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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.04.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000427013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900042701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900042701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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ff Die Morgen-Ausgab« erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. s a. L S Ü. s v s i V. l8 .'8 t o Ledartion und Lrpeditto«: 2-hauntsgafle 8. DKExpeditto» ist Wochentag» ununterbrochen grvffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn von v. Klcnim» Gorki«. UaiversitätSstraße 3 (Pauliuum), Louis Lösche, Natharioeustr. 14, part. «ud Köuigsplatz 7. ». o Bezug-Preis in der Hanptexpedittou oder den im Stadt bezirk und de» Vororten errichteten Aut« «abestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Haus d^O. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel>äbrlich >l S.—. Direkte tägliche Nreuzbandlenoung tu» Ausland: monatlich ^l 7.50. Morgen-Ausgabe. MpMerIiUMM Anzeiger. Amtsblatt des Aömglichen Land- «ad Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Nmkes der Ltadt Leipzig. Auzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile LO Pfq. 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Vieles, da« meiste hier Einschlägige eingehend zu erörtern, wäre unnütz. Aber aus zwei Gebieten, die die Marineangelegenbeit unmittel bar berühren, kann die Oeffentlichkeit vielleicht mit einigem Erfolge um stärkere Berücksichtigung der Stimmung des der Vermehrung der deutschen Seemacht geneigten TheileS der Bevölkerung petitioniren. E» sind die Colonialpolitik und die Vertretung des Reiches in überseeisch en Ländern. Zur Colonialpolitik und zur Coloaialverwaltung ist neuer ding« über sehr fatale, theilwcise auch halbamtlich für fatal erklärte Erscheinungen berichtet worden. DaS Engländerthum nistet sich in den deutschen Colonien ein und die deutsche Regierung bedauert das. Daß sie nichts dagegen thun könne, ist aber eine Ausfassung, in der ihr nur entschiedene Gegner unserer Colonialpolitik überhaupt oder gar aufrichtig bei pflichten. Die letzten Tage haben wieder eine sehr unerfreuliche Mittheilung gebracht; Berliner Blättern wird nämlich ge schrieben: „Die Expedition der Otavi-Minen- und Eisenbahn- Gesellschaft, welche am 25. April von Hamburg nach Deutsch- Südwest-Asrika abreist, besteht außer dem Führer auS 34 Personen, die sämmtlich Engländer sind. Als Entschuldigung dagegen, daß man nur englische Fachleute in Dienst genommen hat, wird von dem Vorstände erklärt, daß die deutschen Techniker zu hohe Forderungen gestellt hätten. Sie hätten nicht nur dasselbe Gehalt wie die englischen verlangt, sondern außerdem noch di« Lebensversicherung durch die Gesellschaft, ferner freie Getränke und Tabak. Von deutschen Ingenieuren wird aber dieser Behauptung widersprochen. Solche Forderungen wären von ihnen nicht gestellt morden, wenn man mit ihnen verhandelt hätte. Die leitenden Gesellschaften haben wohl mit einer bergmännischen Expedition, die ungewöhnliche Forderungen stellte, recht kostspielige Erfahrungen gemacht; man hat nun diese wohl ohne Weiteres aus andere übertragen. Da die Engländer gewöhnlich in ihren Ansprüchen nicht gerade bescheiden sind, so wird die Bermuthung ausgesprochen, daß die angeworbenen Leute wohl nicht zu den ersten Kräften gehören. Jedenfalls ist das wieder ein neue» Zeichen, daß unsere colonialen Unternehmungen in der Regel zwischen einer an Landesvcrrath grenzenden nationalen Gleich giltigkeit und beschämenden Kleinlichkeit hin und her schwanken." DaS im letzten Satze gefällte Urtheil verallgemeinert vielleicht zu sehr, in der Hauptsache ist cS leider nicht unrichtig. ES ist klar, daß eine derartige Zusammensetzung einer „deutschen" Minen- und Eisenbahn-Expedition deutsche Absatzinteressen von dem Augenblicke an schädigt, wo das deutsche Verkehrsunter- nehmen überhaupt wirthschaftliche Wirkung zu äußern beginnt. Die Anwesenheit und für Viele erstaunliche Wirksamkeit der Engländer erweckt für die Leistungsfähigkeit und Ueberlegen- beit dieses Volkes ein den Deutschen ungünstiges Vorurtheil. Das Interesse der deutschen Negierung, eine solche Vertretung des DeutsckthumS in den Colonien hintanzuhalten, liegt also auf der Hand, und daß sie nickt Mittel und Wege hätte finden können, die Otavi-Gesellschaft zu einer anderen Aus wahl zu bestimmen, wird wohl selbst dann kein Mensch glauben, wenn die deutschen Techniker wirklich etwas höhere Ansprüche gestellt haben sollten. Eine richtigeColonialverwaltung sucht in einem solcken Falle zwischen den Verwendung An bietenden und den Verwendung Suchenden zu vermitteln. Die Thatsache, daß wir Colonien besitzen — darüber sollte man sich nicht täuschen —, stellt einen mächtigen Vor spann für die Flotlenbewegung dar. In den Schichten, die sich politisch den nationalen Parteien anschließen, ver steht sich dies von selbst. Aber auch die Klerikalen können den Umstand, daß sie an der Colonialpolitik mitgewirkt, bei der Entscheidung von Marinefragen nicht unberück sichtigt lassen. Nun darf man sich aber nicht einbilden, daß selbst der begeistertste Patriot an der bloßen That sache des Colonialbesitzes sich genügen lasse. Die Colonien, für die von der Nation große Opfer gefordert werden, sollen nicht nur dem Namen nach, sie sollen auch kulturell und wirtbschaftlich deutsch sein. Dafür werden englische Gesell schaften und national ungemischt englische Expeditionen deutscher Gesellschaften schwerlick sorgen. Eine Praxis, die dem Engländerthum in den deutschen Colonien die Wege ebnet, schwächt das — durch die Ver- schenkung von Zanzibar ohnehin beeinträchtigte — Interesse an unseren afrikanischen Besitzungen ab und diese Ab schwächung beeinträchtigt die Bereitwilligkeit, für die Flotte, deren VerstärkungSbedürftigkeit ja selbstverständlich auch mit der Schutzbedürftrgkeit der Colonien begründet wird, weitere groß» Anstrengungen zu machen. Die gleiche Wirkung übt die Vorstellung, daß die Interessen der Deutschen im Aus- lande, die Erkaltung und Förderung der deutschen Art, von den diplomatischen Vertretern des Reiches nicht überall mit aller Kraft und namentlich gegenüber dem „Augelsachsenthum" gepflegt werden. Auch in diesem Betracht herrscht schon, wie wegen Zanzibar, «in gewisses historisches Mißtrauen. Die letzten zwölf Jahre weisen mehrere Fälle auf, wo vorhandene und dispo nible Schiffe nicht rechtzeitig und erst auf Drängen der öffent lichen Meinung an Stellen dirigirt wurden, wo infolge von Kriegen oder Aufständen deutsch» Interessen gefährdet waren oder gefährdet werden konnten. In dieser Richtung liegt nun auf der deutschen Regierung seit geraumer Zeit rin böser Verdacht, ein um so schlimmerer, als es sich wieder um Englaud und um deutsche Angelegenheiten handelt, di« mit dem Borreukriegia einigem Zusammenhangstehrn: argen den deutschen Generalconsul in Lapstadt, Herrn Dr. Focke, ist vor Monaten der «nwidrrlegtr Vorwurf erhoben worden, er bad« sich in der Eneraie, di« Hrrausgab« der für di« Lands leute ringetroffenen Postsendungen von den Bebörden zu erwirk«, von »em französischen Vertreter »eit übertreffen lassen. Kurze Zeit darauf, am 3l. Marz d. I., wurde vou der „Tägl. Rundschau" ein Schreiben eines angesehenen Deutschen der Eapcolonie veröffentlicht, in dem es hieß: „Wenn un» hier in der Fremde, wo wir di» größten Schwierig keiten haben, den Abfall und das Berengländern und Verholländern unserer Landsleute zu verhindern, der Vertreter des deutschen Reiches sagt, es sei ja recht schön, daß wir versuchten, unsere Sprache und Eigenart „für einige Zeit" aufrecht zu erhalten, uud daß „wir stolz sein könnten, Bürger des großen britischen Weltreiche» werdr» zu könne»" und dergleicheu mehr, so ist da» bitter. Diese Denkweise erklärt es auch vollkommen, daß die hiesigen Engländer der Ansicht sind, di« Wahl des Herrn vr. Fock» für diesen Poste» sei erfolgt, weil sein Vorgänger durch fein deutschnatlooales Auftreten und da» energisch« Vertreten deutscher Interesse» die englischen Kreise verletzt habe, und daß au» diesem Grunde eia Herr mit aas gesprochen englische» Sympathien hierher geschickt wordea sei." Diese Veröffentlichung erfolgte, wie gesagt, vor nahezu vier Wochen. Sie zog ein sehr wenig beruhigendes officiöse» Dementi nach sich. Nun sind vor etwa einer Woche dieselben Anklagen wiederholt worden, die Regierung hat sich aber nickt einmal zu einem Dementi aufgerafft. In der „Rh.-Westfäl. Ztg." entwarf ein Deutscher aus Capstadt von dem dort zur Wahrnehmung der nationalen Bedürfnisse deS DeutsckthumS bestellten Herrn vr. Focke folgende» Bild: „Ist dieser Mann, der unser« deutschen Volksgenossen, die jetzt mit den Boerea kämpfe» «nd derrn Tobte deutsche Officierrorp« und der König von Württemberg ehrte», „zasammeagelaufeae Abenteurer" nennt, „die so verblendet und ungebildet siud, sich diesen ärmlichen Hirtenvölkern, diesen schmutzige» Bauern aaza schließen" —, ist, so fragen wir, dieser höchste Ver treter de» deutschen Kaiser» in Südafrika »ach Eapstadt gesetzt wordea, um un» Deutsche auf Schritt oad Tritt zu be leidigen? Hat da» Auswärtige Amt die Absicht gehabt, alten deutschen Toloaistea von jahrzehntelanger Erfahrung und unzweifelhafter Vaterlands- und Ehrlieb« in diesem Herr» einen Instructor zu setzen, der mit seiner Uukenataih über Alle», wa» Geschichte und Geschick Südafrikas heißt, und mit seiner blinden Verehrung für Rhode», den er „den Genius Afrika-, da» größte politische Genie de» Jahrhundert»" nennt un» hier erst zu lehren habe, wa» „Bildung" und „poli tische» Verständniß" sei? . . . Wir sind keine Herde von Bedienten, die sich arrogant behandeln und in ihrem ehrenhaften Empfinden für die Sache de» Recht» in diesem entsetzlichen Kriege von dem höchsten Repräsentanten der Berliner Regierung insultiren und zum Gegenstand seiner Witzelei«» in seinen geliebten Jiagokrrisen machen läßt. Wir haben von dem Generalconsul Focke nicht verlangt und nicht erwartet, daß er unser« Gefühle in dieser unseligen Krisi» theileo solle, aber wir dürfen zweifelsohne vorauSsetzen, daß «r auf da» Strengste di« Neutralität bewahre, di« ihm denn doch wohl in den Instructionen des Au-wärtigen Amtes zur Pflicht gemacht wurde. Wie übrigen» die allgemeine Stimmung der deutschen Kreise gegen diesen Herrn ist, beweist da» Vorgehen der deutscken Vereine, dir Herrn Focke seine englisch gedruckten An zeigen über den Platzwechsel dr» Generalconsulal» rinmüthig mit dem Vermerk zurücksandteo: „Deutsche Vereine siud gewohnt, Mittheilungen des deutschen Generalconsulats nur in deutscher Sprache entgegen zu nehmen."" Hierauf muß das Auswärtige Amt erschöpfend Rede stehen. Ist nur ein Drittel von den erhobenen Vorwürfen begründet, so stellt dieser deutsche Generalconsul eine der Bleilasten dar, die daS Schiff der Flotlenbewegung unter die eine sichere Fahrt verheißende Tiefladelinie berabzieht. Wozu eine, doch nur für äußerste Fälle bestimmte Flotte, so würde man fragen, wenn in der regulären Vertretung des Deutsch- thum» solche Fälle sich ereigne» können? Eine Unterbrechung -es Gottesfriedens in Frankreich. QS Als vor wenigen Monaten die Senatswahlen in Frank reich stattfanden, schrieben sich beide Parteien, die in Frage kamen, die Nationalisten und die echten Republikaner, den Sieg zu. Thatsache aber war es, daß der Ausgang der Wahlen einen Schluß auf die wahre Stimmung der Wählerschaft nicht zuließ. So war eS auch zu erklären, daß alle nach den Senats wahlen stattgefundenen Versuche der offenen und der verkappten Antirepublikaner, das Ministerium zu stürzen, scheiterten, wäh rend ein wirklicher Sieg der Nationalisten da» sofortige Ende des Ministeriums Waldeck-Rousseau bedeutet hätte. Man hatte nun angenommen, daß mindesten» bis zum Ende der Weltausstellung der Gottesfrieden aufrecht erhalten werden würde, um den massenhaft herbeiströmenden Besuchern Frank reichs nicht den Anblick chaotischer Zustände, wie sie die letzten Jahre hindurch geherrscht haben, zu gewähren. Die Gr- meinderathswahlen, die am 6. Mai stattfinden sollen, scheinen aber diese Ansicht zerstören zu sollen. Der Wahlkampf wird mit der größten Heftigkeit geführt und die Nationalisten hoffen diesmal einen vollwichtigeren Erfolg davonzutragen, als bei den GenatSwahlen. Wird ihre Hoffnung abermals getäuscht, indem entweder die Republikaner siegen oder zum Mindesten der Erfolg zweifelhaft ist, so bleibt Alles beim Alten. Erzielen sie aber bei den Gemeinderathswahlen einen durchgreifenden Er folg, so ist der Stur, des gegenwärtigen Mini steriums noch während der Weltausstellung äußerst wahrscheinlich. Denn wenn auch di« Gemeinderäthe natürlich keinen unmittelbaren Einfluß auf di« Deputirtenkammer ausllben können, so würden doch viele unsicheren Lantonisten unter dm Abgeordnetm in einem nationalistischen Ausfall der Wahl eine Wandlung der Volksstimmung und damit den Wink sehen, dem bei Seiner Majestät dem Volk in Ungnade gefallenen Ministerium dm Rücken zu kehren. Denn »or dm wechselndm Launen der DolkSstimmung beugt sich der französische Durch- schnittsdeputirte beinahe mit derselben Devotion, wie vor den Spendern von 1000-Francsscheinrn L I» Eornelius Herz. Wer den die Nationalisten den gewünschten Erfolg davontragen? Manche Momente sprechen zu ihren Gunsten, manche aber auch gegen sie. Vortheilhaft für sie ist es, daß die klerikalen Elemente in Frankreich der Regierung immer feindlicher gesinnt werden. So hat es diese Kreise jetzt auf das Höchste erbittert, daß mit Rücksicht auf die am nächsten Tage bevorstehende Eröffnung der Weltausstellung auf den französischen Kriegsschiffen nicht, wie es sonst am Charfreitag üblich ist, die Flaggen auf Halbmast gehißt und Trauerschüsse abgefeuert wurden. Nicht minder hat es sie empört, daß die prunkende Eröffnung der Ausstellung am Charsonnabend erfolgte. Es ist nicht ausgeschlossen, daß dieses Verhalten der Regierung für die von den Klerikalen unterstützten Nationalisten in manchen Gemeinden einen wirksamen Agitations stoff abgeben wird. Zum Zweiten ist es für die Nationalisten vergleichsweise günstig, daß die Wahlberechtigung zu den Gemeinderathswahlen an die Bedingungen deS sechsmonatigen Aufenthalte».in der Ge meinde geknüpft ist. Dadurch wird ein Thril der Arbeiter bevölkerung von der Wahl ausgeschlossen, und damit können die erbittertsten Feinde der Nationalisten, die Socialisten, nicht ihre volle Agitationskraft entwickeln. Kann die Eröffnung der Ausstellung in der Charwoche unter Umständen der gegenwärtigen Regierung schaden, so ist doch die Ausstellung selbst ein sehr wichtiges Moment zu Gunsten der Regierung. Denn wenn auch die Parteiführer in ihrem Ehrgeize darauf brennen mögen, das Ministerium ohne Rücksicht auf den Nachtheil für das Ansehen Frankreichs gerade zur Ausstellungs zeit zu stürzen, so dürfte doch ein ganz erheblicher Theil der Wählerschaft einsichtiger und patriotischer denken und deshalb nicht geneigt sein, durch ausgesprochen nationalistische Wahlen dem gegenwärtigen Ministerium das Sterbeglöcklein zu läuten. Des Weiteren bedeutet die Eröffnung der Ausstellung einen Triumph, und damit eine Steigerung deS Ansehens der Social demokratie. War eS doch der Genosse Millerand, der die ein leitende Rede bei der Eröffnung der Ausstellung hielt, und war es doch derselbe Millerand, der von dem Finanzminister deS rus sischen Selbstherrschers antelegraphirt wurde. Ueberhaupt darf man nicht verkennen, daß die gelegentlich deS Beginnes der Aus stellung in mannigfachster Weise mit Rußland aukgetauschten Aufmerksamkeiten die Position de» gegenwärtigen Ministeriums gestärkt haben, denn jeder Franzose, er mag Republikaner oder Nationalist sein, ist glücklich, wenn das absolutistisch regierte Rußland sich wohlwollend gegen Frankreich zeigt. So ist der Ausgang der Gemeinderathswahlen sehr zweifel haft, und damit ist es zugleich zweifelhaft, ob ein neuer An sturm auf das Ministerium erfolgreich sein wird. Im Interesse des Landes würde eS jedenfalls liegen, wenn dieser Ansturm unterbliebe, oder wenn er wenigstens erfolgreich abgewehrt würde. Der Krieg in Südafrika. Genauer« Nachrichtea über den zur Notbwendigkeit geworden«» Rückzug tzer Voercn liegen nickt vor. Don Dewetsdorp dürften dieselben in nord östlicher Richtung retirirt sein. Man meldet darüber: * Dewetsdar-, 25. April. (Reuter's Bureau.) Die Boe ren räumten ihre Stellung hier vergangene Nacht. Der au« Bloemfontein kommende General French schnitt die Verbindungen der Barren nördlich der Stadt ab, nachdem er bei Rovikop mit dem Feinde ein Gefecht gehabt hatte, der sich nach Nordosten zurückzog. Die Verluste der Boeren, die von Votha und Dewet befehligt waren, sind schwer. Artillerie verfolgt di« Barren. General French säubert di« Umg,g«nd vom Feinde. Englische Blätter befürchten, daß, wenn die Boeren- colonuen Tbabanchu und Ladybrand ungefährdet passiven können, sie wieder rechtzeitig entschlüpft sein dürften, weshalb weiter nördlich di« Umgehungstactik nochmal» versucht werden müßte. Wir schließen Hiera» folgende Ausführung unsere» Lon doner Corrcspondenten, die noch vor dem Abzug der Boeren geschrieben ist: Es liegt auf der Hand, daß die republikani schen Eomwando», sobald sie sich stark überlegenen britischen Truppenmassrn gegenüber sehen und ihre Pläne durch dieselben gefährdet erblicken, zurückriehrn und die Wasserwerke ebenso wir Paardekraal, De Wrt» Dorp und Weprorr räume» werden, und da» umsomehr, al» e» sich bestätigt, daß sie ihren Hauptzweck bereit» erreicht, um defseutwillen sie den Halb- krei» von Brandfort bi» Redd«r»burg um Bloemfontein zogen und Wepener angriffrn resp. General Brabant zurücktneben. E» handelte sich hei alledem in erster Linie darum, au» de» reichsten Korndisirictra de» Lande», und diese be finde» sich gerade in dessen südöstlicher Ecke, die Ernte heimzubringrn und sie in vielen Tausende» von Ochsenkarren gen Norden sicher hinauf zu schaffen. Da konnte »ur geschehen, wenn während der ganze» Zeit, die diese Overation beanspruchte, General Robert» ebenso wie General Brabant beschäftigt und gleichzeitig verhiadert wurden, wenn sie einmal die Wahrheit erfahren, sich diese» großen Proviantzuge» zu bemächtigen. Mit diesem praktischen, nächsten Ziele, hat sich dann der naheliegende politische Wunsch bei einigen gesellt, sich Bloemfontein» wieder zu bemächtigen. (?) Da» gleichzeitige Abstreifen de» ganzen, nominell von den Engländern occupirten Gebiete», um die jenige» Freistaatier wieder uuter die Fabnen zu sammeln, welche sich „unterworfen" hatten, ergab sich von selbst, wir »S nahe lag, die einmal begonnene» Operationen di« Form eio«r tzuertllaartigen Offensive argen die Gesammtstellungea dr» Feindr» anneymrn zu lass»»/ Gin« GrZkostuu k« Pretoria wird »an dr« „Revtrr'schr» Bureau" gemeldet: * Pretarick, LS. April. Erster» Abend rrrignet« sich in der Gießerei »an Legbi», dk jetzt von der A»gi,r«»g al» Arsenal benutzt wird, eine große Explosion. DaS Gebäude wurde völlig zerstört. 10 Personen wurden getödtet und 3 2 verletzt. Die meisten Verunglückten sind französische und italienische Arbeiter. Die Ursache der Explosion ist unbekannt. Sofort nach der mit fürchterlichem Knalle erfolgten Explosion standen sämmt- liche Häuser der Nachbarschaft in Flammen. Tas Geschrei der Frauen und Kinder in den anstoßenden Straßen erhöhte die allgemeine Bestürzung. Die Ambulanzen der Gesellschaft vom Rothen Kreuze leisteten den Verwundeten gute Dienste. Für den Fortgang de» Kriege» konnte die schreckliche Katastrophe nur von wenigem Belang sein, wenn bedeutende- Material an Geschützen, Munition rc. vernicklet ist. Aber auch ohne die» bleibt das Ereigniß im Hinblick auf die zahl reichen Menschenopfer, die e» gefordert, in hohem Maße bedauernSwerth. Mafeking. Der „Daily Mail" wird aus Mafeking vom 9. April ge meldet: Unser Brod wird jetzt ganz aus Hafer gemacht und es ist voll von Hülsen, was viel Krankheiten erzeugt. In der Garnison sind viele Fälle von nervöser Abspannung und typhöser Malaria, vorhanden. Heute erhielten wir die Nach richt, daß die Entsatzcolonne zurückgeschlagen worden ist. Das ist eine furchtbare Enttäuschung, denn schon vor Monaten hatten unsere Leute Wagen bestellt, um nach Süden zu fahren. Am letzten Freitag gingen 33 Kaffern hinaus, umVieh zurückzuholen, welches von den Boeren weggetrirben war. Sie wurden durch feindliche Eingeborene an die Boeren verrathen. Diese umzingelten sie in großer Zahl, während sie schliefen, und schossen Alle nieder, ohne Pardon zu geben. Eine einpfündige Maxim-Kanone wurde auch auf sie gerichtet. Nur einer entkam. Die Kaffern dürsten jetzt nach Rache und sie wer den schwer zu controliren sein. Am Sonnabend wurden zwanzig Geschosse aus den Hundertpfünder-Geschützen in die Stadt ge worfen, heute beinahe ebenso viele. Der von den Eingeborenen bewohnte Stadttheil wird von den Schnellfeuer-Geschützen heftig beschossen. Bis Ende März hatte es unter den Combat- tanken 368 Todte und Verwundete gegeben. Die Pferdcvcrsargung tzer englischen Truppen. Unter den Gründen, welche da» Heer Lord Roberts nun schon seit sechs Wochen operationSunfäbig machten, nimmt der Pserdemangel den ersten Platz ein. Berittene Infanterie, Cavallerie und Artillerie litten und leiden empfindlich da runter; am meisten natürlich die Cavallerie, an deren Marschsäbigkeit und -Geschwindigkeit besonders bobe An sprüche gestellt werden müssen. Genaue Ziffern über den Pferdeverluft während der letzten Monate liegen nicht vor. Es berecktigt aber zu allerlei Schlüssen, wenn eine Schwadron der Cavallerie-Division French nach der Rückkehr von Tbabancku nur noch fünf dienstfähige Pferde besaß. (Morning Post.» Seuchen, Strapazen und Klima haben daS Ihrige geiban, um diesen Zustand herbeizuführen, aber die Unvernunft englischer Svlvaten und Führer bat auch dazu beizetragen. Die „Armh and Navy Gazette" vom 14. April diese- JahrcS schreibt: „Die Noth Lord Robert-' in Bezug auf Pferde wäre nie so groß geworden, wenn unsere Leute mehr Sorge auf die Erhaltung ihrer Pferde verwandt hätten. Hierin, wie in andere» Nebendingen, sollten wir vom Boer lernen, der ohne ein Remontedepol im Rücken, auS dem er sich neu versorgen könnte, für sein Pony ebenso sorglich Deckung sucht, wie für seine eigene Person. Selten reitet er länger als 2^ Stunden, ohne einen Ruhehalt zu macken. Seine Ausrüstung ist so leickt wie nur denkbar. Unsere Leute wissen, obgleich ibr Pferd bei Weitem nicht so widerstandsfähig ist, wie daS der Boeren, von solchen Regeln nickt das Geringste: sie setzen ihre Pferde unnötbig dem feindlichen Feuer auS, sie reiten häufig gewaltige Entfernungen ohne jede Ruhepause uud sie legen die Sättel ost nachlässig auf, so daß Drucksckaden entstehen." Nicht minder sündigen die Führer; sie sind — dieser Vorwurf wird z. B- dem Lord Methuen in einem andern englischen Blatte gemacht — nicht darüber unterrichtet, waS sie der Leistungsfähigkeit ihrer Reiterei zu- muthen dürfen. Hier eia Beispeil: Eine Feldbatterie, die zur GefechtSfront rückt, bat 32 lcm zurückgelezt und mackt Halt. Im Begriff, Wasser zu holen u. s. w., erhält sie deu Befehl, ohne eine Minute Zeitverlust noch 16 lcm weiter zu marsckireo. Erfolg: Al» die Batterie in» Gefecht tritt, müssen sech» Pferde abgeschirrt werden, von denen fünf als bald verenden. Der Rest ist kaum noch bewegung-fähig. Und wa» soll man sagen, wenn umgekehrt ein anerkannt tüchtiger Rriterofficier, wie der Oberst Hannah, mit seinem Bataillon berittener Infanterie eine „schneidige" Attack: gegen die Verschanzungen Cronje'S bei Kudu» Rand ritr, statt seine Leute aosiyen und sich hrranschießeu zu lassen? Er selbst fiel, und die Hälfte seiner Leute, dazu mehr nock al« die Hälfte seiner Pferde deckte da» Feld. Keiner kam näher al» b»» auf 50 w heran! (Quelle: Broad Arrow vom l4. April.) Ohne jede Frage ist von den Engländern — den Tbiersreund muß e» jammern — io Südafrika eine Menge Pferdefleisch unnütz verbraucht wordea. Der Ersatz mußte bei so starkem Abgang auf Schwierigkeiten stoßen. Da große Remonte-Depot zu Stellenbosch (unweit Capstadt) hat seit Mitte Marz mehr al- 10 000 Pferde zur Front gesandt; über 30 000 sind au» Amerika und Australien verschrieben. Nach dem Broad Arrow vom 14. April stand der Abgang 20 000 völlig ausarrüsteter Pferd« auf 23 Dampfern von Australien, Bueao» Aires und New Orleans unmittelbar bevor; sie werden sämmtlich im Laufe de- April und Mai an Ort und Stelle er- wartet. Von Fiume gingen am 30. Marz KOO und am 7. April 785 ungarische Pferde ab, «nd zwar angeblich nach Durban (UeberfahrtSzeit 35—40 Tage). Zwei weitere starke Transporte waren für Mitte April in Aussicht genommen. Am 31, März gingen 5SS Pferde von Eanava in See. Und dabei rrißt jeder Tag neue Lücken: «in englisches Militärblatt tzerrchnet« den vilheriarn monatlichen Abgang aus 5000 Pferde. Ist birst Zahl richtig, so dürft« sie sich mit Rücksicht auf dr» zum Th«il iofolgr der Reis« elenden, an da» Klima nicht gttvbhnten Zustand d«r neu eintreffendrn Pferd«, sawi, auf die Uabttdn» de» nnmitklbar bevor
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