, aber er empfand doch ein leises Frösteln, als er diese menschliche Gestalt be trachtete, die in dem dämmerigen Raum wie ein Geist er schien. Er faßte sie schärfer in's Auge, und nun erkannte er den Mann, der auf ihn geschossen hatte. Also kein Geist, vielleicht nur ein Verrückter. Ein paar Minuten schauten sich die beiden stumm an, dann machte die seltsame Gestalt eine zuckende Bewegung und begann zu reden. „Willkommen, Freund!" stieß sie in kurzen, abgerissenen Sätzen hervor. „Tretet nur ein und seid mein Gast! Habt Ihr keine Heuschrecken mitgebracht? Ganze Haufen sind da. Nette Thierchen, nicht wahr? Wüßte nicht wie wir ohne sie fertig würden. Und ein schöne» Land ist hier. Grün spie ein Smaragd. Smaragden — »ein, Diamanten! Nur nicht bei mir — ich habe nicht ein einziges Steinchen." „Heu schrecken, Smaragden! Diamanten!" wiederholte der Andere erstaunt. „Mir scheint, dem armen Kerl ist eine Schraube los. Was ist da mit ihm anzufangen?" „Sticht ein Stein!" fuhr der Mann in klagendem Ton fort. „Habe Alles durchwühlt. Doch halt! Das Auge der Nacht! Kommt, Freund! wir wollen gleich hin. Du sollst Dein Glück machen!" Seine Mienen erhellten sich plötzlich und sich der Thür zuwendend rief er mit lauter Stimme: „Dick! Dick!" Auf diesen Ruf erschien ein alter, verwitterter Kaffer, nur in eine Schafshaut gekleidet. Er warf einen raschen Blick auf seinen Gebieter und sagte dann, sein perga mentgelbes Gesicht in trübselige Falten legend: „vis L»U8 is rssxts Äsk«!" (Der Herr scheint wirklich krank.) „Das denke ich auch," stimmte der Fremde bei, der den Sinn der Work verstanden, trotzdem seine Kenntniß deS Holländischen eine sehr beschränkte war. „Je eher wir ihn in's Bett bringen, desto bester wird'S für ihn sein. Hört, Freundchen," wandte er sich zu Fanning, ihm die Hand auf die Schulter legend, „Ihr seid nicht ganz obenauf. Ruht Euch mal ein Weilchen aus, — ich setze mich zu Euch." Der Kranke sah ihn verständnißlos an, ließ sich aber überreden, sein Lager aufzusuchen. Es war die höchste Zeit, denn er begann wild zu phantasiren und ein heftiges Fieber brach bei ihm aus. „Verrückt ist er nicht," murmelte der Fremde vor sich hin, „aber das Bufchfieber hat er. Und zwar ganz gehörig! Sein PulS jagt wie toll." 2. Kapitel. Das Geheimniß. Kaatje, das Faktotum des Hauses, hatte für die leiblichen Bedürfnisse des zu so gelegener Zeit erschienen Reisenden gesorgt, der mit anerkennenswerther Uneigennützigkeit die Pflege seines kranken Birthes übernahm. Es war dies keine leichte Aufgabe und Moritz Selwyn — so hieß der Fremde, traf die Vorsichtsmaßregel, alle Waffen aus dem Zimmer zu entfernen, damit der Fiebernde in seinen Deliriums anfällen nicht etwa einen ähnlichen Gebrauch davon machte, wie wenige Stunden zuvor, als er ohne Umstände auf den herannahenden Reiter schoß. Die Nacht war jetzt völlig hereingebrochen, aber sie hatte keine Abkühlung gebracht; es herrschte noch die gleiche erdrückende Schwüle und durch das offene Fenster, vom Licht angezogen, kamen ganze Schwärme lästiger Insekten, deren Selwyn sich nur mit Mühe erwehren konnte. Er' hatte sich einen leidlich bequemen Sitz neben Fannings Lager zurecht gemacht und während er den -Kranken beobachtete, sann er darüber nach, wer dieser Mann wohl sein möge, der so abge schlossen , so allein in dieser Wildniß lebte. War es nicht ein furchtbarer Gedanke, in einer Lage wie die seinkge, auf ein Paar elende Geschöpfe einer verkommenen unwissenden Raffe angewiesen zu sein? Was wäre wohl aus dem Aermsten ge worden, wenn der Zufall nicht ihn, Selwyn, hierhergeführt hätte? Er wurde in seinen Bettachtungen durch Fanning ge stört, der wieder laut zu phantasiren begann und dabei hart näckig von zwei Ideen verfolgt zu werden schien, denn er sprach abwechselnd von dem „Auge der Nacht", das er suchen wolle, und von einem Mädchen das er Violet nannte und besten er in den zärtlichsten Ausdrücken gedachte. Dies letztere ließ Selwyn ziemlich gleichgültig, wohl aber erregte die wiederholte Erwähnung von Diamanten die Aufmerksam keit des eifrig Zuhörenden. „Sprach er nicht schon davon, als ich ihm zuerst gegen über stand?" murmelte er vor sich hin. „Und er sagte sogar, wir könnten unser Glück machen. Hm, etwas Wahres dürfte wohl daran sein, — irgend ein Geheimniß , daß er mal zufällig aufgestöbert. Möchte wohl wissen, was er da > für einen Beutel am Halse hängen hat. Vielleicht fände sich da eiu Aufschluß oder ein Fingerzeig." Der Gedanke regte ihn ordentlich auf und vorsichtig beugte er sich über den Kranken, der mit der linken Hand einen flachen, auf seiner Brust ruhenden Lederbeutcl umklammert hielt. Und plötzlich überkam Selwyn eine starke, unwider stehliche Versuchung. Warum sollte er nicht die günstige Ge legenheit benutzen, den Inhalt des Säckchens zu ergründen und ein Gehemniß zu erfahren, das ihm möglicherweise unge zählte Reichthümer in den Schooß liefern würde? Er wollte den Beutel ja nicht behalten, nur einen Blick hincinthun. Zwar sagte ihm seine bessere Natur, daß es eine Schurkerei sei, aus der Hülflosigkeit eines Nebenmenschen Vortheil zu ziehen, um seine Geheimnisse zu stehlen; doch — wo wäre der Mann, dem sich die Aussicht böte, ohne Mühe ein Krösus zu werden, der diese Aussicht muthwillig prcisgcben und der Ver suchung nicht unterliegen würde? Auch Selwyn erging es so. Er beobachtete dm unruhig Schlafenden noch einige Minuten, dann trat er vor die Haus- thüre, als wolle er sei« erregtes Blut in der frischen Luft abkühlen. Aber von Frische war nichts zu verspüren, — die selbe brütende Schwüle draußen wie drinnen; selbst der tief blaue Himmelsdom schien zu flammen und zu glühen. Und Myriaden Sterne, hingesät gleich funkelnden Diamanten, leuch teten in wunderbarer Pracht mit jener intensiven Gluth, wie sie nur der südliche Himmel kennt. Raketenortig blitzten rie sige Sternschnuppen auf und ein glänzendes Meteor mit feu rigem Schweif schoß durch den unendlichen Weltraum, der er hitzten Phantasie des einsamen Mannes, der es betrachtete, wie „das Auge der Nacht" erscheinend, von dem er träumte. Eine innere Unruhe trieb Selwyn endlich wieder in's Haus zurück. Der Patient lag jetzt in ruhigem Schlummer und seine Hand hatte sich von dem Beutel gelöst. Das war der günstige Augenblick! Mit klopfendem Herzen trat Selwyn an das Lager; ein scharfer Schnitt mit dem Messer — der Beutel war sein! Einen Moment überkam ihn das Gefühl, als sei er ein ganz gemeiner Räuber; doch er schüttelte es rasch wieder ab und nachdem er sich überzeugt, daß Fanning fest schlief, setzte er sich mit dem Licht an's Fenster. Behutsam trennte er die Naht des Säckchens auf; ein Lederumschlag kam zum Vorschein, der ein beschriebenes Blatt pergamentartigen Papieres barg. Hastig faltete er es aus einander und überflog den Inhalt. Aber selbst diefrr flüchtige Blick genügte, ihm das Blut zu Kopf zu tiMen uni) seine Augen gierig aufleuchten zu lasten. Welch' ein unermeßlicher Reichthum lag in diesem Blättchen verborgen! Doch während er noch halb betäubt darauf hinstarrte, geschah etwas Seltsames, Unfaßbares — das Papier wurde ihm plötzlich aus der Hand gerissen. So rasch, so blitzschnell, daß er kaum die schwarze Kralle bemerkte, die den Raub aus geführt. Nur das Eine kam ihm klar zum Bewußtsein: das kostbare Blatt war verschwunden. Wie aber konnte dies ge schehen? Mitten in der Nacht, hier, wo? — kein Menschen auge wachte, außer ihm, denn das Kaffernehepaar schlief schon längst in seiner Hütte neben dem Schafstall. Obgleich von Natur nicht abergläubisch, war Selwyn in diesem Fall doch nicht weit davon, dm unerklärlichen myste riösen Diebstahl dem Teufel in Höchsteigner Person zuzu schreiben, was freilich nicht dazu beitrug, seine erregten Nerven zu beruhigen. Dann aber sagte er sich, daß sich möglimer- welse doch eine natürliche Lösung für den räthselhaften Vor-
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