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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.04.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000427027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900042702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900042702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-04
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Die drei Fragen, die der CentrumSabgeordnete Müller-Fulda zu tz t gestellt batte, ob es erstens nicht angängig sei, die Geschwader aus sechs, statt auS acht Linienschiffen zusammenzusetzen, ob es zweitens nöthig sei, für die Schlacktslotte auch die Äuf- klärungSkreuzer zu vermehren, und endlich, warum die Ma terialreserve der Flotte gesetzlich festgclegt werden solle, waren für alle, welche die der Novelle beigegebene Be gründung, sowie die bereits im Plenum und in der Com mission vom Staatssekretär Tirpitz abgegebenen Erklärungen genau verfolgt und im Kopfe behalten baden, keine Fragen mehr und konnten daher auch gestern den BundeSratbsvcr- . tretern neue Aufschlüsse nicht abpressen. Und da man ferner wußte, daß das Centrum sich noch nicht „binden" will, so konnte man auch vorauSsehen, daß der Abg.Müller-Fulda mit den ihm ertheilten Antworten sich noch nicht befriedigt erklären würde. Welchen Eindruck eS auf ihn machte, daß Admiral Tirpitz auf den Vorschlag einer Verminderung der Materialreserve mit aller Bestimmtheit erklärte, man habe bei dieser Forderung wie bei den übrigen das geringste zulässige Maß angenommen, das behielt der Abg. Müller einstweilen noch für sich. Im Uebrigen war die gestrige „Specialdebatte" nichts Anderes, als eine Fortsetzung der vorgestern formell zum Abschlüsse gekommenen „Generaldebatte" und ihr Verlauf erinnerte lebhaft an die Echternachcr Spring- procession: die Centrumsmänner thaten allemal einen Schritt zurück, nachdem sie zwei Schritte vorwärts gethan halten. So hielt der Hauptsprecher des Centrums eine Rede, in der er daS Vorbild pries, das der Radikalismus in Frankreich und in England bei der Behandlung der Flcttensrage gegeben, und an die er eine Vorlesung für die Socialdeinotraten knüpfte, die sich an dem Verhalten ihrer Gesinnungsgenossen in jenen Ländern ein Beispiel nehmen, alle Parteierwägungen zurückkreten lassen und die geforderten Lasten auf sich nehmen sollten, wenn die Nothwendigkeit der Flottenverstärkung nach gewiesen würde. Als aber der Abg. Bebel aufsuhr und erregt erklärte, nun sähe man, daß das Centrum bewilligungs bereit wäre, und nun solle man doch dem grausamen Spiele der Berathungen durch Abstimmung ein Ende machen, da sprang Herr Müller-Fulda flugs einen Schritt zurück, indem er an die „ungelöste" Deckungsfrage, sowie daran erinnerte, daß er selbst noch nicht einmal von der absoluten Nvth- wendigkeil der verlangten Verstärkung überzeugt worden wäre. Darin pflichtete ihm sein FractionSgenosse Gröber bei, der dann wieder zwei Schritte vorwärts sprang und dem Abg. Bebel die weitschweifigen Reden vorrüffelte, welche die Social demokraten beim Etat halten, um ihn nachher doch zu ver werfen. Und allemal beim Rückwärtsspringen der CentruuiS- redner sprang diesen der „Flottenbasilio" En gen Richter bei, um sie womöglich noch etwas weiter rückwärts zu ziehen. Will man das Resultat der gestrigen Debatte in positivem Sinn zusammenfassen, so kann man nur sagen, daß keine Position des ersten Paragraphen der Novelle in ihrer Be rechtigung erschüttert worden ist. Wenn heute bei der Ab stimmung über ihn rein sachliche Gründe ausschlaggebend wären, so würde er angenommen werden. DaS ist aber nicht wahrscheinlich. Da die Centrumsmitgliedcr ihre Ab stimmung als eine „provisorische" angesehen wissen wollen und sich ihre endgiltige Stellungnahme für die zweite Lesung reserviren, so ist anzunehmen, daß sie sich heute ablehnend verhalten, um die Regierung noch eine Weile „zappeln" zu lassen und für die Verhandlungen hinter den Coulissen Zeit zu gewinnen Während der „Diplomat" des „Figaro", Herr Valfrey, mit einer nicht eben ehrenvollen Hartnäckigkeit bei der Be hauptung bleibt, daß Kaiser Franz Joseph nach Berlin ein- geladen worden sei, wird dem „Journal des D6batS" von einem Berliner Vertreter bestimmt versichert, es seien an ausländische Fürsten keinerlei Einladungen zur Theilnahme an den bevorstehenden Feierlichkeiten ergangen. Die Bemerkung, die der Berliner Correspondent des genannten Blattes dieser zweifellos richtigen Mittheilung folgen läßt, sind verständig und abgewogen genug, um auch von deutschen Lesern ge würdigt zu werden. Der Vertreter des „Journal des DöbatS" in Berlin schreibt nämlich u. A.: „Graf Bülow und Graf Goluchowski werden sich auch über die actuelle Politik unterhalten. Aber weder die Balkanfrage noch.der südafrikanische Krieg werden Gegenstand eines Abkommens sein. Was Albanien anlangt, so hat die deutsche Diplomatie nicht die Gewohnheit, das Eigen- thum Anderer zu verauctioniren. Deshalb werden die Knochen eines pommerschen Grenadiers in keinem Balkan-Conslict geopfert werden. In Bezug auf den südafrikanischen Krieg sind Deutschland und Oesterreich unbedingt einig, um die absolute Neutralität zu bewahren. Da der König von Sachsen und eine große Zahl deutscher Fürsten den bevorstehenden Fesilichkeiten bei wohnen, wird es viel Leben am Kaiserhofe geben, aber die hohe Politik wird nach den Festen bleiben, wie sie vorher war. Man wird also allen Sensationstclegrammen mißtrauen müsjM. Auch darf man für sicher halten, daß der Zar in Moskau sich ebenso friedlich zeigen wird, wie die Kaiser von Oesterreich und Deutschland." Wenn in der vorstehenden Auslassung etwas fehlt, so ist eS die Betonung der Thatsache, daß durch die Kaiserbegeguung, der auch der Kronprinz von Italien beiwohnen wird, die Innigkeit der Beziehungen zwischen Oesterreich-Ungarn und dem Reiche, sowie das Festhalten am Dreibunde äufs Neue in das Lickt gesetzt und damit die Bürgschaft für den europäischen Frieden wiederum gestärkt werden. Die Art, wie im „Journal des Döbats" die bekannte Meldung betreffs Albaniens abgethan wird, berührt um so angenehmer, als dasselbe französische Blatt vor wenig Tagen an jene Rachricht der „Tri bn n a" einen phantastischen Commentar geknüpft hat. Ein Zufall fügt eS, daß in der letzten Nummer des „Temps" die Gerüchte über eine drohende Annexion Albaniens durch Oesterreich wieder aufgewärmt worden. Zur Berichtigung derartiger Aus streuungen erhebt sich demnach im „Journal deS DebatS" sehr zur Zeit eine verständige Stimme. Ob sie von Allen, die cs angeht, beachtet werden wird, muß allerdings ebenso dahingestellt bleiben, wie es zweifelhaft ist, daß die Warnung vor Scnsationstelegrammen seiner Zeit Gehör findet. Hawaii bietet gegenwärtig nach Nachrichten, die auS Amerika cintreffen, in politischer, socialer und sanitärer Be ziehung ein Bild furchtbaren Elends. Es erweist sich als ein großer Nachtheil, daß daS Land von Washington auS regiert wird. Man erwartete vom Congreß vergebens seit langer Zeit eine Erörterung der Frage, welche Verfassung Hawaii endgilliz gegeben werden sollte. In Kreisen, die mit den Verhältnissen auf Hawaii vertraut sind, findet man eS unverant wortlich, Laß mit der Einsetzung einer Territorialregierung so lange gezögert wird. Seit der Annexion von Hawaii sind nun 20 Monate vergangen. Die Einverleibung erwies sich Anfangs als ein Segen für die Inseln. Die Industrie blühte ans und die ProductionSkrast steigerte sich. Die Bevölkerung von Honolulu wuchs von 29000 auf nahezu 50 000 Einwohner. Nun wird durch die Lässigkeit des CongresseS in der Be handlung der Hawaiisrage der ganze Wohlstand arg bedroht. Alle geschäftlichen Unternehmungen haben unter der Un gewißheit der Verfassungszustände zu leiden. Geld ist genug vorhanden, aber die gesetzliche Basis, auf der es in Unternehmungen umgesetzt werden könnte, fehlt. Eine Legis latur giebt es nicht. Hawaii appellirte wiederholt an den Congreß um Einführung der versprochenen Territorialver fassung, ohne die die Schaffung eines gesunden politischen Organismus auf den Inseln unmöglich wäre. Dazu kommt noch das Auftreten der Beulenpest auf den Inseln. 8000 Leute, über die die Quarantäne verhängt wurde, müssen auf Kosten der Oeffentlichkeit Wohnung und Nahrung erhalten. Viele kleine Niederlassungen von beträchtlichem Werthe mußten wegen Ansteckungsgefahr durch Feuer zerstört werden. Hunderte, die unter den gegenwärtigen Verhältnissen keine Arbeit finden, fallen dem Staate zur Last. Vieles, was auf dem Wege der Gesetzgebung hätte geschehen können, unterblieb infolge der Passivität der leitenden Persönlichkeiten. Man überläßt die Inseln gegenwärtig mit einer Art Resignation, die sich auf den Congreß übertragen zu haben scheint, ruhig ihrem Schicksal. Und doch kann nur ein energisches Eingreifen des CongresseS die immer greifbarere Formen annebmende Auslösung von Hawaii hintanhalten. Amerikanische Blätter sprechen deshalb die bestimmte Erwartung aus, daß der Congreß in der aller nächsten Zukunft energische Schritte zur Restauration von Hawaii unternehmen wird. Der Krieg in Südafrika. —(>. Man ist in London, wie überall, in hohem Grade gespannt daraus, was bei dem Kesseltreiben gegen Pie Boercn im Osten von Bloemfontein herauskommen wird. Im Süden bei Wepener stehen die Brigade Hart und die Colonialdivision Brabant; nordwestlich schließen sich daran die 8. Division (Nundle) und die 3. Division (Cherinside) bei DewetSvorp; nördlich davon steht die I I. Division (Polc- Carew), die 3. und 4. Cavalleriebrigade und der größte Theil der Division berittener Infanterie. Dieses letztere Detachement bildet den Stoßflügel mit der Richtung auf Osten und steht unter dem Befehle des Cavalleriegenerals French, dem Lord Roberts, wie er mittheilt, den Auftrag gegeben hat, sich quer vor die NückzugSlinie der Boeren zu legen. Der Zweck der Bewegungen aller dieser Truppen ist offenbar, den Boeren den Weg zwischen Thabanchu und Ladybrand zu verlegen, und die Entscheidung hängt von der Schnelligkeit der Pferdebeine ab. Gelänge eS den Eng ländern, durch einen energischen Vorstoß von den Wasser werken aus sich der beiden Puncte Thabanchu und Ladybrand zu bemächtigen und den Boeren dadurch ihre Rückzugslinie nach Winburg und FickSburg zu verlegen, so würden diese zwischen der nördlich stehenden 9. Division und der von Süden herausdringcnden Division Rundle's eingekeilt, zwischen Thabanchu und Ladybrand cernirt und zur Capitulation gezwungen werden können. Dies würde aber auf englischer Seite große Energie und rasche Märsche er fordern, und eS ist fraglich, ob die englischen Truppen, und insbesondere die Cavallerie und die berittene Infanterie, die durch mangelhafte Verpflegung und große Strapazen sehr gelitten haben dürften, im Stande find, eine solche Leistung in einem durch wolkenbruchartige Regengüsse ganz auf- geweichten Boden zu vollbringen. Die Zahl der englischen Truppen, welche augenblicklich auf dem Kriegsschauplätze zwischen Bloemfontein und Wepener gegen die Boeren operiren, kann man auf mindestens 00 000 Mann schätzen. Die Angaben über die Stärke der Boeren lauten sehr verschieden. Bei Wepener sind angeblich 10 000 Mann mit 15 Geschützen cngagirt gewesen, allein nach den Erfahrungen, die man bisher mit den Schätzungen der Streit kräfte der Boeren gemacht hat, dürften die erwähnten Ziffern viel zu hoch gegriffen sein. Jedenfalls sind die Engländer den Boeren an Zahl weit überlegen, aber da daS Terrain der Taktik der Boeren günstig ist, so ist es schon möglich, daß eS ihnen gelingen wird, sich der englischen Uebermacht zu ent ziehen. Von positiven Meldungen ist nur die folgende zu erwähnen: * London, 27. April. Feldmarschall Roberts meldet im Drahtwcge aus Bloemfontein unter dem 26. Avril: General Hamilton vertrieb gestern den Feind aus seiner starken Stellung bei Jsraelpoort durch eine glänzend ausgesnhrte Umgehungs bewegung, die von den Generalen Ridley und Smithdorrien aus- geführt wurde, welche heute in der Richtung aus Thabanchu« vorrücken. Unsere Verluste sind gering. Aehnlich wie wir beurtheilt die „Tägl. Rundschau" die Lage, wenn sie schreibt: „Der Entsatz von Wepener ist den Eng ländern gelungen. Die Boeren haben die Belagerung aus gegeben, weil ihnen allzu starke englische Truppenmassen auf den Leib rückten. An sich war Wepener mit seiner kleine», auf 300 Mann zusammengeschmolzenen Garnison kein sehr wichtiger Punct und die Engländer haben es sich redliche Mühe kosten lassen, unverhältnißmäßig große Detachement- abzu senden, die Stadt zu entsetzen. Darum haben sie auch die Truppen macht der Boeren zwischen Bloemfontein und Wepener mög lichst hoch anzugebcn versucht, jedenfalls viel höher, als sie eS thatsächlich war. Als einen großen Erfolg können die Briten den Entsatz von Wepener nicht auffassen, da eS ihnen nicht gelungen ist, die Boeren abzufangen, die rechtzeitig ihre gefährdeten Stellungen zu räumen wußten. Namentlich ist die Operation des General French bis jetzt nicht ge lungen, der nun weiter versuchen wird, die nach Lady brand im Rückzug befindlichen Boeren abzusckneiden. Lord Roberts' ist durch die Plänkeleien und Scharmützel der Boeren gezwungen gewesen, einen großen Theil seines Heeres von der eigentlichen Operationsbasis zu entfernen und bat trotzdem einen greifbaren Erfolg nicht zu erringen vermocht. An baldige Reparatur der Bloemfontein er Wasserleitung ist nicht zu denken, da neueren Meldungen zufolge die Boeren sämmtliche Klappenventile der Dampf maschinen des Pumpwerks nach Pretoria geschickt haben. Daß sie die Werke nicht vollständig zerstörten, wird dadurch er klärt, daß zwei hervorragende Boeren dort Hauptsteuerzahler sein sollen." Im Londoner Unterhaus erklärte gestern, wie schon iu einem Theil der Auslage unseres heutigen Morgenblattes mitgetbeilt worden, der ParlamentSsekrrtar des Kriegsamtes Wyndham, in den Mittheilungen zwischen dem KriegSamle und Feldmarschall Roberts zeige sich in keiner Weise, daß die strategischen Bewegungen in Folge Frurlleton. 4j Die Herdringen's. Novelle von Hrdda v. Schmid, iiiaatruck vkiioitN. Marie Charlotten traf die Nachricht von Walburga's Ver lobung, Dank Isa's Mittheilungen, nicht völlig wie ein Blitz aus heit'rem Himmel, aber dennoch erbleichte sie, als .ihr der Vater in freudiger Aufregung das Familienerrigniß mittheilte. Mit tiefem mütterlichen Ernst schloß sie die Braut an ihr Herz, einen Segenswunsch über dem dunklen Köpfchen murmelnd. Dann reichte sie Arnold beide Hände. „Machen Sie Walburga glücklich", sprach sie bewegt, „sonst — sonst . . ihre Stimme erstarb — Marie Charlotte, die fast nie Thränen vergaß, weinte. „Kinder, Ihr thut gerade, als wäre hier eine Beerdigung und kein neugebackenes Brautpaar im Haus«. Keine Rührscenen, Marie Charlotte, das bitte ich mir aus", polterte Herr v. Her dringen, obgleich er selber ganz weich war. „Marie Charlotte, mach' nicht solch' eine jammervolle Miene, des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Deine 'Schwester mag nun einmal ihren Herzlirbsten da, und sie soll ihn haben. Du aber, spendire das Beste aus unserem Weinkeller, wir wollen das Brautpaar mit einem edlen Tropfen hoch leben lassen." Marie Charlotte schritt schweigend hinaus. !Jhr war's, als sei ein Stück von ihrem Herzen sosgeriffen. Sie wußte ja, Walburga war von Stund' an für Vater und Geschwister ver loren, für sie gab es fortan nur noch einen einzigen Menschen auf der Welt — ihren Verlckbten. Nach diesem kamen dann die Anderen, an denen bisher ihre Seele gehangen. Die sorgende, nie rastende Liebe der älteren Schwester würde sie jetzt mit Leichtigkeit entbehren können. Unter Marie Charlotten's Flügeln blieb nur 'Isa, dak Nesi- küken. Aber wie lange noch? Marie Charlotte kämpfte tapfer all« eifersüchtige Bitternih, die in ihr gährt«, n-ieder und faßte den «rnften Vorsatz, sich selbst los an Walbuvga's Glück zu freuen. Der VerlobunyStag verlief sehr heiter. Der edle Tropfen that seine Schuldigkeit, insbesondere an dem Hausherrn, der, sehr animirt, auf seine Töchter deutend, seinem alten Freunde, dem Rechtsanwalt Dunker, zuraunte: „Sish mal, Gregor, mein« Mariellen, die puren drei Grazien — nicht wahr? Bi» auf dir Namm stimmt Allel." „So", versetzte der Angeredete gemächlich, „wie hießen denn die drei Grazien? Weißt Du's noch, von der Schulbank her?" „I, wie sollt' ich denn nicht? Junus, Venus undAgapanthus hießen die Demoffellen. Ja, ja, ich habe meine Mythologie noch fest im Schädel! Trinken wir eins darauf, altes Haus! Die fidele Schulzeit soll leben!" Diesmal «war cs Isa, welche in der Nacht, die diesem frohen Abende folgte, nicht schlief. Fiebernd fast, wachte sie, bis der frühe Sommermorgen rosig anbrach. Sie hatte an Ivar Tordal's Brust gelegen eine Secunde lang, aber diese gedankenschnelle Frist wog an Seligkeit für sie Jahre auf. Als sie endlich eingeschlummert, träumt« sie, Ivar stände jenseits der Crataegushecke auf der Obstgartengrenze, und sie diesseits, und «r streckt« seine Arme nach ihr aus und sang schmeichelnd und bittend' „Willst Du Dein Herz mir schenken, So fang' es heimlich an." IV. „Der Weg zur Hölle soll mit guten Vorsätzen gepflastert sein", sagt man — jedenfalls werden divseiben nur zu oft in den Wind geschlagen. Ein Meister in dickser Kunst war Edi Herdringen. Trotz seines festen Entschlusses, Käte Wcltlin nach Möglichkeit zu meiden, war er gleich, nachdem er aus Herdringen nach P. zurück gelehrt, zu Welikins gegangen, und etwa eine Woche später sitzt er wieder in der Wohnst erbe der Majorin den beiden Damen gegenüber und erzählt eifrig, daß die Officiere der Garnison die Absicht hätten, einen Ball zu geben. „Jetzt im Sommer —" sagt die Majorin. „Aber warum denn nicht, gnädigste Frau", plaidirt Edi für das Ballproject, „bedenken Sie doch, wie furchtbar langweilig dies« ewigen Bootpartien sind, und erst die Kaffeegesellschaften mit obligatem Ball- und Reifenspiel. Sie tanzen doch natürlich gern, gnädiges Fräulein?" wendet er -sich speciell an Käte, die in lässiger Haltung auf einem mit verschossenem grünem Rips bezogenen Tabouret sitzt und Frivolitäten macht. Und zwar sehr emsig, denn sie weiß, daß ihr« schlanken, hübschen Hände bei dieser Arbeit vorthrilhaft zur -Geltung kommen. „Bedingungsweise", giebt sie nachlässig zurück. „Dürfte ich um den Cotillon bitten?" fährt Edi unbeirrt fort. KätrnS kühle Zurückhaltung reizt ihn — er muß um jeden Preis bei ihr reüssiren. Diese hochm'üthig geschürzten Lippen sollen ihn anlächrln — er will es. Käte ist reizend, einfach reizend, und Edi verliebt bis zum Tollwerden. In dieser Verfassung findet er sogar die Majorin, welche im gewöhnlichen Leben von den Wenigsten verdaut wird, liebens würdig. Die Dame ist aselsstolz bis zur Ohnmacht — dummstolz im höchsten Grade, ihre Anschauungen sind beschränkt uns klein lich, der Abgott ihres Daseins ist Käte. Durch ihre Schön heit soll Käte eine brillante Partie machen. Die Mutter träumt Tag und Nacht von einer glänzenden Zukunft für ihr Kind. Mißbilligend bemerkt sie Edi Herdringen's Annäherungs versuche. Dieser junge Mensch durfte, ihrer Ansicht nach, es gar nicht wagen, seine Blicke zu Käten zu erheben. Die Majorin sitzt kerzengerade auf dem altväterlichen, bom benharten Sopha und macht Filet. Sie verkauft die wunder feinen Deckchen und Spitzen, welche unter ihren geschickten Fingern entstehen. Allein sie thut dies heimlich, di« Welt darf davon nichts wissen. Der Erlös dieser Arbeiten ist dazu be stimmt, Kätens Toilette einen einigermaßen eleganten Anstrich zu verleihen. Eine armselige, fadenscheinige Eleganz ist's leider oft — doch thut dies Kätens bildhübscher Erscheinung keinen Eintrag. Sie sieht immer gut aus. Fadenscheinig und ärmlich ist auch die ganze Einrichtung bei Weltlins. Die Möbel sind ohne Aus nahme sehr, sehr einfach, di« Prunkstücke sind «in paar Ahnen bilder in der Wohnstube. „Kät«", antwortet die Majorin für ihre Tochter, „Du läßt Dich doch nicht so weit voraus engagiren. Außerdem ist es ja noch gar nicht bestimmt, ob der Ball thatsächlich stattfindet." Edi macht «in etwas betretenes Gesicht, aber Käte versetzt schnell: „Wenn Herr von Herdringen dir Geschichte in die Hand nimmt, so bin ich überzeugt, daß der Ball zu Stande kommt. Den Cotillon schenke ich Ihnen gern." Edi verbeugt sich im Sitzen, schlägt beide Hacken aneinander, daß die Spor«n hell klirren, und murmelt mit leuchtenden Augen seinen Dank. Die bittersüße Miene der Majorin übersieht er ganz. Er weiß jetzt, daß Käte genügend Charakter besitzt, u-m sich den Wünschen ihrer Mama, falls sie mit denselben nicht übereinstimmt, zu widersetzen. Und daß in besagten Wün schen er, Edi Herdringen, gar keine Rolle spielt, das ahnt er deutlich. Kätens Zusage stimmt ihn so glücklich, daß er unverfroren sein« Nachmittagsvisite bis zur Kaffeestunde ausdehnt. Käte, die plötzlich strahlend liebenswürdig ist — ihre Stimmungen pflegen beständig zu wechseln — fordert ihn, als er endlich Miene macht, aufzubrechen, zum Dableiben auf. „Sie müssen heute meine beste Freundin kennen lernen, Herr von Herdringen. Lola hat versprochen, um halb fünf bei mir zu sein." Zur festgesetzten Frist trat die Erwartete ein. Lola Berting war ein dunkelhaariges, schönes Geschöpf mit brennenden, schwarzen Augen, einem vielleicht etwas zu großen kirschrothcn Mund, in welchem, nxnn sie lachte, was aber selten vorkam — prachtvolle, blendend weiße Zähne sichtbar wurden. „Guten Tag, Lola; schön, daß Du Wort gehalten. Erlaube, daß ich Dir in Herrn von Herdringen meinen getreuesten Ver ehrer vorst-elle", rief Käte Ubermüthig und umarmt« di« Frcuu din. „Dies, Herr von Herdringen, ist Lola Berting, das beste Wesen unter der Sonne, ein Schatz, der so sorgsam gehütet wird, daß man ihn fast nie zu sehen bekommt. Für mich ist'» ein Festtag, wenn Lola mal herkommt. ES geschieht dies leider nur ausnahmsweise." Edi, der in der interessanten Mäochenerscheinung eine brillante Acquisition für den Ball, der ihm so sehr am Herzen lag, erblickte, und sich außerdem bei Käten «ine gute Nummer sichern wollte, beeilte sich, im Laufe des Nachmittags Lola zu dem bevorstehenden Tanzfest rinzuladen. Sic schüttelte mit traurigem Lächeln den Kopf „Ich danke Ihnen, Herr von Herdringen, «s ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich werde von meiner Pflegemutter niemals die Erlaubnis erhalten, den Ball zu -besuchen. Auch tanze ich nicht, hcrve noch niemals getanzt." Edi bedauerte dies und fragte bann: „Wi< kommt es, gnädiges Fräulein, daß wir einander noch nie begegnet sind, ich glaubte doch, alle jungen Damen unserer Stadt zu kennen, wenn auch nicht persönlich, so doch von ihrer Existenz zu wissen." „Ich bin vor Kurzem auS der Pension hierher l zu meiner Taufpathin und Pflegemutter gekommen", berichtigte Lola, und Käte fügte hinzu: „Sie hat ein Semester länger studirt als ich, ist auch ein halbes Jahr jünger. Mir sind nämlich Beide in ein und desselben Herrnhuter Anstalt erzogen. Es war dies eine Schrulle von meiner Mama, müssen Sie wissen, Herr von Herdringen. Die gute Mama that's einer sehr frommen Tante, die ich beerben sollte, zu Liebe. Na, die Tante starb und ha! mir nichts hinterlassen. Si« mochte mich rrie leiden — ich bin aller dings auch sehr, sehr weltlich gesinnt; Tonten war mein Ueber- muth stets «in Dorn im Auge. Nun freue ich mich riesig auf
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