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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.05.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010518028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901051802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901051802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-18
- Monat1901-05
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April: „In hiesigen eingeweihten Kreisen ist man weit entfernt da von, in die Jubellieder einzustimmen, welche von Europa herüber schallen und alle dahin lauten, daß ein großer diplomatischer und politischer Sieg der übrigen verbündeten Mächte über Ruß land mit Bezug auf die Mandschurische Frage daoonzetragen wovben sei, und daß Lies nicht zum wenigsten dem entschiedenen Auftreten Japans zu verdanken gewesen ist. Man weiß hier ganz genau, wo der Hase im Pfeffer liegt, und daß Rußland sich weder als die geschlagene Partei fühlt, noch sich als solche gerirt. Man will in Petersburg begreiflicher Weise vorläufig Alles ver meiden, was die augenblickliche Situation im fernen Osten noch verworrener gestalten könnte, und verzichtet daher officiell auf die Zeichnung des vorgeschlagenen Vertrages, welcher überdies wenigstens augenblicklich kaum wirklich nennenswerthe Vortheile für Rußland bieten könnte. Aber thatsächlich bleibt sonst Alles wie es war, und in Petersburg übt man sich in Geduld und wartet ab, zumal man dort genau weiß, daß die Mandschurische Frage ihrer Lösung wirklich auch nicht einen Schritt näher ge kommen ist. Das verhindert denn auch nicht, daß es in der Mandschurei zu erneuten Kämpfen zwischen Len Ruffen und den Chinesen gekommen ist, was über die weitere Entwickelung der Dinge daselbst kaum einen Zweifel übrig lassen kann. Die selben Russen, die im Rathe der Völker bisher jeder größeren mili tärischen Bewegung gegen China Widerstand leisteten, finden Grund genug, in der Mandschurei ihre Truppen gegen die Chi nesen zu senden und die letzteren schlagen zu lassen. Natürlich wird Rußland, wenn später der große Tag der Abrechnung kommt, darauf pochen, Laß seine Entschädigungsansprüche sehr hoch aufgelaufen sind, und daß dann die Uebernahme und Ein verleibung der Mandschurei in dieser oder jener Form doch wieder den Kernpunkt der russischen Forderungen bilden wird, ist natür lich zweifellos. Mit dieser sicheren Zuversicht bringt man es an der Newa leicht fertig, mit größter Geduld abzuwarlen, wie die Dinge sich weiter entwickeln werden, und ist im klebrigen fest davon überzeugt, daß diese Ausdauer und dieses geduldige Abwarten in nicht allzu ferner Zeit mit dem gewünschten Erfolge gekrönt sein wird." Der Krieg in Südafrika. Schwere Anklagen gegen England. * Durban, 17. Mai. (Reuter s Bureau.) Das Mit- gliev vcr gesetzgebenden Bürgerschaft von Natal für -en Distrikt Estcowc, Brunner, richtete an -en „Natal Mercury" ein Schreiben, in drin er mittheilt, -atz unter Mitwissen -er höchsten militärische» Be hörden -cs Landes Schritte unternommen seien, die Eingeborenen auf den schon demoraljsirren Feind loszulassen nnd ihnen zn gestatten, zu räubern und z» plündern. Die Zulus seien von Ofsicicrcn des britischen Heeres angewiesen worden, in den Tistrict Bryhcid ein;«dringen. Tausend Stück Bich seien von ihnen denBoeren geraubt worden und dem Oberst Bottomley auSgeliesert worden, der den Zulus gestattet habe. Ist Proeent all ihrer Beute zu behalten. Ein Bocre sei von den Zulus mit Assapaicn schwer verletzt worden. Infolge aller dieser Borkommnissc seien die Stämme Tinizulas nnd UsipnbuS wieder ans dem Kriegspfad. Brunner veröffent licht ein von ihm an den Premierminister gerichtetes Protcsttclegramm und die Antwort des letzteren, das; er bei den Militärbehörde» sofort gegen ihr B rha ten protestirt habe, das; er aber glaube. Oberst Bottomley habe die ihm ursprünglich erthciltcn Jnstrnctioncn überschritten. Englische Verluste. Man schreibt uns aus London unter dem 17. Mai: „Behufs einigermaßen wahrheitsgetreuer und zuverlässiger Informationen über das, was auf dem Kriegsschauplätze in Süd afrika wirklich vorgebt, wird man immer mehr auf die ofsiciellen Verlustlisten des Londoner Kriegsamtes angewiesen, und andererseits ist es interessant, festzustellen, daß seit mehr als acht Wochen auch nicht die leiseste Andeutung von irgendwelcher Niederlage oder auch nur von irgendwelchen kleineren „Malheurs" englischer Truppen in den ofsiciellen Depeschen des Lord Kitchener die Rede gewesen ist, obwohl in dieser Zeit geradezu unzählige kleinere und auch größere Gefechte und Scharmützel stattfanden, von denen die größere Mehrzahl zu Ungunsten der Engländer aussiel. So fand unter Anderem am 10. Mai in der Nähe von Klerksdorp im westlichen Transvaal ein Engagement zwischen der Colonne des englischen Obersten Williams und einem Boeren- commando unter dem Befehl des Generals Liebenberg statt, in welchem die Engländer einen Officier, fünf Mann an Todten, einen Officier und sechs Mann schwer verwundet, 1ö Mann leicht vevwundet und 7 Mann „vermißt" (was natürlich „ge fangen" bedeutet) verloren. Gleichzeitig wurde diese Colonne Williams' in diesem Gefechte von den Boeren so schlecht be handelt, daß sie sich Hals über Kopf über Klerksdorp hinaus zu rückziehen mußte, wodurch dann Lord Methuen endgiltig ge zwungen wurde, den wichtigen Stützpuict Hartebeestfontein aufzugeben, der aber dann noch schleunigst von dsn Engländern in Grund und Boden zerstört wurde. Weitere Gefechte waren am 10., 11., 12. und 14. Mai bei Tafelkop, Flaknck, Springs, Klip- spruit, Pietrusberg u. s. w. u. s. w. zu verzeichnen, in denen mehrere Officier« und über 30 Mannschaften getödtet, verwundet und gefangen wurden. Inzwischen hat General Delareh die von den Engländern geräumte Position bei Hartebeestfontein durch Liebenberg wieder besehen lassen, so daß selbst Klerksdorp und Potchefstrom be droht erscheinen. Die wiederholten Meldungen der Kriegs- correspondenten über angebliche Erfolge des Generals Methuen sollen nur dazu dienen, die für dir Engländer längst trostlos ge wordene Lage im westlichen Transvaal zu verschleiern und zu be schönigen. Lange dürfte dieses Mittel den nackten Thatsachcn gegenüber Wohl nicht mehr vorhalten." Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. Mai. Nach dem Rücktritte der preußischen Minister vr. v. Miquel, v. Hammerstein-Loxten und Brefeld haben bekannt lich inspirirteFedern verkündender „Dualismus" im preußischen Ministerium habe nunmehr sein Ende erreicht, es bestehe im führenden deutschen Staate ein „einheitliches Ministerium Bülow", dessen Chef, wie er als Reichskanzler die Reicks- staatssekretäre zu gleichmäßigem und inciuandergrcifendem Wirken anleite, nun aucb in Preußen seinen College» als maß gebender Führer dienen werde. Bis jetzt bat man davon noch nichts gespürt und schon deshalb nichts spüren können, weil der Landtag nickt versammelt ist. Ob man später von der Ein heitlichkeit des Ministeriums Bülow etwas spüren wird, bangt bekanntlich nickt vom Grafen Bülow selbst, sondern davon ab, ob ihm selbst die Stellung eines wirklichen Ministers ein- geränmt wird. Vorläufig wird sein Hauptaugenmerk darauf gerichtet sein müssen, dem Unfug ein Ende zu bereiten, der jahrelang in der ganz- und halbofficiösen Presse von Leuten getrieben worden ist, die jede gelegent liche und unverbindliche Aeußerung eines Ministers oder eines seiner Beamten im Orakclton an die Oeffentlichkeit brachten und am meisten dazu beitrugen, daß cs schien, als bandele jeder der preußischen Ministercollegen und der Herren Reichsstaalssekrctäre auf eigene Faust und suche seinen Willen dem leitenden Staatsmann« aufzuzwingen. Auch heute wieder liegt in einem häufig zu osficwsen Kundgebungen benutzten und noch häufiger sich als osficws gebärdenden Organe eine Auslassung vor, die ganz so klingt und zweifellos so klingen soll, als sei sie von einer amtlichen Stelle inspirirt. Die „Berl. Polit. Nachr." schreiben nämlich: „Es ist »och lange kein Menschenalter her, seit die amerika nische Landwirthjchast sich planmäßig und einheitlich zu dem Zwecke organisirte, den europäischen Markt zu erobern und dauernd ihrer Herrschaft zu unterwerfen. Dieses mit zäher Energie verfolgte Ziel ist bekanntlich auch in dem Maße erreicht worden, daß Chicago preisbestimmend sür den europäischen Markt, insbesondere den Getreidemarkt, geworden ist. Jetzt deuten alle Anzeichen darauf hin, daß die amerikanische Industrie sich anschickt, dem Beispiele der amerikanischen Landwirthschaft zu folgen und, während früher die europäische Industrie den amerikanischen Markt beherrschte und die Vereinigten Staaten als ihr natürliches Absatzgebiet ansah, umgekehrt beabsichtigt, selbst den europäischen Markt sür sich zu erobern und der europäischen Industrie das Feld in Europa streitig zu machen. Die Vereinigung der größten amerikanischen Industrien in riesige, ungemein kapitalkräftige Trusts und die Erwerbung ganzer Flotten von Seeschiffen für diese industriellen Vereinigungen lassen keinen Zweifel darüber, welches Ziel die amerikanische Industrie sich gesteckt hat. Wer die Amerikaner kennt, wird auch keinen Zweifel darüber hegen können, daß der wirthschaftliche Kampf gegen die europäische Industrie mit äußerster Energie, Zähigkeit und Rücksichts losigkeit geführt werden wird und daß demzufolge die europäische Industrie alle Ursache hat, sich recht zeitig nach Kräften sür diesen Kampf zn rüsten, wenn sie ihn mit einiger Aussicht aufErfolg aufnehmen will. Daß die Länder und Staaten Europas sich zu gemeinsamer Abwehr gegen den überseeischen Angriff vereinigen, erscheint bebaue» licherweise ausgeschlossen. Die deutsche Industrie wird daher den Kampf für sich aufnehmen smüssen: es wirft sich also von selbst die Frage auf, ob sie für einen solchen Kampf, der zweifellos den Charakter eines Existenzkampfes annchmen wird, völlig gerüstet ist, oder was zu diesem Ende noch zu geschehen hat. Lhne diese Frage im Urbrigen zur Zeit noch ver tiefen zu wollen, beschränken wir uns sür heute, darauf hinzuweisen, daß Lurch die Gesetzgebung des Reiches in den letzten Jahren die Concurrenzfähigkeit der deutschen Industrie nichts weniger als gestärkt worden ist. Von den Bestrebungen, den Unternehmern das zur Entwickelung der vollen Kraft der Industrie nöthige Bestimmungsrecht über ihre Betriebe ganz oder zum Theil zu entreißen, abgesehen, hat die Gesetzgebung des Reichs unsere Industrie theils mit erheblichen Ausgaben social-politischer Natur belastet, theils sie in der Bewegungs freiheit erheblich eingeschränkt. Wie wohlthätig diese Maßnahmen nach anderer Richtung hin gewirkt haben, so bedeuten sie doch sämmtlich eine Steigerung der Productionskosten sür unsere Industrie und demzufolge eine Schwäche ihrer Wider standsfähigkeit gegen den drohenden überseeischen Angriff. Angesichts der hieraus entstehenden Gefahren muß es daher jedenfalls als eine unerläßliche Forderung weiser Wirthschaftspolitik bezeichnet werden, daß für die Folge von allen gesetzgeberischen Maßnahmen Abstand ge nommen wird, welche die Concurrenzfähigkeit unserer Industrie durch Vermehrung ihrer Lasten oder durch Beeinträchtigungen ihrer freien Bewegung zu ver mindern geeignet sind." Es wird nicht an Stimmen fehlen, die diese Auslassung auf den Staatssekretär deö Innern zurücksührcn; andere werden sie dem neuen preußischen Handelsminisler zuschreiben. Vielleicht stammt der Artikel aus dem Ceutralverbande deutscher Industrieller und ist lediglich dazu bestimmt, den Grafen Bülow zu beeinflussen. Jedenfalls ver dient er Beachtung; die reckte aber kann er nur finden, wenn über seinen Ursprung kein Zweifel bleibt und wenn insbesondere festgestelll wird, ob er von Inter essentenkreisen oder von einer amtlichen — berufenen oder unberufenen — Stelle auSgeht. Daraus, daß die „Nordd. Allgem. Zeitung" den Artikel sich aneignet, wird man keinen sicheren Schluß ziehen dürfen, denn dieses „Regierungsblatt" macht bei der Uebernahme fremder Artikel oft die seltsamsten Seilensprünge. Dem Grafen Bülow muß aber jetzt mehr als je daran liegen, Laß kein Zweifel darüber obwalte, ob eine Kundgebung, die wie ein förmliches Regie rungsprogramm sich ankündigt, ihm, einem auf eigene Hand vorgebenden College» oder Untergebenen oder einer Jnteressentengruppe untergeschoben und je nackdem zum Ausgangspunkte von Treibereien gehässigster und verwirrendster Art gemacht wird. Natürlich muß, wenn Zweifel an dem Ursprünge solcher Kundgebungen vermieden werden sollen, der ganze officiöse Preßapparat einer gründlichen Reform unterzogen werben. Und das mag noch schwerer sein, als ein „homogenes" Ministerium zu bilden. Aber wenn Graf Bülow vor der Schwierigkeit einer solchen Reform zurück schreckt, so wird er nicht einmal erfahren, ob er wirklich so glücklich gewesen ist, ein homogenes Ministerium zu Stande zu bringen. Wie das Gesammtorgan des Verbandes der evangelischen Arbeitervereine „aus erster Quelle" vernimmt, find über die Aufstellung der RcichstagScandtdatnr des Pfarrers Nau mann im Wahlkreis« Duisburg-Mülheim- Ruhrort, in dem der neu« Handelsminister Möller das Mandat niedergelegt hat, Unterhandlungen im Gange. Dies« Nachricht wirv im Hinblick auf die Partciverhältnisse des ge nannten Wahlkreises außerhalb der Reihen der National Socialen, vielleicht aber auch sogar innerhalb derselben, nicht ge ringes Erstaunen Hervorrufen. Wie aus der Mittheilung des eingangs erwähnten Arbeitervereinsblattes hervorgeht, rechnen die Urheber der Naumann'schen Candidatur auf die Stimmen der „Evangelischen", das heißt also vor Allem auf die Stimmen der Nationalliberalen, deren im Jahre 1898 19 904 gezählt wurden, während für den Centrumscandidaten 21071, für den Socialdcmokraten 7804, für den Antisemiten 3327 und für den Freisinnigen 863 Stimmen abgegeben sind. Von den national liberalen Wählern des Kreises Duisburg ist aber keineswegs zu erwarten, daß sie einem Socialpolitiker, wie Pfarrer Naumann, ihre Stimme geben wurden. Ist der Abgeordnete Möller als Socialpolitiker auch nicht entfernt der „Reactionür" gewesen, der er nach socialdemokratischer Darstellung sein soll, so unter scheidet er sich Loch von dem radikalen Socialpolitiker Naumann zu wesentlich, als daß ein irgend erheblicher Theil seiner Wähler ins Naumann'sche Lager übergehen könnte. Wie gefährlich jede Zersplitterung solcher Art wäre, ist dem Gewährsmann- des Organes der Arbeitervereine keineswegs unbekannt: er selbst hebt hervor, daß das Centrum wegen des starken Zuzuges katholischer e n i l l e t s n. , > Ein Engel -er Finsterniß. Roman von Gertrude Warden. Autorisirte deutsche Uebersetzung von A. Braun s. Nachtruck virbouu. Don der Uhr auf den Pferdtställen ertönte der letzte Schlag der fünften Stunde, als er jäh mit voller Klarheit seiner Sinne erwachte und mit dem Bewußtsein einer störenden Gegenwart in feiner nächsten Nähe. Im Bett in die Höhe fahrend, stierte er um sich. Niemand war im Zimmer und durch die offenstehende Zwischenthür konnte er seinen Bruder athmen hören. Dudley war rin fester Schläfer, der selten, wenn überhaupt je, eher erwachte, als bis ihm des Morgens sein heißes Wasser gebracht wurde. Auch jetzt rührte er sich nicht, wie Vittor in sein Zimmer trat und argwöhnisch Larin Umschau hielt. Die äußere, auf den Corridor führende Thür war nur angelehnt, und doch wußte Biktor ganz sicher, daß sein Bruder vor dem Niederlegen sic fest zugrmacht hatte. Die Oeffnung erweiternd, schickte er den Blick von einem Ende des Ganges nach dem andern, von der schmalen Treppe link», die nach den Mansarden führte, wo die weibliche Dienerschaft schlief, bis zur Thür des großen unbe wohnten, direct über seiner Tante Wohnzimmer liegenden Ge mache» zu seiner Rechten. Niemand war auf den Füßen; das ganze Haus schien völlig ruhig. Aber nicht»destowrniger machte sich das Gefühl, in dir«ctrr Nähe von einer besonder» feindlichen Gegenwart um geben zu sein, wiederum geltend, sowie er das Gemach seines schlafenden Bruder» durchschritten hatte und in sein eigenes ein getreten war. Und diese Empfindung beruhte nicht bloß auf Einbildung. Lauschend, jeden Nerv aufs Aeußerste ansfiannend, konnte er deutlich ein leise» Rascheln vernehmen, wie von den flüchtigen Bewegungen einer Person in einer seidenen Robe berrührend, dazwischen von Zeit zu Zeit wieder daL Knacken einer Diele, und ein Geräusch, al» ob Jemand tastend mit den Händen an den Wänden hinstreifte. Die Gerüchte, die er vom Umgehen im Hause vernommen, durchzuckten sein Hirn. Frau Revelsworth hatte ja selbst erklärt, daß ihr Datei das Hau» seine» schlechten Rufes wegen zu einem billigen Kaufpreis« rrworbrn. Auch drr Omnibuskutschrr hatte de» Gespenst«» im R«v«l»worth House Erwähnung gethan. Aber daS volle klare Morgenlicht war die unwahrscheinlichste Zeit, von Gespenstern zur Ausführung ihrer Streiche gewählt zu wer den. Tahir entschloß sich Victor, da von Schlaf jetzt doch nicht mehr die Rede sein konnte, sich geräuschlos anzukleiden, um seinen schlafenden Bruder nicht zu stören, und dem Ursprung dieses gebeimnißvollcn Raschelns nachzuspüren. Daß es ein Spukzimmer im Hause gebe, hatte gestern Las Hausmädchen Suse schweigend eingeräumt. Die weibliche Dienerschaft schlief in den Mansarden und Welldon mit seinem Sohne in einer Stube in der Nähe der Küche, so daß Vittor mit Sicherheit annchmen durfte, die anderen Räume in dieser Etage seien unbesetzt, und diese, entschied er sich, wollte er zu seiner eigenen Beruhigung durchforschen. „Ohne Zweifel sind cs Mäuse oder Ratten, die dieses sonder bare Geräusch verursachen", sagte er sich beim schleunigen An ziehen der Kleider, und nressieru-s los rats will ich einen Ueber- rumpelungsbesuch abstatten." Auf den Fußspitzen durch das vordere Zimmer huschend, befand er sich sogleich draußen auf dem Corridor, der von drei hohen Fenstern, ganz so, wie in der unteren Etage, erhellt wurde. Neben dem Zimmer, in welchem er geschlafen hatte, im Winkel des Corridors, drr Treppe Vis-L-Vis, befand sich eine Thür, die er beim Bewegen des Drückers unverschlossen fand. Mit der Hand aus dem Drücker, noch dastehend, wähnte er, von der Innen seite der Thür das Geräusch leisen Raschelns zu vernehmen, ähnlich dem, das er in seinem Schlafzimmer gehört. Doch während des Lauschens ward er sich bewußt, daß von innen seinem Eintreten Widerstand entgegengesetzt wurde. Der Drücker, der sich unter seiner Hand leicht bewegt hatte, blieb fest, und deut lich konnte er hören, wie innen an der Thür ein eingerosteter Riegel vorgeschoben wurde. Viktor prallte zurück. Seine Absicht war cs ja nicht, Jemand im Alleinsrinwollen zu stören. Und doch war ihm am Abend versichert worden, daß er und sein Bruder in der zweiten Etage allein logiren würden; die drei Damen hatte er auch in der unteren Etage sich in ihre Zimmer zurückziehen sehen. Sollte sich vielleicht ein Dieb in dieses unbesetzte Zimmer geschlichen haben? Froh, einen Vorwand zur Befriedigung der ihn beherrschen den Neugier gefunden zu haben, stemmte sich Viktor mit seiner ganzen Kraft gegen die Thür. Krachend sprang sie auf. DaS seinen Blicken enthüllte Zimmer war sehr klein und jeg licher Art von Feuerstätte bar, übersäet mit Papieren und Kehricht und nur von einem Fenster erhellt, dies aber so von Schmutz verdunkelt, daß «» fast undurchsichtig war. An der Wand hing ein kleines Oelbild ohne künstlerischen Werth und gedunkelt von der Zeit und Vernachlässigung, das eine Dame in einem Tudorcostüm von gelbem Brokat darstellte. Möbel waren in dem Raume nicht vorhanden, auch lag auf den schmutzi gen Dielen kein Teppich. Die ganze Stätte hatte das Aussehen, auch die Luft darin bezeugte die Annahme, als wäre sie Jahre lang geschlossen gewesen. Schon stand Viktor im Begriff, den Raum wieder zu verlassen, in der Ueberzcugung, daß seine erste Ansicht bezüglich der Mäuse und Natten die richtige sei, als er die gerissene und verblichene, in Fetzen herabhängende Tapete an einer Stelle, an der der Treppe gegenüberliegenden Seite des Zimmerchens, sich bewegen sah, wie wenn sie kaum erst berührt worden wäre. Ein Haufen Sckutt lag zwischen ihm und der Wand aufge- thürmt. Zimperlich darüber hinwegschreitend, entdeckte er, daß sich in der Mauer ein mit gleicher Tapete bekleideter Wand schrank befand, und daß die Tbür desselben ein ganz klein wenig geöffnet war. Sie weit aufreißend und den Arm in die Oeff nung schiebend, spürte Viktor nun den warmen Athem eines lebenden Wesens, das sich in den hintersten Winkel dieses finsteren, dunklen Verstecks gedrückt. Es war das sicher kein Geist. Was aber in aller Welt hatte denn eine Frau in voller Toilette um 5 Uhr Morgens in einem leeren Raume des Revelsworth'schen Hauses zu schaffen? fragte sich Viktor voller Staunen über seine Entdeckung zurückschreckend. Aus der dunklen Ecke schlug süßes, leises Lachen von einer Frauenstimme an sein Ohr, und heraus trat seine Cousine Fran cesca und vor ihn hin. Sie sah sehr bleich aus, befand sich aber scheinbar in der heitersten Laune und ließ beim Anblick seiner verdutzten Miene ihr silberhelle- Lachen von Neuem erschallen. ,,^lon Oieu. ma eonsino, was machen Sie denn hier?" preßte Viktor schließlich über die Lippen. Sie verschloß ihm mit zwei schlanken Fingern den Mund. „St! nicht so laut sprechen, sonst wecken Sie den Geist! Dies hier ist nämlich das Spukzimmer, müssen Sie wissen." „Was aber thun Sie denn hier?" „Das ist ein Geheimniß! Puh! Wie schmutzig und dumpf das Zimmer ist, und wie lieblich der Morgen draußen! Wissen Sie, wa» ich gern möchte?" „Nein; wenn'S aber etwas ist, da» für Sie zu thun, in meinen Kräften steht —" „Allerdings, wenn Sie nur den guten Willen haben", rief Francesca und wandte sich ihm mit einem bezaubernden Lächeln zu. „Ich möchte so gern einen Spaziergang nach dem Fluss« hinunter machen, meine staubigen Hände dort zu waschen, und wünsche zu der Promenade Ihre angenehme Begleitung. Wollen wir zusammen gehen, ehe irgend Einer wach wird?" „Von Herzen gern!" „Aber ganz leise! Folgen Sie mir!" Sie traten hinaus auf den Corridor.- Francesca machte die Thür des Spukzimmers zu, verschloß sie sorgfältig und zog den Schlüssel aus dem Schlosse. „Es ist der Schlüssel von Betty's Stube", erklärte sie dabei im Flüstertöne. „Ich probirte ihn, und er paßte ganz genau." Nun ging'sdieTreppehinab. Francesca bei ihrem hohen Wüchse sich mit solch' wunderbarer Leichtigkeit bewegend, die wirklich etwas Katzenurtiges hatte, wie Viktor wohl hätte bemerken müssen, wenn er sie mit so etwas sprichwörtlich Falschem zu ver gleichen im Stande gewesen. Den Kopf stolz erhoben und mit dem Morgenlicht auf den rothgoldigen Flechten, schritt sie wie eine Königin die flachstufige Eisentreppe hinunter, nur so lange innehaltend, auf dem Wege, um den Schlüssel wieder ins Schloß von Betty's Zimmer zu stecken und ihren Hut zu holen, den sie in der Hand bis nach unten trug. Vor der Thür von Frau von Revelsworth'» Schlafgemach lag der mörderische Iwan und drehte sich beim Vorübergehen der Beiden knurrend im Schlafe um. Er wußte aber, daß sie in das Haus gehörten und keine Räuber waren, daher ließ er sie unbehelligt passiren. Unten in der Halle aber stellte sich ihnen eine ernstere Schwierigkeit in den Weg. Dor der Thürschwclle, in seiner ganzen Länge auSgestreckt, lag der Bullenbeißer Briton, die Nase zwischen den Vorderpfoten, ihr Näherkommen still und regungslos beobachtend. „Allons, mon dijou!" redete Victor ihn an. „Wir wollen einen kleinen Spaziergang hinunter nach der Themse machen. Du wirst uns passiren lassen, nicht wahr?" Briton knurrte, rührte sich aber nicht handbreit au» seiner Stellung als Wächter der Eingangithür. „Wir müssen kühn über ihn hinwcgschrciten und sie öffnen", meinte Francesca. „Warum dressiit Tante Margaret dir Hunde nicht zu wissen, wer rin Revelsworth ist, wenn sie ihn sehen?" Lachend machte sie den Versuch, sich um Briton hrrumzu drücken, während Viktor mit Schmeichelworten auf ihn ein redete. Doch kaum hatte sie den Fuß auf dir THUrmatt« gesetzt, al» der Hund wild auf sie lo»fuhr und sie niedrrzerrt» aus die Knie. Sie war sofort wieder auf den Füßen, blaß und bebend, je doch unverletzt. „Es ist mir nicht» geschehen", versichert» sie «wf Viktor'» de«
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