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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190104287
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19010428
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19010428
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-28
- Monat1901-04
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1901
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Auzeige«-Preis die 6 gespaltene Petitzeile L5 Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Famili«nna<^ richten (6 gespalten) äO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Osfertrnannohme 25 H (rxcl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuug »l 60.—, mrt Postbesürderung 7V.—. Aunahineschluß fir Anzrigen: Ab end-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Exprdition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abrad« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^-214. Sonntag den 28. April 1901. 95. Jahrgang. IN Für Mal und Fnni kann das Leipziger Tageblatt durch alle Postanstalten des deutschen Reiches und Oesterreich-Ungarns zum Preise von 4 bezogen werden. 3n Leipzig abounirt man sür 3 mit Bringerlohn 3 75 und nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Ze itungsspedi teure, die Hauptexpcditiou: Johannisgasse 8, die Filialen: Katharinenstratze 14, Königsplatz 7 und Universttätsstratze 3, sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraste 35 Herr L. 0. Llttel, Colonialwaarcnhandlung, Beethovenstraste 1 Herr ^Ilvod. ?etvr, Colonialwaarcnhandlung, Brühl 53 0. b. iZelludvrl's Xaokkolxer, Colonialwaarcnhandlung, Frankfurter Straste (Thomasiusstr.-Ecke) Herr Otto LIautsolikv,Colonialwaarcnhandlung, Lbhrstraste 15 Herr Ldunrd UetLvr, Colvnialwaarenhandlung, Nürnberger Gtraste 45 Herr LI. L. Kldrevltt, Colonialwaarenhandlnng, in Anger-Crottendorf Herr L. Priedel, Cigarrenhdlg., Zweinaundorser Straße 6, - Connewitz Frau Pi8vller, Hermannstraße '23, - Eutritzsch Herr Robert Kitner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, - Gohlis Herr Robei't Kltner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - Linvenau Herr KIbert Idudner, Wettiner Str. 51, Ecke Waldstr., Buchbinderei, - Neustadt Herr Raul Luck, Kuuoueen-Lxpeültton, Eisenbabnstraße 1, in Oetzsch-Gautzsch Herr kiellurd Xeu8tadt, Buchhandlung in Oetzsch. NlMftsche Gaffe 6 Herr Rrledr. Piseller, Colonialwaarcnhandlung, Ranstädter Steinweg 1 Herr 0. Rii^IwLUM, Colonialtvaarenhandlung, Schützenstraste 5 Herr dul. 8ebümi<dien, Colonialwaarcnhandlung, Westplatz 32 Herr R. INttriell, Cigarrenhandlung, Aorkstraste 32 (Ecke Berliner Straße) Herr P. H. Llvtr, Colonialwaarenhandluug, Jeitzer Straste 35 Herr V. Lüster, Cigarrenhandlung, Plagwitz Herr 0. (Urlltzmrmv, Zschochcrsche Straße 7», Reudnitz Herr >V. Pnzwauu, Marschallstraße 1, - Herr 0. 8oiimidt, Kohlgartenstraße 67, - Herr Kerub. IVedvr, Mützengeschäst, Gabelsbergerstraße 11, Thonberg Herr R. Riintseb, Reitzenhainer Straße 58, Bolkmarsdorf Herr Oeortz' >1ewauu. Conradstr. 55 (Eckr Elijabethstr.), Äus -er Woche. Wenn Kaiser Wilhelm in Bonn an den sittlichen Ernst appelliren wollte, so bat der Monarch seinen Zweck, wenigsten» außerhalb de» Kreise» seiner Zuhörer, nur m ge ringem Maße erreicht. Die schäbigste, fraktionelle und factiöse Ausbeuterei bat sich über die kaiserlichen Worte her gemacht, namentlich über da» von der inviüia, dem deutschen Neid. So ziemlich Alle-, wa- die Gesetzgebung in neuerer Zeit auf wirtbschaftlichem Gebiete geleistet, wurde auf den Neid zurüügeführt, sogar der Inhalt der Wuchrrparagraphen, da- Wort waate man doch nicht zu nennen, wurde umschrieben und in dem Register aufgeführt, in dem den „Junkern" ihre propteriuvilliaw aufdie„Pseffersäcke"gemachten gesetzgeberischen Stegreifritte vorgerückt wurden. Wir haben weder Beruf, noch gegründeten Anlaß, die ostelbischen Herren gegen den Borwurf der Ichsucht und Scheelsucht zu vertbeidigen. Aber, wie andere der „Neidgesetze", ist auch das Börsengesetz, da» am häufigsten dem kaiserlichen Ausspruch al- Unterlage — unterschoben wird, nicht allein durch „Junker" zu Stande gebracht worden, und Herr v. Bennigsen, der sehr hervorragenden Antheil an einer beträchtlichen Erweiterung de» RegierungSentwursS zu diesem Gesetze genommen, wird einiger maßen erstaunt gewesen sein, selbst in gewissen national liberalen Blättern zu lesen, er habe au« Neid gegen die Bürger gehandelt, aus Haß der Städte gestritten. Der Neid ist wirklich da» ärgste deutsche Nationallaster geblieben, er steckt aber überall und kört wahrlich nicht, wie eS dargestellt wird, dort auf, wo nach links hin die politische und volkS- wirthschaftliche Richtung deS Herrn Packnicke beginnt. Auf der andern Seite würde man sich zu einer schiefen Beurtheilung der neuzeitliche» Dinge hineinverirren, wollte man Alle», wa» aus dem alten Reich »nicht« werden" ließ, aus die vom Kaiser getadelte, häßliche und gemein schädliche Regung zurückleiten. Der Monarch hat von dem .unversöhnlichsten, stärksten und erfolgreichsten Feinde de« alten Reiches, dem Papstthume, nicht gesprochen. Sehr begreiflich, der Kaiser redete in Bonn, und die Absicht, gleich nachher die Benediktiner in Maria- Laach zu besuchen, würde schon sür sich allein die Untrr- lassuug erklären. Allein es wäre nicht praktisch, au« der doch auch nicht vollständig richtigen Beobachtung, daß sich die Fürsten deS römischen Reiche deutscher Nation in ihrer Bundespolitik, um da moderne Wort zu gebrauchen, stet« vom Neide gegen den Kaiser und da« Kaisertbum hätten bestimmen lassen, eine absolute Lehre für di« Gegenwart und Zukunft zu ziehen, also sich der Vorstellung binzugeben, jeder bundcSfürstliche Widerstand gegen einen kaiserlichen Willen habe seine Quelle in der Absicht, da« Kaisertbum zu schwächen oder doch nicht so, wie es da« Gesammtwohl fordert, erstarken zu lassen. Eine solche Auffassung schließt die Fähigkeit zur unbe fangenen Prüfung der Beweggründe einer etwaigen Opposition in dem au- Vertretern aller ReichSsürsten und freien Städte gebildeten BundeSrath völlig au«. Und doch ist au- sachlichen Gründen und au- dem Gefühle der Reich-treue heraus schon manche» Mal im neuen Reiche einem Berliner Vorhaben Widerstand von ReichSfürsten entgegen- gesetzt worden, und wenn nicht Alle- trügt, ist die gegen wärtige Entwickelung derartig, daß Eingriffe in die Speichen de» häufig allzu rasch rollenden Berliner Rade» nicht wohl werden vermieden werden könnnen. Graf Bülow, sehr energisch von dem Vorsitzenden der Eanalcommission Herrn von Eynrrn gedrängt, wird vielleicht doch einmal über die Verschleppung»- taktik der Eaualgrgner ein kräftige» Wort sprechen, vielleicht hat er e» schon in den von verschiedenen Seiten eonstatirte« Conferenzrn mit agrarischen Größen gethan. Auf der auderrn Serie ist von einer Interpellation die Rede, die wegen der Verzögerung der Zolltarif- aagele-euheit i» Reichstage «ingebracht werden soll. Ob man zu dem Mittel einer förmlichen Anfrage in verfassungsmäßigem Sinne wirklich greifen wird, steht »och Vahm. Thatsache ist iedenfall», daß der Glaube au rin« bereits vollzogene Zurückvrängung der vom ReichS- EauAer mit großem Nachdruck noch vor Kurze« bekundeten Auffaffuag: daß Eaual uud Laudelspolitik nicht in «In C»«-«»satio»Sverhältuiß gezwängt werden dürfte», allgemein verbreitet ist. Der angeblich« Ausspruch d«S KarserS »Ehe fie de, Canal nicht schlucken u. s. w." ist demeutirt Word«», kau» als» als nicht gefallen be- trachtet »erd«. Aber daß seit Wochen im Sinne oioeS solch,, Ausspruches verfahren wird, ist kaum zu verkennen. Ausdrücke wie „Umschwung", „Front wechsel", die gebraucht werden, sind wohl nicht reckt ge wählt, soweit die zollpolitischen Absichten der Reichsregierung an sich in Frage kommen, aber in Bezug auf da« Tempo, die Zeit der Einbringung der Tarisvorlage im BundeSrath, hat offenbar ein Sinneöwechsel stattgefunden. Die selbstver ständlich nicht vom Kanzler oder von: NeickSstaatSsekre'är. veranlaßten Ausstreuungen, einzelne Bundesregierungen, ins besondere Bayern, hätten itzt schon den Termin bestimmt, vor dem sie mit der Prüsting de» Zolltarife? nicht fertig sein würden, diese ungeheuerlichen liebedienerischen Albernheiten mußten von einer Regierung, die das Geringste auf ikre Reputation hält, in da« Reich der Fabel verwiesen werden und sind al« Erfindungen erklärt worden. Aber jetzt wird mit unbestimmten Zeitbestimmungen gearbeitet und es so hingestellt, als ob Bayern und andere Bundesstaaten bisher vorgehabt hätten, den Zolltarif ohne Einsichtnahme zu acceptiren, und sich jetzt auf einmal entschlossen hätten, die Sache doch und zwar gründlich zu beseben. DaS Be streben , einen in Berlin gefaßten Verzögerung-plan zur Erhärtung de« Dementi« von dem Verschluckungs-Ausspruch auf einzelne Bundesregierungen zurückzuführen, läßt sich nicht wohl verkennen. Diese« Mittel ist aber gänzlich untauglich; denn zur Zeit bandelt e« sich durchaus noch nicht um Bayern, Baben u. s. w., sondern um die Reichsregierung. Darüber im Süden und Südwesten ein andere Version glaubwürdig zu verbreiten, wird nicht gelingen. Der Abg. vr. Heim hat Donnerstag im Reichstag auSgerufen, man wisse ja, daß Bayern, Baden, Württemberg und Elsaß- Lotbringen unter dem Widerstande der konservativen preußi schen Canalgegner zu leiden hätten. Von der Richtigkeit dieser Feststellung ist der süddeutsche „demokratische" Bauer eben so fest überzeugt, wie der klerikale. Wir bedauern da«, weil diese Vorstellung von preußisch-particularistischea, auf Kosten nichtpreußischer Interessenten in einer ReickSangelegenbeit zum Ausdruck kommenden Tendenzen dem NeichSgedanken schädlich sein muß. Im Uebrigen sind die Führer der preußischen Canalgegner, wenigsten- diejenigen, die die Oppo sition gegen den großen Wasserweg aus Sport betreiben, nicht der geringsten Sympathien würdig. Ohne jeden Vorbehalt erklären sie jetzt: „Erst die Zölle und vielleicht dann den Mittellandkanal." Damit nicht genug, betreibt der Freiherr v. Zedlitz und Neukirch seine Verschleppungs politik mit einer Unbefangenheit und sozusagen demonstrativen Plumpheit, daß die auf sein Verfahren angewendete Be zeichnung „Hohn" noch nicht einmal die SacheDtzkt. Der Krieg in Südafrika. In Capstadt, ebenso wie in London, werden die großartigsten Vorbereitungen getroffen, um dem „beurlaubten" General gouverneur von Südafrika, Dir Alfred Milner in glänzendster Weise zu feiern und, wie es in den officiellen Festprogrammen heißt, „ihm zu beweisen, daß er das unein geschränkteste und weitgehendste Vertrauen des britischen Volkes genießt, als der Mann, der Südafrika für England gerettet hat." In Capstadt geht man sogar so weit, zu betonen, daß die britisch« Oberherrschaft in ganz Südafrika nur dann für die Zukunft gesichert erscheinen wird, „wenn ein Mann von der eminenten Größe Sir Alfred Milner's an der Spitze der Regie rung und Vertreter des Königs bleibt", mit anderen Worten, in der bisher gegen die Boeren angewandten Vernichtungs politik darf unter keinen Umständen ein Wechsel eintreten. — ES bleibt eben abzuwarten, ob man in Downing-Street heute auch noch immer dieser Ansicht ist oder derselben noch viel länger huldigen wird, wo jede fernere Kriegswoche dem Lande über 30 Millionen Mark kostet, d. h. außer den laufenden Heeres- auSgaben, wie der Kriegsminister im Parlamente auf Befragen zugeben mußte, und die letzteren belaufen sich natürlich auch noch auf etzliche Millionen per Woche. Inzwischen wachsen die Verlustlisten mit jedem Tage mehr und mehr an und die Hospitäler in Südafrika sind derartig überfüllt, daß bereits an ver schiedenen Stellen größte Verlegenheit und Verwirrung herrscht, weil die kranken und verwundeten Mannschaften kaum noch unter - gebracht werden können, so daß schon längst wieder die leb haftesten Klagen über die unzureichenden Mittel zur Pflege und zum Transport, sowie über Mangel an Aerztrn und Pflegern laut werden. Wann wird all' der Jammer enden? Oie Wirren in CK' i. Tie Franzose» nnd der deutsch, erbrsehl. Verschiedene Aeußerungen französische' .ungen über das Brandunglück in Peking lassen durchbliöst , «aß die Franzosen den deutschen Oberbefehl in China immer noch nicht verwunden haben. Es hat nicht nur ihr Nationalgefühl verletzt, daß fran zösische Soldaten unter dem Commando der Sieger von 1870 kämpfen sollen, vielmehr liegen noch mannigfache tiefer gehende Erwägungei zu Grunde, über die Herr de Coubertin in seiner neu erschienenen „Chronique de France" in klarer Weise Auf schluß ertheilt. Der Oberbefehl hätte von Rechtswegen Frank reich zufallen sollen, was auch Kaiser Wilhelm bei seiner üblichen Zuvorkommenheit gegen Frankreich geplant hatte. Frankreich war es gewesen, das im Bund mit Rußland den Japanern die Früchte ihres Sieges schmälerte. Als die Deutschen zur Sühne für die Ermordung von Missionaren Kiautschau pachteten und Rußland di; Hand auf Port Arthur, England die Hand auf Wci-hai-wei legten, begnügten sich die Franzosen mit dem kleinen Hafen Kuang-tschu-wan bei Hainan. Zwei Punkte durfte aber die französische Politik nicht aus dem Auge lassen, 1) fremde Mächte vom Norden Tonkins fern zu halten, 2) die alther gebrachte Schutzherrschaft über die Katholiken deS Orients auf recht zu erhalten. Als daher der Admiral Charles Beresford mit dem kühnen Colonialplan auftrat, die Engländer sollen von Mandale (Birma) und vom Aangtse aus sich die Hand reichen, um so Tonkin das Hinterland abzuschneiden, wie Rhodes dem deutschen Ostafrika durch die Cap-Nil-Linie, so mußte Frank reich die Chinesen dazu bringen, daß sie — zugleich auch in ihrem eigenen Interesse — die südchinesischen Provinzen Dun Nan, Kuang-si, Kuang-tung und die Insel Hainan ohne Ein willigung Frankreichs für unveräußerlich erklärten. Bon dem katholischen Protektorat wollten freilich die italienischen und deutschen Katholiken nichts wissen, und auch die innere Haltung Frankreichs der Kirche gegenüber war wenig dazu angethan, den heiligen Stuhl für das Protektorat Frankreichs zu erwärmen. Aber treu dem Satze Gambetta's: „Der Antiklerikalismus ist kein Exportartikel", versäumten die Vertreter der französischen Republik im Orient nichts, um die katholischen Interessen zu schützen, und der sonst wenig kirchenfreundliche Gesandte Pichou erwirkte vom Kaiser Chinas das Dekret vom 1!">. März 1899, wonach die katholischen Priester und Bischöfe den Rang von Mandarinen und Gouverneuren erhielten, und die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Katholiken und den örtlichen Be hörden den Gesandten und den Konsuln Frankreichs zugewiesen wurde. Ein schöner Erfolg der französischen Diplomaten, wenn es auch fraglich ist, was nach Beendigung der Wirren noch davon übrig bleiben wird. Wenn die baid folgende Belagerung der Gesandten und die Ermordung v. Ketteler's Frankreich nicht in erster Linie betraf, so war es doch in erster Linie berechtigt, wegen der Ermordung von Missionaren einzuschreiten. Als Schutz herr der katholischen Interessen, sowie als der uneigennützigste der europäischen Staaten, hätte also Frankreich den Oberbefehl der Verbündeten erhalten sollen. Dies hätte dem europäischen Feldzug das echte Gepräge einer gerechten Wiedervcrgeltung auf gedrückt. Warum hat aber der französische Ministerrath diesen Gründen nicht Geltung verschafft? Er hat die westaussehende Verantwortlichkeit gescheut, vielleicht auch die wenig patriotische Befürchtung gehegt, man könne einem hohen Officier, und da mit der Armee, zu übermäßiger Volksbeliebtheit verhelfen. Der Minister des Aeußern, Drlcassi?, wird freilich von diesem Vor wurf freizusprechen sein, aber er vermochte nicht, seine College» zu überzeugen, und so mußte er sich mit der Rolle eines Friedens vermittlers zufrieden geben. Nachdem Rußland seine oft widersprechenden Vorschläge gemacht, Bülow sein Rundschreiben erlassen und Amerika seine Seitensprünge gemacht hatte, hat Delcassä in seiner denkwürdigen Note die Punkte zusammen gefaßt, die nach seiner Auffassung allein Schutz für die Zu kunft und Sühne für Vergangenes gewähren konnten; und wenn seitdem auch Einiges davon abgebröckelt ist, so müssen die Mächte doch die meisten Punkte berücksichtigen, wenn sie mit China fertig werden wollen, ohne es zu zerstören. Auch ist dies ja ein gewisser Erfolg der Staatskunst Delcassf-'s, aber — so schließt Coubertin — „bedauern werden die Franzosen immer, daß nicht ein französischer General auf chinesischer Erde an der Spitze der internationalen Truppen einherreitxt". * Köln, 27. April. Die „Kölnische Zeitung" berichtet au« Peking: DaS Hauptquartier erhielt folgende Meldung: Deutsch« Rritertrupp« streiften bi« jenseit« von Kalgan. Da» Land ist vollkommen ruhig. Nur chinrsijche Polizeimonnschastrn, aber keine Truppen Hot man al» Garnisonen angetroffen. * London» L7. April. (Telegramm.) Die „Times" b». richten au« New Park unter dem 26. April: Ter amrrikauisch» Ge sandte Conger giebt der Ansicht Ausdruck, daß China 60 Millionen Dollar« bezahlen könne, ohne lahmgelegt zu werden. Wahrend die Organe des Staatsdepartement» fortgesetzt behaupten, die deutschen und die anderen verbündeten Truppen hätten auf Befehl der Officiere, oder wenigsten» unter stillschweigender Billigung, sich systematischer Grausamkeiten schuldig gemacht, be- hauptrt der Gesandte Conger, daß Officiere derartig«« Dingen keinen Vorschub geleistet hätten. Nicht« oder fast nicht« sei an diesen ge druckten Geschichten wahr. - Peking, 26. April. (Telegramm.) Reuter-Bureau meldet: Eine Boxerbaude, dir etwa 1000 Mann zählen soll, hält sich 20 Meilen südlich von Paotiugfu auf. Die Boxer plünderten in letzter Woche drei Dörfer und drohten, die Christen nirderzumetzeln. Biele Christen suchten in Paotingfu Zuflucht. Im District Mont» scheng, nordwestlich von Paotingfu, begehen andere Boxerhoufen Ausschreitungen. Ihr Führer sprach die Absicht au«, dir Stadt Mantscheng selbst anzugreisen, in der rin Posten von 20 Deutschen steht. In Paotingfu fehlt r« jetzt, wo di« Stadt von Truppen rntblvst ist, nicht an Anzeichen dafür, daß unter den zweifelhaften Elementen der Bevölkerung eine nicht zu unterschätzende Erregung herrscht. Competente Beobachter glauben, daß die gefährlichste Elaste der Chinesen nur auf den Abzug der fremden Truppen wartet, um dann die Ausrottung der eingeborenen Christen sortzusetzen. Dir Boxer in den genannten Distrikten bestehen au» der Hefe der Be völkerung, die lieber plündern al» ehrlich arbeiten will: dazu ge- feilen sich noch Leute, die durch den Verlust ihrer Häuser, Pferde und ihres Vieh» in den Zustand der Verzweiflung gerathrn sind. Die Zusammensetzung der neuen Behörde zur Berathung der Resormsrage wird in den Kreisen der Ausländer nicht sehr günstig ausgenommen. Luchuantin ist ein notorischer Reaktionär, Pungln'S Haltung während der letzten Krise war sehr verdächtig. Knnkang gehört zur Kaiserfamitie. Er hat bisher keinen hervor- ragenden Antheil an der auswärtigen Politik genommen. Er war im Jahre 1884 während dreier Monate Mitglied des Tsung li Pamen und soll gegen den Fortschritt sein. In manchen Kreisen hielt man die neue Behörde zuerst für eine Art Rrgentschastsrath. Dieses Mitzverständniß war durch einen Fehler bei der Uebermitt- lung der Nachricht entstanden. * Peking, 27. April. (Telegramm.) Ei» Berichterstatter des „Reutcr'schen Bureau»", der die deutsche Expedition nach Hnschon am Fuße des die Provinzen Tschili und Schansi trennen den Gebirges mitgemacht hat, berichtet: Bei der Ankunst daselbst sand man, daß die chinesischen Truppen sich jenseits der Großen Mauer zurückgezogen hatten. Ernstliche Operationen waren nicht zu erwarten. Die Deutschen operirten in vier Colonnen im Gebirge. Eine von ihnen führte einen schnellen Vorstoß gegen den Kowan-Paß au-, in der Hoffnung, die Chinesen auf dem Rückzüge abzufangen; sie kam zu spät an, da die Chinesen am Tage vorher den Paß passirt hotten. General v. Lefjel beabsichtigte, mit seiner Truppe bi« zur Großen Mauer vorzugehen und am nächsten Tage nach Huschon zurückzu- kehren. Man erwartet, daß die gesammte deutsche und französische Streitmacht am 2S. April nach Paotingfu zurückkehren wird. Deutsches Reich. Leipzig, 27. April. ES ist geradezu ergötzlich, die Wandlungsfähigkeit zu beobachten, die der Abg. Eugen Richter auf dem von ibm gewissermaßen als Domäne betrachteten Gebiete der Reicksfinanzen je nach der Stellung und Auffassung der verbündeten Regierungen vor- zunehmen sich beeilt. Al« im vorigen Jahre der RrichSschatzsekretär von Thielmann erklärte, daß zur Deckung der Mehrausgaben au« dem neuen Flotten gesetze neue Steuern nicht nothwendig seien und Minister von Miauel die« ausdrücklich bekräftigte, da war Herr Eugen Richter selbstverständlich anderer Ansicht und wie immer in aationalen Fragen in der Opposition. Er konnte nicht grau in grau genug malen, um die Steuerzahler vor wachsenden Belastungen der Zukunft graulich zu machen. Und al« jetzt derselbe Herr Staatssekretär von Thielmann am 17. April in der Budgetcommission erklärte, daß in verschiedener Richtung bedeutende Mehrausgaben in der Zukunft nicht zu umgeben seien und daher in nächster Zeit au«giel»ige Einnahmequellen neu erschlossen werden müßten, da ist Herr Engen Richter selbstverständlich wiederum anderer Ansicht. An leitender Stelle seiner „Freis. Ztg." führt er au«, daß Frhr. r. Thielmann, wie vor einem Jahre zu rosig, jetzt allzu
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