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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.04.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000405016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900040501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900040501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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In Ostpreußen mögen rein wirth- schaftliche Ursachen die Abwanderung in andere Gegenden be dingen, ebenso in Galizien und Ungarn, wo gleichfalls em der artiger Arbeitermangel herrscht, daß -weite Strecken ertrags fähigen Landes nicht in Cultur genommen werden können. Alle Maßregeln, die man in Deutschland bisher gegen die Arbeiternoth der Landwirthschaft ergriff, haben nur geringen Erfolg gehabt. Es ist vorläufig kein legaler Weg bekannt, um zu erheblich besseren Zuständen zu gelangen. Socialpolitit und Gesetzgebung stehen völlig rathlos da; selbst die empfohlenen, in einer Beschränkung der Freizügigkeit gipfelnden Zwangsmaß regeln würden den gewünschten Erfolg nicht haben. Man hat viel fach geglaubt, der Nothstcmd sei sehr wesentlich auf das Fehlen einer zweckentsprechenden Arbeitsverm-ittelung für landwirthschaftliche Hilfskräfte zurückzuführen. Diese Annahme hat insofern eine gewisse Berechtigung, als umsichtig und nach socialen Erwägungen geleiteten Vermittelungsstellen unter den heutigen Verhältnissen auch die Aufgabe zufällt, die Stellungsuchenden über die unsicheren wirihschaft- lichen Daseinsbedingungen uitd die Abgründe der Groß stadt wahrheitsgemäß aufzuklären und Landflüchtlinge wenigstens zu einer nochmaligen ernsten Erwägung des oft un bedachten Schrittes vom Dorf in die Stadt cmzuregen. Nach derartigen Grundsätzen werden jedoch kaum jemals die noch immer sehr zahlreichen Privatvermittler, sondern nur die nach gemeinnützigen Principien geleiteten Bermittelungs - An stalten arbeiten. Um über die in Sachsen bestehenden Arbeitsvermittelungs- Anstalten Zahlenmäßiges zu erfahren, hat das sächsische Mi- insterium des Innern das sächsische statistische Bureau 1894 m-st entsprechenden Erhebungen beaustixrgt, die sich leider nur auf Orte erstreckten, die über 2000 Einwohner besaßen. Schon aus diesen Erhebungen ging hervor, daß die Zahl der im Dienste der sächsischen Landwirthschaft thätigen Arbeitsvermitte lungsanstalten in Orten mit über 2000 Einwohnern eine äußerst geringe war, und aus anderen Quellen wissen wir, daß sie auch in den kleineren Orten kaum nennenswerth ist. Mit der Or ganisation des ländlichen Arbeitsnachweises hat sich, nachdem die Ergebnisse jener Erhebung bereits Vorlagen und in anderen Staaten mehrfach organisatorische Schritte zur Bekämpfung des Leutemangels gethan worden waren, im November 1896 auch der sächsische Landesculturrath beschäftigt. Er hat damals be schlossen, den landwirthschaftlichen Kreisvereinen zu empfehlen, im Sinne der Beschlüsse des deutschen Landwirthschaftsraths die Errichtung von ländlichen Arbeitsnachweisstellen unter Leitung von landwirthschaftlichen Sachverständigen energisch in Angriff zu nehmen. Weiter hat er an die sächsische Staatsregierung das Ersuchen gerichtet, daß für gewerbsmäßige Arbeitsvermittler, namentlich für Gesindemakler, die Conceffionspslicht eingeführt werde. Der letztere Wunsch ist bekanntlich durch eine entsprechende tlenderung der Reichsgewerbeordnung erfüllt, der erstere Be schluß hat jedoch die landwirthschaftliche Arbeitsvermittelung in Sachsen nicht wesentlich beeinflußt. In der Hauptsache ist Alles beim Alten geblieben. Die Or ganisation einer umfangreichen ländlichen Arbeitsvermittelung scheitert in Sachsen an der Theilncchmlosigkeit der Landwirthe selbst. In Zwickau besteht seit einer Reihe von Jahren mit gutem Erfolge die von landwirthschaftlichen Vereinen begründete landwirthschaftliche Arbeiter- und Dienstboten-Genossenschaft, die als Mittelpunct des landwirthschaftlichen Arbeitsnachweises für die dortige Gegend dient; in den Ortschaften des Plauenschen Grundes bei Dresden hatten mehrere landwirthschaftliche Vereine eine Arbeitsvermittelungsstell« begründet, die wieder ein- gegamgen ist; auch eine von Landwirthen der Bautzener Gegend in das Leben gerufene ähnliche Anstalt hat sich wieder aufgelöst, ebenso sind mehrere andere Versuche zur Organisation des ländlichen Arbeitsnachweises in Sachsen erfolglos geblieben. Mit Umsicht und Eifer ist seit einigen Jahren jedoch di« „ S a ch s e nstif t u n g " bemüht, der Landwirthschaft Arbeiter zuzuführen. Diese Stiftung ist bekanntlich aus dem königlich sächsischen Militärvereinsbunde hervorgegangen. Sie besteht seit dem 22. März 1897, dem 100. Geburtstage des alten Kaisers Wilhelm. Unter dem Protektorate des Königs Albert und des Prinzen Georg beschäftigt sie sich mit unentgeltlicher Arbeits vermittelung für entlassene Soldaten. Gegenwärtig bestehen an sämmtlichen Sitzen von Amtshauptmannschaften Geschäfts stellen der Stiftung, außerdem aber zur Erleichterung des Ver kehrs noch zahlreiche Nebenstellen. Um den Zug nach der Groß stadt nicht zu unterstützen, werden von der Stiftung Stellen in Dresden, «Leipzig und Chemnitz nicht nachgewiesen. Die Be strebungen der Stiftung -haben sich der kräftigen Unterstützung der sächsischen Militärbehörden zu erfreuen. Schon Monate vor der Entlassung werden die Leute in den Jnstructionsstunden von Officieren und Unteroffirieren und später bei den Ccmtrolver- sammlungen über die Benutzung des Arbeitsnachweises der „Sachsenstiftung" bekehrt. In jedem Compagnie-, Escadrons- und Batterie-Geschäftszimmer, sowie auf jedem Bezirkscom- mando und Meldeamt hängt ein A-dressenverzeichn-iß sämmt- licher Geschäftsstellen -der „Sachsenstiftung" aus. Jedem Re servisten wird auf Veranlassung der letzteren 'schon bei der Truppe eine Bekehrung für Arbeitsuchende ausgehändigt, in der die Vortheile des Lebens und der Arbeit auf dem Lande aufge- führt und di« Rückkehr zur landwirthschaftlichen Beschäftigung den ihr ehemals angehörigm Reservisten dringend gerathen wird. Der Erfolg ist trotz diosrs Eifer» ein völlig unbefriedigender. Zwar hat di« Stiftung »m vorigen Jahre 1278 und seit ihrem Bestehen 6905 stellungsuchende Reservisten unt«rbring«n können, von ihnen jedoch verhaltmhmaßig wenige in der Landwirth schaft. Es ist bemerkenSwe-rich, wie diese Thatsache durch die Ver treter der „Sachsenstiftung" in der in München abgehaltenen Con- ferenz der Arb«t»nachw»ise erklärt wurde. Herr Professor vr. Poeschel führt« dort aus, daß der Militärdienst der Landwirthschaft einen großen Theil der Arbeiter nicht nur vor übergehend, sondern dauernd entziehe, und checkte folgende Er fahrungen mit, oie er bei der „Sachsenstiftung" gemacht hat: Da die Truppen aus taktischen Gründen auf die Städte con- centrirt Müden müssen, so werden die j-ungen Leute durch -das dort herrschende Leben dem Lande ent fremdet. Wer vom Pfluge und Stalle tveg zum Militärdienst gekommen ist und dort 2—3 Jahre gedient hat, mag m -der Regel aus der Stadt nicht wieder hinaus. Am auffallendsten zeigt sich dieses bei den Reservisten der Kavallerie regimenter. Wenn Einer mehrere Jahre hoch zu Roß gesessen hat, so wünscht er, wenn er im Herbst entlassen wird, allenfalls eine Stell« als herrschaftlicher Kutscher oder Diener, am liebsten aber einen „Vertrauensposten", ohne eine klare Vor stellung von einem solchen zu haben, in der Meinung, er brauche dann nicht wieder schwere Arbeit zu verrichten. Wenn diese Re servisten eine solche Stelle nicht gleich erhalten -können, thun sie lieber Wochen, ja Monate lang gar nichts, als daß sie eine -der vielen freien landwirthschaftlichen Stellen annehmen. — Diese Erfahrungen des Herrn Professor vr. Poeschel bestäti gen, daß, in Sachsen wenigstens, die Abneigung gegen schwere und grobe Arbeit, das Stroben nach einer verfeinerten 'Lebens führung, der Wunsch, eine im Vergleich mit der landwirthschaft lichen Arbeit höhere Stelle auf der socialen Stufenleiter einzu nehmen, wesentliche Ursachen der Leutenoth auf dem Lande sind. Gemeinnützige und von socialen Gedanken geleitete Arbeitsver mittelungsanstalten werden viel dazu beitragen können, über triebene Hoffnungen der stellesuchenden Landflüchtigen auf das richtige Maß herabzustimmen und diese durch Aufklärung über den falschen Glanz des Stadtlebens wieder -in die Dörfer zurück zuführen. Aufklärung und Verbesserung -des ländlichen Arbeiter daseins sind die besten Mittel zur Beseitigung der -Leutenoth. Die Wahrheit über die europäischen Einflüsse in Pet-ing. Nachdruck verbolen. Von der höchsten Bedeutung für das Derständniß der auch für Deutschland so wichtigen chinesischen Politik ist ein richtiges Urtheil über 'das Jntriguenfpiel am Pekinger Hofe. Die „Welt-Corresp." ist in der Lage, von ihrem mit den bezüglichen Verhältnissen auf das Gründlichste vertrauten Herrn Mitarbeiter in Peking eine Darstellung darüber zu bringen, die als authentisch angesehen werden darf und um so interessanter ist, als sic manche festgewurzelten Auffassungen über chinesische Politik sehr wesentlich berichtigt. Der vom 18. Fe bruar -datirte Bericht lautet: In deutschen Zeitungen ist immer wieder davon die Rede, daß der russische und der englische Einfluß in China einander bekämpften. Z. B. wird der „Staatsstreich" vom September 1898 vielfach als ein Triumph der russischen und als eine Niederlage der englischen Politik angesehen; wahrschein lich werden auch die neuesten Vorkommnisse am Pekinger Hofe in demselben Lichte erscheinen. Demgegenüber kann auf das Bestimmteste versichert werd«», daß sowohl die russische, wie die englische Gesandtschaft von der Ein setzung eines Thronfolgers ebenso überrascht worden sind, wie alle Anderen, und daß an der Herbeiführung dieser Erkignisse die Russen ebenso unschuldig gewesen sind, wie die Engländer keinerlei Versuche gemacht haben, sie zu verhindern. Eine nähere Beleuchtung der hiesiacn Ver hältnisse dürfte zeigen, daß von einem ständigen Einflüsse eine: oder mehrerer Mächte in China nicht gut die Rede sein kann. Ein dauernder Einfluß kann nur dadurch auf eine fremde Negierung a-usgeübt werden, daß diese erbetene Rathschläge oder ihr naheg«legte Anregungen annimmt. Auf die jetzige chinesische Regierung machen aber Anregungen, selbst wenn sie noch so dringend vorgebracht werden, nicht den geringsten Eindruck; Rathschläge erbittet sie nur, wenn ihr das Messer an der Kehle sitzt; sie befolgt sie aber auch dann nicht. Sie ist Vernunft gründen ebensowenig zugänglich, wie die sentimentalen Er wägungen; Drohungen sind daher das einzige Mittel, auf sie einzuwirken; di« Angst vor Repressalien bringt sie allein zum Nachgeben. Der hochmüthigen Selbst überhebung und der kaum verhehlten Verachtung der auswärtigen Barbaren, die früher für den Verkehr Chinas mit dem Auslande bestimmend waren, sind jetzt tiefeS Mißtrauen, Furcht vor dem Gespenst der Auftheilung, Besorgniß vor Intervention und unausrottbarer Haß gefolgt. Trotz aller honigsüßen Versiche rungen der immer enger werdenden freundschaftlichen Be ziehungen, die bei jeder Gelegenheit ausgetauscht werden, ist und bleibt China durch eine unüberbrückbare Kluft der Abneigung, durch Rassenverschiedenh«it und Mangel an gegenseitigem Ver- ständniß vom AuSlande getrennt. Da» Vertrauen chinesischer Staatsmänner zu gewinnen, ist bisher nur in einzelnen seltenen Fällen wenigen Europäern gelungen. Zu diesen Ausnahmen gehörte Herr von Brand, der bis. 1893 deutscher Gesandter war, und auch der General-Zoll-Jnfprctor Sir Robert Hart. Da der Letztgenannte trotz aller Loyalität gegen seinen Brodherrn, den Kaiser von China, im Grunde seines Herzens doch zunächst Engländer ist und stets englische Interessen berück sichtigt hat, konnte durch ihn die en g l i sche G e s a n d t sch a f t einen gewissen Einfluß auSüben. Da aber Sir Robert Hart zu Denjenigen gehörte, die im Jahre 1894 zur Aufnahme des von den Japanern hingeworfenen Fehdehandschuhes riethen, wird er seit dem unglücklichen Ausgange des Krieges nicht mehr um seine Meinung gefragt; seine wohlgemeinten Rathschläge verhallen ungehört. Gegen England greift ein immer tiefer werdende» Mißtrauen Platz, da den Chinesen allmählich ein Licht über di« Absichten der Eng- länder auf da» ?>angtf«.THal aufzugehen beginnt. Dir bevor- stehende Errichtung einer 10 000 Mann starken, im unteren Aangtse-Thale zu stationirenden Truppe bezweckt die Abwehr der englischen Eroberer. Die Mißerfolge der britischen Truppen in Südafrika sind den Chinesen wohlbekannt, sie schließen daran», daß England nicht länger gefährlich sei. (DaS ist nun wohl nicht mehr ganz zutreffend. D. Red.) Trotz der achtung gebietenden Anzahl von großbritannischen Krieglschiffen in chinesischen Gewässern existirt ein ständiger englischer Einfluß in Peking nicht. So lange Li-hung-chang's Stimme in auswärtigen Angelegenheiten den Ausschlag gab — von seiner Rückkehr von der Krönung des Zaren bis zu seiner Entfernung aus dem Tsunz-li-Aamen — konnte man einen starken russischen Einfluß verspüren. Denn Li-hung-chang war durch die in Moskau entfaltet« Pracht so geblendet wovden, er hatte einen solchen Eindruck von der selbstherrlichen Macht des Zaren er halten, auch der ihm feierlich gegebenen Versicherung, Rußland werde China nie einen Fußbreit Landes wegnehmen, so fest ge glaubt, «daß er vollständig im Bann des russischen Einflusses war. Wie weit das plötzliche Anwachsen seines Contos in der russischen Bank dabei mitgewirkt hat, mag hier unerörtert bleiben. DaS Verhalten Chinas Rußland gegenüber erinnerte damals an den hypnotischen Zustand, der von einer Cobraschlange fascinirten Beute, die regungs- und willenlos das Verschlucken über sich ergehen läßt. Eine Zeit lang war also Rußlands Wille für China Gesetz. Im Jahre 1898 folgte die P e r i o d e de r C o n- cessionen, während welcher di« chinesische Regierung die Fähigkeit, nein zu sagen, überhaupt verloren zu haben schien. Diese paradiesische Zeit für Syndikate aller Art schloß mit dem italienischen Abenteuer ab. Der Mißerfolg der Italiener steifte dem Tsung - li - Damen den Rücken; die Regierung fiel in die alte Verneinungs- und Verschleppungspolitik zurück. Nach wie vor kann die chinesische Regierung nur durch Drohungen ge fügig gemacht werden; ihr Widerstand richtet sich genau nach der mehr oder minder gefahrdrohenden Bereitschaft der Machtmittel der anderen Partei. Es ist naturgemäß, daß die Drohungen Rußlands, das mit einer mehrere Tausend Meilen langen Grenze wie ein heradgleitender Gletscher auf China drückt, mehr Gewicht haben, als die irgend einer anderen Macht. Ob nun aber durch die philanthropischen Gesinnungen des russischen Kaisers auch -die Sprache des russischen Gesandten mildernd beeinflußt wird, oder worin sonst der Grund zu suchen ist, — Thatsache ist, daß, obgleich die sibirische Eisenbahn sich ihrer Vollendung nähert und in Port Arthur eine stark« Garnison steht, die jeden Augenblick auf Peking losmarschiren kann, ob gleich ferner die Russen auch nach der Entfernung Li-hung- chang's in Hs'ü-ching-chvng, dem früheren Gesandten in Berlin und Petersburg, im Tsung-li-Uamen ein willfähriges Werkzeug besitzen, die chinesische Regierung jetzt auch den russischen Forderungen zähen Widerstand entgegensetzt. So konnte z. B. die erstrebte Concession für den Bau einer russischen Eisenbahn von Mukden nach Peking bisher nicht erreicht werden; auch ist das früher gegebene Ver sprechen, in der Provinz Chihli nur russische Militär-Jnstruc- teure zu engagiren, durch die Anstellung von japanischen Lehrern an der in der Errichtung begriffenen Militärschule in Peking gebrochen worden. Um nun gar auf die G e s ch e h n i s s e b ei Hofe Einfluß z-u gewinnen, müßte die russische Vertretung in die Absichten der handelnden Personen eingeweiht sein; da dies aber eingestandener Maßen weder 1898 noch jetzt der Fall war, kann auch voneinem Siegeder russischen Politik nicht die Rede sein. Der Krieg in Südafrika. Lord Roberts hatte sich empfindlich getäuscht, als er meldete, die Boeren seien von Bloemfontein, nackdem sie die Wasserleitung demolirt, iu östlicher Richtung wieder abgezogen. War schon der Ueberfall bei Tabanchu nur möglich, weil der Aufklärung^ und Sicherheitsdienst der Engländer ein unbegreiflich miserabler, ja gleich Null war, so sehen sie, wie Privatberickte melden und amtliche Tele gramme zum Theil bestätigen, sich jetzt plötzlich, also wieder unerwartet und unvermuthet nicht bloS von der einen Seite angegriffen, sondern von allen Seiten durch hcranrückende Boerencommandos bedroht. Mit einem Schlage hat sich die Lage geändert: Lord Roberts ist nicht mehr der angreifende, sonder» der angegriffene Theil, er sieht sich genöthigt, seine gesammten Streitkräfte von der Peripherie zurückzuziehen und auf die Stadt Bloemfontein zu concentrircn, und muß gewärtig sein, hier, also in einer für die Vertheidigung so gut wie gar nicht sich eignenden Position, von den Boeren angegriffen zu werden. Man meldet unS: * London, 4. April. (Telegramm.) Sine Bloem fontein er Drahtmeldung der „Times" vom L. April besagt, der Feind sei in beträchtlicher Stärke in der Nachbarschaft und halte die Wasserleitung besetzt. Tas Frsatzcorps von Bloemfontein war außer Stande, die verlorenen beschütze und Wagen wieder zn erlangen. An Folge AnftauchenS feind licher «rnppen an ihrer nördlichen Flanke habe sich die Gntfatzeolonnc auf der Stratze von Thabrntschu nach Bloemfontein, die Tivifion Colville s von ihrer Stellung am Modder, die sie Sonnabend inne hatten, gleichfalls nach Westen rnrückgezoge». — Eine vloem- fonteiner Trabtmridung des „Standard" besagt: Tie neunteTivtsto» und French's Eavalierte versuchten die Boeren zu umzingel», aber zogen sich nach einer starken Steilung zurück; als General Lolville fand, datz der Feind über Treuzotgefchütze verfüge, br- fchiotz er, ihn nicht anzngretfen nnd kehrte nach Buschmanskop zurück. French behalte indetz Fühlung mit de» Boeren. — Tie Stimmung »er Londoner Tagedprelse ist wenig optimistisch. „Standard" sagt, Lord Robert» stehe im Herzen de» Freistaates mit einer Armee, die wohl die ganze männliche Bevölkerung der beiden Republiken an Zahl übersteige, doch scheine er keineswegs festen F»tz selbst in de« Gelände »wischen den Flüssen Oranje und Modder ge fotzt zn haben, sonst würden die Boerencommandos, die sich t« Süden ansammeln, und die starken KeindeSmaffen rings um die Hauptstadt »«erklärlich sei». Ta» Ende de» Krieges lasse sich noch gar nicht ab sehen. (Voss. Stg.) k. London, 4. April. (Privattelegramm.) Frcnch'S Lavallerte»Brigaden, sowie die neunte und siebente Tivision räumten sämmtliche Stell ungen jenseits Rheuostcr-Spruit. Angesichts der drohenden UmaehungSbewegungen des Feinde» gaben sie Klipdrift, Rodeval, Springfield und Nietfontetn auf und kehrte» nach Bloem fontein zurück, nur kleine Beobachtung» - Tetache- mentS antzrrhalb des Hauptlagers lassend. Tie angekün- Sigte Schlacht wird danach nicht mehr erwartet. (Wdrhlt.) * Bloemfontein, 2. April. („Reuter s Bureau ") Die Division Colville und die Cavallerie Arench'S sind hierher zurnckgekehrt. Alles ist ruhig. TieZer- ftörung -er Wasserwerke wird grotzc Unbequem lichkeiten verursachen; cS wird nöthig sein, mit dem Wasser zum Baden sparsam nmzugchen. Jedoch ist reich licher Borrath an Trinkwasser vorhanden. Die Bemerkung „Alles ist ruhig" muß nach dem vor stehenden Privattelegramm als antiquirt angesehen werden; sie daiirt vom 2., jenes vom 4. April. — Der Rhenoster- spruit entspringt südöstlich von Bloemfontein, etwas südlich von Rietsontein, Springfield liegt östlich von Bloemfontein an einem Nebenflüßchen des Rhenosterspruit. Zn dieser Gegend sind auch die anderen Orte zu suchen. So zeigt sich denn beute der Ueberfall bei den Wasserwerken von Bloemfontein aus daS Klarste als nur ein kleines Stück eines großen Gesammt- planes — der Offensive der Boeren. Nach englischen Berechnungen sind am Sonnabend und Sonntag plötzlich nicht weniger als 15—20 000 Mann derselben um und vor Bloem- tein erschienen, Ziffern, welche natürlich wieder übertrieben sind, gerade wie wir das früher jedes Mal erlebt haben, wenn es sich um englische Mißerfolge handelte. Lord Roberts selbst beziffert den auf der Straße von Ladydrand-Tabanchu herangezogenen und jetzt die Wasserwerke der Stadt besetzt ballenden Feind auf 8—10 000 Mann, diejenigen der im Norden über Karee Siding herabgekommenen Commandos auf 5—6000 Bewaffnete, das Commando bei Paardeberg auf ebensoviel, weitere 6000 Mann läßt er von Fourteen Streams herab gegen seine Stellungen vorrücken und eine ganze Anzahl kleinerer CommandoS von Osten und Westen her, meist in südlicher Richtung, operiren. Das allein gicbt schon reichlich 30 000 Boeren, während dock deren Hauptmacht bei Brandfort und Kroonstad stehen und üb«r- baupt Alles in Allem kaum 30 000 Mann umfassen sollte. Offenbar haben wir es bei den gemeldeten Zusammenstößen erst mit den Avantgarden der Föderirten zu thun; um so auffallender ist eS, daß sich sämmtliche Generale Roberts' nach einander und im Osten, Westen und Norden vor diesen Spitzen der Commandos zurückzirhen mußten. Daß Oberst Broadwood sich dabei, obwohl er auf einem fluchtartigen Rückzüge vor dem Feinde war, wieder von diesem vollständig überraschen und den besten Theil seiner Geschütze Wegnehmen ließ, zeigt dabei wieder, daß die Dinge sich keineswegs geändert und mindestens ein Theil der englischen Officiere wenig oder nichts gelernt bat. Die englische Presse selbst erkennt daS nicht ohne Bitterkeit an, wie das Menetekel vom vergangenen Sonn abend sie denn auch hier und da recht kleinlaut stimmt. Der „Standard" verfällt dabei sogar in den Ton de- Selbst- dohneS, indem er schreibt: „Bor vierzehn Tagen erwarteten wir beinahe schon die Capitulation der Transvaal und rechneten mit Zuversicht auf daS Ende unserer Sorgen und Mühen. Vorige Woche beglückwünschten wir uns noch dazu, daß der Freistaat erobert sei. Jetzt ist der Feind wieder thätig u. s. w. nicht nur in den von un» noch nickt erreichten Gegenden, sondern selbst im Süden. Herr Krüger hat versprochen, Bloemfontein wieder zu nehmen und die trotzigen BurgherS scheinen r- von allen Seiten einzukreisen. Andere werden jetzt ungeduldig und fordern die sofortige Absetzung all der höheren Officiere, welche fick als unfähig erwiesen und immer noch die Soldaten in „die bekannten Todesfällen der Boeren blindlings hinein führen." „Daily Cbronicle", das in seinem Eifer, durch einen ostentativen Hyper-PatriotismuS die verlorenen Annoncen wiederzuerhalten, selbst die „Daily Mail" in den Schatten stellt, hatte sich bereits Montag Morgen ein Kabeltelegramm kommen lassen, in welchem die verlorenen Geschütze wieder gewonnen wurden. Um so bitterer war die Enttäuschung, als sich auch dieser Trost al- nichtig erwies. Dieser kleine Krieg gegen die Boeren hat der englischen Armee heute bereit mehr Geschütze gekostet, als irgend einer der großen Con tinentalkriege des letzten Jahrhundert-, d. h. seit 1783. Sie haben 23 Kanonen in offenem Kampfe verloren und den Boeren in gleicher Weise auch nicht ein einzige» Geschütz ab genommen. Die fünf bei Paardeberg erbeuteten, übrigens leichten Geschütze, fielen ihnen bei der Capitulation Cronje's in die Hände. Ter Ueberfall bei den Wasserwerke». Prevost BatterSby, Eorrespondent der „Morning Post", läßt den Ueberfall bei Sanna» Post stattfioken und legt dir Wasserwerke 4>/r lcm westlich von der Modder und 2 km östlich von dem Koorn Spruit. Die Artillerie der Boeren befand sich auf der Ostseite de» BivouacS, wäbrend deren Schützen gleichzeitig von drei Seiten da» Feuer eröffneten. Sannas Post nennt er die „Pump station der Wasserwerke Bloemfonteins"; „die Streit kräfte", schreibt er, „welche am Freitag von Tabanchu zurückgegangen waren, nachdem der vorgeschobene Posten von Ladybrand zu ihnen gestoßen, campirtrn bei Sann Post, um die Wasserwerke zu schützen. (Der Hauptzweck war also dieser Sckutz der wichtigen Werke und nicht etwa, wie es bisher hieß, der einfache Rückzug auf da» Hauptquartier.) Bei Sonnenaufgang weckte un- ein heftiges Bombardement, unser Train wurde rasch ringespannt und mit der Cavallerie westlich gegen Bloemfontein abgeschickt. Inzwischen besetzte die berittene Infanterie und Cavallerie einen Höhenzug, um den Rückzug zu decken. Der Trainrug war kaum 200 m entfernt und unsere Leute noch beschäftigt, ihr Früh stück zu essen, al- der Feind au- einer Donga in der Front kaum 60 m von dem Convoy entfernt da- Feuer eröffnete. Die Mannschaften der leitenden Truppe von Robert»' Horse wurden au- ihren Satteln gefegt. Verwirrung folgt«,
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