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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.05.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010502029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901050202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901050202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-02
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Anzeige« PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redactionsstrich (-gespalten) 75 H, vor den Familiennach» richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung -sl 80i—, mit Postbesörderung 7V.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgea-AuSgabr: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol- in Leipzig. 85. Jahrgang. Donnerstag den 2. Mai 1901. Vie Wirren in Lhina. a'»eou8s — in China. Aus Peking, 10. März, schreibt man uns: Die soeben bekannt gewordene Anklageschrift der im vorigen Jahr Hingerichteten und für fremdenfreundlich gehal tenen Staatsmänner Hsü-ching-cheng (früherer Gesandter in Berlin) und Duan-tschang gegen di« damaligen Macht haber ist in doppelter Hinsicht «in bedeutsames historisches Doku ment: einmal, weil sie di« Fädrn der Vorgeschichte des Boxerauf standes schonungslos bloßlegt, zweitens aber, weil sie für die Mächte die für di« Zukunft höchst bedeutsame Mahnung enthält, in den aufgeklärten Chi nesen erstrecht di« Feinde der Fremden zu er blicken. Die wenige Stunden vor der Hinrichtung abgesagt«, in die Form einer geheimen Eingabe gekleidete Anklageschrift lautet: »Geheime Eingabe gegen hohe Würdenträger, die an ketzerische Künste glauben, das Reich schädigen und das Volk ins Unglück stürzen, und Bitte um ein Edict, welches di« Urheber des Unglücks streng bestraft, damit die Quelle Eder Anarchie verstopft und das Land aus der Gefahr gerettet werde. Im Anfang, als die Boxer di« Fahne des Aufruhrs erhoben, verfügten sie 'weder über wirksame Waffen, wie Geschütz« und Kanonen, noch über militärische Ausbildung, nur mit ihrer Parole „Stützt die Dynastie und vernichtet die Fremden" warben sie Mengen tollkühnen Gesindels, mit dem sie sich zusammen- thaten, um Unruhen zu erregen. Hätte damals nur ein tüchtiger Locallbeamter oder Officier zur Verfügung gestanden, dann wäre die Herstellung der Ruhe mehr als geglückt. Statt dessen aber hat der ehemalige Gouverneur Dü - hsi« n von Schantung von vornherein das Geschwür gepflegt, und nachher ist der General gouverneur Uülu von Chihli ihnen sogar in aller Feierlichkeit entgegengezogen; man hat sie mit Waffen versorg! und damit dem ohnehin schon wilden Tiger noch Flügel gegeben. Obwohl wir sonst nicht viel werth sind, wissen wir doch auch, daß die Fremden, die sich ins Innere Chinas Hine in bohren, China wahrhaftig keinen Vor- theil bringen. Aber erst müssen wir die inner« Verwal tung reorganisiren und dabei auf die Erhaltung der Freundschaft mit den anderen Ländern ernstlich bedacht sein, und dann los schlag en, wenn wireinengün st igen Augenblick fürden Kampfgefunden haben, dabei auch unter den Ländern ein solches aufs Korn nehmen, mit dem leicht fertig zu werden ist, mit imponirender Entschlossenheit losstürmen und dem aüfgespeicherten Zorn Luft schaffen. Für den Fall, daß jene entschlossen wären, zu einer Zeit, wo dieRäubervonaußenin unser Land frevelhaft eindringen, sich zur Bethätigung ihrer Treue und ihres Patriotismus zu ermannen und die Eindringlinge gleichsam vor dem Frühstück (d. h. rasch und leicht) zu vernichten, dann wären wir die letzten, welche diesem Entschluß nicht Beifall zollten, gleichviel wie es mit der Kraft zur that- sächlichen Ausführung bestellt sei. Wenn man aber gerade jetzt, wo der Hof mit anderen Ländern freundschaftliche Beziehungen pflegt, plötzlich den Ruf ausstößt: „Vernichtet die Fremden!", so heißt das, unüberlegt Feindseligkeiten an unseren Grenzen herauf beschwören und mit dem Reich spielen. Unerwarteter Weise aber reicht der Horizont zweier so hoher Provinzialbeamter wie M hsien und Mlu nicht so weit. Mlu hat sogar Boxerhäuptlinge an sich herangezogen, die er wie her vorragende Gäste behandelt; Taugenichtse und Raufbolde aus den Dörfern haben sich zu Hunderten und Tausenden zusammen- gethan, mit ihren Visitenkarten, auf denen die Zeichen „I ho tuan" (d. h. „Vereinigung der Eintracht uno de- Patriotismus", I Bezeichnung der Boxergemeinschaft) stehen, finden sie Einlaß in I seine Amtsgebäude, wo der Generalgouverneur sie als ihm Gleich I stehende mit der größten Auszeichnung behandelt. Liegt nicht hierin schon eine Mißachtung des Hofes und eine Beschimpfung der derzeitigen Gelehrtenwelt? 'Die Boxer von Ching-hai-hsien, nämlich Chang-te-chöngs, Tsao-fu-tien, Han-yi-li, Wen-pa-chih undWang-tS-cheng, sind auch zu gewöhnlichenZeiten gewaltthätige Dorfraufbolde gewesen, die die Behörden verachteten und gemein same Unruhen erregten, eine wahre Landplage, ihre Namen sind längst Jedermann unter den Eingeborenen bekannt, auch in Peking kennt sie Jeder. Und trotzdem hat der Generalgouoerneur sie ganz öffentlich in Berichten an den Thron unter Beilegung günstiger Zeugnisse zur Vormerkung für Beamtenstellen oorge- schlagen. Weiter kann man doch in der absichtlichen Täuschung des eigenen Herrschers nicht gehen. Ferner hat Mlu den Thron durch lügnerische Berichte über die ersten Kämpfe mit den frem den Truppen hintergangen. Dies harmonirt auf das Schönste mit 'der lügnerischen Meldung des Generals Tung-su- hsiang, daß die Gesandtschaften völlig niedergebrannt und sämmtliche Fremden erschlagen seien. Dieser Tung-fu-hsiang ist ursprünglich rin « i n g e b o r e n e r Bandit von Kansu, der, durch die Noth gedrängt, sich endlich unterwarf und seine Dienste als Soldat zur Verfügung stellte; im Laufe der Zeit hat er sich alsdann allerdings einige Verdienste erwooben; durch die Gnade des Hofes ist er dann außer der Reihe befördert worden, bis er schließlich seine jetzige Stellung erhielt. Er mußte daher mit besonderer Sorgfalt auf sich Acht geben, um sich der ihm zu Theil gewordenen großen Gnad« würdig zu erweisen zu suchen. Statt dessen aber fraterni - sirt er mit Banditen und begeht Gemeinheiten wie ein Räuber und Dieb. Geht man der Natur seiner Wildheit und Unbotmäßigkeit weiter nach, so findet man nicht nur, daß er sich der kaiserlichen Gnade gegenüber undankbar erwiesen hat, son dern muß auch fürchten, daß seine Gesinnung, die der eine jungen Wolfes gleicht, noch weiteres Unheil anrichten werde. Mlu hingegen ist schon früher oberer Provinzialbeamter ge wesen und hat eine Stellung inne, die mit der eines Militär beamten, wie Tung-fu-hsiang, nicht zu vergleichen ist, und doch ist auch er bornirt in einem Grade, wie Niemand vermuthet hätte. Indem solche Leute in der irrtümlichen Annahme, es entspräche den Intentionen Ihrer Majestäten der Kaiserin-Re gentin und des Kaisers, sich den thörichten Anschauungen von Hofwürdenträgrrn unschließen, k-yren sie in der unüberlegtesten Weise, ohne Scheu und Furcht, das Oberste zu Unterst. Die Hof würdenträger wieder ziehen jene an sich heran, um ihr eigenes betrügerisches Treiben mit ihrer Hilfe zu decken. Der Großsekretär Hsü-tung ist stets ein dummer Mensch gewesen, dem jedes Verständniß für das, was nützlich, und 'das, was schädlich ist, abgeht. Kang - yi, Mitglied des Staatsraths und assistirender Großsekretär,, der zu Verräthern ' hält und sich auf Banditen stützt, ist ein Mann von unheilbarer Thorheit. Chi - hsien , Mitglied des Staatsraths und Präsi dent des Kultusministeriums, hat stets an seinen Vorurtheilen klettenhaft festgehalten, ist unwissend und aufgeblasen. CH a a - s h u - ch i a o , Mitglieo des Staatsraths und Präsident des Justizministeriums, ist von Natur ein l i st i g e r F u ch s, der sich aufs Speichellecken versteht. (Schluß folgt.) * Peking, 30. April (Telegramm.) General Voyron be- qiebt sich nach Tientsin und errichtet dort sein Hauptquartier zur Ueberwachung und Zurückziehung der französischen ! Truppen, welche gemäß dem Wunsche verfremden Gesandten, Laß mit der theilweisen Reduktion der verbündeten Streitkräfte un- ! verzüglich begonnen werde, allmählich erfolgt. — Gras Waldersee stellte heute den Gesandten die Antwort der Generale auf verschiedene Fragen militärischen Charakters zu. Die Antwort stimmte im G oßen und Ganzen den Ansichten der Gesandten zu. In lieber- nnstimmung mit der Forderung der Letzteren, daß die Zahl der Truppen der einzelnen Nationalitäten, welche in Tientsin und Schanhaikwan verbleiben sollen, specificirt werde, schlagen die Generale vor, daß an den genannten Plätzen 300 Mann von jeder Macht zurückbehalten werden. (Wiederholt.) * London, 2. Mai. (Telegramm.) Die „Times" berichten aus Hongkong unter dem 1. Mai: Eine von dem Vicekünig und einem Tartarcngeneral unterzeichnete Proklamation hebt die Privilegien auf, die die Mandschus bisher den Chinesen gegenüber hatten. * Konstantinopel, 1. Mai. Die unter Führung des Generals Enver Pascha stehende türkische Mission für China ist heute von hier abgegangen. Der Krieg in Südafrika. England kricgsinnde. Der Staatssekretär des Kriegsamtes Brodrick hielt gestern in Guildford eine Rede, in der er die Nothwendigkeit betonte, so schnell wie möglich den Krieg in Südafrika zu bccndcn. Redner sprach sodann von dem Widerstande gegen den neuen Kohlenzoll und sagte, wenn man etwa glaube, daß eine solche Agitation auf die Regierung irgend welchen Druck ausüde, durch den sie zur Nachgiebigkeit veranlaßt werden könnte, dann würde für die Regierung die Zeit ihrer Herrschaft zu Ende sein. So lange als keine besseren Maßnahmen angeralhcn werden könnten, würde die Regierung bei den jetzt gemachten Vorschlägen über die Heeresorganisation bleiben. Clitschädignng Ausgewiesener. In der gestrigen Sitzung der Prüfungskommission für die Entschädigungs-Ansprüche der aus Südafrika ausgcwiesenen Personen weigerte sich der Zeuge de Haas, gewisse Fragen des Generals Ardagk, des Bertreters des KriegSamtS, zu beantworten. Der Letztere erklärte, da nur fünf Zeugen von ttOO Betheiligten geladen worden seien, so müsse von diesen fünf Personen Alles, was irgend möglich, erhärtet werden. Der holländische Bevollmächtigte Bisschop legte Verwahrung ein gegen Fragen allgemeinen Charakters. Der Präsident entschied, der Gerichtshof müsse in Bezug auf seine persön liche Kenntniß den Zeugen genau erforschen und müsse sich darüber vergewissern, ob derselbe sich am Kriege be iheiligt habe. * London, l. Mai. Lord Kiich euer telegraphirt aus Pretoria vom l. Mai: General Grenfell griff die Boeren bei Dergpl atz nahe bei Kalversberg an, wo der letzte lange Tomin Stellung gebracht war und das Feuer eröffnete. Nachdem die „Kitchener Schützen" aus 3000 Dards herangekommen waren, wurde das Geschütz in die Lust gesprengt und die Boeren zogen sich zurück. Es wurden zehn Gefangene gemacht. Von den anderen Abtheilungen wird gemeldet, es seien in verschiedenen Zusammenstößen zehn Boeren gefallen, sechs seien verwundet und zehn gefangen genommen worden. Sechzig Boeren hatten sich ergeben und 400 000 Patronen Gewehr- Munition seien erbeutet worden. Ter Verlust der Engländer beträgt 4 Tobte und 7 Verwundete. * Madras, 1. Mai. Drr Dampfer „Roslin Castle" ist mit 500 Boeren an Bord hier riugetroffen und geht morgen nach Bellary weiter. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. Mai. Im Reichstage hat gestern die dritte Lesung des Ur hebergesetzes wider alles Erwarten noch nicht zu Ende geführt werden können. Und zwar aus keinem anderen Grunde, als weil die Herren wieder einmal nicht in hin reichender Anzahl beisammen waren, um einem in Sicht befindlichen Anträge aus namentliche Abstim mung oder einer Anzweiflung der Beschlußfähigkeit gewachsen zu sein. Der Anfang der Sitzung ver lief glatt, eine Reihe von Paragraphen wurde debattelos erledigt und nur bei einem derselben eine geringfügige Aenderung an dem Beschlüsse zweiter Lesung vorgenommen. Ein lebhafter Kampf entspann sich erst beim H 19, der davon bandelt, inwieweit eine Vervielfältigung literarischer Werke ohne Erlaubniß zulässig sein soll. Bei der zweiten Lesung des Gesetzentwurfes batten bekanntlich die Fanatiker des Urheberschutzes dergestalt den Sieg davon getragen, daß sogar den Anthologien und Liederbüchern (CommerSbücher u. tgl.) der Boden abgegraben worden war. Nur Sammelwerken für unterrichtliche, kirchliche u. dgl. Zwecke war der Abdruck von Gedichten, kleineren literarischen Werken und Theilen größerer zugestanden worden. Gestern nahm der Abgeord nete vr. Hasse den Versuch, die Freigabe deS Abdrucks für Anthologien durchzusetzen, wieder auf. Er hatte dabei aber nur einen halben Erfolg. Die Urheber- schützler strengster Observanz, an der Spitze wieder Herr Müller-Meiningen von der freisinnigen Volkspartei, arcep- tirten zwar den Antrag Haffe, aber nur mit einem Anhängsel, wonach für die Aufnahme literarischer Produktionen in Sammelwerke für den Fall, daß der betreffende Autor noch lebt, dessen Einwilligung einzuholen ist. Mit einer solchen Fußangel ist die Freigabe des Abdruck- für Anthologien natürlich nicht allzuviel werth, wenn ihr auch nicht gerade jede Bedeutung abzusprrcken ist. Schon um deswillen nicht, weil auf Antrag des konservativen Abgeordneten Oertel — der den Anthologien gestern unerwarteter Weise etwas mehr Wohlwollen erwies, als bei der zweiten Lesung — auch noch ein Zusatz dahin beschlossen wurde, daß die Einwilligung des Autors als ertheilt gelten soll, wenn dieser auf eine bezügliche Anfrage resp. Mittheilung deS Herstellers des Sammelwerkes einen Monat verstreichen läßt, ohne seine Einwilligung ausdrücklich zu verweigern. Wer Lust hat, Anthologien herauSzugeben und zu verlegen, ist also künftig nicht mehr so ganz daran behindert, als er eS nack den Beschlüssen zweiter Lesung gewesen sein würde. Außer dem sind diese Beschlüsse aber gestern noch in einem zweiten Punkte, der von besonderer Wichtigkeit für SangeSbrüder ist, geändert und zwar verbessert worden. Auf den Antrag des CentrumSabgeordneten Wellst ein beschloß nämlich das HauS einstimmig, daß „Sammelwerke zur Benutzung bei Gesangsvorträgen", also Liederbücher aller Art, vorbehaltlos erlaubt sein sollen. Nach Erledigung > dieses tz 19 und debatteloser Genehmigung eines Dutzend I weiterer Paragraphen kam tz 33 an die Reihe, der > sich auf die öffentliche Aufführung von Bühnenwerken Feuilleton. Der Oger. Roman von Hermann Birkenfeld. Nachdruck vrrboten. Aus dem Buschwerk heraustretend, sieht er plötzlich Helles Licht vor sich. Irgend ein Feldfeuer. Doch nein — ein Haus! Jetzt eben schlägt lohend eine Flamme aus demselben hervor. Er kennt die Richtung „Halt, Herr! Im Namen des Gesetzes!" „Lassen Sie dir Narrheiten, Scharff, und kommen Sie mit!" „Narrheiten?" Der Polizeiwachtmeister Scharff, dem auf einem Gange nach dem Bahnhofe der Mörder so glatt ins Garn laufen wollte und der sich nun unsanft zurückgestoßen fühlt, brummt ein Donner wetter, wird aber dann erst, dem Oger nachschauend, den Brand gewahr, erinnert sich, daß es neben der Verhaftung von Mördern oder Todtschlägern noch andere, weniger gefährlich« Obliegen heiten für ihn giebt und hinkt dem Entflohenen nach. „Wahrhaftig, Karl Flügge seine Bude! Und Zwangsver steigerung stand schon an. Wenn das nicht Niedertracht von dem alten Süffel ist, blos damit seine Gläubiger um ihr Geld kommen, will ich nicht Scharff heißen." .Lisa!" Noch hundertfünfzig Schritt« vor der Brandstelle, in einem Pfeilerwinkel der alten Stadtmauer, hat er sie gefunden, am Boden hockend, über einen Haufen HauSrath gpbeugt — oder ein Bündel Kleidungsstücke — waS ist e»? „Lisa, Du Heer? Und Euer Hau» Dein Vater —* ES ist hell genug, um ihre Züge zu erkennen. Auch da» un- stäte Flackern ihrer Kohlenaugrn, die auf seinem Gesicht haften. Nun lackt sie, kurz und grell. „Mein Vater? — Da!" Sie zeigt auf dal Bündel zu ihren Füßen. Jetzt erst erkennt er den Betrunkenen. „Hier darf er natürlich nicht bleiben, aber einstweilen genügt, daß Du ihn gerettet hast." „Ich, ihn gerettet? Nein." Wieder das scharfe Lachen, .«brr ich bin zufrieden, daß er von selbst hierhrrgekrochen ist, wie 'ne Ratte auS dem brennenden Schiff. Ich rette nichts. Nicht 'mal mich selber. Für wen den« auch? Für sein« Gläubiger, die sich in ein paar Lagen um die Baracke reißen wollten, oder für ihn?" — Sie hält inne, am ganzen Körper zitternd. „Wär' ich nur auch d'rin geblieben", hebt sie dann gleich wieder an, „es frör' mich wenigstens jetzt nicht — nie wieder." Plötzlich schmiegt sie sich so dicht an ihn, !vaß er den sengenden Athem ihres Mnn des fühlt. „Sollst ja wieder Oger gewesen sein, alter Junge. Und — ob wahr, oder nicht — da kannst Du etwas sühnen", raunt sie hastig und weist mit ausgestrecktem Arm auf ihr Haus. „Es ist Jemand d'rin geblieben — oben auf meinem Zimmer Huh!" Zusammenschauernd starrt sie in die lohenden Flammen. Daß sie neben dem Betrunkenen ohnmächtig hinsinkt, sieht er nicht mehr. Wie ein Rasender stürzt er davon, in den Schwarm müßiger Gaffer, die auf die Ankunft der Wasserkufen harren, auf die Feuerwehr schimpfen, über des alten Flügge lästerlichen Lebens wandel ihre Glossen machen. Ein paar feste Griffe mit der Hand, ein paar Stöße nach rechts und links, und er ist drinnen. In dem brennenden Hause. „Der Oger! — der den ollen Hansen kalt machen wollte! — Wo ist Scharff? — Polizei!" — so schallt es hinter ihm drein. „Hei will sich ümbringen. Justement in de Flammen!" ruft Einer. „Wie 'n Hammel in den brennenden Schafstall —" ein Anderer. „Js denn de Deern *) noch drin?" „GottSdunner, sin Lising! Mit de hett hei dat ja früher hatt." „SchapSkopp! De un drin sin! Km Minsch iS drin, man blot de Oger. D« Annern — dat heit nich umsüß Flügge."») RoheS Lachen, Rufen, Schreien. So wa» erlebt sich doch nicht alle Tage. „Still, Kcischan! Do kümmt Scharff." „Je, oll Scharp —" .Hierher, Scharff! Hier muß er 'rauSlommen. Er ist drin." „Wer?" fragt Scharff. .De Dodschläger. Blot an de Dör upluera») —" Da» thut nun Scharff sehr «wiflenhaft, aber in gemessener Entfernung; denn herabfallende Dachziegel und brennende Holz stücke machen di« Nähe nicht ungefährlich. r) Dirn«. ») Da» heißt nicht umsonst Flügge. >) Blo» an der Thür auflauern. Dennoch hat er die Genugthuung, daß der Oger ihm in die Hände läuft. Nur daß er auf seinen Cyklopenarmen etwas sehr Schweres trägt, das er zwanzig Schritte von dem brennenden Gebäude sacht auf den Boden gleiten läßt und das von vor sichtig Hinzutretenden als der Körper des Rechtsanwalts Bleier erkannt wird. „Jetzt sind Sie mein Gefangener", sagt Scharff. „Hei hett em rettet,«)" ruft Einer aus der Menge. „Je, das kommt darauf an, ob der Todte noch Leben hat", ruft rin Anderer. Gelächter über den IspsuZ linx-uae! „Sag' mal, Scharff, hast Du vielleicht die Kurasch s), einen Menschen so durch Qualm und Flammen zu tragen?" Unterdessen hat Rudolf Scharff's Hand schon ein paar Mal von sich gestoßen. „So nehmen Sie doch Vernunft an, Mensch! Ich will Ihnen ja freiwillig folgen." „Holl man wiß o), Scharff, bat Helpt all' nich", rufen ein paar Stimmen aus dem Hintergründe. Da richtet der Oger sich hoch auf. Sein Aussehen — die beschmutzte, an ein paar Ecken ange glimmte Kleidung, das rauchgeschwärzte Gesicht mit Augen, die jetzt Funken sprühen, wie Karl Flllgge's Häuschen — entspricht jetzt — einmal — seinem Namen. „Feiglinge!" donnert er. „Wem von Euch ist nur in den Sinn gekommen, da drinnen nachzusehrn, ob eS etwas zu retten gab? — Schwäher, die Ihr auf ein bloßes Dienstbotengewäsch hin glaubt, ich hätte einem Menschen, der mir nie etwas zu Leide gethan, ans Leben wollen! Handelt so etwa Jemand, der ein paar Stunden nachher sein Leben in die Schanze schlägt, um einen Wildfremden zu retten?" „Hei hett Recht." .Je, dat ii all so'n Schnack.')" „Wat, Schnack? Hett oll Hansen em *) anzeigt? Oder sin' Fru? Wat? Un is Minschenlewen retten en ollen Hunne- trödrl? »)' *) Er hat ihn gerettet. r>) Courage. «) fest. ' Geschwätz. ») em — ihn oder ihm. ») Hunnetrödrl -- werthlose Kleinigkeit. „Hei hett Recht. Wahrt Jug i°), Scharff, dat Ii em nich anpackt!" Schon recken sich ein paar Fäuste nach Scharff, und schon werden vorn ein paar Stimmen laut: „Herr Lammert soll leben!" „Hoch! Hoch!" „Stilling! De Sprütt! ")" Mit sehr viel Lärm und sehr wenig Zweck kommt endlich die erste Spritze. Gleich hinter ihr rasseln die Räder der Wasser kufen. Mit Allem zugleich erscheint der Herr Bürgermeister, dem natürlich Scharff sofort berichtet. Der dienstfertig« Wacht meister zieht sich aber statt des für den guten Willen er hofften Lobes einen kräftigen „Wischer" von seinem Vorge setzten zu. „Entschuldigen, Herr Bürgermeister Aber Herr Se ¬ kretär Fiedelkorn meinte heute Nachmittag gleich, ich sollte ein wachsames Auge auf den Thäter haben —" Der Bürgermeister murmelt etwas, das ungefähr klingt wie: „Fiedelkorn ist ein Schafskopf" und entgegnet dann dem Ge knickten: „Quatsch! Ein wachsames Auge und eine zufassende Hand sind zweierlei, mein Lieber, daS mögen Sie sich merken. Ich habe soeben persönlich vom Herrn Senator erfahren, daß fern- Ohnmacht nur eine vorübergehende Schwäche gewesen ist, die ihn bei dem ganz zufälligen Besuche des jungen Herrn befallen hat. Die Frau Senator hat sich in ihrer ersten Bestürzung eines Schreckensrufes nicht enthalten können. Der Rest ist Quatsch." Quatsch ist ein Lieblingswori des Herrn Bürgermeisters. Daß nicht nur dieses, sondern seine ganze Rede von den neugierig Herandrängenden eifrig aufgesogen wird, versteht sich von selbst. „Dat högt mi örndlich "), dat Scharff 'mal wat afkregen hett. So 'n flukuhrigen") Racker!" brummt ein Bäcker, dem Scharff beim Zerkleinern seine« Brennholz«» auf der Straße Schwierigkeiten gemacht hat. „Ja, unP Här Burmester, d« kann't em wisrn!" „Unser Herr Bürgermeister soll lebrn!" „Und Herr Lammert daneben!" „Hoch! Und nochmal«: Hoch! Und zum dritten: Hoch!" '0) Hütet Euch. ") Still, di« Spritze! ") Da» freut mich ordentlich. >') Heimtückisch.
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