Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.04.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010427013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901042701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901042701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-27
- Monat1901-04
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezug-»Preis bl der Hauptezpedition ober den im Htnvt- bezirk und dmt Bororben errichteten ül»O- »adefiellea «»geholt: vierteljährlich 4.S6, »ei zweimaliger täglicher Zn stell»«« t»< Han« ^l 5.50. Darch die Poft dez«« für Deutfchlaud u. Oesterreich: tnerteljähn. S. Man abonnirt ferner mit «»n-rechend«vi Popausschlag bei den Postanstnltea in der Schweiz Italien, Belgien, Holland, Luxeni. dura, Dänemark, Schwede« und Norwegen, Rußland, de» Lonaustaaten, der Enropätschrn Türkei, Egypten. Kür all« übrige, Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die LxpevMon diese» Blatte» möglich. Di« Moraen-tlu-gab» erscheint nm '/,? Uhr, die Lbend-AuSgav« Wochentag» am 6 Uhr. Leöutio« out Lrpetittorr: IohmmiSgaffe S^ FUiglru: Alfred Bah» vor«. O. Klemm » Sorti«. LlnverfitLtgstraß« S (Paalimrm), LvutS Lösche, Batharinenftr. 1», tmrt. rmd KönigAplaH 7, ^-212. Morgen-Ausgabe. WpIger Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Königliche« Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes und Nolizei-Ämles der Ltadt Leipzig. Anzeige« »Preis die Sgespaltenc Petitzeile SL Reklamen unter dem Redacrtonsftrich (»gelpaltea) 75 H, vor den Famtlirnnach» richten («gespalten) LV L,. Tabellarischer und Zifserusatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbrfSrdarung 60.—, mit Postbesürderung ^l 70.—. Ä.»nahmeschiuß für Lozeizen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Sonnabend den 27. April 1901. 85. Jahrgang. Die russische Leise des Ministers velraffs. V. 8. Die Begegnung des russischen und des französischen Ministers des Auswärtigen ist sowohl in Petersburg, als in Pari» zum Gegenstände eingehender, theilweise überschwänglicher Erörterungen gemacht worden. Namentlich in Frankreich hat man mit Erklärungen über den Zweck der Reise Delcassö's nicht gekargt; diese Darstellungen waren indetz so mannigfaltig und enthielten so vieles Unwahrscheinlich«, daß ek fast den Anschein gewann, die Wahrheit solle hinter leeren Redensarten und sen sationellen Behauptungen verborgen werden. Unwichtig ist die Angelegenheit nicht. Eine officielle Ministerreis« ist stets ein Ereigniß, welches Beachtung verdient, namentlich, wenn der Leiter der auswärtigen Politik eine- großen Staate» zu auS- ssthrlicher Zwiesprache sich zum Collegen einer befreundeten Macht beliebt. Schon auS diesem Grunde wird man der Fahrt de» französischen StaatimanneS politisch« Bedeutung nicht ab sprechen können. Die Lag«, wie sie sich augenblicklich darfiellt, läßt es zudem natürlich erscheinen, daß die leitenoen Minister zweier verbündeter Staaten sich über ihr Verhalten in ver schiedenen Fragen mündlich auteinandrrzusehen wünschen. Zieht man alle Verhältnisse in Betracht, so gewinnt die An nahme, e» handle sich um eine Verständigung in Afrika und Asien, am Mittellän dischen und Gelben Meere, viel an Wahr scheinlichkeit. Frankreich ist besonders in Nordafrika intrressirt, Rußland ebenso im Osten Asien». In beiden Welttheilen spitzen sich die Verhältnisse zu, und rücken Entscheidungen immer näher, die da» Eingreifen der Mächte nothwendig machen könnten. Beide Regierungen sehen sich der Möglichkeit eines Gewitters gegenüber, und haben den Wunsch, gemeinsam zu handeln, wenn der AuSbruch einmal unvermeidlich geworden ist. Bekanntlich benutzte Frankreich den Beginn de» südafrikanischen Kriege», um die Eroberung der Luat-Oasen, an der Straße von Tripoli» und Timbuktu, ins Werk zu setzen. Dieser Plan ist allmählich durch langsames Vordringen in die Sahara soweit gefördert worden, daß die Verwirklichung eine» großen Colonialreiche» von Algerien über da» Senegal-Gebiet und Dahsme bi» nach Fran- zösch-Corrqo nur noch al» Zeitfrage erscheint. Der Sultan von Marokko fühlt sich mit Recht bei diesen französischen Absichten bedroht. Ist der Gedanke, oder doch nur ein Thril desselben, zur That geworden, so wird der Sheriff in Abhängigkeit von der Republik gerathen und nicht vielmehr al» ein Lasallenfürst sein. ES könnte sich auch ereignen, daß die Franzosen einen günstigen Augenblick benutzen, und Marokko völlig ihren Grenzen einver- leiän. Im Augenblick nun hat sich di« Lag« für den Sultan in sofern geradezu kritisch gestaltet, als di« Unzufriedenheit im Lande überhand nimmt und den Thron de» Herrscher» ernstlich gefährdet. Er wagt eS kaum mehr, seinen Palast in Marakesch zu verlassen, und ist im Grunde ein Gefangener seiner aufstän dischen Unterthanen. Indirekt sind es die Franzosen gewesen, welche diesen Zustand durch siegreiche» Vordringen in der Sahara herbeigeführt haben. Man kann «» dem Sheriff nicht verzrihen, daß er die Fremden nicht energisch zurückweist und verliert von Tag zu Tage mehr die Furcht, welche unter diesen Völkern am sichersten die Unterthanentreu« vrrbürgt. Ein« Katastrophe, d. h. das Emporflammen «ine» offenen Aufruhr» kann unter diesen Umständen schon in naher Zukunft in Marokko erwartet werden. Wir glauben kaum, daß solche» den Franzosen unwillkommen wäre; sie würden dadurch die Gelegen heit erhalten, sich in die inneren Angelegenheiten de» Lande» ein zumischen, Schutzmaßregeln für ihre Staatsbürger zu treffen und womöglich die „Ordnung" im Nordwesten Afrika» herzu- stellen beginnen. Dazu aber bedürfen sie der Hilfe Rußlands, weil e» mehr wie wahrscheinlich ist, daß auch andere Staaten, England zumal, sich an den „Schutzmaßregeln" zu betheiligen wünschen und die französischen Ansprüche einschränken könnten. Wir sehen hinan», daß der Leiter der französischen aus wärtig«» Politik in Folge der Ereignisse im Nordwesten Afrikas genügend Ursache zur Au»sprach« mit den Politikern des Zaren reiche» besitzt. Daß Letztere, wenn sie Zusicherungen ertheilen, ihrerseits Ansprüche erheben werden, liegt auf der Hand. Ruß land hat zu lange sein« Blicke auf Nordafrika und die Mittel- meerküste gerichtet, al» daß e» «ine Gelegenheit zur Erlangung eine» KriegShafen», oder einer Flottenfiation an der Grenze Europa» und Afrikas sich entgehen lassen sollte. E» ist noch heute in Aller Erinnerung, daß der Vorgänger des Grafen LamSdorff, Graf Michael Murawjew, kurz vor seinem Tode in geheimnißvoller Weise nach Pari» und Madrid reiste und mit den dortigen Staat»männ«rn vrrhandelte. Di« Meisten neigten damals der Meinung zu, daß eine Festsetzung der zarischen Macht an der Straß« von Gibraltar in Aussicht genommen war. Wenn jetzt diese Frage zwischen Delcass« und dem Grafen LamSdorff erörtert worden ist, so dürfte dir Erstere, um die Hilfe Rußlands bei etwaigen Verwickelungen am Mittelmeer« zu erlangen, solchen Plänen gewiß nicht Widerspruch entgegensetzen. Aber da» wäre kaum die einzig« Bedingung, unter der man in P«ter»burg zu greifbarer Unterstützung sich bereit finden ließe. Wichtiger al» Ceuta, oder ein anderer Miitelmerrhafin ist den Rossen augenblicklich jedenfalls da» Schicksal der Mandschurei und die Regelung der ganzen verfahrenen cftafiatischen Frage. Die russische Position im Norden China» ist trotz aller An strengungen auf militärischem und diplomatischem Gebiet« doch nicht so günstig, wi« r» di« leitrnd«n Petersburger Kreise wün schen. Frankreich aber hat seinen Verbündeten nicht nur nicht in China unterstützt, sondern mitunter sogar ein wenig gehemmt. Al» zuerst der Entwurf über da» Abkommen wegen der Mand schurei an die Oeffentltchkeit trat, da war e» gerade die Pariser Presse, welche äußerst unfreundlich über Rußland urtheilte und Gegenmaßreqeln oder Entschädigungen an die übrigen Mächte vrrlangte. Da» hat man an der Newa kaum vergessen. Selltt sich also der Zar entschließen, eine Action für Frankreich im Norden Afrika» zu beginnen, so wird Herr DeleassS nicht nur Zugeständnisse an der Mittelmeerkiiste machen, sondern feste, rin« Cooperation im Osten Asien» verbürgende Versprechungen ab geben müssen. Li« Reise de» französischen Minister» de» Auswärtigen kann im Hinblick auf die Ereignisse in den beiden, an Europa grenzen den Welttheilen eine weit größere Bedeutung erlangen, al» man «S vorläufig zugeben möchte. Sicherheit wird man natürlich erst dann erlangen, weim beide Mächte die Verwirklichung ihre» Pro- grammst in Angriff nehmen. Darüber könnte immer noch einig; Zeit vergehen. Daß aber die Begegnung da» französisch-russisch« Bündniß kräftigen und dem Zaren reich« neue Aussichten zur Ausbreitung seiner Macht gewähren wird, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Die Wirren in China. Tie gegenwärtige Zusammensetzung des chinesischen Ttantsraksts. Aus Peking, 4. März, wird uns geschrieben: Der StaatSrath, chinesisch Chün-chr-tschu, übt in China ähnliche Functionen aus, wie der Minister-Conseil in europäischen Staaten; wichtige Regierungsgefchäfte werden in seinem Schooßr erledigt. Sein« Mitglieder, die zugleich Präsidenten oder Vice- Präsidenten eines der Ministerien sind, versammeln sich täglich zu früher Morgenstunde im Palast, um dem Kaiser und der Kaiserin-Reaentln über die eingegangenen Berichte und Anträge der hauptstädtischen und Provinzial-Behörden Vortrag zu halten und Vorschläge für die zu erlassenden kaiserlichen Edictc zu unterbreiten. Die Mitglieder de» StaatSrath«», in gewöhnlichen Zeiten sechs bis sieben, sind daher als die hauptsächlichsten Rath geber des Thrones zu betrachten. Don den zur Zeit der Flucht des Hofes aus Peking im StaatSrath befindlichen Personen ist C h i h s i u am 26. Februar hingerichtet worden, Chao-shu-chiao hat gezwungen und Kang-yi freiwillig Selbstmord begangen. Der Präsident, Prinz Li, ein altersschwacher Greis, ist bis jetzt verschollen. W a ng - w e n - s h a o, der den Hof nach Hsianfu begleitet, und Junglu, welcher sich dort bald nach Eintreffen des Kaisers und der Kaiserin-Regentin ringefunden hat, waren zunächst die einzigen Minister, die dem flüchtigen Hofe zur Bildung eines provisorischen CabinetS zur Verfügung standen. Ihnen wurde nach einiger Zeit der bisherige Gouverneur von Kiangfu, Lu ch u a n - l i u, und Prinz Tuan zugesellt. Prinz Tuan schied in Folge seiner durch da» Decret vom 28. September v. I. ausgesprochenen Bestrafung wieder aus, so daß der Staats rath augenblicklich nur drei Mitglieder zählt: den conservativen Lu-chuan-liu, den in seiner Richtung schwankenden Aung-lu und den liberal und fremdenfreundlich gesinnten Wang-wen-shao. Letzterer wird in chinesischen Kreisen al» der Verfasser der vor Kurzem erlassenen Reform-EdictS an gesehen. Neuerdings scheinen gegen Wang-wen-shao Jntriguen im Gange gewesen zu sein, die mit seinem Siege geendet haben. Nachrichten au» Hsianfu zufolge ist der genannte Groß-Sekretär von einem Ministerial-Srkretär, der wohl nur al- Strohmann der Conservativen gehandelt hat, des Einverständnisses mit den fremden Mächten angeklagt und eS ist die Todesstrafe gegen ihn beantragt worden. In kaiserlichen Edicten vom 18. Januar und 3. Februar werden diese Angriffe aber als unbegründet zurück gewiesen. Gleichzeitig wird dem Ankläger, der darum gebeten hatte, ihn als Gesandten ins Ausland zu entsenden, eine scharfe Zurechtweisung ertheilt. * Ghaugtzcki, 26. April. (Telegramm.) Die „Universal Gazette" veröffentlicht detaillirt« Angabe» über di« Einnahmen und Ausgaben China«, au« denen hervorgeht, daß die jährliche DurchschntttSetnnahm« 88 »ud die AoSgabe 10t Millionen Taels, der jährliche Fehlbetrag mithin 13 Millionen Tael» beträgt. Der Krieg in Südafrika. Britisch« Helden. Die „Daily News" geben zwei Privatbrief« wieder, «in welchen da» Verhalten britischer Colonialtruppen in Südafrika mit Bezug auf deren weitgehendste DiSciplinlofigkeit grell be leuchtet wird. In dem einen Briefe wird geschildert, wie ein paar Dutzend canadischer Freiwilliger von dem famosen Corps de» Lord Strathcona sich in den letzten Tagen ihres Aufenthaltes in Capstadt in „harmloser" Weise amüsirten, wie sie sich bis zur Sinnlosigkeit betranken und schließlich Abends in den Straßen von Capstadt mit ihren Revolvern ein Weitschüßen nach den großen elektrischen Bogenlampen veranstalteten, ohne sich dabei im Geringsten um di« zahlreichen höheren und niederen Officiere zu kümmern, welche Augenzeugen des Treibens dieser Burschen in den Straßen waren, es jedoch vorzogen, dieselben in ihrem Vergnügen nicht zu stören. Die Polizisten waren machtlos, und als schließlich dem Stadtkommandanten Meldung gemacht wurde, sandte derselbe einen Ordonnanz-Unterofficier aus, um die Herren Canadier, die mittlerweile auch Fensterscheiben und sonstige Zielobjecte zerschossen, zur Ruhe ermahnen zu lassen. Die tapferen Söhne Canadas jedoch weigerten sich energisch, irgend etwas mit „übertünchter Höflichkeit" zu thun zu haben, packten die unglückliche Ordonnanz, steckten ihn in einen großen Kartoffelsack, den sie einem Grünkramladen gefüllt „entnommen" hatten, um die Erdäpfel al« Wurfgeschoss« zu benutzen, und nähten schließlich den Abgesandten de» Stadtkommandanten in dem Sacke «in, so daß er beinah« erstickt wäre. Ein starkes Detachement der Stadtgarde mußte mit aufoepflanzten Seiten gewehren den kanadischen Waffenbrüdern endlich den Ernst der Situation vor Augen führen, so daß die Letzteren sich schließlich unter heftigen Protesten gegen diese Störung ihres „Privat vergnügens" endlich bewogen fanden, in ihr Laaer außer halb ver Stadt zurückzukehren. Die Militärbehörden sahen von einer Feststellung und Bestrafung der Uebelthäter ab, zumal da da» Lorp» am nächsten Tage nach England segeln sollte, wa» jedoch nicht möglich war, da beim Appell am folgenden Morgen noch über SO Mvnn fehlten, die zum größten Thril sich in Den nächsten drei Lagen einstellten, so daß bä» Strathcona-Torp» Dann doch noch ziemlich vollzählig in See stechen konnte. — Di?S ist dieselbe Truppe, die nachher a Landon vom König Eduard und der Königin mit großem Gr- »lge feierlichS willkommen geheißen, belobt und „zum Danke für hr an «gezeichnete» Verhalten in Südafrika" mit Kreuzen, Me daillen und sosar mit einem Ehrenbänner höchst eigenhändig von Sr. Majestät beschenkt wurde. Die zweite Schilderung betrifft eine Mtheilung von 200 australischen Freiwilligen, di« in der Lorfkwt Maitland bei Tapstadt camplrten und gegen dieErlaubniß ihrerBorgesetzten in corpora nach de: Stadt nrarfchirten, um sich eine oirgnügte Nacht zu nmchen. Sie verlegt«, Eintritt in die Restauration-- ktilMr da NafipnaleSswrfing^Ukuh, welcher »Ker der trunkenen Horde verweigert wurde. Darauf stürmten sic das Local, schlugen d«n Manager halb todt und bemächtigten sich aller Getränke, die sie vorfanden, natürlich ohne zu bezahlen, wobei sie kaum «inen Stuhl oder Tisch heil zurückließen. Dann be gaben sie sich brüllend und johlend nach dem Gebäude „South- AfricanMews", deren Herausgeber bekanntlich wegen Verleum dung des Lord Kitchener angeklagt ist. Hier kam nun der Patrio tismus dieser australischen Helden zur großartigsten Entfaltung: sie zerbrachen und zerschmetterten Alles, was lose oder fest war in dem Hause, prügelten alle Personen, Vie sie in demselben vor fanden und ruinirten sogar die ganze Setzerei, woraus sie sich unter Triumphgesängen wieder in geschlossener Colonne nach der Standard-Bar in der Alderley-Street begaben, die sie ebenfalls stürmten, weil ihnen der Eintritt verweigert wurde. Polizei zu Pferde und zu Fuß, sowie zwei Compagnien Infanterie waren erforderlich, um die siegestrunkenen Australier zu Paaren zu treiben, — und von einer Untersuchung und Bestrafung hat man in diesem Falle ebenfalls abgesehen, weil . . ., nun, die junge Pflanze der colonialen Patriotismus bedarf der sorgfältigsten Pflege, und eine Bestrafung von Australiern und Canadiern en xros würde zu viel böses Blut machen, hüben und drüben. Deutsches Reich. Berlin, 26. April. (Bismarck und Schlözer.) Im Maiheft der „Deutschen Revue" veröffentlicht I)r. Paul Curtius von seinem vor sieben Jahren verstorbenen Oheim, dem ehemaligen trefflichen Gesandten Preußens am Vatican Kurt v. Schlözer, eine Skizze, in ver die Mittheilungen über düs Verhält» iß Schlözer's zu Bismarck besonders interessant sind. Schlözer war bereits drei Jahre der preu ßischen Gesandtschaft in Petersburg zuzethcilt, als Bismarck deren Geschäfte übernahm. Die Beziehungen zwischen beiden Diplomaten waren lange Zeit sehr schlecht, „gewiß aber nicht ohne Schlözer's Schuld", wie Curtius sagt. Bismarck selbst schrieb in dieser Hinsicht am 31. Mai 1861 an den damaligen Unterstaatsfikrctär von Gruner: „Schlözer ist im Umgang« mit Vorgesetzten schwierig, und ich habe anfangs üble Zeiten mit ihm durchgemacht; aber seine dienstliche Tüchtigkeit nno Gewissen haftigkeit hat meine Verstimmung entwaffnet." — Schlözer er kannte seinerseits die Bedeutung seines neuen Chefs durchaus an, und gerade in jener Zeit der Reibereien zwischen ihm und Bis marck wurde der Grund zu dem späteren vortrefflichen Verhält- niß gelegt. Allerdings widerstrebte eS dem ausgeprägten Selbst ständigkeit»- und Unabhängigkeit-triebe Schlözer's, der „Ad jutant" BtSmarck's zu werden, wie Letzterer «s beabsichtigt hat. Ja, auch als Schlözer nach seiner Berufung inL Ministerium unt«r BiSmarck als Ministerpräsident arbeitete, versagte er sich nicht scharfe und abfällige Bemerkungen über die Politik BiS- marck's, ohne des Letzteren gigantische Fähigkeiten zu verkennen. Bismarck stellte Schlözer gleichwohl nicht kalt, sondern besorgte ihm Anfang 1864 die Berufung auf den Gesandtenposten am Vatican. Nach vier Jahren ging Schlözer's erste Mission in Rom zu Ende, da Bismarck unter Hinweis auf Vic steigende poli tische Bedeutung des preußischen Generalconsulats in Mexiko Schlözer die dortige Stellung hatte anbieten lassen. Von Mexiko wurde Schlözer 1871 auf den Gefandtschaftsposten in Washing ton berufen. Bezeichnend für die Beschaffenheit seiner Be ziehungen zu Bismarck war die Art, wi« Bismarck ihn von der Ernennung zum Wirk!. Geh. Rath persönlich in Kenntniß setzte. „Ich hoffe", so schrieb er ihm, „daß Sie sich nicht in Ihrer Ehre verletzt fühlen, wenn ich Ihnen sage, vaß ich Sic zur Excellenz vorgeschlagen habe." — Auch die häufigen und längeren Besuche Schlözer's in Varzin und Friedrichsruh während des Urlaubs bezeugen, daß Schlözer ein gern gesehener Freund Bismarck's war. Wie hoch der Kanzler seine diplomatischen Fähigkeiten ein schätzte, lehrt Schlözer's abermalige Ernennung zum Gesandten am Vatikan mit der Aufgabe, den Ausgleich zwischen Preußen und der Curie herbeizufiiyren. Als Schlözer's Stellung mit der Uibernahme ves StaatSsekretariats durch ven Cardinal Rampolla eine Erschütterung erfahren hatte, hielt Bismarck an ihm als an dem Mann seines Vertrauens, fist; und auch gegenüber den Gegnern Schlözer's im Vaterlande gab Bismarck nicht nach. Erst nachdem Bismarck gestürzt war, was Schlözer im Interesse des Vaterlandes, wie er offen bekannte, nicht genug beklagen konnte, gelang es Schlözer's Feinden, firn« Entlassung herbeizuführen: in Berlin stellte man ihn als in körperlichem und geistigen Ver fall begriffen dar, beim Papst verdächtigte man ihn durch Ver breitung des Gerüchtes, daß er ein Anhänger der Freimaurerei sei. Am 26. Juni 1892 zur Einreichung des Abschiedsgesuches aufgefordert, empfand Schlözer bitter die ihm widerfahrene Be handlung. Seine letzten sonnigen Tage verlebte er in Friedrichs ruh, wohin er trotz ver heftigsten Schmerzen gereist war, um noch einmal in die Augen seines Lehrmeisters zu schauen. Wenige Monate später, am Pfingstsonntag 1894, ist Schlözer verschieden. 0. H. Vertin, 26. April. Der intern ationaleBerg- arbeitrr - Congreß findet in London am 27. Mai und den folgendrn Tagen statt. Von allen Arbeiterbewegungen hat di« der Bergleute überall einen ganz ausgeprägt inter nationalen Charakter angenommen, und der Londoner internationale Congreß dürfte n'ach mehr als einer Richtung hin sehr bedeutungsvoll werden. Zunächst wird der Congreß sehr stark beschickt werden, auch Deutschland wird durch eine Anzahl Delegirte vertreten firn. Di-^auptfrage des Congresse» wird die DerstaatlichungderMinensein. ES ist merkwürdig, welch« Wandlung sich bezüglich dieser Frage in allen Dergarbeiterkreijen vollzogen Hai. Als 1886 die Belgier mit dem Rufe: mines nur minem-s!" ihren Riesenstreit inscenirten, suchte man überall anderSwo über diese Forderung; „der Racker Staat" erschien den Bergleuten viel gefährlicher al» di« Minenbesitzer, die Kohlenbarone. Heute ist sie Furcht vor dem Racker Staat überwunden, man erwartet ein großes Heil für die Bergleute, wenn alle Minen in den Besitz des Staate» übergeganaen find. Der französische Bergarbeiter- congreßin'Lenr hat einstimmig in einer Resolution aus gesprochen, daß von dem Tage ab alle Mißbräuche verschwinden, an welchem der Staat die Minen selbst auSbeutet, und der inter national« Congreß in London wird beschließen, eine gewaltige Agitation für dfi Nationalist rung der Minen zu unternehmen. Di« zweite, jedenfalls nichl minder wichiige An gelegenheit ist die Frage des Generalstreikes. Man hat mit diesem Feuer schon oftmals gespielt, aber einmal kann doch aus dieser Spielerei blutiger Ernst »verden, und dann dürfte sich eine Calamität entwickeln, wie sie selten erlebt ist. Es ist kaum autzovenken, welche Schwierigkeiten sich ergeben werden, wenn der „schwarze Diamant" mit einem Mal fehlen sollte. Die fran zösischen Delegirten haben allen Ernstes beantragt, di« Frage deS General st reikes auf dem nationalen Congreß gründlich zu erörtern, der betreffende Punct der Tages ordnung lautet wörtlich: „Haltung der Bergarbeiter der Welt, im Falle die Bergarbeiter einer Landes den Streik erklären." Mit der eventuell«» Annahme einer entsprechenden Resolution ist ja immer noch nicht viel geschehen, aber das läßt sich leider nicht bestreiten, daß die Möglichkeit eines Generalstreikes der Bergleute immer näher und näher rückt. Die socialdemokatischen Bergarbeiterorganisationen schreiten in Belgien, Deutschland, Oesterreich, Frankreich, Nordamerika und auch in England vor wärts. tt Berlin, 23. April. Zur Kenntniß des preußisch«« Ministers der öffentlichen Arbeiten sind Beschwerden gekommen, daß das Zugbegleitpersonal in den V-Zugen der Unterweisung der Reisenden keine genügende Aufmerksamkeit schenke. Der Verkehr in diesen Zügen werde vielfach dadurch er schwert, daß es den Reisenden nicht möglich sei, von dem Zug personal Auskunft über freie Plätze oder andere Dinge zu er langen, die für die Reisenden wisfinswerth seien und deren Kennt- niß die Vertchrsabwickelung erleichtern und beschleunigen würde. Der Minister hat daher Vie königl. Eisenbahndirectionen ver anlaßt, der Abstellung des geschilderten Uebelstandes ihre be sondere Aufmerkfamteit zuzuwenden. Es wird sich empfehlen, dem Personal der V-Züge die Verpflichtung zur höflichen Be Handlung aller Reisenden, sowie zur besonderen Fürsorge für kranke, hilsbedürftige oder des Reisens unkundige Personen noch mals einzuschärfen. Außerdem wird aber auch darauf Bedacht genommen werden müssen, das vorhandene Personal durch ent sprechende Vertheilung der einzelnen Dienstverrichtungen zweck mäßig auszunutzen. Insbesondere ist auch der Wagenwarter, soweit er nicht durch seine technischen Dienstverrichtungen in An spruch genommen ist, zur Unterweisung und Abfertigung der Reisenden heranzuziehen: feine Dienstverrichtungen sind im Ein zelnen fistzulegen. Auch ist nichts dagegen zu erinnern, daß die Plvtztarten getrennt sowohl durch Zugführer als durch Schaffner verkauft werden, wenn dadurch Vie Verkehrsabwickelung er leichtert wird. * Berlin, 26. April. (Die Beaufsichtigung der mehreren Bundesstaaten gemeinsamen Wasser strassen.) Nach den vom BundeSrathe angenommenen Be schlüssen teS Reichstages, betreffend die Einsetzung «in«^ Reichscommission zur Beaufsichtigung der mehreren Bundesstaaten gemeinsamen Wasserstraßen, sollendem ReichSgesundbeitSratb. der „Allg. Ztg." zufolge, nach bezeichnete Obliegenheiten übertragen werden: Einmal soll der ReichsgrsundheitSroth bei wichtigere« Anlässe» auf Antrag eines der betheiligt«« Bundesstaaten in Fragen, di« sich aus Angelegenheiten gesundbeitS« oder veterinärpolizrilicher Art und auf die dabei in Betracht kommenden Anlagen und Einrichtungen (Zuführung von Canal« und Fabrikwassern, sonstigen Schmutzwaffer», Grnbenwassern, Aenderung der Wasserführung und dergl.) beziehen, eine vermittelnde Thätigkeit auSzuüben, sowie gutachtliche Bor« schlage zur Verbesserung der bestehenden Verhältnisse und zur Verhütung drohender Missstände zu machen haben, sodann auf Grund vorgängiger Vereinbarung unter den betheiligten Bundes regierungen über Streitigkeiten, die aus dem fraglichen Gebiet ent stehen, einen Schiedsspruch obzugrben haben; endlich soll der Reich«. gesundheitSrath in wichtigeren Fällen befugt sein, auf diesem Ge biet durch Vermittelung de» Reichskanzler» (Reich-amt de» Innern) Anregungen zur Verhütung drohender Missstände oder zur Verbesserung vorhandener Zustände zu geben. Weiter sollen nach dem genannten Anträge die verbündeten Regierungen ersucht werden, wichtige Fragen der erwähnten Art, insbesondere über die Zuleitung von Fäcalirn häuslichen Abwässern oder Abwässer» ge werblicher Anlagen, fall- nach der Auffassung eine» andere» Bunde»« staateS innerhalb dessen Staatsgebiete» die Reinhaltung eine» Se- wäfsers gefährdet wird und eine Einigung in der Sache sich nicht erzielen läßt, nicht «ndgiltig zu erledigen, bevor der Reich-gesund« heitSrath gutachtlich gebärt worden ist. (7) Berlin, 26. April. (Telegramm.) In der gestrigen Sitzung des Bund es ratbs wurde die Vorlage, betreffend den Entwurf von Vorschriften über die Einrichtung der Sammelkarte und die Vernichtung von Quittung-kartea de» zuständigen Ausschüssen überwiesen. Dem Antrag de» IV., VI. nnd VIl. Ausschusses zu den Beschlüssen de« Reichstag», betreffend die Bildung einer ReichScommission zur Beaufsichtigung der mehreren Bundesstaaten gemeinsamen Wasserläufe und einer bierzu gehörigen Eingabe wurde (wie schon gemeldet) die Zustimmung ertheilt, ebenso der Vorlage, betreffend die Verleihung von CorporationSrechte» an die mit dem Sitze in Berlin gegründete Südwest- afrikanische Schäferei-Gesellschaft. 8. Berlin, 26. April. (Privattelegramm.) Der Generaloberst ». Hahnke bat sich an seinem heutigen IubiläumStage auf ärztlichen Rath die Freude versagen müssen, Gratulanten persönlich zu empfangen und deren Glückwünsche entgegenzunehmen. Im Laufe des Vormittags erschien im Auftrage des Kaiser« der Wirkliche Geheime CabiaetS- rath vr. v. Lucanu«, welcher außer einem sehr gnädig« Handschreiben deS Monarchen die Brillanten zum Schwarze» Adlerorden überbrachte. Die Kaiserin übersandte mit ihre» Glückwünschen rin Bild mit den Photographien ihrer Söhne. Bon fast allen deutschen Fürsten waren bi« Mittag Glück wunschtelegramme eingegaugen. Der König von Sachse« hat eine kostbare Vase au« Meißner Porzellan übersandt, der Köniß von Württemberg ließ durch seine», zu» Militarcabinet commandirten Flügeladjutanten Oberstleutnant Schäfer sein Bild überreichen. Die General- und Flügel adjutanten meldeten sich mit einer IubiläumSgabe. die in einer großen silbernen Bowle mit Untersatz besteht. Der Eommandeur des Grenadier-Regiment« Prinz Karl von Preußen (2. Brandenburgische») Nr. 12, Oberst v. TreSckow überbrachte NameuS de« OssiciercorpS eia von Professor Röchling gemallcS Koloffalgemälde, welche- die Theilnabme dcü Regiments an der Schlacht bei Flaviguh darstellt Generalmajor v. Billaume gratulirtr im Namen der Officiere de« MilitärcabinetS.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite