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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.05.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010517012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901051701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901051701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-17
- Monat1901-05
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NmtsVl'att des Höniglichen Land- und Älntsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Volizei-Ämtes der Stadt Leipzig. AnzeigeuPreiS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedarrtonSstrich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach- richten («gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 85 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefärderung 60.—, mit Postbefärderung 70.—, . Ännahmeschluß fir Iiuzeigeu: Abeud-An-gab«: vormittag» lO Uhr. Morg«n-Au»gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin» halb« Stunde fvüher. Anzeigen sind stet» a» die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck >md Verlag von E. Polz in Leipzig. 303. Zachfische Ztädtebilder. Waldenburg Wer jemals da» anmuthige Muldenthal durchwandert, der wird sicher auch der landschaftlich schön gelegenen Stadt Waldenburg einen Besuch abstatten. Die am IO. Mai 1875 eröffnete Muldenthalbahn bringt den Wanderer zunächst nach dem Ort Altstadtwaldenburg, woselbst der Bahnhof Walden burg liegt. An Stelle Altstadtwaldenburgs befand sich einst eine sorbische Niederlassung, von wo aus durch die Mulde eine Furth ging, auf welcher man zum jenseitigen (rechten) Ufer gelangte, an dem später Waldenburg erbaut worden ist. Heute ist an dem Orte, wo die Furth gewesen sein soll, eine massive, eiserne Brücke. Sind wir über diese hinübergetreten, so können wir links auf Fußwegen, rechts auf der Fahrstraße nach dem Innern der 257 Meter über der Ostsee liegenden Stadt Waldenburg ge langen. lieber das Alter der Stadt Waldenburg sind zuverlässige Nachrichten nicht vorhanden. Die älteste Burg soll angeblich in den Jahren 928/29, der Zeit, da Heinrich I. deutsche Kolonisten in die Zwickauer Muldengegend einführte, erbaut worden sein. Ein Beweis hierfür ist bisher nicht erbracht worden. Die ersten Besitzer der Burg und später der Stadt Waldenburg waren die Herren oder Dynasten von Waldenburg. Der erste Herr von Waldenburg, der urkundlich genannt wird, ist Hugo I. (1172 bis 1190). Lange Zeit von dem Erlöschen dieses Ge schlechts (um 1494) gelangte Waldenburg an die Herren von Schönburg. Die Uebergangszeit soll nach dem Archiv für sächsische Geschichte 1373 sein. Die Schönburger sind ein altes edles Geschlecht; sie treten zuerst am Rheinstrom auf und zeichnen sich unter Karl dem Großen, später als Turnierrichter aus. Die Herren von Schönburg hatten früher hinsichtlich mehrerer Be sitzungen die Landeshoheit, die aber 1740 durch Vergleich oder Receß (daher der Name „Schönburgische Receßherrschasten") auf die Krone Sachsens überging. Die Fürsten und Grafen von Schönburg gehören zu dem hohen Adel. — Waldenburg ist seit der ersten Besitzergreifung durch die Herren von Schönburg in deren Händen verblieben. Der jetzige Besitzer ist Fürst Otto Victor Hugo Sigismund von Schönburg. Wann Waldenburg Stadtrechte erhalten hat, ist bisher nicht festzustellen gewesen. DaS erste Rathhaus soll 1473 gebaut worden sein. Bereits 1437 soll aber ein Bürgerhaus zum Rath hause gekauft worden sein. (Eckardt, Chronik von Glauchau, S. 426). Das jetzige Rathhau« (Thurm ist sogen. „Dachreiter") ist in den Jahren 1727 bis 1731 errichtet worden. Von der Stadtmauer, in der sich früher drei Thore befunden haben, sind noch Ueberreste in der „Finzelei" und in der Glauchauer Gaffe zu sehen. Der Wallgraben wurde 1790 mit Schutt ausgefüllt; einige Spuren von ihm sind dort, wo der fürstliche Lustgarten an die „Finzelei" grenzt, zu erkennen. In kirchlicher Beziehung gehörte Waldenburg wahr scheinlich zum Bisthum Naumburg. Bisher war man der Annahme, Waldenburg habe zu Meißen gehört. Durch die neueren Forschungen wird dieses aber nicht bestätigt. Die Montag den Reformation wurde 1542 eingeführt. Waldenburg blieb von da ab bis 1559 bei der Ephorie Glauchau. Von diesem Jahre ab erhielt es Superintendentur, die 1879 eingezogen wurde; Waldenburg gehört nun wieder zu Glauchau. Von den Gebäuden Waldenburgs ist besonders der untere Theil des alten Bergfrieds (Schloßthurms) bemerkenswerth. Dieser ist ein Ueberbleibsel der ältesten, aus „Waldenburger Knollenstein" erbauten Burg. vr. Steche hält den Bergfried für den ältesten formirten Bau im Lande. 1386 hat die alte Burg, als Veit I von Schönburg mit dem Markgrafen Wilhelm von Meißen in Krieg gerathen war, einer längeren Belagerung erfolgreich widerstanden. 1430 wurde sie aber von tabontischen Hussiten, die unter Führung Procopus von Altenburg kamen, von dem „Rothenberg" aus, der noch heute „Hussitenberg" ge nannt wird, beschossen und zum größten Theil zerstört. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde sie von Veit II. von Schönburg wieder aufgebaut. Neben ihr erbaute Hugo l. von Schönburg in den Jahren 1556—1566 ein neues Schloß. Am 9. Februar 1619 brannte das ältere Schloß ab und blieb bis 1783 als Ruine stehen. Das neuere, schöne, im Stile der deut schen Frührcnaissance erbaute Schloß fiel am 5. April 1848 der Revolution zum Opfer. Das jetzige, von dem Fürsten Otto Victor errichtete Schloß wurde 1859 vollendet. In dem an den Bergfried (der zum Theil als Archiv dient) angebauten Ge bäude befinden sich Expeditionsräume der fürstlichen Ver waltungen. Die Kirche, die früher dem Apostel Bartholomäus geweiht war, ist im Jahre 1440 fertig gestellt worden. Sie ist im ein fachen gothischen Stile erbaut, geräumig und hat eine kunstreich gewölbte Decke, die auf 6 Pfeilern ruht. Im Jahre 1892 ist an Stelle des alten Thurmes ein neuer gebaut und die Kirche im Innern und Aeußeren verbessert worden. Sehenswerth ist das in der Kirche neben dem Altar befindliche Hugodenkmal. Es ist in den Jahren 1566/67 von dem Dresdener Bildhauer Christoph Walther gefertigt worden und wird als dessen bestes Werk be zeichnet. In seiner wirthschaftlichen Entwickelung hat Waldenburg außer den großen Verlusten des dreißig- und siebenjährigen Krieges viel durch die bedeutenden Feuersbrünste gelitten. So z. B. brannte die Stadt 1425 bis auf zwei Häuser nieder; 1430 wurde sie durch die Hussiten in einen Schutthaufen verwandelt, 1482 ward in Folge „Vernachlässigung eines Töpfers" die ganze Mittelstadt und tue herrschaftliche Muhl^ durch Brand zerstört. Am 8. Februar 1580 fielen dem Feuer die Kirche, das RarhdauS, Hospital, die Wohnungen der Geistlichen und 62 Bürgerhäuser zum Opfer. 1665 brannten 60 Bürgerhäuser und die Woh nungen der Geistlichen ab; am 6. Juli 1727 die letzteren, das Rathhaus und 150 Bürgerhäuser. An der Pest starben in den Jahren 1551 und 1576 über 200 und 1633 389 Personen. In dem Hungerjahre 1772 forderte der Tod 150 Einwohner, während der Nervenfieber-Epidemie gegen 100 Menschen erlagen. Ueber die Entstehung der einzelnen Zünfte in Waldenburg sind wir nicht unterrichtet. Die älteste Innung ist die der Töpfer, deren Jnnungsbrief 1388 von Friedrich III. von Schön burg bestätigt worden ist. Die Töpfer wohnten Anfangs in der 17. Juni 1901. Mittelstadt. Sie mußten aber 1482 nach Altstadtwaldenburg übersiedeln, weil — wie schon erwähnt — die Mittelstadt durch Vernachlässigung eines Töpfers abbrannte. In Altstadr- Waldenburg wird die Ofen- und Scheibentöpferei noch flott be trieben, auch die Innung besteht noch. Ein durch seine literarische Thätigkeit bekannt gewordener Waldenburger ist Carl Gottfried Theodor Winkler. Er wurde am 9. Februar 1775 in Waldenburg geboren, galt seiner Zeit als berühmter Dichter und versorgte die Bühne lange Zeit mit seinen Uebersetzungen. Er starb als Vicedirector des Hof theaters und königlich sächsischer und kaiserlich russischer Hofrath in Dresden. Die Stadt Waldenburg und deren Verwaltungen unterstehen den Bestimmungen der revidirten Städteordnung. Nach der letzten Volkszählung hat Waldenburg 2819 Einwohner. Es ist der Sitz eines königlichen Amtsgerichts, hat königliches Unter steueramt, Postamt II, Seminar (1844 eröffnet) mit Seminar schule, Bürgerschule mit Selecta, gewerbliche Fach- und Fort bildungsschule, Kinderbewahranstalt und seit December 1896 elektrische Kraft- und Lichtanlage. Ein reichhaltiges fürstliches Museum, das Waffen, Steine, Pflanzen, Thiere u. f. w. ent hält, befindet sich im fürstlichen Marstall. Ein Alterthums- museum ist in der Entwickelung begriffen. Waldenburg hat viele gewerbliche Arbeitsstätten und Handelsgeschäfte. Be deutend ist die Strumpfwaaren-, Handschuh- und Posamenten industrie; nicht minder auch die Kunstschlosserei. Im fürstlichen Lustgarten ist dem Fürsten Otto Victor von Schönburg — dem „Wohlthäter der Schönburgischen Lande" — ein einfaches, aber schönes Denkmal errichtet worden. Diesem edlen Fürsten sind viele gute Einreichtungen und Stif tungen zu verdanken. So z. B. Seminar, Krankenhaus, Marien- und Alfredstiftung u. s. w. An schönen Spaziergängen fehlt es Waldenburg nicht, so z. B. nach dem „Forst" oder dem schattigen „Rothenberg" (Hussitenberg) u. s. w. Der herrlichste Ausgang und der An ziehungspunkt vieler Fremden ist freilich der fürstliche Park „Grünfeld". Dieser ist von der Stadt aus bequem in 10 bis 15 Minuten auf schattigen Wegen zu erlangen. Er ist in den Jahren 1790—1796 nach englischem Muster angelegt worden. Bemerkenswerth ist das Portal mit der Inschrift: „Der Stillen Naturfreude", ein großes, schönes Portal aus Rochlitzer Porphyr, das von dem im Jahre 1619 abgebrannten Waldenburger Schlosse herstammt. Treten wir hindurch, so sind wir inmitten des herrlichen Parkes, der mächtigen Waldungen, in denen wir gesunde, ozonreiche Waldesluft einathmen können. Der Park enthält noch mehrere Zierbauten, u. A. auch einen Aussichts thurm. Für Speise und Trank ist in dem nahe gelegenen Gast hof „Grünfeld" und der inmitten von Bäumen befindlichen „Glänzelmühle" aufs Beste gesorgt. Ebenso ist der Bürger verein von Waldenburg (Vorsteher Herr Eisenhändler Otto, Topfmarkt) gern bereit. Fremden, insonderheit Sommer frischlern und Emiritirten, gute und billige Wohnungen unent geltlich nachzuweisen. Fritz Resch. 95. Jahrgang. Segelsport. Skizzen zur Kieler Woche und anderen Regatten. Von Alfred Stavenhagen. Nackdruck »kriotin. Während 'den Radfahrer der erste schön« Frühlingstag auf die Rennbahn lockt und auch die Pferderennen beginnen, sobald der Turfplatz sich mit dem teimenioen Grün des Rasens beoeckr hat, tritt der Wassersport erst dann in seine Rechte, wenn die Sonne ihren höchsten Stanv am Himmel fast erreicht hat. Die Herren Studiosen von Oxford und Cambridge haben ihren be rühmten traditionellen Ru'derwettkanrpf zwar auch bereit» im zeitigen Frühjahr ausgefochten, aber für die großen Ruder- rvgal'ten und Segelrennen beginnt die Saison erst um Mitte Juni, um dann freilich sofort auf den Gipfslpunct zu steigen. Der Wassersport ist im Allgemeinen «in Kind 'der Neuzeit. Zwar ordnete schon im Jahre 1315 der große Rath der Republik- Venedig die Abhaltung von Rüoerwettkämpfrn ckn, um die Jung mannschaft 'der Königin der Adria mit dem Wasser vertraut zu machen, in dessen Beherrschung ihre Größe lag; eine allgemeine Verbreitung haben diese Rennen aber doch erst von der Zeit an gefunden, als di« führend« Herrschaft zur See auf den kräftigen germanischen Norden überging. Die ersten Anfänge des Segelsports haben wir in Holland zu suchen, und zwar um jene Zeit, da dieses ihatkräftig«, klein« Volk seinen Verzweiflungskampf gegen die Mordbanioen des finsteren Philipp II. von Spanien und feines Nachfolgers führte. Von dort, wo die Natur den Menschen allerdings förmlich zwingt, sich in der Beherrschung des nassen Elementes zu üben, wurden die ersten Lustsegelfahvzeuge zu Beginn des 18. Jahrhunderts nach England gebracht. Der erste Segelclub wuckde jrvoch nicht im engeren England, sondern in Cork in Irland als „Cork Harbour Water Club" gegründet, nachdem erst recht langsam und erst von 'der Mitte des 19. Jahrhunderts in schnellerem Tempo ähnliche Vereinigungen folgten. Heute aber huldigen im sport- liöbenden Großbritannien rund 300 Vereine dem Segelsport, und verfügen über ein Schiffsmaterial von etwa 5000 Segel yachten größerer und kleinerer Art, in welchen «in Capital von mindestens 30 Millionen Mark angelegt ist. Deutschland, -welches nach den längst entschwundenen, ruhm vollen Zeiten der Hansa -durch di« Ungunst der Verhältnisse Jahrhunderte lang gezwungen war, das Aschenbrödel unter d«n seefahrenden Nationen zu spielen, steht an Zahl der Benin« und Fahrzeuge natürlich noch heute unendlich weit gegen England zu rück und wird dieses wegen seiner beschränkteren Küsten« ent'wick-elung auch nie erreichen. Hier kam es auch erst am An fang der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts zur Gründung des ersten Segelclubs, und zwar in Hamburg, wo sich ja vor zwei Menschenaltern fast das ganze Seewesen des deutschen Volkes concentrirte und als ältester deutscher Segelverein sich bildete. Der Doyen unter den heute bestehenden ist 'der im Jahre 1855 zu Königsberg in Preußen gegründete Clüb Rhe, während ganz Deutschland heute 34 Segelvereine mit über 1000 Dachten zählt, von denen sich 21 Verein« mit rund 650 Dachten zu dem im Jahr« 1888 gegründeten deutschen 'Seglervorbande zusammen- Fesiilletsn. Die Zeekrankheit. Don vr. roocl. Georg Korn- Berlin. NaLtruck v»sol«n. Die Freude an dem Leben des Meeres und seinen Schönheiten, an den gesundheitlichen Vorzügen von Seebad und Seeluft, an Seereisen und Marinetreiben ist in den letzten Jahren in Deutsch land, und namentlich im Binnenlande, ganz erheblich und mit Recht gestiegen. Die Zahlen der Badegäste an der Ost und Nordsee weisen ebenso gewaltige Steigerungen seit etwa zehn Jahren auf, wi« die der Vergnügungs- und Erholungsreisenden, die sich den schmucken Dampfern unseren Handelsmarine zu See reisen anvertrauen. Aber noch weit höher würden diese Zahlen anwachsen, wenn nicht eine böse Vorahnung oder auch Erfahrung Dielen den großen Genuß einer Seereise im Voraus vergällen würde: di« Furcht vor der schrecklichen Seekrankheit. Daß diese» Uekxl thalsächlich existirt un-o sich höchst unan- gen«hm geltend machen kann, wird nun auch txr wohlwollendste Freund des Meeres nicht leugnen können. Freilich giebt es viele seebefahren« Leut« — und zu ihnen darf sich txr Verfasser zählen —, die selbst bei stürmischem Wetter und auf längeren Seefahrten inmitten der schmerzlich bewegten Passagiorschaft ge sund und munter blieben. E» sind meist solche Naturen, die große Freude an der See und dem Seelebsn haben, an die Seefahrt gewöhnt sind und ohne Aengstlichkeit sie antreten. Aber auch diese seefesten Personen sind keineswegs für immer gefeit; bei sehr stürmischem Wetter können auch sie gelegentlich dem Meeresgott ihren Tribut zollen. Andererseits giebt es Schiffscapitäne, die bereits Jahre lang gefahren sind, und doch jedesmal aus einer längeren Reise die ersten Tage seekrank werden; selbst Teehelden, wie Nelson und Tegetthoff wird düs nachgesagt. Die Disposition für die Seekrankheit ist also sehr verschieden. Manche Reisende werden davon nie belästigt, andere gewöhnen sich leicht an das M«er, sind vielleicht «inen oder zwei Tage im Anfang der Reise krank, klag«n über Schwindel, Erbrechen, Kopfweh, Unfähigkeit zu essen und zu gehen, werden aber dann vollkommen wohl, bekommen sehr starken Appetit und fühlen sich besser, al« vor der Krankheit. Manche Menschen aber werden stets seekrank, sobald daS Meer auch nur einigermaßen stürmisch ist, während sie bei ruhigem Meere sich behaglich fühlen. Noch ander« sind stets seekrank, sobald sie eine kleiner« oder größer« Seefahrt unternehmen, können fast gar keine Speisen nehmen uckd werden durch ein« lange Seefahrt in wirklich gestahrdrohen der Weis« erschöpft. Ja, Sir Hermann Weber in London be richtet von zwei Personen, die nach vierwöchentlicher und sechs wöchentlicher Reise, bis zum Skelett abgemagert, so erschöpft in London anlomen. daß der Tod durch Herzschwäche erfolgte. Man spricht oft in scherzhafter Weise von der Seekrankheit; aber der Arzt sollte nie vergess«n, daß es viele Fälle giebt, in denen di« Teekrankbeit den Kranken erhebliche Nachtheile bringt, und sollt« in jedem Falle vor Empfehlung einer langen Seereise sich womöglich davon überzeugen, ob der Patient nicht zu denen gehört, di« diese Art von unerträglichem Widerwillen und reiz barer Schwäche bei der Bewegung des Schiffes haben. Aus den Erfahrungen der Schiffsärzte geht hervor, daß Frauen für die Seekrankheit besonders empfänglich sind, wie sie sich überhaupt auch bezüglich der Ernährung und der ganzen Art des Schiffslebens weniger für Seereisen eignen als Männer und oft in einen beklagrnswerthen Zustand gerathen. Dagegen sind Säuglinge und auch Greise auffalleno wenig der See krankheit ausgesetzt. Die Erscheinungen der Seekrankheit sind charakteristisch und bekannt genug. Emvfindliche Leute fühlen schon ein leichtes Un behagen, bevor deutliche Schwankungen oes Schiffes eintreten. Den weiteren Zustand wollen wir von einem Dichter schildern lassen, der zugleich Naturforscher war und als solcher eine Welt reise machte, von Adalbert von Chamisso. „Ich lernte erst die Seekrankheit kennen", so erzählt er, „mit der ich unausgesetzt rang, ohne sie zu überwin'oen. Es ist aber der Zustand, in den diese Krankheit uns versetzt, ein erbärmlicher. TheilnahmSlos, mag man nun in der Ko;e lügen oder oben auf dem Verdecke, am Fuße des großen Mastes, sich vom Winde anwehen lassen, wo näher dem Mittelpunkte der Bewegung die selbe unmerklicher wird. Die eingeschlossene Luft 'ver Cajiite ist unerträglich, und der bloße Geruch der Speisen erregt einen unsäglichen Etel. Obgleich mich der Mangel an Nahrung, die ich nicht bei mir behalten konnte, merklich schwächte, verlor ich dennoch nicht den Muth. Ich ließ mir von Anderen erzählen, die noch mehr gelitten, als ich, und von Nelson, der nie zur See gewesen, ohne krank zu sein." Aber bald hatte es den Aermsten wieder, bei hohem Sturme: „Meine Freunde, ich lag nach entleertem Magen stille, ganz still« in meiner Koje, mich um nichts in der Welt bekümmernd und kaum auf den Lärm merkend, den Tische, Stühle, Schubkasten um mich her voll führten, die nach der Musik und dem Tacte, die oben auf dem Verdeck geblasen und geschlagen wurden, unruhig auf ihre eigene Hand durch Pie Kajüte bin- und herfegten. Was der seekranke Mensch für ein erbärmliches Thier ist, entnehmet daraus, daß unser guter Doctvr, sonst eifrig und gewissenhaft in seiner Pflicht, wie nicht ein Anderer, zur Hilfe eines verwundeten Matrosen gerufen, geholt, commandirt, still«, ruhig und regungs los in seiner Kost liegen blieb, bis Alles vorüber war." Vielen wird der Genuß der ersten Cigarre mit seinen Folgen eine Vorstellung von der Seekrankheit geben können. Schwindel, Müdigkeit, Abspannung, Theilnahmlosigkeit, Willenlosigkeit und Erbrechen (seltener eigentliche Kopfschmerzen), App«titlosigkeit und Berdauungsbeschwerden, oft von Angstanfällrn begleitet, suchen die Seekranken denn. Trägheit und grenzenlose Blasirt- hrit, ein« gesteigerte „Katerstimmung", die vergeblich anfangs mit renommistischer Sicherheit gegen die eigene Kraftlosigkeit an kämpft, wirkt unwillkürlich komisch, wenn sie allmählich zur de- müthigen Ergebung, zur völligen Gleichgiltigkeit gegen alle Ge setze der gesitteten Gesellschaft wird. Selbst fein erzogene und zartfühlende Domen werden unter dem Druck der Seekrankheit rücksichtslos gegen ihre Umgebung und bekümmern sich nicht um ihre Stellungen und Lagen, die häufig, nm nist dem bekannten Ä«setzr»entwrrrf zu reden, „ohne direkt unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen". Von der Veränderung des Blutdruckes kann man sich überzeugen, wenn man bei schönem Wetter durch die geschlossenen Augenlider blickt; wo sonst ein rosiger Schein sichtbar ist, ist jetzt eine leichenblasse Färbung vorbanidcn. Ueber das Wesen der Seekrankheit sind ganze Bücher ge schrieben worden, so jüngsthin eins von mehreren hundert Seiten von dem Breslauer Professor O. Rosenbach, ohne daß man zur völligen Aufklärung ihrer Erscheinungen gekommen wäre. Wahrscheinlich wird durch die Bewegung des Schiffes, das Auf und Ab („Rollen"), das Hin und Her („Stampfen") in seitlicher Richtung, vor Allem aber durch das ungleichmäßige „Schlingern", das beide Arten von Pendelbewegung verbindet und starke Schaukelbewegungen bei stürmischem Wetter hervor ruft, eine Zerrung der Eingeweide und ihrer Nerven erzeugt, die wieder weiter auf den übrigen Organismus wirkt. Die Vor stellung und Einbildung spielt zwar zweifellos «ine gewisse Rolle bei der Seekrankheit, und man hat versucht, 'durch Suggestion in der Hypnose, wobei Schaukelbewegungen zugleich vorgenommen wurden, die Seekrankheit zu bannen. Aber schon der Um stand, daß man im Schlaf seekrank werden kann und daß auch Thiere von der Krankheit befallen werden, zeigt ihren im Wesent lichen mechanischen Ursprung. Ein specifisches Mittel gegen die Seekrankheit giebt es auch heute noch nicht, obgleich alljährlich mit Posaunenstößen der Re- clam« solche angepriesen werden. Bei kleineren Seefahrten, zum Beispiel durch den stürmischen Canal, können wohl durch nar kotische und einschläfernde Mittel die Erscheinungen der See krankheit hintangehaltcn werden, so durch vorherige Einverleibung von Cocain, von Opium oder Morphium und von Brompräpa raten. Für weitere Fahrten versagen auch diese Palliativmittel. Das beste Vorbeugungsmittel ist noch immer das alte bewährte, auf dem Verdeck möglichst in der Mitte zu bleiben, ruhig und mit geschloffenen Augen auf einem langen Verd«ckstuhle aus gestreckt zu liegen und womöglich etwas leichte Nahrung zu nehmen. Etwa eine Stunde, bevor man an Bord geht, thut man gut, kräftig, ober nicht übermäßig reichlich und nicht unter Ein nahme großer Alkoholmengen, zu essen. Der Magen soll im normalen Zustande, also nicht überladen, sein; er erleichtert dann beim etwaigen Anfall von Erbrechen durch das dem Meergott gespendete Opfer die Genesung. Im Uebrigen sino neuerdings Eukalytztus-Plätzchen bei diesen Magenbeschwerden mit guter Wirkung angewandt worden; gegen das Erbrechen kommt auch Brausepulver, Champagner, Eis, kalter Kaffee u. s. w. in Betracht. Durch eine festangezvgene Bauchbind« werden häufig die Brechbewegungen und Verdauungsstörungen eingeschränkt; manche Personen suchen auch durch beständige Bauchlage die Störungen abzuwenven. Ja, neuerdings hat man gerathen, schwere Koffer auf di« Magen- und Unterlerbsqegend der liegen den Personen zu legen, und ein« jüngst erschienen« Abbildung in einem illustrirten Blatte zeigte diese Methode in der An wendung, allerdings rin Anblick von grotesker Komik! Man hat auch Apparat« hcrgestellt, an denen sich die künftigen Seereisenven vor Antritt ihrer Reise an die Schiffs bewegungen und daS Schaukeln gewöhnen sollen, etwa wie an Rauchen und Alkoholgenuß. Carrousselartige Vorrichtungen sollten durch ihr Schaukeln ihnen den Vorgeschmack der Seekrankheit bei bringen. Indessen sind ihre Schwingungen und ihre Wucht viel zu klein g«genüber denen eines großen Schiffes auf bewegter See, und auch die gesammten Verhältnisse des Lebens an Bord eines Oceandampfers können nicht nachgeahmt werden, ganz ab gesehen von der vethältnißmätzig kurzen Zeit solcher U«bungs- stunden. Andererseits ist eine Construrtion von Schiffen, die die Seekrankheit erheblich «inschränien könnte, bisher der Technik nicht möglich gewesen. Das einzige sprcifische Mittel gegen Seekrankheit bleibt so mit das Betreten des festen Landes, das den eigenen Qualen der Seekranken, den Spöttereien der Gesunden und dem An blick der Mitkranken mit einem Schlage ein Ende macht, vor ausgesetzt, daß nicht eine „Lästerallee", wie früher in Helgoland, die neuen Ankömmlinge noch einmal Spießruthrn laufen läßt. Aber auch an Bord des Schiffes pflegt bei längeren Fahrt«» daS Lei'ven bald vorüberzugehen, und sogar bei Vielen «inen unbe stimmten und heilsamen Einfluß auf den Organismus auszu üben, der dann durch die reine Seeluft noch gesteigert wird und sich durch einen kräftigen Appetit äußert. Es werden des" halb größere Seereisen m«hr und mehr von den Arrzten als Heilmittel empfohlen, wobei allerdings eine sorgsame Auswahl der Fälle nothwendig ist. So sollten schwächliche Lungenkranke von Oceanreisen abgehalten werden, nur kräftigere, die das See leben gern haben oder wenigstens gut vertragen, werden Nutzen davon haben; ebenso ist Personen, die an Störungen der Unter leibsorgane leiden, von großen Seereisen abzurathen, weil meist die Schiffskost mit ihrem Uebermaß an Fleisch und dem Mangel an grünen Gemüsen und Obst und dir verminderte Bewegung ungünstig wirken. Eine ganz« Reihe anderer Zustände dagegen wird entschieden gebessert, und für Nervöse wirkt schon di« Ent fernung aus der alten Umgebung und die Regelmäßigkeit des Schiffslebens, fern von dem Welttreibrn, sehr günstig. Die Seekrankheit ist meist ohne erhebliche Nachwirkung, nur ein gewisses Gefühl des Schwankens und der Unsicherheit bleibt bei Manchen eine Weile zurück. Den Erzählungen der Ge landeten über die Schrecken der Seekrankheit oder ihre See festigkeit darf man übrigens wenig trauen. Wenn nach einem bekannten Ausspruch niemals so viel gelogen wird, wi« vor einer Wahl, während eines Krieges und nach einer Jagd, so kann man getrost hinzufügen: und nach einer Seefahrt. Gerade die „Landratten", die zum ersten Mal« die See befahren, leisten oft Unglaubliches an 4lufschneideret. Alles in Allem ist die Seekrankheit nicht so schlimm wie ihr Ruf. Auch eine lange Eisenbahn- oder Wagenfahrt hat ihre großen Unannehmlichkeiten, ohne daß hier gleich große An regungen und Schönheiten als Entschädigung vorhanden sind. Das Wasser, auf dem ja Deutschlands Zukunft liegen soll, fordert in der Seekrankheit nur einen kleinen Zoll für seine unvergleichlichen Reize, ei erfordert eine Art Anpassung an sein Wesen. Auch wo das Leiden die S«efahrt beeinträchtigt hat, wird in der Erinnerung daS kleine Mißgeschick und Reise abenteuer verblassen gegenüber der geschauten Majestät und Größe des herrlichen Meeres.
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