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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.02.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000223020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900022302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900022302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Universitätsstraße 3 (Paulinum^, Louis Lösche, kathariuenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. 88. Abend-Ausgabe. eiMger TaMalt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes un- Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzetgen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 2V Pfg. Reklamen unter demRedactioasstrich (4ge- spalten) 50 H, vor den Familiennachrichiea (6 gespalten) 40^. Größere Schristcn laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbeförderuug 70.—. ^nnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expeditioa zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Freitag den 23. Februar 1900. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. Februar. Bei der gestrigen Beratbung des Militäretats im Reichstage hat der Kriegsminister v. Goßler erfreulicher weise die meisten der von socialdemokratischer Seite erhobenen Beschwerden als grundlos oder wenigstens ungebührlich auf gebauscht zurückgewiesen; in einem Falle aber, der den Reichstag schon im vorigen Jahre beschäftigt hat, gelang ihm dies nach dem Urtheile selbst solcher Mitglieder des HanseS, die jeder Zeit dem militärischen Standpnncte alle berech tigten Zugeständnisse gemacht haben, nicht. Es ist der „Fall Briese". Der Tbatbestand ist folgender: Bor dem Schöffengericht in Marienburg war als Zeuge ein Maurer polier Namens Briese aus Elbing in seiner Uniform als Lazaretbgefreiter der Reserve erschienen; nachdem er ver eidigt worden, begann er die Darstellung des Vorfalls, der den Gegenstand der gerichtlichen Verhandlung bildete, damit, daß er erzählte, er sei an dem fraglichen Tage nach MarkuShof gekommen und habe dort socialdemokratische Flugblätter vertheilt. Darauf richtete der Schöffenrichter auf Antrag des Amtsanwalts an den Zeugen die Frage, ob er sich als Socialdemokrat bekenne oder der socialdemo kratischen Partei angehöre. Briese, den diese Frage offen bar in Verlegenheit setzte, wollte nicht recht mit der Sprache heraus, so daß der Richter sich veranlaßt sah, ihn auf seinen geleisteten Eid und seine Zeugnißpflicht hinzuweisen, und hierauf erst erwiderte der Zeuge: „In Civil, ja." Als die Militärbehörde hiervon durch einen allerdings provocirendeu Artikel eines socialdemokratischen Blattes Kenntniß erhielt, bestrafte sie Briese mit lltägigem strengen Arrest, weil kein Soldat socialdemokratische Aeußerungen thuu dürfe. Im vorigen Jahre batte der Kriegsminister, als diese Ver- urtheilung zur Sprache gebracht wurde, geantwortet, die Sache wäre anders gewesen, wenn Briese seine Antwort unter dem Eide abgegeben habe. Diesmal war sestgestellt, daß Briese unter dem Eide stehend geantwortet hatte. Und doch hielt Herr v. Goßler daran fest, das; Briese mit Recht verurtheilt worden wäre; er hätte seine Auskunft verweigern können, weil er bätte wissen müssen, daß sie ihn strafbar machen würde. Nach tz 51 der Strasprcceßordnung darf aber ein Zeuge die Beantwortung von Fragen nur dann verweigern, wenn „sie ihm die Gefahr 'strafrechtlichr Verfolgung" zuziehen würde. Bei Briese handelte es sich aber nicht um die Gefahr einer strafrechtlichen, sonder» nur um die einer diSciplinargerichtlichen Verfol gung, und diese Gefahr berechtigt zur Zeugnißverweige- rung nicht. Briese mußte also die ihm gestellte Frage beantworten und er mußte sie der Wahrheit gemäß beant worten, wenn er sich nicht des Meineids schuldig machen wollte. Ob der Richter seine Frage stellen mußte, kann unsres Erachtens unerörtert bleiben; es kommt lediglich darauf an, ob es recht und billig ist, einen Menschen wegen einer Gesinnung zu bestrafen, zu deren Bckennung er gezwungen war. Hätte die Militärbehörde, nachdem ihr Briese's Aussage bekannt geworden war, den Mann unter scharfe Aussicht genommen und ihn dann bei der ersten Bethätigunz seiner staatsfeindlichen Gesinnung streng bestraft, so würde daran außer der Socialdemokratic schwerlich Jemand Anstoß genommen haben; aber die Strafe ohne eine Betbätignng eines erzwungenen GesinnuugS- bekenntnifseS zu verhängen, ist unseres Erachtens nicht zweck dienlich und kann nur dazu dienen, den socialdemokratische» Agitatoren den hetzerischen Gewerbetrieb zu erleichtern. Die königl. sächsische Regierung hat gestern in ihrer Beantwortung der Interpellation wegen des Bergarbeiter ¬ streiks die Erklärung abgegeben, daß sie mit Arbeiteraus schüssen verhandeln und die Beilegung des Streiks ver mitteln wolle, sowie daß die Aus Weisungsverfügung gegen ausländische streikende Bergarbeiter zurückgezogen sei. Die sächsische Regierung stellt sich damit auf einen Standpunkt, der in natioualpolitischer Beziehung durch aus auf Zustimmung Anspruch hat; denn der Berg arbeiterstreik hat nicht nur in dem Sinne eine weit über die sächsischen Grenzen binausgehende Bedeulung, daß seine Folgen im gesammten WirthschaftSleben des Reiches sich fühlbar machen, sondern er verdient auch vor Allem im Hinblick auf die Flottenvorlage Beachtung. Niemand wird heute mit Sicherheit behaupten, die Flottenvorlage sei bereits im Hasen der Annahme angelangt. Vielmehr muß nach wie vor mit der Möglichkeit einer Reichstagsauf lösung gerechnet werden. In Rücksicht aus letztere hat der Anschein bedenklich stimmen müssen, als ob die sächsische Re gierung gegenüber dem Bergarbeiterstreik sich auf einseitige Repressiv - Maßnahmen beschränken wollte, die zum Theil ungerechtfertigt und unhaltbar waren. Wir denken dabei nicht an die verständige Anordnung, daß sämmtliche öffent liche Schank- und Gastwirtbschaften in gewissen Bezirken von >/zl l Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens für allen Verkehr geschlossen bleiben müssen und daß die Abhaltung öffentlicher Tanzmusiken zu unterbleiben bat: beide Maßnahmen sind in Anbetracht der aufreizenden Wirkung, die für viele Arbeiter der WirthshauSbesuch hat, durchaus gerechtfertigt. Aber die Verfügung der Amtshauptmannschaft in Glauchau, alle aus ländischen, am Ausstande betheiligtcn Bergarbeiter müßten binnen 24 Stunden die Arbeit wieder aufuehmen, widrigenfalls sie unverzüglich ausgewiesen würden — eine solche unhaltbare Verfügung konnte lediglich verbitternd wirken. Die Dresdner Negierung hat jetzt den Mißgriff einer unteren Verwaltungs behörde aus der Welt geschafft und damit, sowie durch die Erklärung der Bereitwilligkeit, vermittelnd einzugreifen, der Socialdemokratie einen AgitationSslofs entzogen, der bei einer Reichstagsauflösung sehr bittere Früchte getragen hätte. Deshalb gebührt der Dresdner Negierung für ihr von nationalpolitischen Gesichtspuncten wohl nicht unbeeinflußtes Verhalten die allgemeinste An erkennung. Hoffentlich wird die preußische Regierung gegenüber dem Bergarbeiterstreik im Bezirke Halle eine ähn liche Haltung, wie das Dresdner Ministerium eir.n-l mc... Die Entschiedenheit, mit der vorgestern der Reichs kanzler Fürst ;n Hohenlohe im Reichstage der Aufhebung des Dictaturparagraphcn entgegengetreten ist, läßt auf alles Andere eher, als auf AmtSmüdigkeit schließen. Trotzdem halten eS einige Blätter für angczeigt, im Anschluß auf die von dem ersten Vicepräsidcntcu des Reichstages, Herrn vr. v. Frege-Weltzien, bei der Generalversammlung des Bundes der Landwirthe gehaltenen Rede Vermuthungen über den „starken Mann" zu äußern, der dem greisen Fürsten folgen werde. Zu diesen Blättern gehört auch die „Franks. Zlg", die sicherlich am wenigsten in der Lage ist, die Gedanken des Hauptes zu errathcn, in dem einmal diese Frage zur Entscheidung kommt. Trotzdem halten es die „Berl. N. Nachr", deren Beziehungen zu einflußreichen politischen Kreisen bekannt sind, für angezeigt, den Phantasien des Frankfurter Demokraten-BlatteS mit folgender Auslassung entgegenzutreten: „Unter dem Aktenzeichen „Der Reichskanzler der Zukunft" eröffnet die „Franks. Ztg." eine Untersuchung „wider Unbekannt", d. h. wider den noch unbekannten Reichskanzler, den jüngst der Abg. v. Frege bei der Generalversammlung des Lundes der Land wirthe im Circus Lusch feierte. Ter „Franks. Ztg." kann nicht unbekannt sein, daß in parlamentarischen und andern poli tischen Kreisen, hier wie in Straßburg, der jetzige Statt halter der Reichslande, Fürst Hohenlohe-Langenburg, als Nachfolger des jetzigen Herrn Reichskanzlers gilt, sobald dieser—was hoffentlich noch lange nickt der Fall ist — den Zeitpunkt für ge- kommen erachtet, sei» Amt aufzugebeu. Tie Statthalterschaft in Straßburg würde dann auf Len Prinzen Adolf zu Schaum burg-Lippe übergehen. Ob diese Annahmen sich iu Zukunft als begründet Herausstellen werden, ist heute schwerlich mit Sicherheit zu übersehen, in vielen Kreisen wird an ihre Richtigkeit positiv geglaubt. Ob diesem „Reichskanzler der Zukunft" die Wünsche des Abg. v. Frege gegolten haben, ist uns nicht bekannt. Wahr scheinlich ist es allerdings nicht." Die letztere Bemerkung ist jedenfalls zutreffend. Aber uni ihretwillen erfolgt die ganze Eröffnung doch sicherlich nicht. Auch um die Phantasien der „Franks. Ztg." als solche erscheinen zu lassen, hätte eS eines Hinweises auf den jetzigen Statthalter der Reichslande und seines muthmaßlichcn Nach folgers nicht bedurft. Was dieser bezweckt, ist also rätsel haft, wenn man nicht annehmen will, die Urheber der „Ent hüllung" suchten durch sie sowohl dem Fürsten Hohenlohe- Langenburg, als auch dem Prinzen Adolf zu Schaumburg- Lippe an ausschlaggebender Stelle einen üblen Dienst zu erweisen. Amtlich. * London, 22. Februar. «Meldung des „Reuter,chen Bureaus") Feldmarjchall Roberts telegra-hirte ans Paardcberg vom21.d.M., er habe, da er sich nach sorg fältiger RecognoScirnng der feindlichen Stellung am 20. d. M. überzeugt hatte, Satz dieselbe nicht ohne schweren Verlust zu neh men sei, beschlossen, den Feind mit Artillerie zu be- ichietzen und seine Aufmerk samkeit den Verstärkungen des Feindes zugewandt, welche nach allen Rich tungen vertrieben wurden und bedeutendeBerlnste erlitten. Fünfzig Boeren seien gefangen genommen; dieselben sagten aus, datz sic vor 2 Tagen von Ladysmith «„gekommen seien. Auf briti scher Seite seien 2 Lsficicre und 4 Mann leicht verwundet. Der Krieg in Südafrika. —(>. Man darf sich nicht verblüffen lassen durch Lord Roberts' SicgeStclcgramm, das die vorhcrgegangenen für die Boeren außerordentlich günstigen Meldungen aus englischer Quelle zu dementiren scheint. Es wird gut sein, unserem Nachts eingetroffenen, im Morgenblatt enthaltenem Privattelegramm, dessen Text ver stümmelt war, die amtliche Meldung, wie daö „Reuler'sche Bureau" sie auSgicbt, gezenüberzustellen. Privat. .4. London,22.Februar. <Privat - Telegram m.> Roberts tclegraphirt ans Lan'debc g vom Mittwoch: Ich war glucknch, zu bemerken, datz die Stellung des Feindes ohne schwere Verluste nicht zu nehme» war. Ach entschloß mich daher znm Anfall (k) und be schoß die Stellung des Feindes mit Artillerie, indem ich gleich zeitig seine Verstärkungen beschütz. TaS Resultat ist prächtig: der Feind wurde geschlagen nnd entfloh nach allen Richtungen, seine» Vorrath,sowie vielcTodtc nud Verwundete hinterlassend. Ach machte 50 Gefangene, die erzählten, sic wären zwei Tage vorher mit der Bahn ans Ladysmith angekommen. Tic englischen Berlnste waren: Hauptmann Campbell nud Leutnant Houston getödtct, vier Mann leicht verwundet. Wir haben es hiernach mit einem am 2 l. Februar (Mitt woch) stattgefundene» Kampfe beiKoodoosrandzu thun, bei dem nicht etwa, wie die private Meldung vermuthen lassen könnte, die Gesammtheit des Feindes, d. h. die ganze Streitmacht Cronje'S geschlagen wurde und die Fluckt nach allen Richtungen ergriff, sondern lediglich die zu Cronje'S Hilfe vonSüden herangerückten Ver stärkungen unter Botha, welche nach englischer Angabe be deutende Verluste, darunter 50 Gefangene, erlitten. So lange nicht eine andere Darstellung von boerischer Seite vorliegt, muß man zugcbcn, daß die Boeren hier eine Schlappe erlitten haben. Don einemSieg Roberts' aber über die ganze Cronje'scheArmee kann noch nicht im Entferntesten die Rede sein. Roberts selbst sagt, daß er die feindliche Hauptstellung für unangreifbar hält. Er hat dieselbe nur mit Artillerie beschossen, aber ohne Resultat, und sich damit begnügt, mit Uebermacht über das kleine Botha'sche Hilfsrommando her zufallen , das zu zersprengen ihm natürlich leicht werden mußte, kronje's Hauptmacht ist noch völlig intact und keineswegs nmzingelt. Meldet „Reuter s Bureau" doch aus drücklich: „Im klebrigen (d. h. nach der Gefangennabme der 50 Boeren und der Zerstreuung der Truppe Botha's) ist die Stellung Cronje'S unverändert. Dies der Stand der Dinge am Mittwoch, den 2l. Februar. Ja, nach Brüsseler Mel dungen wäre das Bombardement Roberts' nicht nur wirkungs los geblieben, vielmehr hätte Cronje'S Division French unter großen Verlusten zurückgeschlagen. Sv lautete auch eine unserer gestrigen Privatnachrichlen. Die dem „Siege" Lord Roberts' voraufgegangenen Tage waren für die Engländer entschieden verlustreich, namentlich der 18. und 19. Februar (Sonntag und Montag). Da sielen nach amtlicher Angabe 9 Officiere und wurden 39 verwundet, eine Verlustliste, iü welche die Regi menter Wales und Essex, sowie die berittene Infanterie noch gar nicht eingeschloffen sind. Mögen nun auch nicht 100 Officiere und 1500 Mann getödtet, 52 Officiere und 600 Mann verwundet worden sein, so ist es doch zweifellos, daß die Engländer sehr stark mitgenommen wurden. Diese boerischen Erfolge wurden dann am 2l. (Dienstag) wieder durch die Zersprengung von Botha's HilfScorps zum Theil ausgeglichen. Die Palme des Sieges kann man also noch keinem der beiden Heere zuschreiben. Sie sieben sich nach wie vor kampfbereit gegenüber, die Entscheidung steht noch ans. Wir lassen nunmehr zum bessern Derständniß der Lage einen Uebcrblick über die Ereignisse bis zum 20. Februar (TicnStag) folgen, an welchem Roberts seine RecognoScirungen macht und die Tobten bestattet worden: Am Abeud des 15. (Donnerstag voriger Woche) setzte Cronje seinen Train, bei dem sich also auch die schweren Geschütze befinden müssen, während das im Norden von Kimberley aufgestellte Positionsgeschütz wahrscheinlich mit der Eisenbahn nach Vryburg abgeschoben wurde, nach Osten auf das Nordufer deS Modder zu in Bewegung. Am 16. (Frei tag) Morgens stießen britische Kundschafter auf seine Nachhut, und es entspann sich ein Gefecht zwischen ihr und der 13. Brigade unter General Kelly Kenny, der bei dem Vor marsch auf Kimberley an der Klip Drift auf dem nörd lichen Ufer des Modderflusses stehen geblieben war. In diesem Gefecht gelang es den Briten, den Schwanz des langen boerischen Wagenzugis abzukneifen und angeblich 120 Wagen zu erbeuten, das GroS dcS Trains aber ver mochten sie nicht zum Stehen zu bringen, und dieses ging noch au demselben Tage durch die weiter östlich gelegene Klipkraal Drift auf das Südufer deS Modder, um die über Emmaus und PetruSberg führende directe Straße Modder River-Bloemfontein zu gewinnen. Berittene Infanterie und eine Batterie der Briten, die über Klip Drift zurück über den Fluß gegangen waren, um den Boeren südlich von Klipkraals Drift den Weg zu verlegen, kamen zu spät, nm den Ueber- gang zu stören. Inzwischen scheint Kelly-Kenny den Rest seiner F-urll-ton» Hans Eickftedt. Roman in zwei Bänden von Anna Maul (M. Gerhardt). !)!achlruck verboten. Das Schlimmste war, daß Fräulein Stahmer keine Mahl zeit vorübergehen ließ, oHne Gertrud's Gefühle durch offene oder versteckte Angriffe gegen Hans Eickftedt zu verwunden und auf zustacheln. Hans hatte ihren Roman nicht gelesen und ging ihr stets in weitem Bogen aus dem Wege, dafür mußte Gertrud, „seine Freundin und Cousine", wie Fräulein Stahmer nicht zu betonen unterließ, es beständig mit anhören, wie sein Talent be mängelt und der Ernst seines Strebens in Zweifel gezogen wurde. Alles Schlimme, das sich über Zola, Ibsen, Tolstoi sagen ließ, ging an Eickstedt's Adresse — hatte er sich nicht diesen Lügenpropheten, diesen Frevlern am Genius der Menschheit als Jünger und Nachfolger zugeschworen? — Wie konnte Gertrud anders, als für den Abwesenden eintreten, wäre ihr auch seine Sache nicht Herzenssache gewesen? — Und wo hätte sie vor sichtige Zurückhaltung und Objektivität hernehmen sollen, wenn sie bei den mitunter gan^ hitzigen Scharmützeln mit der Schrift stellerin die Augen der längeren Tafelrunde in schadenfrohem Triumph auf ihre sichere Niederlage lauern sah. Aber Fräulein Stahmer war keine ungroßmüthigc Gegnerin. Als Gertrud einmal in ihrer Schwäche und Nervosität in Thrä- nen ausbrach, warf sie ihre siegreichen Waffen nieder und bot die Hand zum Frieden. Ja, sie erklärte, Ibsen stets für einen tief sinnigen Scalden, Tolstoi für einen großen Künstler gehalten zu haben, und wer in Eickftedt nicht von Weitem den geniale» Kopf erkenne, sei ein blinder Maulwurf. Sie ruhte nicht, bis Gertrud lächelte und lachte, und mit ihr Kuß und Handschlag tauschte. Eine Stunde später drang sie in Gertrud's Zimmer, mit einer Flasche Wein und allerlei Leckerbissen beladen — da das Kind gar so bleich und leidend aussähe — und ließ nicht nach, bis Gertrud sich dieses Stärkungsmittel aufnöthigen ließ. Seitdem blieb Fräulein Stahmer ihr in zärtlicher Freund schaft zugethan, und da sie nicht lange verschweigen tonnte, was ihren lebhaften Sinn beschäftigte, so kam bald eine vertraute Stunde, in der sie Gertrud bat, offen gegen sie sein zu dürfen. Das Pensionat wäre außer sich über ihren und Jrmgard'ü in timen Verkehr mit Eickftedt. Hätte dieser wenigstens die wieder holten Einladungen der Baronin zu Landpartien und anderen Susammenkünftcn angenommen! Hätte er ihr wenigstens einen Besuch gemacht, ihren Töchtern die geringste Artigkeit erwiesen! — Anstatt dessen entzögen die beiden jungen Damen sich eben falls der gemüthlichen Geselligkeit im Hause und brächten durch ihr beständiges Zusammenstccken mit einem jungen Manne einen Ton in das Pensionatsleben, der bisher streng verpönt gewesen und der Anstalt nicht zur Ehre gereiche. Gertrud vertheidigte energisch ihr Recht, nach eigenem Er messen zu leben und zu Verkehren, mit wem sie wolle. Fräulein Stahmer stimmte zu, lachte Uber das Gethue der Baronin und gab Stückchen von Fräulein Eva zum Besten, die sie durch deren eigene Mutter erfahren. Dies saubere Kräutlein schrieb anonyme Briefe an beliebte Schauspieler, gäbe diesen Herren Rendezvous, hätte sogar einen von ihnen in seiner Wohnung besucht — nur einmal, wie die Mama versicherte, die dies Abe» teuer zum Glück entdeckt*und schlimmeren Streichen einen Riegel vorgeschoben hatte. Ja freilich, man hatte Duldsamkeit für Alles, was sich unter dem geschickt drapirten Mäntelchen sittigen Wohlanstandes der Beachtung entzog. Und wer im Bewußtsein seines un tadeligen Verhaltens ruhig seines Weges ziehe, den ließen die Kläffer am Ende in Ruhe. Nur sei ein alleinstehendes junges Mädchen doch gar sehr abhängig vom Wohl- und llebel- wollen seiner Umgebung. Und weil sie Gertrud lieb habe, so schloß Fräulein Stahmer, und ihr Unannehmlichkeiten fern zu halten wünsche, so rathe sie dringend zur Vorsicht. Gertrud dankte und versprach, den wohlgemeinten Rath zu beherzig. Den nachsichtigen Vergleich mit der leichtfertigen Eva, die trotz ihrer Jugend in allen Künsten und Listen einer wenig feinen Koketterie geübt war, empfand sie im Stillen als eine bitterliche Demüthigung. Vor Allem aber machte sie sich Eickstedt's wegen Sorgen. Daß es damals im Parke von Sanssouci zwischen ihm und Irmgard zur Verständigung gekommen, hatte sie gleich anfangs geargwöhnt, und mancherlei Anzeichen seitdem hatten es ihr außer Zweifel gesetzt. Was sollte nur daraus werden? Welcher Unbesonnenheiten waren die beiden heißblütigen jungen Men schen fähig, und wie tonnte sic helfen, schützen und warnen, wenn man sie, wie es ganz den Anschein nahm, absichtlich vom Ver trauen ausschloß. Sie wollte und inußje mit Hans spreche». Sie bat ihn zu sich, zu einer Stunde, wo Irmgard auszugehen hatte, und fand den Muth, ihn unter heftigem Herzklopfen geradeheraus zu fragen, wie er mit dieser stehe. — Aber Hans hob stirn runzelnd den Kopf, mit einer Miene voll stolzer Abwehr, als habe er seine Heiligthümer gegen Profanirung zu schützen, und schnitt mit einem kühlen: „Bitte, sprechen wir von anderen Dingen!" jede Verständigung ab. Sehr bald brach er auf, zögerte aber, schon mit der Hand auf dem Thürschloß, und fragte reumiithig: „Sind Sie mir böse, Gertrud?" „Ach was, böse!" erwiderte sie unwirsch. „Ob ich gut oder böse bin, das ist ganz gleichgiltig. Ich brauche mich um Ihr Thun und Lassen nicht zu bekümmern, wenn cs Ihnen lästig ist. Ich fürchte nur, Hans — daß ich Ursache bekommen werde" mich ernstlich mit Ihnen zu erzürnen — und das wäre mir schrecklich." „Nie werde ich Ihnen dazu Ursache geben!" betheuerte er, nahm ihre beiden Hände und blickte mit seinen schönen beredten Augen tief und innig in die ihren. Sein strahlendes, geheimes Glück, sein verständnißoolles Mitleid für sie, seine dankbare, brüderliche Herzlichkeit — es lag Alles in diesem Blicke, und Gertrud wandte sich ab — sie konnte ihn nicht ertragen. Uebrigens sollte es^ihr nicht an Gelegenheit fehlen, ihre Versöhnlichkeit und ihren guten Glauben an Hans noch öfters zu bethätigen. Beim ersten gemeinsamen Spaziergang wetteiferten die beiden anderen in Aufmerksamkeiten und Rücksichten für die Halbgenescne. „Gertrud darf nicht schnell gehen!" „Gertrud muß ausruhen" „Wir müssen nach Hause, Gertrud darf die kühle Abendluft nicht athmen." — Beim zweiten muhte sic das Verbot des Arztes, nach Sonnenuntergang im Freien zu bleiben, schon in Erinnerung bringen, und beim dritten bekam sie lachend zur Antwort, sie solle sich nicht verzärtel», frische Luft sei die beste Arznei. Einmal waren ihr Hans und Irma in den dämmerigen Wegen des Thiergartens schnellfüßig vorausgeeilt, während sie, außer Stande, mit den Beiden Schritt zu halten, sich erschöpft auf eine Bank sinken ließ. Sie wartete, daß man sich ihrer er innern und zu ihr zuruckkehren würde — anfangs geduldig, dann beunruhigt, endlich in immer steigender Aufregung. Ihnen folgen, sie aufsuchen — das wäre vergebliche Mühe gewesen. Endlich erhob sich Gertrud, schauernd in der Abendkiihle, um allein ihren Rückweg zu suchen. Da erschien Hans, eilig, voll Angst, sie verloren zu haben, und ärgerlich, als er sie fand. „Warum befahlen Sie nicht, umzukehren, wenn Sie müde waren?" fragte er in gereiztem Tone. „Weil Sie außer Gehörweitc waren", versetzte Gertrud. ..Weil ich nicht wußte, ob Sie sich rechts oder links gewandt hatten, so blieb mir nichts übrig, als hier zu warten, obgleich ich weit lieber sofort nach Hause gegangen wäre. Man kann und darf nicht immer, wie man gern möchte, Hans. Ich muß die Rolle der Ueberlästigen spielen, die mir wahrlich nicht süß ist, und Sie müssen mich ertragen, ja, und mir folgen, Sie sind das Irma und sich selbst schuldig." „Ich weiß nicht, was Sie Jrmgard's wegen haben", er widerte er halb unwirsch und halb verlegen. „Sie sind empfind lich, Gertrud, krankhaft empfindlich. Sie quälen sich und Andere ganz unnöthiger Weise. Uebrigens — war ich ein Esel. Verzeihen Sie mir!" „Es handelt sich nicht um mich, wie Sie wissen." „Sondern?" fragte er ungeduldig, sich vor Gertrud hin stellend. Und da Niemand in der Nähe war, so erwiderte sie rasch: „Hören Sie mich ein einziges Mal verständig an, Hans. Im Pensionat bespäht man uns; jede Freiheit, die wir uns nehmen, wird übel gedeutet. Irmgard ist stolz und feurig und hat keinen Begriff davon, daß es für sie Gefahren giebt. Sic vertraut Ihnen blindlings, die ganze Verantwortung für ihr Thun und Lassen tragen Sic. Hans, Sie sind ein Mann, ein Mann von Ehre! — Sie müssen gegen sich selber streng auf der Hut sein, damit Irmgard nicht zu Unbesonnenheiten verleitet wird." Es war zu dämmerig, als daß Gertrud hätte erkennen können, wie er blaß geworden war. „Unbesonnenheiten! Der leiten! Was das für Ausdrücke sind!" grollte er halblaut und stieß den Stiefelabsatz auf. „Zum Henker, warum bleibt Ihr denn noch einen Tag, eine Stunde, in diesem Klatschnest von Pensionat?" Lustiges Pfeife» kündigte Jrmgard's Nähe an, ihr Helles Kleid schimmerte durch die Dämmerung. Gertrud erwiderte mit einem „Hier!" — und wollte ihr entgegeneilen, aber Hans faßte ihre Hand und hielt sie zurück. „Nur eins bitte ich, Gertrud", stieß er leise erregt hervor, „daß Sie Irmgard mit solchen tantenhaften Bedenklichkeiten nicht beunruhigen!" „Und wenn ich's nicht thue, Hans — werden Sie meine Warnung beherzigen?" Sie fühlte den bethcuernden Druck seiner Hand, die heiß und feucht war. Im nächsten Augenblick war Irmgard bei ihnen. Vor dem Pfingstfeste kam der geheime Commerzienrath Steinhäuser auf einig« Tage nach Berlin und erklärte sich Willens, seine Tochter mit nach Hause zu nehmen. Irmgard widerstrebte und hatte tausend Gründe, noch in Berlin zu bleiben. St« sollte in einem Schülcrcoiicert spielen, eine Prüfung stand bevor. Sie wollte sich nicht mitten aus ihren Studien heraus reißen lassen. Dcr Commerzienrath war mit Geschäften ührrhäuft, und dq
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