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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.04.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000403012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900040301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900040301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Die vierwöchige Osterpause, eine sehr lange Zeit, scheint gründlich zur Verhetzung und Verwirrung ausgebeutet werden zu sollen. Kein Wunder: die Geister, die aufrichtig wie Mephisto, oder „im Privatgespräch" wie Herr vr. Hahn verneinen, brauchen nur die Hand aus zustrecken, um Material sür die nicht begründete, aber mit dem Scheine der Wahrheit umgebene Behauptung zu finden, daß von oben Alles „gefoppt" werde. Die sür und die gegen die lex Heinze wissen nicht, wie sie mit der Regierung daran sind; es heißt neuerdings, das Gesetz werde unter den Tisch fallen, aber wenn die Absicht wirklich bestehen sollte, so kann sie jeden Augenblick in das Gegentbeil verkehrt werden. Die Differenzen zwischen Reichstag und Regierungen, zu denen eine schöne Differenz zwischen der bayrischen Regierung und ihrem Berliner Vertreter hinzuzetreten oder binzugedicktet worden ist, sind von Herrn Nieder ding dermaßen ä la Tayllerand be handelt worden, daß man hüben und drüben Alles hoffen und fürchten kann. Es braucht nur z. B. der Bischof A n zer, derzeit die bestangehörte Persönlichkeit Berlins, sür ein lox-freundliches Nrtheil von geschickten Eentrumsleuten gewonnen zu werden, und die preußische Regierung verzichtet auf das Ver langte und schluckt das Mißbilligte und noch etwas mehr dazu, wenn die Klerikalen auf den Gedanken kommen sollten, di: Taktik der Linken auszunebmen und den Gesetzentwurf betr. Aenderung des Strafgesetzbuches zu erweitern, etwa mit einem Zusatz zu 8 166, der, eine eben zu Tage getretene Lücke ausfüllend, den Jesuitenorden ausdrücklich für eine Einrichtung der römisch-katholischen Kirche erklärt. Nun ist das „Sittlichkeitsgesetz", man darf sich darüber nicht täuschen, auf der einen wie auf der anderen Seite den großen Wählermaffen Hekuba. DaS Fleischbeschaugesetz hingegen bringt in beiden feindlichen Lagern eine tiefgehende Erregung. Zwar nur deshalb, weil man hier und dort eine Ueberschätzung der Tragweite der CommissionS-Beschlüffe hervorzurufen erfolg reich bemüht gewesen ist, aber wenn man die Wählermassen braucht, kommt es nicht mehr auf die Entstehungsursachen ihrer Stimmung an, sondern aus die Stimmung allein. Nun ist eS nicht ausgeschlossen, daß noch in diesem Jahre zur Urne gerufen wird. Und geschieht es, so kann bis dahin die Regierung ein großes Kunststück fertig gebracht und der Socialdemokratie die Mittel geboten haben, um die ihr ganz zweifellos höchst fatale Flottenfrage — in dieser scheint^ sogar der Levit KautSky ketzern zu wollen — mit einer Diversion auf das Gebiet der „Lebensmittelvertheuerung" und der Beschränkung der geistigen nnd künstlerischen Freiheit herumzukommen. Die Regierung hat eben zu dem, waS sie nicht will, kein rundes Nein gesprochen. Und die preußische Negierung hat dies eben wieder Unterlasten in Sachen der WaarenhauSsteuer, deren Umbildung zu einem wahren Monstrum in der Commission sie gestattete, ohne ihre Commistare mit der entschiedenen Erklärung abzurnfen, daß sie da nicht mehr mitthun könne. Dieses Steuergesetz, wie eS jetzt aussieht, besitzt genau wie die Fleischbeschanvorlage und die lex Heinze in ihrer gegenwärtigen Gestalt die Eigenschaft, einerseits der extremagrariscken Agitation, andererseits der äußersten Linken als Vehikel zu dienen. Der ersteren Kategorie von Wählerbearbeitern, weil man weite Kreise dahin bringen kann, Candidaten, die sich nicht auf ein Erdrosselungsgesetz festlegen lasten, den Rücken zu kehren, der anderen, weil man ohne große Künstelei die Commissionsbeschlüste als eine Erschwerung der Befriedi gung eines ausgedehnteren BcdürfnißkreiseS der Arbeiter hinzustellen vermag. Diese Propaganda wird noch von der bei den sich als Fanatiker gebenden Gegnern der Groß geschäfte geradezu brutal zu nennenden Ungerechtigkeit profi- tiren, die in der knifflichen Freilassung der Waarenhäuser für Osficiere und Beamte (und deren Gevatterschaft) liegt. Die so alimentirte Agitation, und darauf kommt es an, setzt sich aus erklärten und aus mehr oder weniger heimlichen Gegnern der Flottenvorlage zusammen. Ueber die aufrichtigen ist kein Wort zu verlieren, eS sind die alten Feinde, die man zu treffen und zu fassen vermag. Daß aber den Giftmischern vom Flottengegnerclub der Harmlosen von oben her Vorschub geleistet wird, muß erbittern und entmuthigen. Die Berliner Leitung des Bundes der Landwirthe lebt von der von der Regierung bisher und annoch gezeigten Energie losigkeit. Ihr liegt sehr wenig an dem Fleischbeschaugesetzr, an der Erdrosselungssteuer u. s. w., um so mehr aber an dem Grimme der Enttäuschten, denen man diese Gesetze als Rettungsthaten gezeigt hat und die nach dem lauen Wider spruch der amtlichen Stellen leicht zu überzeugen sind, daß die Negierung „helfen" könnte, daß sie aber nicht helfen will, weil sie sich mit Haut und Haar der „Industrie" ver schrieben hat. Auf diesen Zorn wird man bei etwaigen Neuwahlen bestimmt stoßen. Die BundeSleitung sorgt dafür un ablässig. In der neuesten Ausgabe ihre- amtlichen OrganS wird — daS Fleischbeschaugesetz, über daS nicht einmal der Au-schuß des Bundes einer Meinung ist, bildet den An- knüpfuugSpunct — gefragt- „Ob der Bauer nicht doch einmal zu der Erkenntniß durchdringt, daß er — der er in nationalen Fragen stets willig die Rolle der melkenden Kuh der Regierung gespielt hat, in wirthschaft- lichrn Fragen dagegen bisher immer der Prügeljungr gewesen ist, sich eine derartig« Behandlung auf die Dauer nicht bieten lasten kann? Und neu erzebt die Mahnung an die Regierung, sie sollte r- sich „ernstlich llberlegrn, ehe sie durch ihr Vorgehen leicht- fertig einen derartigen Umschwung in den alteiugrwurzeltrn An schauungen der Landbevölkerung herausbeschwört! Es würde dies nichts mehr und nichts weniger als die völlige Untergrabung unseres national-monarchischen Staatswesens be deuten." Gegen solche Aufstachelungen klingt eS wie gutmüthiges Gepolter, wenn man hört, daß in der westpreußijcheu Land- wirthschaftSkammer — übrigens einer öffentlich-rechtlichen Körperfchaft — ein Großgrundbesitzer aus die Mahnung eines College«, aus einer Resolution zum Fleischbeschaugesetz den Schlußsatz, „jeder Abschwächung der Beschlüsse zweiter Lesung ist die Ablehnung der Gesetzesvorlage vorzuziehen", herauS- zustreichen, erwiderte: „Nein und drei Mal nein! Ick bleibe auf dem letzten Zusatz bestehen. In weich' unerhörtem Maße wird hier wieder nachgegeben! Wozu immer nachgeben? Donnerwetter noch mal! Ein Weniger ist überhaupt kein Gesetz." Der Herr, der Mäßigung empfahl, ist ein conservativer Reichstagsabgeordneter, der für ein Compromiß ist, wie auch ein Theil des Ausschusses des Bundes der Landwirthe. Aber letzterer Umstand hatte keine Bedeutung für eine Flotten- wahlbewegung. Ein großer Theil der Bauern wird eS mit dem „Donnerwetter noch mal!" der Bundesleitung halten. Man könnte, wenn man siebt, wie leicht es den Flotten gegnern gemacht wird, die Wählermassen in einer der Ver stärkung unserer Seewehr ungünstigen Weise zu verhetzen, auf die Vermuthung kommen, an ausschlaggebender Stelle halte mau die Annahme der Vorlage durch den jetzigen Reichstag für ganz sicher und glaube gar nicht an die Möglichkeit einer Ablehnung. Wenn man aber den Verlauf der von der Budgetcommission über die vor den Osterferien abgehaltenen Generaldebatte verfolgt, so begreift man eine solche Zuversicht ebenso wenig, wie man die Lässigkeit begreift, mit der die Regierung die Zügel am Boden schleifen läßt. Der Krieg in Südafrika. —p. Jetzt liegt auch die amtliche Bestätigung der englischen Schlappe bet Bloemfontein vor. Wir erhalten darüber folgende Nachricht: * London, 2. April. (Telegramm.) Eine Depesche deS FeldmarschallS Roberts' über die vorgestrige Erbeutung eines britischen Convois durch die Boeren berichtet: Oberst Broadwood hat sieben Geschütze mit seinem ganzen Gepäcke verloren und schätzt seine Verluste auf ungefähr 350 Mann, darunter über 200 Vermißte. Ungefähr! daS heißt, aus dem Englischen übersetzt, mehr denn 350 Mann, wobei man erfahrungsgemäß die Grenze nach oben nicht zu eng zu nehmen hat. In London ver ursacht die Meldung Verstimmung. Solche Fälle hatte man im jetzigen Kriegsstadium nicht mehr erwartet. Der „Standard" meint, die Thätigkeit des Feindes in der Umgegend von Bloemfontein zeige, daß un geachtet der Anwesenheit der schönen Armee von Roberts in der Hauptstadt kaum gesagt werden könne, daß die Eng länder festen Fuß im Süden des Freistaates gefaßt baden. Wenn Robert» mit dem GroS der Armee auf Kroonstadt und nach der TranSvaalgrenze rücke, würde eine starke Truppen macht zurückgelafsen werden müssen, um die Verbindungen aufrecht zu erhalten und die Freistaatbürger zu überwachen. Hoffentlich erfahren wir nun im Laufe des Tages etwas über den Erfolg oder Mißerfolg des GranatfeuerS der Division des Generals Colville, das die kecke Boerensckaar verscheuchen sollte. Es begann am 31. März Mittag zwölf Uhr und wird schwerlich bis zum 3. April gedauert haben. Im Londoner Kriegsamt muß man also schon Nachricht über daS, waS weiter geschehen ist, haben. Daraus, daß das KriegSamt schweigt, schließen wir, daß für die Eng länder, die doch den Boeren mindestens die weggenommenen Geschütze und Mannschaften wieder abgejagt haben müßten, etwas Rühmliches nicht zu melden ist — vielleicht das Gegentheil. Eine Bestätigung haben unsere Privatmeldungen, nach denen die Verbindung mit Kimberley abgebrochen und Methuen isolirt sein soll, noch nicht gefunden, sie entsprechen aber durchaus der Lage, die für Roberts deshalb so fatal ist, weil seine abgetriebenen und kranken Pferde den Dienst versagen. Sonst ist noch folgende Meldung zu erwähnen. * Washington, 2. April. (Telegramm.) Wie berichtet wir-, hat der Hilfssekretär deS Innern Webster Davis, der auS Südafrika zarückgekehrt ist, sein Amt nirdergelrgt. Er hat ein Theater grmiethet, wo er Borträge zn halten gedenkt, in denen er sich gegen die Engländer wenden, das Lob der Boeren ver künden und die Intervention der Bereinigten Staaten befür worten will. Beira. Der jetzt vielgenannte Hasen der Mozambique-Küste ist nach Lourentzo Marques unzweifelhaft der wichtigste Punct von ganz Portugiesisch-Ostasrika. Beira ist Sitz des größten portugiesischen ColonialunternehmenS, der Companhia de Mocambique, deren Grundcapital 20 Millionen Mark be trägt, da» zum größten Theil durch englische und französische, seit einem Jahr auch belgische Aktionäre besetzt ist. Von Beira auS führt eine schmalspurige Bahn nach Salisbury in Rhodefia, deren Umbau in eine normal spurige Bahn im vorigen Herbst in Angriff genommen wurd«; «» arbeiten daran 1000 Weiße verschiedener Nationa litäten und etliche Tausend Eingeborene, und der Umbau der 222 Kilometer langen Bahn zur Rhvdesiagrenze sollte bi» zu diesem Frühjahr feetiggestellt sein, woran sich unsere Colonial verwaltung und der Reichstag ein Beispiel nehmen mögen. Beira hat einen mächtigen Aufschwung genommen, die Handelsbewegung stieg von 2 Millionen Mark in 1893 auf 12 Million«-« Mark m 1897 und wird fick unzweifelhaft nock weiter günstig entwickeln, wobei auch die Erschließung der bekannten Manica-Golbdistricte mitsprickt. Am Ende 1899 be fanden sich in Beira 4132 Einwohner, davon 1469 Europäer, 359 Asiaten, 2248 Schwarze und 56 Mestizen. Unter den erwachsenen Weißen waren 532 Portugiesen, 203 Engländer, 34 Franzosen, 22 Deutsche, 33 Italiener, 147 Griechen, 9 Schweizer, 10 Oesterreicher, 1 Russe, 6 Schweden, 11 Spanier, 8 Holländer, 11 Nordamerikaner, 4 Brasilianer, 7 Egypter und 9 Türken, von den Asiaten waren 93 Portu giesen, 158 Engländer und 69 Chinesen. Es ist dort also eine ganz internationale Gesellschaft vertreten. Das Zollamt von Beira brachte 1899 den Portugiesen 254Conlos (1 Conto gleich etwa 3100 .^l) ein. Bom deutschen Rothen Kren; in Südaasrik. Die folgenden, sehr interessanten Briefe des vr. Küttner, Mitglieds der Expedition des deutschen Rothen Kreuzes nach Südafrika, sind dem „Schwäbischen Merkur" von Professor I)r. v. Bruns in Tübingen zur Verfügung gestellt worden: Jakobsdal, 12. Februar. Ich schreibe Ihnen aus auf geregten Tagen. Es ist 10 Uhr Abends, aber ganz Jakobsdal ist auf den Beinen, Hunderte von Boeren reiten durch das Dors, die Kanonen raffeln, was von Frauen und Kindern noch da ist, weint und betet, denn di« Engländer rücken gegen Jakobsdal an, und die Lancierpatrouillen sind bereits eine Stunde von hier zu sehen. Bei Loekhof wird den ganzen Tag gefochten, und ich denke, daß wir heute Nacht und morgen noch tüchtig Arbeit bekommen. Da ich seit drei Wochen hier Director bin (vr. Mat- thiolius ist zur zweiten Expedition gegangen), so habe ich tüchtig zu thun und bin gerade im Begriff, unsere Ambulanzwagcn auszurüsten, die noch heute Nacht den Truppen folgen. Wir selbst gehen, wenn das Gefecht im Gange ist, um 3 oder 4 Uhr Morgens zu Pferde nach. Die Thätigkeit hier ist jetzt hoch interessant, und es scheint nun Leben hineinzukommen. Es liegt jetzt eine große englische Macht hier, die an verschiedenen Stellen durchzubrechen versucht, so daß General Cronje und seine Boeren tüchtig auf dem Posten sein müssen. Der erste Durchbruchversuch ist mißglückt. Er fand in Griqualandwest bei Kudus berg statt (Kudu ist die schöne Antilope, von der das große gewundene Geweih in meinem Zimmer hängt). Da wir selbst bei der Action zugegen waren, kann ich Ihnen genauer berichten. Wir erhielten am 7. Februar, Abends 9 Uhr, den Be- febl von General Cronje, soforr mit Ambulanzwagen zu Hilfe zu kommen, und rückten Stunde später mit zwei Ambulanz wagen und einem größeren Trupp berittener Pfleger und Aerzte aus. So lange der Mond schien, konnten wir weiter, mußten aber dann in Magersfontein das Morgengrauen abwarten, wor auf es durch die glühend heiße Steppe weiter ging. Vormittags um 11 Uhr trafen wir auf dem Schlachtfeld em. Die Boeren hatten schwere Stunden hinter sich; sic standen einer mehrals zehnfachen Uebermacht, die drei Kanonen mitfllhrte, gegenüber, während sie selbst kerne Kanonen hatten. So mußten sie nach heftiger Gegenwehr ihre Stellung auf dem Kudusberg räumen, nahmen aber sofort wieder so geschickt Stellung, daß sie die Engländer zwischen zwei Feuer bekamen und Zeit ge wannen, Verstärkungen von Kimberley und Scholtzneck, sowie eine Kanone heranzuziehen. Dadurch gelang es ihnen, die Engländer zum Rückzug zu zwingen, über den Modderfluß zurückzudrängen und ihr alte Stellung wieder einzunehmen. Die Boeren schlugen sich prächtig. Es war famos, wie sie langsam z-urückgingen, immer wieder haltend und feuernd. Schließlich waren es nur noch 50, und am Ende noch 20 Mann, hauptsächlich vom Bloem- fonteiner Commaudo und Griqualandboeren (letztere frühere britische Unterthanen), di« so wirksam feuerten, daß die Eng länder trotz ihres heftigen Geschiihfeuers nicht vorwärts kamen. Die Boeren stellen eine geradezu ideale Truppe dar, wenigstens für afrikanische Verhältnisse; sie sind in fabelhafter Weise beweglich; kommt Befehl zum Ausrücken, so wird etwas Biltong (getrocknetes Fleisch) und Brod eingesteckt, der Wasser sack aufgebundcn, Pferdefutter vor den Sattel genommen, und weg sind die Kerls. Dann reiten sie oft 15—20 Stunden hinter einander auf ihren ausdauernden, mager und verhungert aus sehenden Pferden, und legen so enorm« Strecken zurück. Nimmt man dazu das angeborene strategische Talent und die für Europa ganz abnorme Schießfertigkeit und Feuerdisciplin des einzelnen Mannes, so hat man eine Truppe, die selbst der deutschen Armee große Schwierigkeiten zu verursachen im Stande wäre. Bei Kudusberg traten alle diese Eigenschaften sehr klar zu Tage; die Schnelligkeit, womit sie die Verstärkungen herangezogen, war bewundernswerth, und die Sicherheit, mit der sie die englischen Truppen zusammenschossen, nicht minder. Als die Engländer abgezogen waren, fanden wir ein sehr großes Massengrab und rin größeres Officiersgrab, zahlreiche Blutlachen bezeichneten die Stellen, wo die Engländer dem Boerenfeuer ausgesetzt waren. Wir selbst hatten geringe Verluste: 3 Todte (2 Brust-, 1 Bauch- schuß) und 11 Verwundete, die wir nach Jakobsdal Mitnahmen und die sich gut befinden. Mr besetzten, als wir ankamen, gleich di« einzige in der Nähe befindliche englische Farm Karreepan und hißten die Rothe-Kreuz-Flagge. Eine Zeit lang waren wir nun dem englischen Granatfeuer ausgesetzt, dir Geschosse schlugen zum Theil direct -bei uns ein, dann richteten sich die selben auf die neuen Positionen der Boeren, bis der Rückzug der Engländer allgemein war. Gesundheitlich geht es uns Allen gut, der heftig grassirende Typhus, der jetzt auch im Ort selbst cnrftritt, hat uns bisher verschwnt, hoffentlich Vleibt es so. . . . JakobS-al, 23. Februar. Wir haben schwere Tage hinter uns, um so schwerer für mich, als während derselben die ganze Verantwortung auf meinen Schultern geruht hat. Zwei Tage lang wurde um Jakobsdal gekämpft, zweimal waren wir in diesen Tagen boerisch, zweimal englisch, und jetzt sind wir definitiv in den Händen der Engländer, die erste Stadt in Transvaal und im Freistaat, der dieses Schicksal zu Theil wird. Wir haben ein derartiges Ereigniß immer gefürchtet und den Boeren gegenüber mehrfach geäußert, daß es kein« exponirtere Stadt im Freistaat gäbe, als Jakobsdal, denn hier stünde die Thür offen, während in Natal und im Süden die Engländer sich an wohlbesetzten Pässen di« Köpfe einrennen müßten. Nun ist es wirklich so gekommen, und die Boeren haben sich überraschen lassen. Die Sache fing am 11. Februar mit der Nachricht an, daß die Engländer nach dem mißglückten Versuch, beiKudusberginGriqualandwestdurchzubrechen.nunmehr in den Freistaat eingedrungen seien und mit einer großen Macht auf Koffyfontein marschirten. Eine größere Boerenabtheilung l«gte sich darauf vor Koffyfontein, und damit hatten die Eng länder ihren Zweck erreicht, die Aufmerksamkeit der Boeren von Jakobsdal abzuziehen, uns marschirten jetzt direct auf diesen Ort los. Am 12. Februar war es, als wir, d. h. die deutsche Ambulanz, zum ersten Mal mit den Engländern in Berührung kamen. Wir hatten Mittags den Befehl erhalten, mit zwei Ambulanzwagen herauszugehen, da am Rirthrivier gefochten werde. Wir bekamen zwei Boeren als Führer, konnten aber, da es sich nur um Vorpostengefechte gehandelt hatte, nichts von den Boeren entdecken; vielmehr waren wir in kürzester Zeit so verfahren, daß wir nicht mehr wußten, wo wir uns befanden. Zum Glück trafen wir eine Boerenpatrouille von zwei Mann, welche uns auf eine große Staubwolke aufmerksam machte und angab, Wir sollten derselben folgen, um zu unseren Leuten zu ge langen. Wir fuhren um zwei Kopjes herum, und nahmen dann, wie auch die Boerenpatrouille, Richtung auf die große Staub wolke. Auf einmal sahen wir, daß die zwei Boeren westwärts ausbrachen, so schnell ihre Pferde laufen konnten, gleichzeitig fielen mehrere Schüsse, und zwei Minuten später waren wir von den zehnten englischen Husaren eingeschlossen und mußten uns gefangen geben. Einer unserer Boeren, dem es nicht gelang, zu entkommen, theilte das gleiche Schicksal. Die Husaren waren sehr entgegenkommend, nahmen uns sehr höflich in ihre Mitte und brachten uns zu ihrem Oberst. Dieser hielt uns erst eine Moralpredigt, wir sollten auf die Boeren wirken, daß sie nicht mehr auf Ambulanzen schössen, dann trank man sehr befriedigt unser ganzes Wasser aus, und entließ uns mit dem Wunsche, uns bald wiederzusrhen. So kam es auch, am 13. sahen wir die Grasbrände, welche 'den Weg der Engländer markirten, immer näher kommen, und am 14. Februar zogen die Engländer, und zwar die berittene Infanterie, Vormittags ohne Schwert streich in Jakobsdal ein. Sie besetzten die Stadt, belegten das Telegraphenbureau mit Beschlag und ließen sich's wohl sein. General Cronje hatte die Nachrichten von dem Einbruch der Engländer zuerst nicht glauben wollen, dann hatte er geäußert, dies sei es gerade, was er gewünscht habe, und nun that er uns den zweifelhaften Gefallen, daß er ein Boeerncommando nach Jalosdal schickte, um die Stadt zu befreien. Die Leute entledigten sich ihrer Ausgabe mit großer Bravour, sie waren wie der Blitz durch Jakobsdal durchgejagt, faßten die Engländer bei der Stadt und trieben sie zurück. Nun kehrten die Engländer mit verstärkter Macht zurück und begannen mit Kleingewehrfeuer auf Jakobsdal und die den Ort besetzt haltenden Boeren zu feuern. Wir hatten während des Gefechtes alle Hände voll zu thun, da die Ver wundeten direct in unser Hospital kamen oder gebracht wurden, unter ihnen auch einige gefangene und verwundete Engländer. Die Kugeln pfiffen recht hübsch in den Ort, doch es sollte noch ganz anders kommen. Die Boeren hielten ihr Positionen und schlugen die Engländer zurück, so daß wir Zeit hatten, das Schlachtfeld nach verwundeten Engländern abzusuchen. Or. Hildebrandt und ich lösten uns gegenseitig ab; während der Eine verbano, ging der Andere auf das in und um den Ort gelegene Schlachtfeld und brachte die Verwundeten herein. To hatten wir bis 3 Uhr Morgens zu thun, denn die Verwundeten waren in der dunklen, regnerischen Nacht sehr schwer zu finden, zumal da ein Theil derselben so schwer verletzt war, daß sie auf unser Rufen nicht antworten konnten. Wir fanden z. B. an einem unerwartet weit entfernten, versteckten Platz ganz zufällig noch zwei Verwundete und einen Todten; die beiden Ersteren waren des Regens und der Kälte wegen zu einander gekrochen und lagen fest umschlungen da. Zum Schluß brachten wir noch 7 Todte ein, wobei wir durch eine inzwischen angekommene englische Am bulanz unterstützt wurden. So waren wir an einem Tage aus den Händen der Boeren in die der Engländer, und aus denen der Engländer wieder in die der Boeren gelangt. Am 15. Februar Mittags rückten nun die Engländer wieder, diesmal mit einer großen Macht, gegen Jakobsdal, und es entspann sich um die Stadt ein heftiger, fast zwei Stunden währender Kampf. Ich glaube, saß diese zwei Stunden Jedem, der sie erlebt hat, ewig im Gedächtniß bleiben werden. Als die ersten Klein gewehrkugeln in den Ort flogen, flüchtet« Alles, was an Frauen und Kindern da war, in unser Hospital, so daß in dem schon überfüllten Haus schließlich fast hundert Menschen zusammen kamen. Die Boeren, welche Anfangs vor der Stadt lagen, zogen sich bald in dieselbe zurück und feuerten nun hinter Mauern, Häusern, überhaupt hinter jeder Deckung hervor, wobei sie auch in die nächste Nachbarschaft des Hospitals kamen. Waren die Kugeln im Anfang schon ziemlich reichlich geflogen, so wurden wir bald mit einem wahren Kugelregen überschüttet, und es ist ein wahres Wunder, daß im Hospital Niemand verletzt wurde. Später erfuhren wir, daß besonders unsere deutsche Flagge, welche für die Transvaalflagge gehalten wurde, daS Feuer auf sich gezogen hatte. Es ist wohl Keiner von uns, dem di« Ge schosse nicht rechts und links dicht am Kopf« vorbeiflogen, und die Gebäude des Hospitals tragen noch überall, wo man hinsieht, die deutlichsten Spuren dieser Beschießung. Nur ein Einwohner wurde, allervings sehr schwer, durch die Schenkelschlagader ver letzt und wurde sofort von uns operirt. Waren wir im Anfang nur mit Kleingewehrkugeln beworfen worden, so begann nun, als di« Boeren sich aus dem Ort zurückzogen, die Beschießung mit Shrapnells und Granaten, welche zu dem Aufregendsten gehört, was ich je erlebt habe. Die Granaten «xplodirten rechts und links vom Hospital, zischend und heulend flogen sie über unsere Köpfe hinweg, und am spannendsten war, zu sehen, wie sie von beiden Seiten immer näher bei uns einschlugen. Als nun schließlich die schon im Ort befindlichen Engländer in Salven zu feuern und die Maxims zu rasseln begannen und man in dem ohrenbetäubenden Lärm sein eigen Wort nicht mehr ver stand, da waren es die wahren Schreckensscrnen, welche sich im Hospital abspielten. Die Leute krochen unter die Tische und Betten, die Schwerverwundeten lagen stumm und schreckens bleich in ihren Betten, in dem Wernen der Frauen und dem Schreien der Kinder hört« man das Aufkretschen bei jeder in der Nähe des Hospitals «inschlagenden Granate, junge Mädchen lagen in Zuckungen auf der Erde, kurz, es war unbeschreiblich. l)r. Hildebrandt und ich hatten fortwährend damit zu thun, die Leute zu beruhigen, welche sich an di« wenigen Menschen, die den Kopf hoch behielten, angstvoll anklammerten. Nicht genug kann ich das Verhalten unseres gesammten deutschen
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