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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.05.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010520010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901052001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901052001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-20
- Monat1901-05
- Jahr1901
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Nltttsbtatt -es Königlichen Land- nnd Äinisgerichtes Leipzig, -es Mathes nn- Volizei-Äintes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen «Preis die 6gespaltene Petilzeile 25 Reclomen unter dem RedacNonsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten («gespalten) 5V Dabellarischer nnd Zissernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenannahme 25 H (excl. Porto). brtra Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, ni i t Postbesörderung .4k 70.—. ^nnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die tUrpeditton zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 253. Montag den 20. Mai 1901. 85. Jahrgang. Amtlicher Theil. 'Ausschreibung. Dir 1) Erd- und Maurerarbeiten, 2) Sandsteinarbeiten, 3) Zimmerarbeiten, 4) Eisenarbeiten und 5) Asphaltarbeiten zum Erweiterungsbau der städtischen Gewerbeschule in der Grassiftratzc sollen je an einen Unternehmer vergeben werden. Die Bedingungen und Arbeitsverzeichuisse, sowie die Pläne können beim Hochbau-Amte, Rathhaus, II. Obergeschoß, Zimmer Nr. 6, eingesehen oder gegen Porto- und bestrllgeldfreie Einsendung bei I und 2 von 3 ^l, bei 3 und 4 von 1,50 ^k und bri 5 von 0,75 .X, die auch in Briefmarken erlegt werden können, bezogen werden. Die Angebote sind verschlossen und mit der Aufschrift: „Erd- und Maurerarbeiten, Sandstcinarbeiten. Zimmer arbeiten, Eisenarbcite», Asphaltarbciten zum Erweiternngs- ba» der städtischen Gewerbeschule" versehen, bis zum 30. Mai 1801. VormitttagS 10 Uhr an obengenannte Stelle portofrei einzureichen. Der Rath behält sich jede Entschließung vor. Leipzig, den 19. Mai 1901. Des Raths der Stadt Leipzig Deputation zum Hochbauwesen. Vcrmiethungcn. 1 Lange Straffe Nr. 32d Ranftsche Gaffe Nr. 1 u. Laden mit Wurstküche, für ein Produkkengeschäst passend, zu 600 ^k jährlich — sofort — d. I Wohnung im I. Obergeschosse zu 850 ^k jährlich zum 1. Oktober dieses Jahres. S. Uscrstratze Nr. 7 1 Wohnung im I. Obergeschosse mit Badreinrichtung zu 900 .X jährlich zum 1. Oktober dieses Jahres. 8. Kleine Kleischergasic Nr. 10 1 Wohnung im 1. Obergeschoß zu 520 jährlich zum I. Oktober dieses Jahres. 4. Jnrstcnstratzc Nr. 10 1 Wohnung im Erdgeschosse mit Badeeinrichtung, Nieder lagen und Kellerei, für ein Flaschenbiergrschäst passend, zu 990 jährlich zum 1. Juli dieses Jahres zu vermiethen. Miethgesuche werden auf dem Rathhause II. Obergeschoß, Zimmer Nr. 20, entgegengenommen. Leipzig, den 3. April 1901. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Römer. Bekanntmachung. Bon dem unterzeichneten Armenamte sollen Dienstag, den 21. lausenden Monats, Bormittags von 8 Uhr an im Hofe des Grundstücks Brühl »7 hier verschiedene Gegenstände, als: Möbel, Betten, Wäsche, Kleidungsstücke, einige Photographie- Apparate, Haus-, Küchen- und Wirthschaftsgeräthe u. A. m. öffentlich versteigert werden. Leipzig, am 17. Mai 1901. Das Armenamt. Hentschel. Artus. Ocffentliche Zustellung. 1) Der minderjährige Oskar Arthur Roschlau in Liebertwolkwitz, vertreten Lurch seinen Vormund, den Handarbeiter Richard Carl Friedrich Richter in Leipzig-Gohlis, Halleschestr. 57, II., und 2) die ledige minderjährige Marie Anna Roschlau in Zuckel hausen, vertreten durch ihren Vater, den Maurer Oskar Roschlau in Liebertwolkwitz, Prozeßbevollmächtigter zu 2: der oben unter 1) genannte Vormund klagen gegen den Stall schweizer Felix Arthur Schmidt, zuletzt in Holzhausen wohn- hast, jetzt unbekannten Ausenthalts, wegen Unterhaltsansprüchen und Entschädigung mit dem Anträge, den Beklagten in vorläufig vollstreckbarer Form zu verurlheilen, 1) der Marie Anna Roschlau die Kosten a. der Entbindung mit 21 .X, b. ihres Unterhalts während der ersten sechs Wochen nach der Entbindung mit 42 ^l und c. des Unterhalts sür Oskar Arthur Roschlau aus die Zeit von der Geburt bis zum 3l. März 1901 mit 303 ^4k 30 zu ersetzen, L) dem Oskar Arthur Roschlau vom 1. April 1901 an bis zum erfüllten 16. Lebensjahr den der Lebensstellung der Mutter entsprechenden Unterhalt durch Zahlung einer vierteljährlich im Voraus zu entrichtenden Geldrente von zunächst 210 jährlich z» gewähren und laden den Beklagten zur mündlichen Verhandlung des Rechts streits vor das Königliche Amtsgericht zu Leipzig — Zimmer 103— aus Sen 5. Auli 1001, vormittags 0 Uhr. Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage bekannt gemacht. Leipzig, den 11. Mai 1901. Der Gerichtsschreiber beim Königl. Amtsgericht. Heilquellen und Badeorte in Sachsen. ii. Ottenstein. Wie 'man von Alters her in einigen Orten die Schlösser, viel leicht als Ueberreste früherer Burgen, mit besonderem Namen be legte, so hat man auch einige in Orten gelegene Bäder besonders benannt; man könnte statt Ottenstein ebenso richtig Bad Schwarzenberg schreiben, da in Vieser erzgebirgischen Stüst ein Lad errichtet ist, das sich zeitweise eines guten Besuches erfreute. Obschon eine warme Mineralquelle nicht vorhanden ist, hat oie Verabreichung von Wannen- uns Dampfbävern in Verbindung mit Massage und Einpackungen, sowie von Sonnen- und Luft bädern doch Ottenstein zu einer Heilanstalt für Nervosität und Neurasthenie, Neuralgie, Gicht uno Rheumatismus, Nieren- und Blasenleiden, Zucker- und Frauenkrankheiten, Asthma, Darm und Magcnleidcn und Hämorrhoiden gestaltet, «wobei der Auf enthalt in frischer, reiner Äebirgslnft sicher wesentlich Unter stützung gewährt. Das in einer MeereShöhe von 484 Meter ge legene Schwarzenberg bietet den Dorther! einer prächtigen Lage, einer guten Unterkunft und einer bequemen Verbindung sowohl oom Niederland (Zwickau, Aue), als nach dem Obererzgebirge (Annaberg, Rittersgrün und Johanngeorgenstadt.) Es lassen sich daher in nächster Umgebung des Bades beziehentlich der Stadt recht bequeme Spaziergänge unternehmen, auch mit Hilfe der Eisenbahn lohnende Ausflüge in die schönsten, zumeist wald reichen Partien des Erzgebirges veranstalten. Man wird daher Ottenstein mit Berechtigung wohl als ein Bad Sachsens anführen dürfen, möchte aber dasselbe wohl ausgesprochen als Naturheil- bad bezeichnen, da nach vr. Flechsig die im Bade fließende Quelle nur ein kaltes, an Kohlensäure nicht sehr reiches, erdiges Eisen wasser mit mittlerem Eisengehalt ist, daher bei Bade- und Trink kuren keine erhebliche balneologische Wirkung ausüben dürfte. Das Bao wunde im Jahre 1863 in dem neugebauten Haus« von G. A. Bauer eingerichtet nach dem Muster von Kreuth und Streitberg. Es hatte in seiner ersten Saison bereits 261 Cur- gäste, welchen 2697 Bäder verabfolgt wurden. Zwönitz (Guter Brunnen). Wenn man von Zwönitz aus die Straße nach Affalter ein schlägt und die aussichtsreiche LenkerSoorfer Höhe erstiegen hat, gelangt man au einen Wegweiser, der den rechts abzweigenden Fahrweg kennzeichnet als: „Nach dem Bad Guter Brunnen." Erreicht man nach kurzer Zeit ein ziemlich bescheidenes Wohnhaus, in welchem man bei genauer Erforschung einige Räume mit sehr bescheidenen Badewannen vorfindet, so erfährt man auf Be fragen, daß Dies das Badchaus „Der gute Brunnen" ist. Die schnelllebige Jetztzeit hat nur geringes Interesse am Vergangenen, und doch wird man staunen, wenn man erfährt, daß wir hier den Rest eines Bades sehen, das eine mehr als 400jährige Ver gangenheit hat. vr. Köhler in Schneeberg, langjähriger Leiter und jetzt Ehrenvorsitzender des 1878 gegründeten Erzgebirgs vereins, und Pfarrer Löscher in Zwönitz, ein jüngerer, aber außerordentlich fleißiger und ansprechender Schildere! der Sitten unv Gebräuche unseres Erzgebirges, haben sich bemüht, bas alte Bad der Vergessenheit zu entreißen, ja, der Letztgenannte hat eine ausführliche Geschichte dieses Bades veröffentlicht, und dabei 43 Schriften über dieses Bad nachgewiesen. Als die genaueste und beste dieser Badeschristen dürfte wohl die „Historisch« Relation" des Christoph Andrea Junghannß, Rector in Zwönitz, oom Jahre 1717 zu gelten haben. Nach dieser Unterlage wurde die Wirkung der als „guter Brunnen" zusammengefaßt bezeich neten, auf einer Wiese aus Phyllitgestein entspringenden drei Mineralquellen bereits im Jahre 1498 erkannt, auch eine der hei ligen Anna geweihte Capelle daselbst erbaut. Wenn nun auch von dem obengenannten Schriftsteller Wundercuren an 20 Personen vermeldet werden, so stammen diese doch aus verschiedenen P: rioden, welche die als Annenbrunnen, Dreitannenbrunnen uns Gesundbrunnen bezeichnete Mineralquelle durchzumachen Harle. Jedenfalls scheint nach hinterlassenen Sagen in den Jahren 16(8 und 1648 das Bad wieder entdeckt «worden zu sein, wobei j.oes Mal ein« neue Fassung der Quelle ermähnt wird; genauere Be richte über das Bad sind aus dem 17. und 18. Jahrhundert nickt vorhanden. Nachdem im Anfang des 19. Jahrhunderts Auf rufe in den Zeitungen zur Neufassung und Untersuchung der heil kräftigen Mineralquellen erfolglos ergangen waren, unternahm es im Jahre 1818 der Stadtrichter und Geburtshelfer Friedrich Glück in Zwönitz, eine Gesellschaft zur Wiedereinrichtung dec- Bades an dem „guten Brunnen" zu bilden. Dies gelang zwar nickt, doch errichtete der Besitzer «Günther ein Badehaus, da-.- 20 Badestübchen und 14 Wohnungen für Kranke enthalten bat. Das Wasser wurde vielfach, besonders Sonntags, geholt, auck von I)r. Geitner in Schneeberg untersucht und als reich an „kohlensaurem Gas, geschwefeltem Wasserstoffgas, Eisen und schwefelsaurem Mittrlsalz" befunden. Nach dem Tode des Be sitzers Günther kam das Bad «bald wieder in Verfall und wechselte öfters seinen Eigenthümer. Im Jahre 1858 unternahm es noch mals der damalige Bürgermeister von Lößnitz, Krause, das Bad „zum guten Bruunen" emporzubringen und zu erweitern. Er schlug zu diesem Zwecke die Gründung einer Actiengesellschaft vor, nachdem er mit Genossen das Badegrundstück sammt Zu behör für 18 000 Thaler erworben hatte. Obschon der seiner Zeit weitberühmte Professor «Lampadius in Freiberg (er legte dir erste Leuchtgasanstalt auf den Halsbrückner Schmelzhätten an!) dieses, wie die meisten erzzsbirgischen Mineralwässer, km Jahre 1834 wiederholt untersucht und dasselbe hierbei als ein sehr reines, elektronegatives Quellwasser bezeichnet hatte, so glaubt« man doch, daß eine neuere chemische genauere Unter suchung der drei Quellen (guter Brunnen, 'Krähbrunnen, Augen- brunnrn benannt)besserenÄufschluß ergeben würde,und übertrug diese Prüfung dem Apotheker Bretschnrider in Annaberg. Dieser fand, daß bei 6 bis 7,5 Grad Reaumur die «drei Quellen ziemlich gleichmäßig zusammengesetzt waren, in 5 Kilogramm an festen Substanzen 10 bis 12 Gramm, und Mar 6,75 bis 7,55 Gramm organische Substanz mit kohlensaurem Kalk und salzsaurer Mag nesia enthielten. Derselbe Sachverständige sand in der Moorerde, aus welcher die Quellen entströmen, vorwiegend neben denselben Stoffen salrsaures Eisenoxydul. Wurde somit bei dieser Ge legenheit aüfs Neue bestätigt, daß der „gute Brunnen" freie Gase, insbesondere ungebundene Kohlensäure, nicht enthielt, so könnte seine Wirkungsweise nur der von den Gasteiner Quellen ähneln, und etwas euphemistisch bezeichnet, wollte man den „guten Brunnen" als sächsisches Gastein erstehen sehen. Leider aber kam die Gründung im Jahre 1858 nicht zu Stande, und es erwarb das Bad der Fuhrmann David Eibisch, der es verfallen und nach seinem Ableben Mitte der achtziger Jahre als unrentabel seinen Erben hinterließ, so daß es mehrfach den Eigenthümer wechselte, bis es im Jahre 1889 der frühere Wirth des nahebei gelegenen Felvschlößchens, Forbrig, erwarb. Dies«r hat es sich ebenso, als der jetzige Besitzer, sein ^ohn, angelegen sein lassen, das nachweis- F-nilletsn. Soulayrol's kleine pastetchen. Nooellette von Georges Beaume. Deutsch von G. L. Melden. Nachdruck »erboten. I. Sehen Sie da unten am Abhänge des Hügels dieses schmäch tig« Männchen, das in dem Olivengarten den Boden umgräbt? Nun, das ist Soulayrol, ein armer Teufel, «in Opfer der Chi mären von Paris! Er ist sehr gealtert, abgemagert, von der Sonne verbrannt; und sehen Sie, einige Schritte von ihm enk- sernt, unter dem Baume diese nette, klein« Dirne? Eben richtet sie sich auf; in ihrer Schürze hat sie das Unkraut gesammelt; man merkt, der Rücken thut ihr !vrh. Das ist J<ane, seine Tochter, die gerad« so gut ein feines, zimperliches Fräulein hätte werden können. Wollen Sic, daß ich Ihnen die Geschichte erzähle? Eines Tages — es ist schon lange her — damals, als Jean« noch kaum sprechen konnte, kam ihre Mutter auf den Gedanken, muh Paris zu gehen und dort ein Vermögen zu erwerben; eines Morgens, aü die Sonne durch die rothen Gardinen ihres Schlaf zimmers leuchtete, klopfte Leontine ihrem Gatten auf die Schulter, um ihn zu wecken, und strahlend vor Freude, gleich einer Rose, sagte sie zu ihm: „Soulayrol, benützen wir die Ausstellung! . . . Bei dieser Masse Menschen, die nach Paris kommen, werden wir uns ein Vermögen erwerben! " „Bist Du toll! . . . Immer Dein Paris!" „Beeile Dich! Wir müssen handeln! In einem Jahre werden wir wieder znrückkehren und unsere Nachbarn mit all' unserem Geld« in Erstaunen setzen!" „Und wie so? ... Auf welche Werse? ....? „Ach, Du glaubst, mich in Verlegenheit zu bringen! . . . . Ich habe einen Traum gehabt heute Nacht, einen Glückstraum! Siehst Du, mein Lieber, man kennt in Paris die kleinen Pastetchen von Pßzenas noch nicht, welche in der ganzen Gegend, dis nach Nkmes hinauf, einen so guten Ruf haben!" „Ah, bah! ... Hm, es ist wahr!... Eine gute Idee! .. Während Soulayrol, vor Erregung zitternd, sich in aller Eile in seine Kleider warf, fuhr Leontine fort: „In Deiner Jugend hast Du das Gewerbe erlernt. Du wirst also selbst Hand an den Teig legen. Keine anderen Auslagen als die Miethe für einen kleinen Laden! Die Pariser, welche unsere Pastetchen nicht kennen, werden das Stück mit einem Sou bezahlen. Denk' nur, wie viele Sous das an einem Tag« giebt!" „Wir werden Wagen und Pferde haben!" Soulayrol tanzte vor Vergnügen, während er in seine Jacke schlüpfte. Di« Kleine schlief in der Eck« des Zimmers. Zu jener Zeit war Soulayrol noch ebenso naiv und liebenswürdig, wie heute seine Jeane, die dort unter oen Oliv-nbäumen die Kräuter sammelt. Gesund und kräftig, stets fröhlich und guter Dinge, glaubte er an alle Schönheiten de» Leben». Aber dennoch, eh« «r au» dnn Zimmer trat, sagt» er übirlegrnd: „He, Leontine, dazu gehört Geld!" „Nun freilich, Dummkopf! Wir werden eben unsere Felder verkaufen .... unser Haus!" „Welch' ein Jammer!" meinte Soulayrol bekümmert; „dieses Haus, das ich von meinen Eltern habe!" Die schwarzen Augen Leontinen's fingen Feuer. „Wenn ich Dir doch sage", rief sie zürnend, „daß wir uns nach unserer Rückkehr «ine Villa bauen werden!" Soulayrol schloß die Thürr und stieg, laut hustend, in die Küche hinab. Hegte er eine Befürchtung, irgend welche Skrupeln? Verdroß es ihn, wieder mit Casserolen hantiren und der Gluth des Ofen- Stand halten zu sollen? Wie dem auch sei, noch an demselben Tage wurde sein Eigen- thum beim Notar zum Verkauf angeboten, und am anderen Morgen machte sich die ganze Stadt über den braven Soulayrol lustig, der sich in Paris verlieren würde, wie ein« Grille in einem Kleefeld. Aber all' diese Klatschereien überreizten die zwei Ehrgeizigen nur um so mehr in ihrer Eitelkeit und Begehrlichkeit. „Siehst Du, Soulayrol", erklärte Leontine, „unsere Nachbarn würden lange nicht so wüthrnd sein, wenn wir nicht so gute Aus sichten hätten!" Einen Monat später, nachdem sie Alles, selbst ihre Möbel verkauft hatten, zogen sie nach der Hauptstadt, ihre kleine Jcanne als Glückgut mit sich führend. Leontine lachte. Bei der Abfahrt des Zuges beugte sie sich aus dem Wagen und rief, dem alten Kirchthurm zuwinkend, der im Sonnenlichte über den Häusern aufragte: „Auf Wiedersehen, Pözenas! Schlaf' einstweilen! Wir da gegen, wir werden arbeiten! Und der rothe Hahn Deines Kirch- thürms möge krähen, wenn wir nicht in einem Jahre zurückkehren, um Dich zu beschämen, Pezenas, das nie verstanden hat, aus seiner Industrie Nutzen zu ziehen!" Und der Zug dampfte ab. II. Die Soulayrols brachten etwa fünfzehntausend Francs mit nach Paris — einen spärlichen Bissen Brod! Die Miethe zweier Zimmer, die Einrichtung des Ladens, einer buntscheckigen Meß bude ähnlich, der Ankauf der Geräthe und Werkzeuge, der Unter halt zweier in Weiß und Rosa gekleideter Verkäuferinnen — alle diese ersten Ausgaben hatten nach Verlauf von kaum sechs Monaten die Casse erschöpft. Nichtsdestoweniger gratulirten sich die Soulayrols zu ihren Aussichten. Sie hatten sich in guter Lage auf den Boulevards eiablirt, in einem nach Zuckerteig und Vanille duftenden Eckladen. Soulayrol, in weißer Livree, hochroth im Gesicht, hatte keine Zeit, sich vor seinem Ofen ffiele Gedanken zu machen. Und Leon tine betrachtete, während sie in der Auslage die Platten mit den Dutzenden kleiner Pastetchen arrangirte, erstaunt den Strom der Fußgänger und der Wagen. daS Kommen und Gehen der Menge, die sich vorüberwälzte. Etwas »weiter zertheiltr sich der Strom, ging nach rechts, nach link», schien au» kolossalen Hausern st«ts neu hervorzubrechen, die selbst wieder von Placaten, Lichtern und Menschen belebt wann. Leontine konnte sich nicht fassen vor Freude über das wunderliche, ungeheuerliche Trüben der großen Stadt. „Trotz alledem", erklärte Soulayrol eines Abends im October, „wir verdienen nicht viel Geld!" „Du läßt den Muth sinken, Dummkopf! Uebrigens, wenn der Erfolg ausbleibt, so ist das ein wenig Deine Schuld. Du machst Deine Pastetchen auch nicht so gut, wie in P5zenas!" „Du bist Wohl nicht gcscheidt . . . Ich gebe diel mehr Saft hinein, und ich garnire sic mit mehr Fleisch und Citronenschale. Da sieh her!" Und er zeigte ihr einige Pastetchen, kleine walzenförmig ge rollte, fettige gelbe Kuchen. „In P(-zenas würde man sie mit zwei Sous -das «Stück be zahlen!" „Pezenas, immer Pt-zenas!" »Inzwischen «werden wir in einem Monate mit unserem Gelde zu Ende sein, wenn das so fortgeht! . . . Wir haben in Paris keinen Anklang gefunden, und wir werden niemals welchen finden!" „Sprich' doch nicht! Es handelt sich nur darum, in Mode zu kommen! Die Leute wollen trinken im Sommer. Im Winter werden sie Hunger haben. Die Vorübergehenden werden vor unserem Laden stehen bleiben, und dann ist unser Glück gemacht. Geh nur und arbeite!" Soulayrol vergötterte seine Frau, die mit so diel Geschmack gekleidet war und eine goldene Berloaue an ihrem Mieder trug. Er fügte sich willig, überzeugt, daß sie schließlich ein Rettungs mittel finden würde. Allein der Herbst verschlimmerte sich; es regnete, fein, unaufhörlich; der Wind peitschte wüthend die Mauern, fegte durch den Loden und, die kleinen Pasteten-Pyra- miden niederwerfend, schien er diesen Soulayrol aus Paris der- kreibrn zu wollen. Eines Abends, während Wind und Reg.-n auf den Boule vards die Bäume entblätterten, fröstelte die kleine Jeanne und bekam das Fieder. Leontine wollte in ihrer Beschämung an nichts mehr denken, als an ihr Kind. Jetzt war's unmöglich, in die Heimath zurückzukehren. Jeanne mußte gepflegt werden. Leontine «wich nicht mehr aus dem Zimmer: der Laden flößte ihr jetzt Grauen ein, und sie fürchtete sich vor dem Rollen der Wagen, vor dem Lärm der Menge. Soulayrol arbeitete in der Hoffnung auf Erfolg muthig weiter. Aber man kaufte noch weniger. Dann Ihat sich eines Morgens ganz in der Nähe ein Laden mit einer Waffel-Bäckerei auf, und die Menge macht« davor Halt. Das war der Ruin! „Zu denken, daß man uns in Pezena» vielleicht beneidet!" stöhnte Soulayrol. Ein wenig Freude kehrte wieder ein in dem einzigen Zimmer, das sie noch beibehalten hatten, als Jeanne genas. Dir Tage wurden immer düsterer. „Schränken wir uns ein in unseren Ausgaben", sagte Sou layrol. „Halten wir nur mehr eine Verkäuferin. Ich werd« nur immer so viele Pastetchen backen, als wir täglich abietzen. Vielleicht wird noch eine günstige Stunde für uni schlagen. Willst Du, Luntine?" „Wenn Du glaubst, ja!" Sie hatte keinen Willen, keine Kräfte mehr; ihr Gemüth war verworren, ihr Körper gebrochen von den vielen Nachtwachen am Bette ihrer Jeanne, die sie zuweilen in plötzlich aufwallenver Zärtlichkeit an sich riß und stürmisch liebkoste, als ob sie sie balv nicht mehr sehen sollte. Die junge Frau ahnte in ihrem Unglücke eine bevorstehend? Sühne ihres thörichten Ehrgeizes voraus. Eines Abends wurde sie im Laden von einem kalten Schauer erfaßt; sie hatte das Fieber, ganz wie sas Kind. Kein Arzt, keine Freunde. Er schöpft, wie sie war, konnte sie dem Uebel nicht widerstehen, und der Tod hatte ihre Seele bald an sich gerissen. Der arme Soulayrol! Er weinte, er schrie, außer sich vor Zorn und Verzweiflung. Seim Tochter hing sich an ihn, umgab ihn mit Bitten und Schmeicheleien, aber er hätte am liebsten sterben, sich aus dem Fenster stürzen mögen, hinab in den tiefen Schacht des Hofes. Er verbrachte zwei Nächte und einen ganzen Tag auf einem Stuhle und betrachtet« die Todte, die mit ihren gefalteten Händen noch jetzt um Verzeihung zu flehen schien. Am folgenden Morgen sagte er: „Wir werden Alles verkaufen. Jeanne, und werden in die Heimath zurückkebren!" „Ach ja, Papa, ja!" ries das Kind, geängstigt durch die große Einsamkeit inmitten des tosenden Lärmes von Parts. Dann, nach inrzein Schweigen, dem Sarg« nachblickend, den zwei Männer auf einer Bahre hmwrgtrugen, fragte sie: „Und Mama?" „Später!" antwortete Soulayrol . . . „Wir werden wieder kommen und sie holen! .... Ich werde arbeiten, für sie, sür Dich!" HI. Drei Tage später, nachdem er alle seine Schukoen bezahlt hatte, sich selbst der letzten Kleinigkeit beraubend, traf Soulayrol mit seinem Kinde in der Heimath ein. Alt, niedergebeugt, das Gesicht mit Runzeln bedeckt, rief er bri uns ein so großes Mitleid hervor, daß ihm Niemand sein; Verwegenheit und den Aberwitz seiner Frau vorzuwevfen wagte. Jetzt bearbeitet er den Boden Anderer, und seit mehr als zehn Jahren spart er und kämpft gegen das Schicksal an, um dem verhängnißvollen Paris die geliebte Todte zu entreißen. Hier, hier ist Ruhe, die erhabene Still« der Fluren, der weiten Natur. Wenn er ferne Todte in die Erde der Väter gebettet haben wird, dann wird er zufriedenen Herzens leben und ohne Schande die Sonne betrachten können, die allabendlich unsere Familiengräber in ihren schönen Purpurmantel hüllt. „Paris!" Soulayrol spricht dieses Wort zuweilen aus, mit einem Gefühle des Schreckens und flehentlicher Angst. Aber die gute Erde unseres Landes ist hilfreich und barm herzig; sie stärkt den Körper und dir Seele. Und der arme Mann vergißt !n der Arbeit fern Elend . . . Hören Sie, ich glaube, er singt! ... Er lächelt seinem Kii^de zu, dessen Strohhut unter den Olivenbäumen au-fleuchtet, gkich einer lichtrn Strahlenkron«.
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