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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.04.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000420028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900042002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900042002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-04
- Tag1900-04-20
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und giffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mrt Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Marge u-Au-gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet» an di« Gxprdttto» zu richten. Druck und Verlag vo» E. Polz in Leipzig, St. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. April. Die Socialdemokratie 1« der Berliner Ttadtverordneten- »erfammlung ist mit ihrem Antrag, eine für den Empfang de» Kaiser» von Oesterreich geforderte, verhältnißmäßig geringfügige Summe zu verweigern, s» gut wie allein geblieben; nur ein einziger bürgerlicher Stadtverordneter, (Maragrasf) stimmte mitßihuem Die Opposition bewegte sich also innerhalb ihrer natürlichen Grenzen. Die ge schworenen Feinde der Monarchie sind selbstverständlich nicht für die Ehrung eine» Monarchen, die erbitterten Hasser des deutschen Nationalstaates nicht sür die Rücksichtnahme auf eia Bündniß, von dem ein Bismarck sich Vortheil für da deutschen Reich versprochen hat. Es war eine ganz über flüssige Komödie des Herrn Singer, daß er die wahren Beweggründe seiner Partei zurücktreten ließ und — er, der Socialdemokrat — sich um die Lage des DeutschthumS in Oesterreich zu bekümmern vorgab. Da nur die Socialdemokraten sich oppositionell vernehmen ließen, fehlt die Thatsache, daß über den Gegenstand überhaupt eine Debatte stattfand, jede Beimischung de» Peinlichen und aus diesem Grunde kann die nun erledigte Angelegenheit auch von der Presse zum AnküpfungSpunct einer Betrachtung über Dinge gemacht werden, die mit Oesterreich und seinem Kaiser nicht- zu schaffen haben. Dem gestrigen Beschlüsse der Stadtver ordnetenversammlung von Berlin konnte nicht mit voller Sicher heit entgegengesehen werden, wenigstens mußte man sich auf eine viel geringere Mehrheit für die Bewilligung als die erfreulicher Weise zu Stande gekommene (94 gegen 20 Stimmen) ge- gefaßt machen. Die beiden größten freisinnigen Blätter Berlins sahen sich auch veranlaßt, in letzter Stunde auf da» Eindringlichste vor einer negativen Entscheidung, einer „Dummheit", zu warne». Die Besorgniß gründete sich haupt sächlich auf eine politische Intrigue der „Kreuzztg.", deren Wünsche in Bezug auf die Berliner Gemeinde mit denen der Socialdemokratie zusammenfallen. Die Conservativen Berlin- erblicken gerade wie Herr Singer in einem Conflicte zwischen. Krone und Stadt den idealen Zustand. Da nun der Kaiser dem Oberbürgermeister von dem bevorstehenden Besuche de» Kaiser» Joseph'» direct Mit- lheilung gemacht batte, so hätte eine Ablehnung der für den Empfang vom Magistrat verlangten Summe die fvcial- demokratisch-conservativen Erwartungen gründlich rechtfertigen können. Die „Kreuzztg." griff deshalb zu dem loyalen Mittel, der Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung die Zu stimmung aus» Aeußerste zu erschweren. Sie schrieb, die Stadt verordneten könnten doch gerade bei dieser Gelegenheit ihre König-treue beweisen und den „üblen Eindruck", den die Wahl de» Bürgermeisters Brinkmann hervorgerufen habe, verwischen. Damit sollte die Bewilligung der Gelder für die Empfangsfeier zn einem Mer xeocnvi wegen der letzten Bürgermeisterwahl gestempelt und — so war die Berechnung wenigstens eine» beträchtlichen TheileS der Stadt verordneten, die Brinkmann gewählt — unmöglich ge macht werden. Die bürgerlichen Vertreter erwiesen sich denn doch zu klug, um diesen Calcül „stimmen" zu lassen, und die „Kreuzzeitnug" hat daS Nachsehen. Zum Verzweifeln haben aber die kommunalen ConflictSfreunde auch jetzt »och keine Ursache. Denn, wie mau versichern hört und wie da» socialdemokratische Centralorgan bestimmt in Aussicht stellt, wird Herrn Brinkmann die Bestätigung versagt werden. Al» Beweggründe der Nichtbestätiguug giebt FerriHetsn. so) Drei Teilhaber. Roman von Bret Harte. Nachdruck »krdoten. „Ich habe me eine befreundete Seele gehabt", flüsterte sie; „die Frauen verfolgten mich mit eifersüchtigem Spott, die Männer mit selbstsüchtiger Leidenschaft. Als ich Sie zuerst sah, erschienen Sie mir so ganz anders als alle Uebrigen, daß ich schon damals, wiewohl ich Sie kaum kannte, den dringenden Wunsch hatte, Ihnen Alle- zu sagen, waS Sie jetzt wissen. Ich hoffte. Sie sollten mein Freund sein. Ein unbestimmtes Etwas sagte mir. Sie würden mich von meiner Vergangenheit trennen, mir rachen können, wa» ich thun soll. Ich wollt« lernen zu denken, wie Sie denken, daS Leben angusehen wie Sie, und gleich Ihnen immer an daS Gute im Menschen zu glauben. Mein Vertrauen zu Ihnen ließ mich auch jetzt hoffen, Sie würden mich verstehen und mir Alles vergeben." Sie machte eine leise Bewegung, als wolle sie ihren Arm befreien und dem Blick begegnen, mit dem er, wie sie instinkt mäßig fühlte, auf ihr gebeugte- Haupt herabsah. Aber er hielt sie nur fester, so daß ihre Wange beinahe sein« Brust berührte. „Wat konnte ich thun?" murmelt« sie. „Der Mann darf in Noch und Kummer bei einer Frau Theilnahme und Hilf« suchen, ohne daß «t ihm die Welt verwehrt, oder ihn mißversteht. Aber bas Weib — «in schwächere», hilflosere», leichtgläubigeres und unwissendere» Geschöpf, da» sich nach Erleuchtung sehnt — kann in ihrer Seelenangst nicht bei dem Manne Rettung und Mitgefühl suchen." „Aber weShakb nicht?" stieß Barker ungestüm hervor und ließ sie lo», um ihr in» Gesicht scheu zu können. „Welcher Mann würde e» ihr verweigern?" „Nicht darum", erwidert« sie langsam, aber noch immer mit obgewandtem Blick, „sondern weil die Wett sagen würde, sie liebe den Mann." „WaS braucht sie sich um die Meinung einer Welt zu kümmern, die ruhig dabei steht und sie leiden läßt! Weshalb sollte sie ihr erbärmliche» Gerede beachten?" fuhr er, glühend vor Entrüstung, fort.. „Weil", haucht« sie leise und sah mit feuchten Augen und beredten Lippen zu ihm empor — „weil e» die Wahrheit wäre!" der „Vorwärts" genau dieselben Erwägungen an, die von einer Seite, die da» socialdemokratische Blatt jedenfalls nicht insormirt bat, als obwaltend bezeichnet werden. Zwei davon sind durchaus nicht stichhaltig, der dritte entzieht sich der Beurtheilung der über die Capacität de» Gewählten nicht Unterrichtete». Es kann sohin leicht kommen, daß Berlin eben so lange auf einen zweiten Bürgermeister warten muß, als eS einen Ober bürgermeister zu entbehren hatte. Erfreulich ist, politisch be trachtet, diese Aussicht wahrlich nicht. Vielleicht erregt eine andere Angelegenheit Zweifel daran, ob cü richtig sei, daS Schüren von Zwietracht, dessen sich gewisse conservative Kreise und Zeitungen befleißigen, zu einem Erfolge zu verhelfen. Der Berliner Stadtverordnetenversammlung ist ein socialdemo kratischer Antrag zugegangen, beim Landtag um Einführung deS bei den ReichStagSwable» geltenden allgemeinen gleichen und geheimen Stimmrechts für die Ge- meindewahlen zu petitiooireu. Die freisinnigen Blätter batten sich sofort gegen den „Vorschlag" erklärt und ihre Ge sinnungsgenossen in ber Stadtvertretuug wollen — die Sache ist an einen Ausschuß verwiesen — den socialdemokratischen Antrag auf Beseitigung deS ClassenwahlsystemS und der öffentlichen Stimmenabgabe einschränken. An dieser Stellung nahme üben die Socialdemokraten in ihrer Weise Kritik. DaS ist nicht zu verwundern, aber vielleicht macht es doch da und dort den Eindruck, daß conservative Blätter in dasselbe Horn stoßen und die freisinnigen Gegner deS grund stürzenden socialdemokratischen Antrags verhöhnen. Als „Germania" und „Köln. BolkSztg." überein stimmend die Osterbotschaft brachten, mit der Lösung der Deckungsfrage werde der „schwerste Stein des Anstoßes" gegen eine Verstärkung der Flotte beseitigt sein, und da die Regierung an der Lösung dieser Frage im Sinne der Reichstagsmehrheit arbeite, so werde die Flottenfrage wohl schon im Anfang des Monats Mai zur Entscheidung kommen: da wurde vielfach die Frage aufgeworfen, was wohl die beiden klerikalen Blätter, die vorher die Lösung der Flottenfrage zu verschleppen sich eifrigst bemüht gezeigt hatten, veranlaßt haben könnte, plötzlich eine baldig- Lösung dieser Frage in Aussicht zu stellen. Hier und da wurde diese Schwenkung in Verbindung mit der Rom reise deS Grafen Ballestrem gebracht. So schrieb noch Vieser Tage der „Schwäb. Merk.": „ES giebt nur die eine Erklärung, daß eine Einwirkung, und zwar eine sehr mächtige Einwirkung» von außen auf die CentrumSkreise stattgesunden hat. Und da wolle man sich der unter so eigeuthümlichen Umständen vor sich gegangenen Reise des Neichs- tagspräsidenten Grafen Balle st rem zum Papste erinnern! Ein Theil unserer Presse hat diejenigen, die diese Reise mit der augenblick lichen innerpolitischen Lage in Deutschland in Zusammenhang brachte», tadeln zu müssen geglaubt. Aber di« CentrumSpresse hat sich wohl gehütet, sich in eine so lächerliche Entrüstung hineiuzu- arbeiten, wie z. B. die „Kreuzzeitung". Sie hat nur berichtet, daß in der Audienz deS Grafen Ballestrem beim Papst vo» der Flottenvorlage keine Rede gewesen sei. DaS war ja aber auch gar nicht »öthig. Daß aber jene Audienz «in rein konven tioneller HSflichkeitSact gewesen sei, hat kein einziges klerikales Blatt behauptet. Die Ballestrem'sche Reise, die schon durch ihren Anfang höchlich auffallen mußte, wurde noch merkwürdiger durch ihr Ende. Der ReichStagspräsideat ist nicht nach dem Süden gegangen, um sich von den für ihn allerdings un- ES herrschte «ine tiefe Stille; selbst daS Lied der Quelle schien zu verstummen, als sich jetzt ihre Augen und Lippen be gegneten. Doch nächt lange, so hörten sie das Gemurmel des Quells von Neuem, eine Biene summte über ihrem Haupte, und daS Rohr rauschte verstohlen, während sie, das Gesicht an seiner Brust verbergend, flüsterte: „Hast Du es auch nicht sonderbar gefunden, daß ich Dir gefolgt bin — daß ich Alles aufs Spiel setzte, um Dir mein Bekenntniß abzulegen, «he ich Dir irgend etwas Anderes berichtete? Wirst Du mich nie dafür Haffen, Georg?" Diesen Worten folgte ein noch längeres Schweigen, und als er wieder in ihr erregtes Gesicht, ihre feucht schimmernden Augen sah, erwiderte er: „Ich habe Dich immer geliebt. Jetzt weiß ich, daß ich Dich vom ersten Tage an liebte, als ich mich zu Dir herabbeugte, um Dir den kleinen „Sta" vom Schooß zu nehmen, und so diel Zärtlichkeit für ihn in Deinen Augen las. Schon damals hätte ich Dich küssen mögen wie jetzt, Geliebte!" „Vergiß nur nie, Georg", rief sie mit beglücktem Lächeln, sobald sie wieder zu Athem kam, „daß Du mir das Alles gesagt hast, «he ich Dir noch irgend etwas von ihr erzählt hatte." „Von ihr? Von wem, mein Herz?" fragte er, sich liebevoll zu ihr neigend. „Bon wem ander-, als von Deiner Frau — von Kitty", ant wortete sie hastig und sah ihn nicht ohne ängstliche Scheu forschend an. Er schien den Sinn ihrer Worte nicht zu verstehen, doch ver setzte er ernsthaft: „Wir wollen jetzt nicht von ihr reden. Später werdrn wir unS desto mehr mit ihr zu beschäftigen haben. Denn", setzte er ruhig hinzu, „ich muß ihr Alle» sagen, da» weißt Du wohl." Di« Röth« wich aus ihren Wangen. „Ihr Alles sagen?" wiederholt« sie mechanisch. Doch plötzlich wandte sie sich in leiden schaftlicher Erregung zu ihm hin: „Wie aber, wenn sie fort ist?" „Fsrt?" „Ja, fort. Sie ist mit Ban Loo auf und davon gegangen und hat Schande über Dich und Dein Kind gebracht." „Ich verstehe Dich nicht, wa« meinst Du?" Er ergriff ihre beiden Hände und sah sie starr an. „Daß sie Dich verlaffen hat und Van Loo gefolgt ist", rief sie und sank, von Leidenschaft überwältigt, vor ihm auf die Kni«. „O Georg, Georg! Glaubst Du, ich wäre Dir gefolgt und hätte Dir Alles gestanden, wenn ich dächte, daß sie noch irgendwelchen Anspruch an Deine Liebe, an Deine Achtung er heben könnte? Begreifst Du denn nicht, daß ich zu Dir kam, gewöhnlich großen Strapazen deS vorangegangenen Vierteljahres zu erholen, sondern er hat der Ewigen Stadt einen Tag nach der Audienz wieder den Rücken gewandt, um schleunigst nach Berlin zurückzukehrrn, waS, um auf seine oberschlesischen Besitzungen zu gelangen, ein großer Umweg war. Für «inen im 66. Lebensjahr stehenden Herrn ist die Reise von Berlin nach Rom und zurück im Laufe einer ' Woche sicherlich kein Vergnügen. Wer trotzdem nicht geneigt ist, der Ballestrem'schen Audienz eine politische Be deutung beizulegen, der muß sich eben den Wetterumschlag in der CentrumSsphäre anders erklären Daß Graf Ballestrem mit der Curie förmliche politische Verhandlungen gehabt hätte, wird Niemand annehmen wollen. Man wird ihm gesagt haben: „Alles in Ordnung". WaS Wunder denn, daß auch die Cen- tcumspresse, nachdem er wieder in Berlin gewesen, plötzlich ihren Tag von Damaskus gehabt hat! Nun, wenn sie mit ihrer An kündigung einer positiven Lösung der Flottenfrage bis Mitte Mai Recht behält, wir werden es mit Freuden begrüßen — vorausgesetzt, daß das dicke Ende nicht nachkommt!" Inzwischen scheint von den Hintermännern beider klerikalen Blätter abermals eine neue Parole auSgegebe» worden zu sein. Die „Germania" weiß, wie schon berichtet, nichts mehr von dem, waS ihr eine baldige Lösung der Flottenfrage als wahrscheinlich hatte erscheinen lassen, und die „Köln. Volksztg." erklärt: „Wo die „Köln. Volksztg." eine befriedigende Lösung der ganzen Flottenfrage für die erste Hälfte des Mai in Aussicht gestellt haben soll, ist uns unbekannt. Wir können vielmehr auf Grund bester Informationen seststellen, daß die minder optimistische» Anschauungen des Herrn Abg. Richter diesmal insofern der Wirklichkeit näher kommen, als Verhandlungen zwischen irgend welchen Ressorts und dem Centrum bisher in der Flottenfrage überhaupt nicht stattgefunden haben. Und was die Haltung der Centrumspartei anbelangt, so wird dieselbe lediglich von dem Er- gebniß der Commissionsbcrathungen abhängig sein. Diese befinden sich aber noch im Stadium der Vorfragen, mithin konnte auch noch keinerlei Entscheidung getroffen werden." Nun wird es wahrscheinlich beißen, es sei von Rom Contreordre oder wenigstens die Erklärung gekommen: „Noch nicht Alles in Ordnung!" ES ist jedoch nicht nöthig, solchen Bermuthungen sich hinzugebeu. Es entspricht völlig der alten Taktik deö CentrumS, daß cü seine Presse beute günstig und morgen ungünstig über irgend eine wichtige Vorlage sich äußern läßt. Durch dieses Zwickmühlenspiel soll der Regierung die Macht des CentrumS süblbar und die Nothwcndigkeit einer „Befrie- digung" dieser Partei nahegelegt werden. Und diese Taktik erfreut sich deS Beifalls der römischen Curie, bei der Graf Ballestrem, wenn er es überhaupt für nöthig gefunden, die Flottenfrage dort anzuregen, sicherlich den Rath erhalten bat, die Centrumspresse aus Aprilwetter zu stimmen, um die Re gierung zu Mailaune zu nöthigen. Seit Wochen kündigten die Madrider Zeitungen eine Ministerkrisis an, aber die darauf bezüglichen Mit theilungen entbehrten der Uebereinstimmung. Während die von der republikanischen Partei beeinflußten Blätter die Ansicht vertraten, daß nicht nur ein Minister-, sondern auch ein Systemwechsel notbwendig sei und neben Silvela vor Allem der Finanzminister Villeverde entfernt werden müsse, hat es auch nicht au Preßstimmen gefehlt, die das Verbleiben de- Ministerpräsidenten und seines College», der durch die Steuervorlagen den ganzen Handelsstand ms Lager der Opposition getrieben, als nothwendig bezeichneten Recht verständlich waren diese Krisengerüchle nicht. Daß Sagasta und die Liberalen keine Neigung hatten, die Erbschaft deS gegenwärtigen Ministeriums anzutreten, war bekannt. Die Anhänger Polavieja's, daS heißt die Klerikalen, hatten keine Aussichten, daS Steuer in die Hand zu bekommen, und Republikaner und Carlisle» zählten bei Entscheidung dieser Frage gar nicht mit. Es konnte sich also nur darum handeln, daß dem Minister präsidenten einige Mitglieder deS CabinetS unbequem waren, für deren Entfernung eine geeignete Form gesunden werden mußte. Den Anlaß bot da» Fomenlo- ministerium dar. Im letzten CabinetSrath schlug Silvela die Theilunz dieses ReffortS vor. Es gehörten dazu bisher der Unterricht, sowie Handel, öffentliche Arbeiten un? Ackerbau. Dieses für einen Minister kaum übersehbare Verwaltungsbebiet stand bisher unter Leitung deS Marquis Pidal. Graf Torreanaz, der Zustizminister, fühlte sich ans feinem Posten unbehaglich und daher kam cS, daß dem Vorschläge Silvela'S die Demission des ganzen CabinetS folgte. Die Lösung machte keine Schwierigkeiten. Das Justizministerium erhielt, wie gemeldet, Marquis Vadillo, daS Portefeuille des Unterrichts wurde Garcia Alix über geben, und daS Ministerium für Bauten nnd öffent liche Arbeiten übernahm der bisherige Director des „Zmparcial", Rafael Gaffet. Damit war das „Fomento"- oder „WoblfahrtS"ministerium in mehrere Theile zerlegt und die Justizverwaltung der Leitung eines energischen Juristen anvertraut, der auch bei den Liberalen sich allgemeiner Achtung erfreut. Das Ressort deS Innern behält der bisherige Minister Dato. Silvela, der b;--hcr neben dem Präsidium auch das Auswärtige übernommen halte, übergab letzteres Aguilar de Campos. Wahrscheinlich wird Silvela provisorisch daS Marinemiuisterium verwalten, in der vorliegenden neuen Ministcrliste ist nämlich ein Ersatz für Gomez Imaz noch nicht genannt. Ueber den Verlauf der diesjährigen, durch ihre Vor geschichte besonders denkwürdigen Audienz Der Sesandtcu beim Kaiser von China wird der „Welt-Corresp." aus Peking vom 7. März daS Folgende geschrieben: Nicht nur vom Auslände, sondern auch vom Inlande sind in letzter Zeit massenweise Telegramm: eingelaufen, die einstimmig die Kaiserin-Mutter auffordern, sich von der Regierung zurück- zuzichen. Diese Sympathie-Bezeugungen für Kuangbsü haben jedenfalls mit dazu beigetragen, daß der ofsiciell krank gesagte Kaiser plötzlich für gesund genug angesehen wurde, um die Neujahrs-Gratulationen der fremden Gesandten entgegenzunehmen. Darauf wurde Kuanghsü aber wirklich so krank, daß man bis zur letzten Stunde glaubte, er werde nicht im Stande sein, die Audienz abzuhalten. Am 19. Februar, 10 Uhr Morgen», ist diese Feierlichkeit nun doch vor sich gegangen. Der leidende Ausdruck des Himmels sohnes, der mit herunterhängender Unterlippe und halb er loschenen Augen, in ersichtlich vernachlässigter Kleidung die Glückwünsche der fremden Vertreter entgegennahm, mußte Jedermann auffallen. Der Empfang fand in dem seit dem Staatsstreich gewöhnlich dazu benutzten Local statt, einem dunklen, prunklosen einstöckigen Gebäude, daS nur von einer Seite durch Papierfenster Licht erhält. Die Kaiserin-Mutter war nicht anwesend. Der Kaiser selbst saß wie gewöhnlich auf einer drei Fuß hohen Estrade, die mit einem Brüsseler Teppich um Dir zu sagen, sie sei mit jenem Menschen entflohen? Ich hatte sie zufällig in Boomville mit ihm ertappt und den Ver such gemacht, sie zu retten; ja, ich belog Dich sogar, um sie vor Deinem Zorn zu schützen. Sie aber hat mich hintergangen, Ivie sie auch Dich zu täuschen verstand. Gerade während Du bei mir warst, hat sie ihren Liebhaber aufgesucht und ist mit ihm entflohen. — Dies und nichts Anderes wollte ich Dir sagen, Georg, als ich herkam — ich schwöre es Dir! Aber Du warst so gütig, so voller Theilnahme — da ertrug ich es nicht länger. Ein wahnsinniges Verlangen ergriff mich, Deine Liebe zu ge winnen. Ich wollte, Du solltest meine Gefühle erwidern, noch ehe Du die Treulosigkeit Deines Weibes erführest. Doch habe ich Alles gethom, um sie zu retten. Noch einen Augenblick, Georg — sag« noch nichts, höre mir zu!" In fliegender Eile erzählte sie ihm nun die ganze schmach volle Geschichte, von dem Augenblick an, wie seine Frau mit Van Loo in daS Wohnzimmer gekommen war; wie sie sie dann später, bei der unerwarteten Ankunft ihres Gatten, angefleht, sie vor ihm zu verbergen, und dann die Zeit benutzt habe, um mit ihrem Liebhaber zu entfliehen. Sie vergaß keine Einzelheit, selbst die Beleidigung nicht, die Frau Barker ihr triumphirend entgegen geschleudert hatte: daß ihr Gatte Frau Hornburg's Worten keinen Glauben schenken würde. „Vielleicht glaubst Du mir jetzt wirkkich nicht, Georg", fügte sie mit bitterem Weh hinzu. „Ach, ich könnte sewst da» von Dir ertragen, wenn es Dich glücklicher macht; doch würdest Du eS bald anderen Leuten glauben müssen. Die Diener im Boomville-Hotel haben gesehen, wie die Beiden zusammen fortgefahren sind." „Ich glaube Dir", sagte er langsam und mit nieder geschlagenen Augen; „und hätte ich Dich nicht schon geliebt, ehe Du mir dies sagtest, ich würde Dich jetzt lieben, weil Du so viel für sie gethan hast, aber —", er hielt inne. „Dein Herz gehört ihr noch!" rief sie wie außer sich; „ach, ich wußte eS wohl! — Vielleicht", fuhr sie noch leidenschaftlicher fort, „liebst Du sie nur um so mehr, nun Du sie verloren hast. Da» pflegt so zu sein bei Männern — und Frauen. „Hätte ich sie wahrhaft geliebt", sagte Barker, Frau Horn- burg'S Blicken jetzt freimüthig begegnend, „ich hätte Deine Lippen nie berühren können. Nicht einmal der Wunsch wäre in mir aufgestregen — wie vor drei Jahren — wie am vergangenen Abend. Damals hielt ich «S für eine Schwachheit, jetzt weiß ich, daß eS meine Liebe war. Der Gedanke daran ist mir nie aus dem Sinn gekommen. Selbst während ich hier saß «Md auf di« Rückkehr meinrr Frau wartete, war ich mir völlig klar, daß ich sie nicht liebe — sie nie geliebt haben kann. Aber gerade deshalb muß ich Alles daran setzen, sie zu retten; nicht um meinet-, sondern um ihretwillen. Wenn es mir mißlingt, so soll man wenigstens nicht sagen dürfen, daß ihre Schande für unS di- Staffel zum Glück geworden ist. Habe ich Dein Bild im Herzen getragen und Dir meine Liebe gestanden, so lange ich Kitty noch für rein und schuldlos hielt, wie könnte ich jetzt auS ihrem Unrecht Nutzen ziehen wollen." Frau Hornburg sah zu spä-t ihren Jrrthum ein: „So würdest Du sie wieder bei Dir aufnehmen?" fragte sic wie sinn verwirrt. „In meinem Hause, das auch ihres ist — ja. In meinem Herzen — nein. Das hat sie nie besessen." „Und ich?" fragte Frau Hornburg mit bebenden Lippen. „Wohin soll ich gehen, wenn Ihr das ausgemacht habt? Zurück z:r meiner Vergangenheit — ohne Mann — ohne Kind?" Sie wollte sich abwenden, doch Barker umfing sic wieder mit dcn Armen. „Nein!" rief er, während sein Antlitz plötzlich von Hoffnung und jugendlicher Begeisterung glühte. „Nein! — Wir wollen Kitty Alles sagen, und sie wird un» beistehen. Ich weiß, wie gut und hilfreich sie trotz Mem ist. Sie ist auch klug und wird Mttel und Wege finden, wie wir den öffentlichen Skandal einer Scheidung vermeiden und doch voneinander ge trennt werden können. Den lieben kleinen „Sta" wird sie freilich mitnehmen; die» Recht kann ich dem armen Ding nicht weigern, doch wird sie erlauben, daß ich ihn besuchen darf, so oft ich will. Sie wird für unS eine Schwester sein, Geliebte. Nur Muth! Alles muß noch glücklich enden. Verlaß Dich auf mich." Frau Hornburg war nahe daran, in krampfhaftes Lachen auszubrechen. Als sie aber zu ihm aufblickte iznd sah, wie sein schönes Gesicht vor Liebe und Glück strahlte und ein fast prophe tischer Glanz in feinen klaren Augen lag, als sie seine wunder bare Hoffnungskraft, sein himmlisches Vertrauen zu sich und Anderen gewahrte, da vergaß sie, daß er doch eigentlich uner fahren wie ein Kind sei. Sie ließ sich von dem Optimismus des Geliebten mit fortreißen, trotz aller bitteren Erfahrungen, die ihr das Leben schon gebracht hatte, und wiewohl sie genau wußte, ioas bei Kitty's und ihrem eigenen Charakter möglich war. Denn nichts l>at eine so siegreiche Ueberzeugungskraft, wie der Opti mismus der Liebe; und nur seine Liebe zu ihr hatte dies Wunder wirken können. So gab sie ihm denn Kuß für Kuß und hoffte ick Stillen, daß Frau Barker an Van Loo festhalten und nicht zuriickkchren werde — eine Hoffnung, in der sie der feste Glaube
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