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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.04.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000404014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900040401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900040401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zifserniah nach höherem Tarif. vptra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Zinnahmeschluß für Änzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expedition zn richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Jahrgang. 171. Mittwoch den 4. April 1900. Der parlamentarische Machtkampf in Italien. Ob Vas enge Berhältniß zwischen England und Italien dem letzteren Lande für seine auswärtige Politik in kritischer Lage von Nutzen sein wird, wird die Zukunft erst noch zu zeigen haben; daß aber die Anlehnung an englische Einrichtung, ins besondere an den englischen Parlamentarismus, für die innere Politik Italiens ein wahres Unglück gewesen ist, zeigen die er bitterten Kämpfe, die sich seit Monaten in dem italienischen Par lamente abspielen. Es hat sich herausgestellt, daß, obwohl die große Mehrheit der italienischen Kammer durchaus geneigt ist, der Regierung größere politische Machtbefugnisse zur Aufrechterhaltung der inneren Ruhe zu gewähren, eine gesetzliche Fixirung dieser Be fugnisse nicht ohne Weiteres möglich ist, weil 'die radicale Opposition in einer Weise Obstruction treibt, Vie sie der Obstruction der Iren im englischen Parlamente vor etwa zwei Jahrzehnten abgelauscht zu haben scheint. Die Beseiti gung der Obstruction ist nur möglich durch eine Aenderung der Geschäftsordnung, und es ist nur folgerichtig, vaß die äußerste Linke natürlich auch dem Versuche Vieser Aenderung die methodische Obstruction gegenüberstellt. Sie hat sich dabei so skandalös benommen, daß das Präsidium der Kammer seine Demission gab. Erst wenn die Aenderung der Geschäfts ordnung erfolgt ist, wird es möglich sein, Abgeordnete, die die Ruhestörung systematisch betreiben, auszuschließen, damit die Kammer endlich arbeiten kann. Woraus aber ist diese Arbeit gerichtet? Aus die Möglichkeit der Repression antidynastischer Umtriebe und Unruhen. Die Nothwendigkeit, der Regierung scharfe Waffen in die Hand zu geben, hat sich bei den vielen schweren Unruhen des letzten halben Jahrzehntes so drastisch herausgestellt, daß es kein Wunder ist, wenn auch sonst sehr liberale Männer die Hand zur Stärkung der Staatsautorität gegenüber den Elementen des Umsturzes bieten. So hat denn das Ministerium eine sichere Mehrheit hinter sich, was in Italien bekanntlich eine große Seltenheit ist, da sich dort die stets bei den Wahlen durchdringende ministerielle Mehrheit sehr schnell zu verflüchtigen Pflegt. Auf diese Mehrheit wird freilich in dem Augenblicke kein Verlaß mehr sein, wo die Regierung versuchen wird, auf die politischen Maßnahmen die w i r t h s ch a f t l i ch e Reform folgen zu lassen. Denn wenn die Mehrheit gegenwärtig hinter der Regierung steht, so thut sie es nur, weil sie Furcht vor der Socialdemokratie hat, und weil sie deshalb gern die äußeren Machtmittel des Staates gegen den socialen Radicalismus stärkt. Ganz anders aber wird es, wenn man ihr Maßnahmen ansinnt, die dem Geldbeutel der besitzenden Clasfen wehe thun könnten. Dann tritt die ganze Engherzigkeit und der ganze kaltherzige Egoismus zu Tage, die eine gemeinsame Eigenthümlichkeit der romanischen Nationen sind, denen, natürlich mit Ausnahme der Edelsten im Volke, das sociale Empfinden abgeht. Wenn aber nicht ernsthaft an sociale Reformen in Italien gegangen wird, so werden die gesteigerten politischen Machtbefugnisse der Re gierung nicht viel nützen können. Denn wenn irgendwo, so ist in Italien der sociale Radicalismus in der Jämmerlichkeit der wirthschaftlichen Zustände begründet. Der gegenwärtig betriebene Kampf zur Beschränkung eines unvernünftigen Parlamentarismus, der die Gesetzgebungs maschine zum Stocken bringt, kann ohne Gefahr geführt werden, weil die Regierung und mit ihr die Mehrheit des Parlaments auch die Mehrheit des Volks hinter sich haben. Das italienische Volk ist der parlamentarischen Wortgefechte reichlich müde, weil ihm der Parlamentarismus nur Steine statt des Brodes geboten hat, und weil unter seiner Herrschaft die wirthschaftliche Lage des Landes sich immer nur verschlimmert hat. In der Hoff nung auf eine wirthschaftliche Besserung will das Volk auch gern eine Minderung politischer Freiheiten tn den Kauf nehmen. Wenn aber nun nichts Anderes erfolgen sollte, als daß einige politische Maßnahmen getroffen werden, und wenn im klebrigen Regierung und Parlament in wirthschaftlicher Beziehung sich so steril zeigen, wie bisher, so wird das Volk mit Recht die Empfindung haben, betrogen zu sein, weil es nur gegeben und nichts empfangen hat. Dann wird trotz aller politischen Macht befugnisse der Regierung das Land von neuen Stürmen durch braust werden, die die Dynastie aufs Schwerste erschüttern müssen. Das italienische Königthum wird social fern, oder es wird nicht sein. Deshalb muß cs entschlossen den Kampf auch mit der gegenwärtig das Ministerium stützenden Mehrheit auf sich nehmen, wenn diese sich einer entschiedenen socialen Politik ver sagen sollte. Die Regierung hat den Kampf mit dem der Ent wickelung des Landes schädlichen Parlamentarismus im rechten Momente ausgenommen, sie muß ihn aber auch in allen Conse quenzen durchzuführen wissen. Das südafrikanische Abkommen Englands und Deutschlands. AuS London, 31. März, wird der „Müncbn. Allg. Ztg." geschrieben: DaS Publicum und die Presse Englands haben allerdings im Allgemeinen über die von dem Berner Schiedsgericht betreffs des Delagoa-Bahn-S kreit getroffene Entscheidung ihr lebhaftes Mißvergnügen aus gesprochen. Aber eS scheint, daß die britische Regierung diese« Mißvergnügen nicht theilt. Der „Daily Graphic" nämlick, der vom Auswärtigen Amt zuweilen zur Ausstreuung von Winken über internatwnal-politische Angelegenheiten be nutzt wird, bringt beute unter der (Überschrift „Groß britannien und Portugal" eine Mittheilung, die ganz den Anschein trägt, al- ob sie auS Downing Street stamme, und die un- so bemerken-werth erscheint, daß wir sie hier wörtlich wiedergeben. Sie lautet» „Wr vernehmen mit Befriedigung, daß daS Urtheil des Delagoa-Bat-SchirdSgericht« za kein»» internationalen Verwicklungen führen wird. Es gab eine Zeit, wo man aanahm, daß dir Ent- schädigang«svmme so hoch angesrtzt werdea würde, daß Portugal, am sie za bezahlen, einige feiner Besitzungen würde loSschlagen müssen. Im Hinblick auf diese Möglichkeit wurde im Herbst 1898 zwischen der britischen und der deutschen Regierung ein Vertrag geschlossen, nach welchem die beiden Mächte übereinkamen, Portugal aus gewisse Bedingungen hin mit den nöthigen Mitteln zu versehen. Glücklicherweise wird nicht die Nothwendigkeit entstehen, nach diesem Abkommen zu handeln. Portugal hat sich mit einer finanziellen Voraussicht, die es bisher selten gezeigt hat, gegen den Berner Schiedsspruch vorgesehen, und es trifft sich, Laß seine vorräthigrn Mittel für den Fall völlig genügen. Wäre die Sache umgekehrt, so würde dem britischen Publicum, wie unS scheinen will, im gegen- wärtigen Augenblicke gerade nicht besonders daran gelegen sein, von dem englisch-deutschen Abkommen Gebrauch zu machen, da die Hoffnungen, mit Deutsch land in colonialen Fragen Zusammenwirken zu können — Hoffnungen, die den Anstoß zu jenem Abkommen gaben —, sich nicht verwirklicht haben. Es gewährt uns Freude, Laß der Streit über die Delagoa-Eisenbahn zu keiner Neu- vertheilung der europäischen Colonien in Afrika führen wird. Ein freundliches Portugal ist für uns von bei weitem größeren Werth als eine neidische Großmacht. Portugal ist einer unserer alten und geschätzten Bundesgenossen. Seine Unabhängigkeit und der Vollbestand seiner Eolonialbesitzungen sind durch unsere Bürgschaft gewährleistet, und wir hegen die Zuversicht, daß es dadurch auf lange Zeit beschützt sein wird. Wir hätten indeß den Wunsch, eine weisere Verwaltung in Lissabon und deutlichere Zeichen einer festen und dauernden Wiedergeburt zu sehen." Wir haben uns gestattet, die kennzeichnendsten Sätze zu unterstreichen. Sie bedürfen keines CommentarS, sie sprechen ür sich selbst. Wir haben nie den Muth gehabt, viel von dem südafrikanischen Abkommen für Deutschland zu erwarten. Es war unter allen Umständen — mit England als Partner — eine unsichere Speculation. Vor kurzem wiesen wir im Anschluß an die Ausführungen eines hiesigen conservativen Blattes darauf hin, daß die hier erfolgte plötzliche Ver öffentlichung der energischen Biilow'schen Depeschen üver die Beschlagnahme deutscher Schiffe wohl als ein Zeichen dafür anzusehen wäre, daß die britische Politik im Begriff sei, eine Schwenkung in einem ür Deutschland nicht besonders günstigen Sinne zu machen. Wir können jetzt wenig Zweifel darüber haben, daß die britische Regierung, nachdem sie sicb als Herrin der Lage in Südafrika zu fühlen glaubt, eS als nichts weniger denn als eine Calamität betrachtet, infolge des Berner Schiedsspruches von ihren Verpflichtungen gegen die deutsche Regierung loS- zukommen. Der Mohr hat seine Schuldigkeit gethan, nun kann er gehen. Die Wahrheit dieses Satzes wird vielleicht in der Folge noch deutlicher hervortreten. Die Beziehungen der britischen und der deutschen Regierung sind in vas Ver- hältniß der „Correctheit" zurückgetreten — sie haben seit mehreren Monaten aufgehört, intim zu sein. Der Krieg in Südafrika. —AuS dem vorliegenden Depeschenmaterial läßt sich kein klares Bild der Lage -ei Bloemfontein gewinnen. Wir reihen zum Beweis folgende Nachrichten aneinander: * London, 3. April. (Telegramm.) Die Abendblätter veröffentlichen eine Depesche aus Bloemfontein vom 1. April, wonach die 19. englische Brigade einen Eilmarsch machte, den Schauplatz des Hinterhalts erreichte und den Feind in ein Gefecht zog, der sich eiligst zurückzog. Ein starkes Boerencommando, daS aus Ladybrand in der Richtung auf die Wasserwerke marschirte, ist von der Cavallerie des Generals French nahezu decimirt worden. In Bloemfontein hegt man keinen Zweifel darüber, daß die erbeuteten Kanonen und Wagen zurückgewonnen werden. * Bushman-ko-, 2. April. (Reuter's Bureau.) Die Boeren halten die Wasserwerke noch besetzt. Englische Artillerie beschoß gestern Nachmittag diese Stellung. Als der Feind das Feuer erwiderte, setzte sich das Skropshire-Regiment in Marsch, um die englische Artillerie, die nunmehr vom Gros aus vorrückte, zu decken. Wir verlautet, marschiren kleine Abtheilungeu der Boeren südwärts und ostwärts. * London, 3. April. (Telegramm.) Feldmarschall Lord Roberts telegraphirt aus Bloemfontein unter dem 2. April AbrndS: „Obwohl seit meiner letzten Depesche kein neuer Zu» sammenstoß erfolgt ist, sind unsere Truppen beständig in Fühlung mit dem Feinde geblieben." Das Maßgebendste ist natürlich da« amtliche Telegramm Lord Roberts! Nach diesem ist e« bis zum 2. (Montag) Abends zu einem ernsteren Kampfe nicht gekommen, weshalb die „Decimiruna* eine- starken Boerencommandos sehr cum grana snIM zu verstehen ist. Wäre die Nach richt wahr, so würde Lord Roberts nicht verfehlt haben, das erfreuliche Ereigniß nach London zu melden. Auch mit dem „RLckiug" der Boeren muß eS seine eigene Bewandtniß haben. Weit können sie nicht „in der Richtung auf Ladybrand" zurückgegangen sein, und - kann auch nicht da- Gro« der Boeren gewesen sein, welches man hat abziehen sehen, da nach dem Reuter'scken Telegramm die Boeren am 2. d. die Wasserwerke bei Bloem fontein noch besetzt hielten. Weiterreichende Nachrichten giebt eS aber nicht. Gar köstlich ist auch die Geschichte von den erbeuteten und wiedrrrrbrutetrn Kanonen. „Daily Cbronicle" wollte wissen, dir Engländer hätten sie alle sech öder sieben wieder genommen, dann meldete da« Blatt, nur rwei feien den Engländern in die Hände gefallen und schließ lich kommt e- heraus, daß mau in Bloemfontein Bestimmte« über die Wiedereroberung gar nicht weiß, sondern daß man lediglich an dem freudigen Ereigniß „nicht zweifelt". Zwischen Bloemfontein und Brandfort, also im Norden des englischen Hauptquartiers, ist ebenfalls noch nicht Alles im Klaren. Heute erhalten wir folgende Meldung: * London, 3. April. (Telegramm.) Das „Reuter'jche Bureau" berichtet aus dem Boerenlager bei Smaldeel unter dein 30. März: Ein heißer Kampf fand zwischen Brandfort und Bloemfontein statt. Die Commandos von Ermelo und Wakkerstroom griffen 7000 Engländer an und schlugen sie zurück, indem sie ihnen schwere Verluste beibrachten. In Schmaldeel eingetroffene Verwundete erzählen, daß der Kampf auf der ganzen Linie getobt habe. Die Engläuder gingen wiederholt vor, wurden aber zurückgeschlagen. Die Boeren gewannen an Boden; das Endergebnis des Kampfes ist jedoch unbekannt. Die Boeren hatten 9 Todte und Ver wundete. — Spätere Nachrichten aus Brandfort besagen: 2000 Boeren griffen erfolgreich 3000 Engländer an. Als diese durch 13000 Mann verstärkt wurden, mußten sich die Boeren zurückziehen; sie hatten geringe Verluste. Nun ist aber auch am Sonnabend noch gekämpft worden. Hierüber liegen bestimmte Nachrichten noch nicht vor. Es können also die privaten Meldungen, nach denen die Eng länder schließlich bis Glen zurückgingen, sich doch noch be wahrheiten. Ueberall aber zeigen die Boeren große Actions kraft und machen den Engländern erheblich zu schaffen. Irgend einen Erfolg hat Roberts dis jetzt nicht zu erringen vermocht. Ueber Se» Kampf a» der Modder wird uns aus Lonbon, 2. April, noch geschrieben: Durch vas dichte Netz der englischen Censur hindurch kommen uns diese Nacht in rascher Reihenfolge stückweise Nach richten, welche in ihrem Gesammtbilve kaum einen Zweifel mehr darüber lassen, daß die geschlagenen, geflohenen un'd voll ständig ^emoralilirten Boeren di: Offensive zrgen Lord Roberts ergriffen und diesen nicht nur in die Offensive gedrängt, sondern ihm ein neues Nicholson Nek bereitet Haden, das leicht zu einem zweiten Colenso werden könnte. Das Alles stand geschrieben und wir haben seit Wochen entgegen dem allgemeinen Pessi mismus darauf hingewiesen. Noch gestern Abend, wo statt der heutigen Hiobsbotschaften nur englische Siegesnachrichten Vor lagen, wiesen wir darauf hin, >daß Roberts nicht die Offensive ergriffen, und daß sein scheinbarer Vorstoß nichts als eine De- fensivoperation sei, bestimmt, sich der ihm zu nahe auf den Leib rückenden Boeren zu erwehren und die Bahnlinie freizuhalten. Seitdem hat Roberts' Cavallerie Karee Siding wieder geräumt und sich, wir erfahren das nur ganz nebenbei, nach Bloemfontein zurückgezogen, weil, wie z. B. der Correspondent der „Morning Post" meldet, „die Boeren auch die folgende Nacht hindurch ihre Stellungen zur Linken hielten". Zur Linken, nämlich des Gardelaagers und der Eisenbahn, liegen hinter Karee Siding jene Kopjes, von deren Besetzung durch die „siegreichen Eng länder" auch die gestrigen Depeschen nichts zu melden wußten. Während das am Donnerstag an dec Front geschah, setzten die dort einen Augenblick ihrem Gebrauche gemäß zuvückgehenden Boeren ihre Offensiobewegung in zwei weitausholcnden Flanken märschen fort und schoben sich einerseits bei Paardeberg- Koodosrand-Furth zwischen Kimberley und Bloemfontein (sofern das nicht schon längst geschehen war, denn bereits Anfang der Woche konnten wir über die An wesenheit eines Boerenlagers an dieser Stelle berichten), um dort die Verbindungen des Hauptquartiers mit Lord Methuen ckbzuschneiden und offenbar, nachdem das gelungen, Lord Roberts von dort aus in Flanke und Rücken zu fallen. Gleichzeitig um ging ein anderes Commando den englischen rechten Flügel, welcher noch auf dem Rückzüge von Tabanchu auf Bloem fontein gewesen zu fein scheint. Es war dies die englische Truppe unter Oberst B r o ad w o od, d. h. die zehnten Husaren, die Haushaltcavallerie, die H- und tz-Feldbatterien und die berittene Infanterie Oberst Pilcher's, welche den bekannten Vor stoß nach Ladybrand und Leeuw River Mills gemacht hatten und, dort zurückgeworfen, über Tabanchu retirirt waren. Am Freitag begannen die Boeren den Angriff auf diese Colonne, welche, vollständig erschöpft, am Sonnabend Morgen nach einem fluchtartigen Nachtmarsche südlich der Modder ein Lager be zogen, um den Thieren und Mannschaften Zeit und Ruhe zu gönnen. Aber sofort begannen die Boeren, das Lager von Süden und Osten aus zu bombardiren, und so blieb Oberst Broadwood nichts übrig, wollte er nicht mit seiner gesummten Truppe gefangen werden, als all' seinen Train, und vor Allem seine Geschütze, unter Bedeckung ferner besten Cavallerie auf den Weg nach dem Hauptquartier zu bringen und deren Flucht mit dem Rest seiner Mannschaften, so gut es ging, zu decken. Was aus Oberst Broadwood selbst und den letzteren geworden, ist noch nicht bekannt. Die Uebrigen fanden indeß auf ihrem Wege nach Bloemfontein ihrerseits bereits ein Boerencommando, welches sie, an den Ufern des Flusses versteckt, erwartete, und als sich Artillerie und Cavallerie, ahnungslos, wie immer, in einer Schlucht engagirt hatten, sahen sie sich plötzlich auf allen Seiten von Boeren umringt und fast kampflos zur Uebergabe ge zwungen. Die englischen Bericht« lassen dabei den gesummten Train und sechs Geschütze den Boeren in die Hände fallen und erwähnen befriedigt, daß „die Derluste an Menschenleben nicht groß gewesen sein können, da fast die ganze Colonne sich in der Falle befand, ehe auch nur ein Schuß abgefeuert worden". Ob Oberst Broadwood nicht mehr Geschütze besessen, ist unbekannt. Neben diesen ist allen Anzeichen nach der größte Theil der be- theiltgten Gardecavallerie, der zehnten Husaren und der be rittenen Infanterie Oberst Pilcher's gefangen. Roh berechnet, sollten das etwa 2000 Mann sein, aber bestimmte Angaben fehlen darüber ganz, zumal da noch nicht bekannt ist, ein wie starker Bruchtheik derselben sich etwa unter Oberst Broadwood selbst schließlich gerettet, nachdem ihnen General Colville mit seiner Division zu Hilfe geeilt. Letzteres geschah am Sonnabend Vormittag. General Colville erreichte Busch» manns Kop Mittags, wo er die Boeren in starken Stellungen fand und deren Beschießung begann. Der Kampf scheint sich dann nach allerdings confusen Meldungen auf die ganze Linie ausgedehnt zu haben, welche nach einer Meldung sich über 20 Kilometer weit hinzog, so daß es bei der Plötzlichkeit der Boerenbewegungen den englischen Officieren ganz unmöglich war, die Lage zu übersehen und festzustellen, wo jene eigentlich angriffen. Die Gcfammtlage erscheint aber schon durch die weitere Thatsache genügend beleuchtet, daß General Colville die Boeren in starken Stellungen dicht vor Roodeval fand, welches etwa 9 Kilometer östlich von Bloemfontein auf d:r Straße nach Ladybrand liegt. Die Boeren haben danach jedenfalls die englischen Stellungen bei Bloemfontein in einem weiten Halbkreise, dessen Spitzen sich weit südlich über die Modder bereits hinausstcecken, umklammert, und in den letzten Tagen auf der gejammten Linie Ladybrand bis Fourteenstreams zum Rückzüge und zur Concentrirung auf Kimberley und Bloemfontein gezwungen. (Nach Roberts' letztem Bericht haben die Boeren sich in der Richtung nach Ladybrand zurückgezogen. Wie weit, sagt der General freilich nicht. D. Red.) Die ganze Wahrheit wird uns ja auch jetzt möglichst lange verheimlicht bleiben und das Spiel der falschen Siege wieder beginnen. So bringen die heutigen Morgenblätter farbenreiche Beschrei bungen über den großen Sieg bei Karee Siding, während sie an anderer Stelle selbst melden, daß Karee Siding geräumt worden und die Boeren aus ihren dortigen Positionen nicht verdrängt wurden. Selbst die sonst ziemlich ernste „Morning Post" macht aus dem dortigen Gefecht „Schlacht von Karee"; Julian Ralph treibt die Boeren aus jeder Stellung und läßt sie fliehen und die Engländer „alle Brandfort beherrschenden Hügel besetzen". — „Glaube ich", fügt er allerdings vorsichtiger Weise hinzu. Er weiß auch nur von 100 englischen Verwundeten und Tobten, während die heutige officielle Liste sogar deren schon 191 meldet, eine Zahl, welche offenbar noch wesentlich steigen wird. Spencer Wilkinson, welcher aus hohen englischen Militärkreisen vor züglich über die wirkliche Lage im britischen Hauptquartier unterrichtet zu fein pflegt, muß die Situation als eine febr wenig hoffnungsvolle betrachten, denn er erwartet nicht einmal, daß Lovd Roberts jetzt wenigstens die bei Paarde« berg die Verbindung mit Kimberley umerbrecheitden Boeren von dort vertreiben wird, tröstet sich vielmehr damit, daß Lord Roberts jetzt nicht mehr von der Oranjefluß-Kimberley-Bahn abhängt und schließt: „Das Paardeberg-Commando wird sich zurückziehen müssen, wenn der britische Vormarsch beginnt, und abgesehen von jetzt noch nicht vorauszusagenden Ursachen wird kein Grund vorliegen, eine starke Truppenmacht nach Paarde berg zu senden, um die Boeren dort in ihrer Ruhe zu stören." Beira. Nach dem gestern veröffentlichten Telegramm des „Reuter Bureaus", wonach bereits über den „genauen Weg" verhandelt werde, den Oberst Carringtvn mit seinen Truppen über Beira nach Rbodesien und Transvaal nehmen solle ist kaum mehr ein Zweifel daran möglich, daß der Vertrag Englands mit Portugal thatsächlich den Durchzug der Engländer durch Portugiesisch-Ostafrika von Beira aus gestattet und daß England fest entschlossen ist, diesen Weg auch zu benutzen, um den Boeren in den Rücken zu fallen. Auch folgende Meldung spricht deutlich genug: ' Kapstadt, 2. April. („Reuter s Bureau ") Das Trans- porlschiss „Chicago" geht mit einem Theile des Corps der australischen Buschmänner mit Pserden, Maulihieren und Be triebsmaterial für die rhodesische Eisenbahn nach Beira in Cee. Auch viel Kriegsmaterial und Proviant wird nach Beira geschafft. Es ist ja allerdings wahrscheinlich, daß die portu giesische Concession der Truppenvurchsuhr für England unter ganz anderen Voraussetzungen gegeben ist, wahr scheinlich für den Fall, daß England mit wilden Stämmen in Conflict kommt und also zum Schutze der Cultur und Civilisation der Durchzug seiner Truppen durch daS portugiesische Gebiet wirklich nothwendig ist. Aber die Fassung der Concession wirb wohl so lauten, daß sie auch auf den Boerenkrieg anwendbar ist und wird jeden falls von England so angewendet werden. Fraglich ist nur, ob der Coup den Engländern viel helfen wird — dem wider sprechen einigermaßen die Berichte über die örtlichen Ver hältnisse, die eiuem in Lourern»o MarqueS erscheinenden portu giesischen Blatte vom 24. Februar zugebcn; es heißt da: Kürzlich aus Rhodesia eingetroffene Personen geben Schil derungen von der Lage der Dinge im Norden, die keineswegs glänzend sind. Die Eisenbahn ist nicht mehr bis Bula wayo im Betriebe, der TrauSportverkebr ist ganz eingestellt. Nahrungsmittel sind infolge dessen theuer und selten geworden. Was die Sorgen unserer Freunde dort oben noch vermehrt, ist die überraschende Nachricht, daß eine lange Strecke der Beira-Eisenbabn durch große Ueberschwemiiiungen, welche den Bahnkörper unterwaschen und einige Meilen des Gleises zerstört haben, unbrauchbar geworden ist. Beira selbst hat von den Ueberschwemmungen erheblichen Schaden gelitten. Die Stadt war letzte Woche unter Wasser und viel Eigentbum wurde zerstört. Hunderte von kräftigen Leuten haben Ma schen aland verlassen und es vorgezogen, lieber in ver schiedene Corps in Natal cinzutreten, als unter den bestehen den Zuständen dort zu bleiben. Einer von ihnen, der vor wenigen Tagen diesen Hafen passirte, giebt einen traurigen Bericht von der Lage der Dinge in Bulawayo, Salisbury und anderen Orten von Charterlaod. „Wir reden von Mangel an Nahrungsmitteln hier (da« heißt in Lourentzo MarqueS) und klagen über theueren Lebensunterhalt, aber wir leben einfach in einem Paradiese im Vergleich mit jeuen Leuten, die nicht nnr von der Capcolonie ab geschnitten, sondern auch in Folge der Ueberschwemmungen außer Stande sind, schnell von Beira au-, von wo aus die Eisenbahn eigen- für sie gebaut wurde, Vorrätbe zu erhalten. Folgendes sind die Preise einiger Cvnsumartikel in Bula wayo: Zucker 2 Schilling k Pence pro Pfund, Kaffee 3 bis 4 Schilling pro Pfand, Milch 2 Schilling 8 Pence per Büchse, Käse 3 Schilling pro Pfund, Mehl 50 Schilling pro Sack, Boeren »Tabak 5 Schilling pro Pfnud, lOO'i Stück Cigaretten 60 Schilling, Brod 1 Schilling pro
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