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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.05.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010510027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901051002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901051002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-10
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Anzeigen-Prei- die 6gespultene Petitzeile 25 Neclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechen' höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen Ausgabe, ohne Postbesürderung ,/L 50—, mit Postbrsörderung ^l 70.— . Äunahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck uud Verlag vou E. Polz iu Leipzig Freitag den 10. Mai 1901. 85. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Die Feindseligkeiten sind seit etwa 8 Tagen überall, besonders aber in Transvaal wieder im Gange und es wiederholt sich daS alte unangenehme Spiel, daß die Meldungen nicht recht miteinander harmoniren, da sie auS verschiedenen Quellen stammen. So wird uns berichtet: k'. Loudon, 10. Mai. (Privattelegramm.) Aus Louren^o Marques wird unter dem 9. Mai gemeldet: Die Lage der Engländer in Westtransvaal ist unhaltbar. Dewet rooperirt mit Delarey, wodurch Babington zur Räumung und Zerstörung von Hartbrstfontein und zum Rückzug nach Klerksdorp veranlaßt wurde. Botha's Operationen in Osttransvaal zwangen Plumer zum Rück zug ans der Delagoabahn bis Erste Fabriken. Kitchener schickte 18 Schwadronen unbrauchbarer Ueomanry nach Eng land zurück. (Ihre Rücksendung wurde vorgestern im Unter haus bekanntlich angekündigt. D. Red.) * London, 9. Mai. Wie „Reuter's Bureau" aus Klerksdorp unter dem 8. Mai berichtet, wird Hartbestfontein nunmehr zerstört. — Steijn und Dewet sollen sich im westlichen Trans vaal befinden. * Pretoria, 6. Mai. (Reuter's Bureau.) GeneralBeatron's Lager wurde von Viljoen mit 500 Boeren angegriffen. Als diese in Schußweite herangekommen waren, wurden sie durch die Pompom- und Moximgrschütze der Engländer zum Rück zug gezwungen, wobei sie 6 Todte verloren. Tie Engländer nahmen die Verfolgung auf und zwangen die Boeren, ihren ganzen Troß im Stich zu lasten, der darauf erbeutet wurde. Das Fort Klipdam, der Wohnplay des Eingeborenencommifsars CapitänDahl, wurde von Oberst Greensell angegrissen und nach hartem Kampfe, bei dem 9 Boeren fielen, eingenommen. Die Engländer machten 45 Gefangene und erbeuteten einen Posten Munition. Ueber die letzten Kämpfe der Engländer mit Delarey bei Hartbestfontein schrieb uns unser Londoner Berichterstatter unterm 6. Mai: Die Gegend um Hartbestfontein, welche schon zwei für die Engländer ungünstige größere Gefechte gesehen bat, scheint noch einmal der Schauplatz eines größeren und vielleicht in gewisser Hinsicht entscheidenden Kampfes werden zu sollen. Die heute vorliegenden wenigen und sehr knappen Nachrichten lasten erkennen, daß General Delarey, dessen Position die ver schiedenen nach und nach gegen ihn entsandten britischen Co- lonnen nickt im Geringsten haben erschüttern können, hat seine kleine Armee allmäblig auf ca. 5000 Mann gebracht und bat diese Streitmacht in so vortrefflichen Stellungen unter gebracht, daß der englische General Babington mit seiner Brigade, Lord Metbuen mit seiner Division und schließlich General Rawlinson ebenfalls mit einer Brigade daselbst in enger Cooperation nicktS gegen die selben ausrichten konnten. Lord Kitchener bat von Pretoria au« weitere Verstärkungen an Metbuen entsandt und den letzteren einen nachdrücklichen Angriff auf Delarey'S Posi- linnen anbefohlen, so daß also ein größeres Gefecht zur Stunde bereits im Gange sein dürfte. Gerüchtweise ver lautet sogar, daß General Babington's Brigade bereits eine schwere Niederlage erlitt und von Metbuen ausgenommen werden mußte, der seinerseits mit überlegenen Streitkräften den Boeren entgegentrat und weiteres Unheil auf englischer Seite verhütete. Die englischen Truppen befinden sich übrigens auch schon desbaib ungeheuer im Vorrheil, als sie über zahl reiche Artillerie verfügen, während Delarey bekanntlich vor einigen Wochen ein paar Geschütze verlor und beute den Engländern nur noch wenige Kanonen entgegenstellen kann. Da jedoch die Boeren, wie oben erwähnt, vorzüglich aus gewählte Stellungen auf den Hügeln und Bergketten besetzt halten und dieselben inzwischen natürlich gut befestigt haben, so fällt den englischen Truppen wieder einmal die verhaßte und schwierige Aufgabe zu, gefährliche Positionen mit stürmender Hand nehmen zu sollen, wobei, wie eS scheint, nicht einmal die so beliebte und bequeme Ueberflügelnng der Boeren durch die britische Uebermacht so leicht zu bewerkstelligen sein wird, da Delarey auch dieser Eventualität durch eine entsprechende geschickte Wahl seiner Stellungen und durch eine weite Ausdehnung derselben nach Kräften vor gebeugt hat. Lord Metbuen dürfte also nicht vor einer leichten Aufgabe stehen und trotz der noch weiter eintreffenden großen Verstärkungen und seiner entsprechenden Uebermacht schwerlich ohne weiteres die Oberhand über Delarey gewinnen. * Loudoll, 9. Mai. (Unterhaus.) Aus eine Anfrage erklärt Staatssekretär Chamberlain, nachdem Botha die ihm gestellten Bedingungen abgelehnt habe, sei die Regierung nicht länger daran gebunden. (Wiederholt.) * Graasreinet (Capcolonie), 9. Mai. (Reuter's Bureau.) Ein Ladeninhaber in Pearston, der angeklagt war, während der Besetzung Pearston's durch Kruitzinger's Streitkräfte für die Boeren geworben zu haben, wurde vom Kriegsgericht zu 10 Jahren Zuchthaus verurtheilt. Die Wirren in China. Prinz Tschnn, der „Sühnegcsandtc". Aus Peking, 20. März, schreibt man unS: Der als Führer der Sühnrmission nach Deutschland in Aussicht ge nommene Prinz Tschun ist durch ein am 17. Februar d. I. erlassenes kaiserliches Edicl zum Nui-ta-chvn (gewöhnlich mit „kaiserlicher Kammerhcrr" übersetzt) ernannr worden. Es giebt im Ganzen sechs solcher Kammerherren, sie sind Befehlshaber der Palastwachen, ihre Amtspflichten führen sie daher häufig in die unmittelbare Nähe des Herrschers. Durch ein weiteres, am 25. Februar ergangenes Edict werden Prinz Tschun und zwei andere Mitglieder der kaiser- licken Familie (der Prinz zweiten Ranges Na-lo-tschön und der Prinz dritten Ranges Pu-lun) zu Inspektoren der Banner truppen ernannt. Die drei Genannten sind offenbar an die Stelle von Prinz Tuan, Tsai lien und Tsai Lfing getreten, die vor ihrer Bestrafung diese Posten innehatten. Entsprechend der Anzahl der mandschurischen Banner giebt eS im Ganzen acht derartige Inspektoren, die mit Ausnahme des GroßsekretärS Jung-lu sämmtlich Prinzen von Geblüt oder dem Kaiser bause verschwägerte mongolische Prinzen sind. Die dem Prinzen Tschun durch die ihm zu Tbeil gewordenen Er nennungen zusallenden Obliegenheiten sind, so lange der Hof noch nicht nach Peking zurückgekehrt ist, nur nominell. Jedoch kommt er dadurch in den Genuß des mit seinen neuen Aemtern verknüpften Einkomckens. * New Uork, 9. Mai. Nach einer Nachricht des „Globe" hat der amerikanische Bevollmächtigte in China Rockhili gestern dem Staatsdepartement telegraphisch mitgetheilt, daß die chinesische Regierung vorgefchlagen habe, es solle nicht nur die Mandschurei, sondern das ganze chinesische Reich dem Welt- handel geöffnet werden. Dieser Vorschlag sei in der Hoffnung gemacht worden, daß daraufhin die Mächte ihre Entschädigungs forderungen herabmindern würden. * London, 9. Mai. Unterhaus. Parlamentsunterfekretär Cranborne erklärt, es sei keine Mittheilung über die Oefsnung Chinas für den Welthandel eingegangen, weder von China, noch von der amerikanischen Regierung. Auf eine andere Anfrage wegen der angeblichen Beschießung eines britischen Schiffes durch Deutsche erwidert Cranborne, wenn der in den Blättern gemeldete Zwischenfall sich wirklich ereignet hätte oder von Bedeutung gewesen wäre, so hätte der britische Gesandte in Peking darüber sicherlich schon telegraphisch berichtet. Es bestehe nicht die Absicht, darüber eine Anfrage an den Gesandten zu richten. (Wdrhlt.) * Yokohama, 9. Mai. („Reuter s Bureau".) Die Panik in Kiota läßt nach; man sieht die Lage leichter an. Weder Marquis Laigo, noch Marquis Damagata, noch Gras Matsukata oder Graf Jncuge sind gewillt, die Bildung des Cabinets zu übernehmen. Sie haben dem Kaiser gerathen, aus Marquis Ito einzuwirken, diese Aufgabe zu übernehmen; bisher hat aber dieser abgelehnt. Man glaubt, daß Gras Jnouge das Finanzporteseuille in dem reconstruirten Cabinrt Ito übernehmen würde. Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. Mai. Im Reichstage scheint eine gewisse Confusion zu herrschen. Schon gestern gegen Mittag meldete der officiöse Telegraph, dem hohen Hause sei folgendes Schreiben zugegangcn: „Mit Ermächtigung Sr. Majestät des Kaisers beehrt sich der Unter zeichnete, dem Reichstage den Antrag: „zur Vertagung des Reichstages bis zum 26. November d. I. die Zustimmung zu ertheilen", zur verfassungsmäßigen Besctstußnahme vorzulegen. Der Reichskanzler Bülow." Aus keinem der uns vorliegenden Berichte über die gestrige ReichS- ragssitzung geht aber hervor, daß der Präsident dem Hause Mittheilung von dem Eingänge dieses Antrags gemacht habe. Dagegen erfährt man, der Antrag sei auf einen Wunsch des Seniorenconvents zuriickzuführen und dieser Wunsch sei aus der Erwägung hervorgegangen, daß für eine Fortsetzung der Session nach Pfingsten zur Durchberathung der noch nicht erledigten Borlagen kein beschlußfähiges Haus mehr zu erzielen sein würde. Und weiter erfährt man, daß der Seniorenconvent sofort nach Eingang des dem Plenum noch unbekannten Antrags zusammengetreten ist, um sich über die bis Montag oder Diens tag noch zu erledigenden Vorlagen schlüssig zu machen. Man kam darin überein, bis zur Vertagung folgende Entwürfe und Anträge zur dritten Lesung zu bringen: Die Anträge über die Gcwerbegerichte und die Anwescnheitsgelder; ferner das Handelsprovisorium mit England; einen Nachtrag zum Etat in Folge des Gesetzes über die privatenVersicherungsgesellschaften und end lich ein Nothgesetz zur Verlängerung oer B r e n n st e u e r, die am 30. September d. I. abläuft; letzteres Gesetz soll in Form eines Initiativantrages eingebracht werden. Ganz correct ist es schwerlich, daß der Seniorenconvent sich mit einem Anträge des Reichskanzlers befaßt, bevor dieser Antrag zur Kenrttniß des Hauses gebracht ist. Und jedenfalls ist die Beschlußfassung des Seniorenconvents über die vor der Ver tagung noch zu erledigenden Gesetzentwürfe für die Katze ge roesen, wenn das Plenum den Vertagungsantray ablehnt. Ta das aber schwerlich geschieht, so wird auch darüber, daß der Seniorenconvent, der ja nach der Ansicht des Präsidenten gar keine berechtigte Einrichtung ist, eigenmächtig mit dem Reichskanzler über die Vertagung des Hauses ein Uebereirckommen trifft uns dann das Haus nicht nur mit diesem Uebereintommen, sondern mit einer auf Grund desselben beschlossenen Geschäftseintheilung überrascht, kein Hahn krähen. Jedenfalls ist bei der „Müdigkeit" selbst der wenigen fleißigen Abgeordneten die baldige Vertagung des Hauses das einzige Mittel, dem deutschen Parlamente die Schande zu ersparen, daß es schon im Mai beschlußfähige Sitzungen nicht mehr abzuhalten vermag. Und auch dem Reichskanzler uwd dem Bundesrat he muß die Ver tagung willkommen sein. Der Erstere, der nach dem Rücktritt Miquel's keinen Vicepräsidenten des preußischen Staats Ministeriums mehr neben sich hat, wird nun genug zu thun haben, um mit Erfolg dieses umgebildete Ministerium zu ein heitlicher Wirksamkeit anzuleiten. Und da, wie dir „Berl. Polit. Nachr." mittheilen, gehofft wird, daß es möglich sein werde, bei der Wiederaufnahme der Sitzungen im Herbst dem Reichstage die neue Zolltarifvorlage unterbreiten zu können, so muß auch Den Mitgliedern des Bunvesrathes daran liegen, daheim in aller Ruhe an den Bkrathungen ihrer Regierungen über die Vorlage sich zu betheiligen. Uebervies wartet, wie es scheint, des Bunvesrathes auch eine besondere Aufgabe. In der Reichstags commission zur Vorberathung der Schaumweinsteuer hat der Staatssekretär Freiherr o. Thielmann erklärt, man müsse auf dem höheren Steuersätze bestehen und jeden Pfennig Zu sammenhalten, denn das Deficit im nächsten Reichsbaus Halisetat werde sich auf 70 b i s 80 Millionen Mart be laufen. Demokratische Organe berufen sich darauf, daß vor Kurzem das drohende Deficit nur mit 40 bis 50 Millionen Mark angegeben worden sei. Der Herr Schatzsekretär, der ja auch neu lich sagte, der Reichsinvalidenfonds sei schon „bankerott", trägt vielleicht manchmal mit etwas starken Farben auf. Mit der Thatsache aber, daß erhebliche neue Reichssteuern nothwendig werden, beginnt man allmählich überall zu rechnen. Nur wird cs nicht eine Reichseinkommenstcuer oder dergleichen sein, wie Socialdemokratie und Freisinn wollen; es giebt noch dem Reiche zustehende indirekte Steuern, die sehr wohl größcrer Leistung fähig sind. Aber sie wollen gesucht und ein bezüglicher Gesetz entwarf muß ausgearbeitet werden. Das wäre auch eine Ferien ausgabe, deren Lösung freilich den Reichstag im Herbste weniger angenehm überraschen dürfte, als ihn jetzt die Vereinbarungen seines Seniorenconvents mit dem Reichskanzler über die Ver tagung des Hauses überraschen. Auf der bevorstehenden Generalversammlung der größten socialdemokratischen Gewerkschaft, des Metallarbeiter verbandes, wird eS, nach Auseinandersetzungen in der „Metallarbeiterztg." zu schließen, zu sehr erregten Debatten kommen. Den Grund hierfür bildet ein großer, vom Vor stande ausgearbeiteter Organisationsplan, der auf die Bildung einer GewerkschaftSbureaukratie hinausläuft Das Gesammtgebiet des deutschen Reiches soll, wie schon früher mitgetheilt, in zehn Bezirke eingetheilt werden, an deren Spitze je ein sestbesoldeter Bezirksleiter steht. Bezüglich der Besoldung dieser Bezirksleiter hält der Vorstand ein Anfangsgehalt von 2000 im Iabre für nicht zu bock, schlägt aber unter Berücksichtigung des Umstandes, daß jeder Bezirksleiter sich erst einarbeiten muß, vor, das Gebalt sür diese Beamten mit 160 pro Monat im ersten Jahre be ginnen zu lassen, eS bei der Anstellung nach Ablauf dieses Jahres auf 180 per Monat zu normiren und von da an Feuilleton. q Ein Engel öer Finsterniß. Roman von Gertrude Warden. Autorisirle deutsche Uebersetzunq von A. BraunS. Nachdruck verdcNn. Trotz seines fünfjährigen Schulbesuches in England und seine» englischen Vater» und Bruders war Viktor voch nicht im Stande, die Aussprache oder Idiome der englischen Sprache zu beherrschen, die in der That im Familienkreise auch selten gesprochen wurde, da la kstits sie ebenfalls nicht erlernen tonnte. Dudley'» literarische Arbeit hatte zumeist in englischen Zrttungkredactionen gelegen, und zu seines Vaters Lebzeiten hatte er sich mit ihm abwechselnd englisch sowohl als französisch unterhalten; folglich war bei ihm die Gefahr, seine Mutter sprache zu vergessen, ausgeschlossen. Bei Viktor verhielt es sich aber ander», und eine Verwechselung englischen Jargons und englischer Idiome bildete für seinen Bruder eine Quelle steter Belustigung. Sie traten in ein Restaurant auf dem Strand, daselbst ihren Luncheon einzunrhmen, zu welchem eine Flasche Champagner zu bestellen, Viktor sich nicht nehmen ließ. „Wir wollen un» jetzt freuen und fröhlich sein, so viel wie möglich!" rief er. „Nach dem Briefe unserer trefflichen Tante zu urtheilen, wird das Leben in ihrem Hause nicht allzu amüsant werden. Wie r» scheint, erwartet die gute Dame ein nette» Paar RouK» auS jener gottlosen Stadt Paris zu sehen, da str sich dir Mühe nimmt, un» darauf aufmerksam zu machen, daß e» in Hampton Tourt kein« CafK», Ballet» und Spielsalons grdel Mich besonder», der ich Halbfranzose bin, wird sie sich verdorben denken! Selbstverständlich ist es absolute Nothwendig- keit, daß ich die Spitzen meine» Schnurrbarte» nach oben drehe, die Dienstmädchen küsse, den Bedienten fluche und Karten, Würfel und Branntwein verlange, sowie ich nur den Fuß ins Han» gesetzt; denn sonst wird Madame Revelsworth enttäuscht sein. Ich muß jetzt schon den Anfang mit dem Zwirbeln meine» Schnurrbarte» machen!" «- vom Lisch« im Restaurant, an dem er mit seinem Bruder saß, aufstehend, schritt Viktor hinüber an einen der hohen Spiegel und fing an unter Brummen und Bemühen, seinem gutmüthigcn Gesichte einen Ausdruck höchster Verdorbenheit zu geben, seine Gchnurrbartenden verwogen nach oben zu drehen. Daß sein Thun dir Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf ihn lenkte, kümmert« ihn nicht die Spachtel. Er war von Natur heiter, und das Selbstbewusstsein, das in der Regel jeden Engländer abhält, in Gegenwart von Fremden sich ausfällig zu machen, ging ihm vollständig ab. Die beglückende Neuigkeit, die er eben im Bureau des Rechtsanwalts erfahren, hatte seine natürliche Lustigkeit auf den Höhepunkt gehoben und ihn aufgelegt gemacht, aus purer Herzensfreudigkeit über alle Tische zu springen und Purzelbäume zu schlagen. Auf Dudley hatte hingegen die Mittheilung des Juristen eine völlig entgegengesetzte Wirkung geübt. Erstens schien sie ihm nach so vielen Jahren harten Kampfes zu gut, um wahr sein zu können; und wenn sich zu seiner Freude in Wirklichkeit Her ausstellen sollte, dass ihm in Kurzem ein fürstliches Vermögen zufallen würde, dann kam es doch zu spät, konnte seinen theuren Vater nicht wieder ins Leben zurückrufen und seine zärtlich geliebte Mutter vor einer Wiederverheirathung bewahren, um sich für ihre späteren Lebensjahre ein behagliches Heim zu sichern. Zu spät — zu spät! Die Worte ließen sich auf die Situation auch noch in anderer Beziehung anwenden. In seinem 21. Jahre hatte sich Dudley sterblich in ein grauäugiges englisches Mädchen verliebt, die Schwester eines befreundeten Journalisten, die mit den Eltern in Paris weilte. Sie war achtzehn Jahre, war sehr habicr und ermuthigt« seine Aufmerksamkeiten augenfällig. Aber jeder Pfennig, den der junge Mann verdiente, wurde gebraucht, den Wolf von der Thür deS kleinen Haushalte» in der vierten Etage abzuhalten, und Dudley wagte nicht, ihr seine Liebe zu erklären. Das jung« Mädchen weinte heiße Thränen und fand den schönen Herrn Revelsworth recht garstig, weil er gar keine Besuche mehr machte. Am Schluß des Jahres, ehe eine Wendung in Dudley's Aussichten eingetretrn, vrrheirathete sie sich auf die drängenden Bitten ihrer Eltern, die auch kein Vermögen besaßen, mit einem reichen Bankier. Ob sic glücklich geworden oder nicht, das zu erfahren, hatte Dudley keine Gelegenheit. Aber seine Liebe zu ihr hatte etwas von der schwärmerischen Anbetung der ersten Jüngling»liebr gehabt, war jedoch tief und echt gewesen, und als er drei Jahre danach ihren Tod erfuhr, litt er unendlich, aber still. Gezwungen zu sein, der Welt die Stirn zu bieten und für sich und Andere ein mühsames Brod zu verdienen, in einem Alter, wo er sich noch hätte auf dem Tricketfeld« amiisiren sollen, Hütte sein natürlich lebhaftes und tapferes Temperament mtt Mißtrauen überschattet und eine leidenschaftslose, soqar etwa» verdüstrrte Lebrnsanschauung in ihm erweckt, und die Üngeheuer- lichkeit des in Aussicht stehenden Reichthums hob die Univahr- scheinlickkeit noch mehr hervor. Eine Million Pfund Sterling! Beide, er und sein Bruder zusammen, waren nicht im Stande gewesen, mit Bestimmtheit auf einen jährlichen Verdienst von 200 Pfund Sterling rechnen zu können, und da stand ein Mann, der sie die Erben einer Million nannte — sie Beide, Dudley und Viktor Revelsworth, mit nur 15 Pfund Sterling baoren Geldes in ihren Taschen, abgesehen von dem Check, den Herr Simpson ihnen einhändigte, die sie ihr Eigen nennen konnten! Gewiss würde ein unvorhergesehenes Ereigniß eintreten, irgend Etwas passiren, solch" ungeheures Glück wieder zu ver nichten — wenn „Reichsein" überhaupt ein Glück war. Frau Revelsworth möchte Abneigung gegen sie fassen, und das Geld gehörte ihr, sic konnte eS vermachen, wem sie wollte. Dem An schein nach hatte der Besitz desselben John Revelsworth gegen das Ende seines Lebens nicht glücklicher gemacht, und in welcker Weise konnte eS jener harten, vorurtheilsvollen, argwöhnischen alten Dame, die in dem alten Hause auf dem Hampton Court- Anger ihr einsames Dasein führte, nützen. „Auf Ehre, Dudley", rief sein Bruder, vom Spiegel sich jetzt nach dem Tische wendend, „Du siehst aus, wie ein Mensch, der eben gehängt werden soll! Trinke, trinke den Champagner und bedenkt, dass wir Millionäre werden! Volons! Was sollen wir mit dem Gelbe machen?" „Wir habrn's ja noch gar nicht, haben unsere Tante Mar garete noch nicht einmal gesehen! Auf den ersten Blick kann sie uns noch enterben, laß Dir sagen! Vermuthlich müssen wir so bald wie möglich Hinreisen und ihr unsere Aufwartung machen." „Nein, nein, so spät wie nur möglich, mein lieber Dudley! Sie wird uns um 9 Uhr zu Bett und drei Mal in die Kirche schicken. Wir wollen ihr hübsche, gehorsame Briefchen schreiben und ihr darin ergebenst mittheilen, daß wir uns ihr in einigen Tagen vorzustellen hoffen. Unterdessen baben wir hier Theater und Musikhallen. In Paris war's Geld so knapp zu Ver gnügungen; aber heute und morgen, da wollen wir mit dem Gelbe unsere Freiheit noch genießen und nach Herzenslust Possen treiben. Heute Abend wird im Gaiety-Theater jenes neue Stück gegeben." „Ich möchte lieber die neue Cafö-chantant-Sängerin hören, die wir in Paris vermissten. Sie ist jetzt hier zu hören und singt in den Musikhallen." „Dann geh' hin! Aber eine anbetungswürdige kleine Tänzerin ist hier, deren Porträt in allen Schaufenstern ausgestellt ist. Die möchte ich mir von der comfortabelsten Loge ansehen, wo ich so recht behaglich sitzen und die Füße auSstrecken kann und für mich allein sagen: Aha, Du niedliche, reizende Miß! Mein Bruder und ich werden eine Million Pfund Sterling bekommen! Wird Ihnen nicht der Mund wässerig? Und dann gehe ich an die Bühnenthiir und sage: „Schöne Miß, wollen Sie mich hrirathen? Wollen Sie sogleich die Sache mit mir richtig machen?" Lnlin, ich werde einen herrlichen Strauß kaufen und ihn ihr zu Füßen legen." „Na, Viktor, wenn der erste Gebrauch von dem uns zu gedachten Vermögen, das aber noch immer in der Luft schwebt, ein Heirathsantrag an eine Serpcntintänzerin sein soll", lachte Dudley, „dann wäre cs wahrscheinlich besser, Du erhieltest es nicht! Und mit Dir ins Theater gehen und Dich in Deinen tollen Streichen protegiren, dafür danke ich! Ich werde mich anderswo unterhalten." Trotz des Scherzes wusste Dudley recht gut, daß die Leiden schaft seines Bruders für die bestrickende Tänzerin nur einen Tag währen würde. Aber mit Victor in seiner gegenwärtigen übersprudelnden Laune in derselben Theaterloge zu sitzen, wäre eine zu schwere Aufgabe. Sie besorgten ihre Geschäfte bei den Schneidern und Hutmachern, promenirten hernach in den Strassen von London, dinirten zusammen um 7 Uhr und dann suchte Jeder nach beiderseitigem Uebereinkommen sein Vergnügen nach anderer Richtung. Viktor wählte das Gaietv-Tdeater und Dudley wollte ein bekanntes VariötS-Theater in der Nähe von Leicester Square besuchen. Als Dudley seinen Platz auf dem Balcon in dem letzt genannten Gebäude einnahm, lächelte er nock tür sich hin bei der Erinnerung an den letzten flüchtigen Anblick, den er von seinem Bruder in einem Blumenladen auf dem Strande erhascht, wie jener über den Ladentisch mtt einer hübschen Verkäuferin um ein ungedcures rothes Rosenbouquet feilschte und ihr dabei die tollsten Complimente sagte. Viktor wäre stets in jede anziehende Frau, der er begegnete, ein bischen verliebt, dachte Dudlev, bis jetzt jedoch hatte er für rin weibliches Wesen noch keine wirklich ernstliche Leidenschaft empfunden; sein Herz brannte gleich lichterloh, das Feuer ver löschte aber gleich schnell wieder. Er war so offen und arglos, so leichtherzig und vertrauensvoll, daß in Dudley's Seele manchmal die Besorgniss aufstieg, eine berechnende Frau möchle aus diesen Eigenschaften ihren Dortheil schlagen und ihn fest an sich binden, jetzt, wo seine Verhältnisse sich so wunderbar zum Besseren gestaltet hatten. „Er ist ganz das Genre von Mann, von einem Weibe hinter gangen zu werden", gab sich Dudley seinem Sinnen hin, „da er Schönheit liebt und unfähig ist schleckt von Anderen zu denken. Sein Naturell ist viel liebenswürdiger al» da» meinige; er besitzt
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