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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.04.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000424023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900042402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900042402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Reclamen unter dem RedactionSstrich (4g«» spalten) 50^, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Zisfernsa- nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbesorderung 60.—, mit Poslbeförderung 70.—. ^nnahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen» Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. April. Die Begrüßung des Prinzen von Wales durch Kaiser Wilhelm II. in Altona hat, wie vvrauszusehen war, in England die lebhafteste Befriedigung hervvrgcrufen, tue in zahlreichen Artikeln der englischen Presse Ausdruck findet. So erblickt der „Daily Telegraph" in dein unerwarteten Schritte des deutschen Kaisers den „sichtbaren Ausdruck der großen und festen Freundschaft mit England", der eine nahe Zukunft verbeiße, in der ein gutes Einvernehmen zwischen beiden Neichen hergestellt fein werde, deren weitere Entfremdung ein Unglück sein würde und „deren Versöhnung nothwendig für die ständigen Interessen Beider ist". DaS klingt sehr freundlich, aber der Besuch des deutschen Kaiserpaares in England im November v. Z. war doch wohl mindestens ein ebenso überzeugender Beweis freundschaft licher Gesinnung des deutschen Herrschers sür daS englische Königshaus und die ganze englische Nation wie die Altonaer- Begegnung. Und was war der Dank für diesen Freund schaftsbeweis? Noch nicht vier Wochen später wurden deutsche Schiffe unter nichtigen Vorwänden von englischen Behörden festgehalteu, und es bedurfte einer sehr energischen Sprache des Leiters der deutschen auswärtigen Politik, um die Angelegenheit in einer mit der deutschen Ehre verträg lichen Weise zu erledigen. Und obwohl in dieser Frage Eng land vollkommen im Unrecht gewesen war, so hatte doch, als der Notenaustausch zwischen den Auswärtigen Ämtern beider Staaten bekannt wurde, die englische Presse die Kühnheit, den Grafen Bülow schroff zu tadeln, weil er eine feste Sprache ge führt und sich erlaubt hatte, als Gleichberechtigter zu ver bandeln und nicht als ergebener Vasall der englischen Regierung. Wieder einige Wochen später wurde ein in Glasgow dociren- der deutscher Professor wegen seiner angeblich boerenfreund- lichen Haltung derart insulrirt, daß er sich veranlaßt sah, sein ihm lieb gewordenes Amt nicderzulegen. Auö demselben Anlasse wurde in Australien ein deutscher Elub gestürmt und Alles, was sich von beweglichen Gegenständen darin besaut, kurz und klein geschlagen; in der Eapcolonic wurden ebenfalls viele Deutschegröblich insultirtundderantideutschcFanatiSmus machte sogar nicht einmal vor der Persönlichkeit des deutschen Eonsuls in East-London Hall, beleidigte also in dem Eonsul als dem geordneten Vertreter des Reichs den deutschen Kaiser und die deutsche Nation. Zur gleichen Zeit machten sich in anderen englischen Colonien, wie beispielsweise in Canada und Indien, Bestrebungen gellend, den deutschen Exporthandel zu schädigen. Imperialismus, Chauvinismus und Deutschenhaß sind eben bereits von dem Mutterlande auf die Colonien llbergesprungen. Wohl wollende Zeitungsartikel sind nicht zu unterschätzen, wenn sie aus wohlwollender Gesinnung entspringen; aber die Hand lungsweise eines Volkes gegen das andere ist denn doch Wohl praktisch von größerer Bedeutung. Kann man nun aber die hier angeführten Tbatsachcn — die nur eine Aus wahl darstellen und sich leicht vermehren ließen — Thatsachcn, die sich in der kurzen Spanne Zeit zwilchen dem Kaiser besuche in England und der Begegnung in Altona abgespielt haben, in Einklang bringen mit den freundschaftlichen Worten der englischen Presse bei jenen beiden Fürslenbcgcgnungen? In einem Puncte freilich hat der „Daily Telegraph" voll kommen Recht: daß eine weitere Entfremdung beider Nationen für beide Theile ein Unglück wäre und daß ihr Einvernehmen nothwendig ist sür die ständigen Interessen Beider. Eine I wirkliche Feindschaft zwischen den beiden Nationen würde I lediglich Frankreich und Rußland zu Gute kommen. I Soll aber ein freundschaftliches Verhältniß zwischen den beiden Reichen hergestcllt werden, so wird dies nie aus dem Wege der Cabinetspolitik geschehen können, sondern nur durch eine Wiederannäherung zwischen den beiden Nationen. Das deutsche Volk ist dem principiell nicht abgeneigt; haben doch in den beiden größten Kriegen, die der größte Staat Deutschlands, Preußen, zu führen hatte, im sieben jährigen Kriege und im Befreiungskriege, Preußen und Engländer wacker zusammengestanden. Wenn auch die Engländer die Preußen keineswegs aus sentimentalen Motiven, sondern um des eigenen wohl verstandenen Vortheils wegen unterstützten, so bleibt doch die Tbatsache der Waffenbrüderschaft in schwerer Zeit bestehen. Aber die Kränkungen, die England im letzten halben Jahr hundert — und zwar in immer steigendem Maße — Deutschland zugcsügt bat, mußten schließlich das Gefübl der Freundschaft in daS einer starke» Abneigung ver wandeln. Wie oben dargelhan, haben diese Kränkungen bis in die allerjüngste Zeit hinein fortgedanert, und wir bezweifeln sehr, daß die Zusammenkunft in Altona und die freundlichen Worte des „Daily Telegraph" Wandel schaffen werden. Sollten unsere Nachbarn jenseits deö Canals uns durch Thateu Lügen strafen, so würden wir die Demülhigung, uns als falschen Propheten erwiesen zu haben, gern binuehmen, aber so lauge sie eS bei den Worten bewenden lassen, antworten wir ihnen mit den derben Worten, mit denen einst Fürst Bismarck einen österreichischen Diplo maten abgeferligt hat: „Ob Sie reden oder ob der Wind durch den Nauchfang gehl, ist mir völlig e i n S." Die klerikalen „Verbesserer" der lex Heinze scheinen zu besorgen, daß ihr Mackwerk bei den verbündeten Regie rungen aus unüberwindliche Bedenken stoßen werde; wenigstens hat der Abg. Roeren eine klerikale Versammlung in Köln mit den Worten getröstet, wenn dicRcgierung zurückweicke, werde der Herrgott auf anderem Wege cingreijcii. Vielleicht ver anlaßt er gerade dadurch den BundeSrakh, die Sacke einer höheren Instanz zu überlassen. Jedenfalls hat die CentrumSiiistanz ihrem eigenen Werke den schlechtesten Dienst erwiesen. Besonders in der bayerischen Kammer, wo nicht nur zwei Centrumsredner aus daö Uebcrzeuzendstc nach gewiesen habe», daß Richter klerikaler Gesinnung durch den K l84u sich zu Säubcrcrn von Kunstmuseen legitimirt erachten dürfen, sondern wo auch der Cultnsminister Or. v. Landmann als Vertheidiger dieses Paragraphen eines der stärksten Argu mente gegen denselben vorzcbracht hat, indem er erklärte: „Mit der Möglichkeit von Mißgriffen kann man gegen das Gesetz nicht opcrircu, und was die Dehnbarkeit dcü 184a betrifft, so muß ich sagen, je dehnbarer, desto besser das Gesetz — wenigstens von gewissen Standpunkten auö". Die Erregung, die sich bei diesen Auslassungen der Kammer bemächtigte, spiegelt sich auch in der Press: wieder. Selbst die „Allg. Ztg." schreibt unwillig: Eine solche Sentenz müßte selbst bei einem Laien in Sachen der Rechtsprechung uns aus das Aeußerste befremden, im Munde eines Juristen, eines hohen und höchsten Staatsbeamten erscheint sie uns geradezu unbegreiflich. Dem Herrn Minister ist die alte römische These — und die Römer verstanden sich auf das Gesetzemachcu ja in ganz hervorragender Weise —, daß ein Gesetz kurz sein müsse, damit es auch vom schlichten Mann verstanden und gehalten werden könne, sicherlich nicht unbekannt. Aber mit dem „kurz" sein ist zugleich das „klar und präcis" sein gemeint, denn sonst weiß der Mann aus dem Volk sich doch keinen Rath. Kautschukparagraphen, also Paragraphen mit Bestimmungen, die verschiedener Deutung und be« liebigcr Dehnung unterzogen weiden können, gereichen keinem Gesetze zur Zierde und keinem seine verantwortungsvolle Ausgabe ernst nehmen» den Richter zur Freude. Daß bereits in vielen Gesetzen und speciell im Strafgesetzbuch Kautschukparagraphen sich finden, wird mau dem Herrn Minister allerdings zugeben müssen, aber er dürste so ziem lich der Erste und wohl auch der Einzige sein, der in ihrer Existenz einen Vorzug erblickt, der die Zahl der dehnbaren Begriffe in der Jurisprudenz noch vermehrt sehen will. In der Regel betrachtet man sie nur als ein pis-allar, als ein Kreuz sür Diejenigen, die Recht zu sprechen und Recht zu nehmen haben. Wenn heutzutage wirklich in weiteren Kreise» ein gewisses Mißtrauen gegen die Jünger der Themis und die Correctheit ihrer Entjcheidungen platzgegriffcn haben sollte, so dürste in dem Umstande, daß unsre complicirten modernen Verhältnisse wohl oder übel zur Einführung einer größeren Zahl mehr oder minder dehnbarer Begriffe in unsre Gesetzgebung und in Folge dessen zu einer schwankenden, ja mitunter widerspruchs vollen Judikatur Anlaß gegeben haben, wohl die einfachste und ver ständlichste Erklärung der an sich so unliebsamen Erscheinung zu suchen sein Selbst die bayerischen Centrumsmitglieder werden sich sagen müssen, daß ihr Lieblingsminister ihnen mit seinem Lobgesange aus die lex einen bösen Streich gespielt hat. Wenn bis zum Beginn der Reichsrathssitzungen in Oester reich die tschechische Sprache nicht als innere Amtssprache in Tschechisch-Böhmen eingeführt ist, bleibt es bei der Obstruc tiv», das ist die Losung, die die Jungtschechenführer in den letzten Tagen ausgegebcn haben. Aehnlich war ihr Borgehen zur Zeit Badeni's. Sie hatten unter dem Cabinet Windischgrätz, mm die Erfüllung ihrer sprachlichen Forderungen zu erzwingen, zur Obstructiv» gegriffen, und als Fürst Windischgrätz dem Grafen Badeni Platz gemacht hatte, riethen sie diesem, die Sprachenfrage über die Köpfe der Deutsche» hinweg in tschechi schem Sinne zu regeln. Die Befolgung dieses Rathes führte nach dreijährigen Wirren dazu, daß die Sprachenverordnungen durch dos Cabinet Clary wieder aufgehoben werden mußten. Nun meinen die Jungtschechenführer wie damals wieder, das Cabinet Körber möge die Einführung der inneren tschechischen Amts sprache im Verordnungswege nur riskiren und getrost abwarten, ob es für die tschechische die deutsche Obstruction eintauschen werde. Diesmal indeß dürften die jungtschechischen Sirenen rufe nicht verfangen. Körber ist kein Badeni, und ein so vor sichtiger Politiker wie er wird es schwerlich auf die Gefahr einer deutschen Obstruction ankommen lassen. Ist es für ihn doch viel verlockender, abzuwarten, ob die jungtschechische Obstruction nicht zur Sprengung der Mehrheit und zur Jsolirung der Jung tschechen führen wird. Es wird gemeldet, daß das im Mini sterium fertiggestcllte Sprachengesetz für Böhmen und Mähren gleich beim Zusammentritt dem Rcichsrath vorgelegt werden wird. Daraus ginge hervor, daß Ministerpräsident Körber von weiteren Verhandlungen der Verständigungsconferenz nichts mehr erwartet. Das jungtschechische Hauptorgan spricht von dem ministeriellen Sprachengesetz schon jetzt äußerst abfällig, es kündigt die Obstruction mit dem Beisatze an, daß das Schicksal des Parlaments „besiegelt" sei, und schließt mit der Versiche rung: „Die Katastrophe naht mit Riesenschritten." Ein sehr interessantes Document zur geheimen Geschichte des kommenden Wahlkampfes in Sen Vereinigte» Staaten in dieser Tage durch eine der landesüblichen Jndiscretionen bekannt geworden. Es ist dies die Besteuerungsliste, die der rcpublika nische Parteiführer Marc Hanna auf Grund der Beschluß fassung eines ast Koc einberufenen Comitös den Trusts, die sich unter der republikanischen Regierung einer so ungemein wohlwollenden Förderung erfreuen, zu Gunsten des republika Nischen Wahlsonds auferlegt hat. Die Ziffern sind sehr bc zeichnend, sowohl für die Niesensummen, die eine Präsidenten Wahl verschlingt, als auch für die ungeheuren Gewinne, die die Trusts aus ihren Monopolen schlagen, die sie in die Lage ver setzten, ohne Weiteres dem Wahlfonds so große Opfer zu bringen. Auf dieser Liste figurircn: Carnegie Steel Trust Co.: 1500 000: Cramp Co. und Schiffsbau-Trust: 500 000; National Biscuit Trust: 150 000; American Woolen Trust (Woll-Trust): 150 000: American Lead Trust (Blei-Trust): 200 000; Standard Oil Co. (Oel-Trust): 800 000; American Sugar Resining Co. (Zucker-Trust): 500 000; American Tobacco Trust (Tabak Trust): 450MO; National Paper Manufacturing Co. (Papier Trust): 200 000; 6 kleinere Trusts: 1750 000 Dollars, so daß von 15 Trusts allein eine Gesammtsteuer von 6 200 000 Dollars zu Gunsten des republikanischen Wahlfonds aufzubringen ist Aber auch bei dieser Steuer dürfte es noch nicht sein Bewenden haben, da laut eines Parteibeschlusses der Wahlfonds der Repu blikaner, welcher anläßlich der letzten Wahl Mac Kinley's 18 Mill. Dollars betrug, diesmal auf 30 Millionen erhöht werden soll. Diese Ziffer allein spricht dafür, daß die Partei ihres Erfolges nicht so sicher ist, als sich ihre Organe rühmen. Ser Krieg in Südafrika. -t>. Wie auf einem Schachbrett operiren jetzt die Boeren bei TcwctSdorp General Rundlc war vou Bloemfontein auf der Straße nach DewetSdorp vorgeschickt worden, um Wepener zu entsetzen. Ganz in der Nabe Les OrteS, südwestlich davon, gerieth er mit den Boeren ins Gefecht und siebt sich jetzt mit Umgehung bedroht. Aber nicht genug damit: plötzlich erschienen ans nordöstlicher Richtung von Tb ab auch» her weitere BoerencommandoS, um sich im Rücken General Rundle's auf der Straße nach DewetS dorp bei Kariefontein und an anderen Puncten in der Nähe festzusetzen und so Rundle's Entsatztruppen den Rückweg nach dem Hauptquartier in Bloemfontein abzuschneiden. Man be richtet unS darüber: 1'. London, 24. April. tPrivattelcgramm.) Aus Bloemfontein wird gemeldet: BoerencommandoS von Thabanchn schoben sich am 2 k. nnd 22. April bis Paardckraal vor, nnd drohte» Rundle's Truppen von ihrer LperattonSbasiS abznschiicide». Roderts sandte die I I. Division nebst der 18. Brigade des vierten tzorps, ssavalleric-Brigaden und berittene Infanterie über Kariefontein ans der Stratze Bloemsontein-DewetS- öorp zu Hilfe, welche drittelwegs jenseits des Lcuwkop ans den starkbesesttgtcu Feind stießen nnd vergebens an griffen. Ter Bersnch, dessen Stellung auf Ser hohen Hiigclrcihc von Paardckraal zu umgehen, mißlang. Die Kavallerie wie Sie Artillerie wurde geworfen. Der Schachzug ist den Boeren also vorerst sehr gut gelungen und sie haben damit des Weiteren erreicht, daß FeitNleton« Die Herdringen's. Novelle von Hedda v. Schmid. Nachdruck verböte». Mein verstorbener Großonkel war ein Freund von altem, kostbarem Silbergerälh. Er besaß eine reiche Sammlung von mit klirrenden Ketten behangenen, mit allerhand Verzierungen versehenen Pocalen, seltsam geformten rundbäuchigen Wasen und geschweiften Körben mit durchbrochenem Blätterrandc. Wenn er bei besonders guter Laune war, so zeigte er seine Schätze, und einmal, als ich neben ihm vor seinem geöffneten Silberschranke stand und den mannigfachen Inhalt desselben, welcher letztere theils ererbt, theils käuflich erworben »dar, be wunderte, deutete er auf eine außerordentlich graziös geformte Kanne und sagte: „Dieses Cabinetstück hier stammt aus dem ehemaligen Herdringen'schen Silberschatze. Ja, Kind, was dort an dergleichen Kostbarkeiten vorhanden war, davon kannst Du Dir kaum eine Vorstellung machen. Großartig war der Herdringen'sche Silberreichthum, sage ich Dir. Und eine Sünde und Schande war's, daß der Heinz Herdringen so toll gewirthschastet, daß das köstliche Silber geopfert werden mußte, um das alte Familiengut zu retten. Ein« Sünde und Schande — jawohl! Ich war dazumal mit den beiden Herdringen'schen Söhnen — dem Heinz seinen Söhnen nämlich — befreundet. Mit dem Aeltesten habe ich zusammen studirt in Jena. Der Zweite war ein Vollblutkrautjunker besten Schlages mit einem praktischen Kopfe. Hatte ihn aber so ziemlich verloren, als es sich nach dem Töde des Vaters herausstellte, daß sozusagen kein Stein auf dem Gute den Erben gehörte. Alles war mit Schul den belastet. Ein Jammer, sage ich Dir, Kind, wenn Väter so haushalten, daß, wenn sie ihre Augen zugethan, den Erben nur das pure „Nichts" nachbleibt. Jürgen Herdringen benachrichtigte natürlich seinen Bruder in Jena sofort von dem Ableben des DatcrS und schrieb auch, daß er sich keinen Rath wüßte aus all' der Calamität, von der er sich plötzlich umgeben fach. Er war noch sehr jung damals, und sein Vater hatte ihm nie einen rechten Einblick in die Vermögensverhältnisse gestattet. Der „sanfte Gotthold", so nannten wir Burschen den älteren Herdringen, weil er so was Zierliches, Mädchenhaftes an sich hatte und von lamm frommer Gemüthsart war, schüttelte auf die wichtigen Nach richten hin sofort Jenas Staub von seinen Füßen und machte sich auf in die baltische Heimath. Ich schloß mich ihm an, denn ich hatte damals gerade meine Studien absolvirt, und Gotthold bat mich, ihm mit meiner frisch gebackenen Juristerei beizustehen bei den unangenehmen Auseinandersetzungen mit den Gläubigern seines Vaters, welche nun in recht nachdrücklicher Weise den Söhnen auf den Hals rückten. Gotthold selbst hatte Philosophie studirt. Eine ganz hübsche Sache, die philosophische Welt- und Debensanschauung, allein dem Gotthold nützte sie im gegebenen Falle nichts; er war in allen praktischen Dingen unerfahren wie ein Säugling. Der alte Herdringen war ohne vorhergehende Krankheit am Schlage ver schieden, man hatte ihn bereits in der Familiengruft bestrittet, als Gotthold zu Hause eintraf. Damals, liebes Kind, reiste man langsam, es gab noch keine Eisenbahnen." Wir standen noch immer vor dem Silberschrank, während Großonkel Vorstehendes erzählte; ich hatte den alten Herrn mit keiner Zwischenfrage unterbrochen, um ihn nicht aus dem Concept zu bringen. Nun schloß er die Thür des Schrankes und sprach: „Wie das so zu gehen Pflegt, ist beim Anblick der Herdringen'schen Kanne manche Erinnerung an frühere Zeiten in mir wach ge worden. Ja, ja, ich könnte Vieles erzählen von den Herdringens." „Ach, bitte, bitte, Großonkel, erzähle", bat ich. Ich liebte schon damals nichts mehr, als wie Menschen und Ereignisse schil dern zu hören. Das Vernommene spann ich dann in meiner stets regen Phantasie weiter aus und konnte Stunden lang davon träumen, wobei alle Gestalten in greifbarer Deutlichkeit vor meinem geistigen Auge standen, wo ich mit denselben kitt und jubelte, kämpfte, entsagte, verzweifelte und siegte — je nachdem — aber getreulich alle Phasen ihrer Schicksale mit durchmachte. Groß onkel nähm in seinem alten grünen Lehnstuhl unter dem Fenster, das offen stand, Platz, zündete sich seine lange Pfeife an, blies bedächtig einige dichte Rauchwolken vor sich hin, räuspert« sich und begann, während ich, die ich ihm gegenüber faß, ganz Ohr war: „Also, Heinz Herdringen war begraben, als wir, der sanfte Gotthold und ich, eines schönen TaqeS am Ziel unserer Reife, in Herdringen anlangten. Ein schöner alter Bau ivar das Herrenhaus zu Herdringen, oder, ist'» heute noch, richtiger ausgebrückt — denn es steht ja doch noch, aber kein Herdringen besitzt eS mehr — leider — es ist in fremde Hände übergegangen, das ganze schön« Gut. Damals freilich gelang es uns noch, den allen Familiensitz den Gläubigern des tollen Heinz, so nannte man ihn seiner Spielwuth und seiner kostspieligen, noblen Passionen halber, zu entreißen. Mit genauer Noth allerdings. Der sanfte Gotthöld und ich saßen über Büchern, Documenten und Schuldscheinen, und rechneten im Schweiße unseres Angesichts, und Jürgen, der ein derber Junker war, fluchte meist „über die koddrige Wirthschaft seines Alten". Jürgen war seinerseits ein Original, ein solches, wie man es nicht oft findet. Man erzählte sich die unglaublichsten Anekdoten über ihn. Drastisch vor allen Dingen war es, wie er um seine Frau anhielt. Einige Male bereits hatte ihn die nicht mchr ganz junge, aber hübsch: und kluge Dame, eine Comteß Elten, abgewiesen, aber Jürgen Herdringen steckte die empfangenen Körbe mit Seelenruhe ein, und ließ trotzdem nicht locker. „Wenn Sie jetzt nicht „Ja" sagen", sprach er eines Tages zu Comteß Charlotte, „so können Sie meinetwegen als alte Jungfer ins Gras beißen." Ich glaube übrigens, daß er sich sogar noch derber ausdrllckte. Ob nun die Aussicht, welche Jürgen so ungeschminkt der Comteß eröffnet, letztere geängstigt, bleibt dahingestellt, That- fache ist, daß er das ersehnte Jawort erhielt. Uebelwollende meinten zwar, „sie nahm ihn, um ihn loszuwerden", allerdings eine curiose Auffassung der Sache, cs wurde jedoch eine sehr glückliche Ehe. Jürgen's Liebe zu seiner Frau überwog die ihm angeborene Derbheit und — Grobheit, er bezwang sich, Char lotten zu Gefallen, und wurde sanfter und gesitteter in seinem Wesen. Er ließ sich immer mehr und mehr von seiner taktvollen, verständigen Frau leiten, sie starb viel zu früh für ihn und die Kinder, w«lchc sie ihm geschenkt. Drei Töchter und «in Sohn waren's; aus diesem, einem hübschen, aufgeweckten Jungen, hätte eigentlich was Besseres werden sollen, aber er heivathete leicht sinniger Weis« in noch sehr jungen Jahren «in Mädchen, daS zu stark die vornehm« Fran spielte, und eS durch maßlose Ver schwendungssucht dahin brachte, daß Jürgen Herdringen, der an seinem einzigen Sohne einen Narren gefressen, dem Edi mehr zu- «wendete, oder zuwenden mußte, als er verantworten konnte. Und so geschah es, daß Herdringen schließlich doch noch unter den Hammer kam. Vater, Sohn und Schwiegertochter starben in Armuth." Großonkel nickte trübe vor sich hin, dann fuhr er fort: „Jür gens glückliche Ehe konnte Äottholo und mich doch nicht dazu ver leiten, uns nach einer passenven Lebensgefährtin umzusechen, wir blisben nach wie vor Hagestolze, und genossen Baterfreudcn, in dem wir Jürgen's drei Mädel nach Herzenslust verhätschelten. Der Junge kam schon früh in ein Cadettencorps. Doch ich schweife ab — ich wollte ja erzählen, wie's mit dem Herdringen- schcn Silber geschah. Also — Geld war dringend nöthig damals, als Gotthold und Jürgen das Erbe, d. h. die Schulden ihres Vaters antraten. Aber woher nehmen? Aus nichts hat zwar Gott die Welt erschaffen, allein das war uns in unserer Noth- lagc immerhin ein schwacher Trost. Da, als wir wieder einmal beriethen, wie und wo wir Capital flüssig machen könnten, trat der alte Maddis, so ein angeerbtes Jiwentarstück vom Bedienten aus Großmutters Zeiten, ohne vorher anzuklopfen — das durfte er, mit seinem devotesten Katzenbuckel zu uns ins Zimmer. Diese Sorte alter Bediensteter", schaltete mein Großonkel ein, „stivbt nun nachgerade aus. Maddis war in alle Familienverhältnisse eingoweiht, wußte genau, wie wackelig es mit dem Gute stand, uns erlaubte sich daher seinerseits einen Vorschlag. An das Familiensilber hatte von uns Dreien bisher keiner gedacht, den Brüdern war dasselbe etwa so heilig, wie die Gruft ihrer Ahnen. Seit Traditionen waren die prächtigen Geräthe bei den Her dringens in Ebren gehalten worden, und der Geranie, sic zu ver äußern, kam den Beiden hart an. Ich schlug mich nach kurzer Ueberlegung auf des allen Maddis Seit« und sprach mit ihm: „Lieber das Silber, als das Gut." Und so wurde denn der Silber schätz verkalkst, größtentheils ward er eingeschmolzen. Ganze Säcke voll brachte der alte Maddis unter vielem Geseufze nach St. Petersburg in die Münze; nur das Nothwendigste wurde im Hause zurückbehaltcn, und mir schenkten die Brüder zum Andenken und gewissermaßen als Anerkennung meiner ihnen geleisteten Dienste beim Ordnen ihrer allerdings sehr verwickelten geschäftlichen Angelegenheiten die Kanne, welche Du vorhin bewundert hast, und welche die größte Zierde meiner Sammlung ist. Die Kanne stammt aus dem sechzehnten Jahrhundert und ist ihrer Form nach " Großonkel unterbrach sich, um seine Pfeife frisch in Zug zu bringen; ich benutzte die mir willkommene Pause, um einer langen, kunstgeschichtlichen Abhandlung, in welche der alte Herr sich dazwischen zu ergehen liebte, vorzubeugen, und fragte rasch: „Was wurde denn aus den drei Töchtern Deines Freundes Jür gen? Bitte, bitte, erzähle mir von ihnen." Großonkels altes, faltiges Gesicht mit den unzähligen Runzeln bekam einen ganz Weichen Zug. Er blies eine mächtige Rauchwolke »ar sich hin, dann sag!« er: „Die lieben prächtigen Mädels > ja, prächtig waren sie, jede in ihrer Art. Marie Charlotte, die Aeltefie, vertrat sozu sagen Mutiekstellc an den kleinen Schwellern. Die besaß einen klaren, nüchiernen Verstand. Die Zweite, Walburga, nach irgend einer alten Dante so benannt, lebt eben noch in W. Sie ist Wittwe nnd erzieht die Kinder ihres Bruders mit ihren eigenen zusammen. Edi und seine Frau starben an einer Epidemie rasch nach einander. Isa, die Jüngste der Schwestern, ist auch längst todt", schloß Großonkel kurz. Darauf versank er in tiefes Sinnen; ick errieth, daß die Er innerung an die Kinder seines Freundes ihn mächtig an? Herz
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