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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000428028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900042802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900042802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-04
- Tag1900-04-28
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Größere Schriften laut »»sereui Greis- »erzetchnij. TabeUaäscher und Zifi«n<atz nach höh«rein Taris. Grlra-VeU-Ge» (gesalpl, uur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördernug 60—, mit Pojibefördernng 70.—. < 'XunahmelchlnL fiir Anzeigen: >h»od-Au-g»be: Vormittag« 10 Uhr. Rftorge»-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stund« frther. U«geige» sind siet« LU die Expedites» t» richte». Dnrck und Verlag von E. Polz dl Leipzig ilt. ZahMNg. 2l4 Sonnabend den 28. April 1900. Politische Tagesschau. * Letpzi-, 28. April. Allem Anscheine nach ist zwischen der vorgestrigen und der gestrigen Sitzung der Budgetcommission de- Reichstages hinter den Couliffen etwa« vor sich gegangen, was entscheidend auf die Stellung des (Zentrums zur Alaltennovelle ein gewirkt hat. Vorgestern copirten die klerikalen Commission-' Mitglieder die Echternacher Springprocrssion und betonten, daß ihre bevorstehenve Abstimmung nur eine „provisorische" sein werde, gestern überraschten sie die Commission mit einem Gesetzentwürfe, der die Flottennovelle und da- geltende Flvtteagesetz zu einem einheitlichen Ganzen zusammenfaßt, die in der Novelle geforderte Schlachtflotte zu bewilligen vorschläat, die neugeforderten Ausland-schiffe dagegen, deren Bermekrung nach dem über die Durchführung der Flottennovelle vorgelegten Schifssbauplanr erst in den Jahren 1900 bis 1909 zu bewirken wäre, inSgesammt 6 große und 7 kleine Kreuzer, vorläufig außer Acht läßt. Hinter diesen, von allen 8 klerikalen Commissionsmitgliedern unteneichneten Antrag können diese Mitglieder —sofern sie über die „DeckungS- sragr" mit der Regierung einig werden — nicht zurück; er zeigt also, waS sie zunächst zu bewilligen ernstlich gesonnen sind. Daß sie eventuell noch weiter zu gehen gedenken, ergiebt sich ausder Erklärung desAbg. Müller-Fulda, daß dieDermehrunz der Schlachtflotte als nothwendiz nachgewiesen, dagegen für die künftige Ausgestaltung der AuSlandSflotte noch keine genügenden Gründe beigebracht worden seien und die geforderten AuSlandSschiffe im Falle des Bedarfes später nachzefordert werden könnten. Daß die verbündeten Re gierungen von dem CentrumSentwurfe weniger überrascht waren al- der nichtklerikale Theil der Commission, ergab sich au- der Erklärung des Staatssekretärs Tirpitz, die nach dem uns heute vorliegenden halbamtlichen CommissionS- berildte folgeodermaßea lautete: Er sei nicht autorlfirt, heute zur Lache bestimmte Stellung zu nehme». Der bisherige Verlauf brr Debatten sei gestern im BundeSrath gestreift worbe»; die allgemeine Meinung daselbst ' fei gnoeseo, daß man zwar auf die AuSlandSschiffe nicht verzichten könne, daß dagegen die Möglichkeit ernster Erwägung be dürfe, ob man die gesetzliche Beschlußfassung über diesen Gegenstand zunächst vertagen könne. Diese Erörterung sei indeffen zunächst ganz unverbindlich gewesen. Der Antrag be züglich der Zusammenschwrißung werde, abgesehen davon, eine brauchbare Unterlage für die weiteren Verhandlungen bieten. Nach dieser Erklärung, der vielleicht auch noch eine ver trauliche sich «»geschlossen hat, blieb den Freunden einer un verkürzten Bewilligung der Novelle nicht- Andere- übrig, alr diese „brauchbare Unterlage" sich gefallen zu lassen und da- Weitere sich vorzubehalten. In diesem Sinne sprach der nationalliberale Abgeordnete Basser mann zwar sein Be dauern über die Streichung der AuSland-schiffe aus, die trotz der stärkeren Schlachtflotte nothwcndig seien; wenn aber die Bermeh- runaderAu-land-schiffe eine eura posterior sein solle,sowerde man mit Nachforderungen kommen können. Werde der Antrag so ver standen, und die Erklärung deS Staatssekretärs scheine die- anzudeuten, so würden die Nationalliberalea auch ihrerseits damit einverstanden sein. Der weitere Verlauf der Debatte ergab, daß der CentrumSantrag so gemeint war, uod wer noch darüber in Zweifel sein konnte, den belehrte die Resignation deS Abg Richter und der Ingrimm deS socialdemokratischen Führers Bebel. DaS Ergebniß der Abstimmung war, daß gegen die freisinnige Volkspartei, Pole» uod Sociaidemokraten mit allen Stimmen der Centrums antrag angenommen wurde, desgleichen die weiteren tztz 2 bis 5 deS CentrumSantrag- über Indiensthaltung, Personal- bestand und Bereitstellung der Mittel, die dem gellenden Flottengesetze und der Flottennovelle entsprechen. Debattirt wurde erst wieder über die beiden Schlußparagraphen, die „DeckungSparagraphen", die hier wiederholt seien: 8 6. Beschaffung der Mittel. Soweit die Summe der fortdauernden nnd einmaligen Ausgaben der Marinrverwaltung in einem Etatsjahr den Betrag von 117 5L5 494 .4! übersteigt und die eigenen Einnahmen, welche dem Reich auf Grund der am I. April 1900 geltenden Gesetze zufließen, zur Deckung des Mehr- bedarfs nicht au-reichen, wird der Mehrbedarf gedeckt: 1) durch Erhöhung der Etempelabgaben aus Werthpapiere und Lotterieloose, sowie durch eine Stempelabgabe auf Kuxe, Schiffskonossemente und Srefahrtskarten, 2) durch Einführung einer Abgabe auf Schaumwein, sowie durch Erhöhung der Zollsätze auf ausländische Schaumweine, Liqueure, Cigarre» und Cigaretten, 3) soweit die unter 1 bezeichneten Abgaben und Zölle nicht genügen, durch Einführung einer ergänzenden, Len Massen verbrauch nicht belastenden Nrichssteurr, deren Höhe für die einzelne Ainanzperiode nach Bedarf festgesetzt wird. 8 7. Schlußbestimmung. Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit den in Z 6 erwähnten noch in dieser Äesetzperiode zu erlaßenden Steuer- und Zollgesrtzen in Kraft. Das geltende Flottengesetz wird aufgehoben. Auch über diese BesteuerungSvorschläze wird sich eine Verständigung herbeiführen lassen; die Entwürfe zu 1 und 2 erklärte der Reichsschatzsekretärschondemnächslvorlegcn zu können, den zu 3 aber schwerlich vor dem Herbste. So lange wird sich also die Entscheidung noch hinziehen, wenn nicht da- Centrum auf den § 7 verzichtet oder^ durch eine andere Steuerrorlage sich bewegen läßt, von dem Ver langen nach Einführung einer „ergänzenden, den Massen verbrauch nicht belastenden ReichSftcuer, deren Höhe für die einzelne Finanzperiode nach Bedarf festgesetzt wird", abzusehen. Darauf aber ist wenig Aussicht. Die CentrumS- mitglieder der Commission, die nicht ohne Mühe unter einen Hut gebracht worden sein dürften, fühlen sich rn sehr als Herren der Situation, als daß sie nicht für ihr Entgegenkommen in Sachen der Schlachtflotte die völlige Beugung deS BundeSraths unter ihre Deckungsvorschläge fordern sollten. WaS für sie oder für „Rom" wegen dieses Entgegenkommens abfällt, wird man vielleicht noch vor dem Inkrafttreten deS neuen Flottengesetzes inne werden. In Sachen der Maifeier veröffentlicht das Anarchisten blatt „Neues Leben" ein Circular de- Vorstandes des deutschen Metallarbeiterverbandes, dessen Bekennt nisse unmittelbar vor dem „Arbeitcr-Weltfeiertage" doppelt werthvoll sind. „Vielfach in früheren Jahren gemachte un liebsame Erfahrungen" lassen es dem Vorstände angebracht erscheinen, seine (Stellung rechtzeitig zum Ausdrucke zu bringen, „um voreiligen Schritten nach dieser Richtung bin vorzubeugen". Demgemäß schärft der Vorstand die Beschlüsse der socialdemokralischenParteitage ein, durch ArbeitSruhe an der Maifeier sich nur da zu betheiligen, wo eS ohne Nach theil für das Arbeit-verhältniß geschehen kann. Dann fährt er wörtlich fort: „Der Verband, der die Aufgabe hat, durch positive Ver besserungen der Arbeitsvrrhältoijse die Lage seiner Mit glieder zu hebe», kann seine Mittel nicht leeren Demon strationen opfern. . . Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß man nicht versuchen soll, überall di« ArbeitSruhe aus gütlichem Wege zu erreichen. Gelingt dies nicht, so lasse man lieber von der ArbeitSruhe am 1. Mai ab, anstatt einen Lonslict dadurch heraufz«beschwören. Wer aber dennoch glaubt, aus eine Demonstration durch die ArbeitSruhe am 1. Mai nicht verzichten zu können, ohne Rücksicht auf die etwaigen Folgen, mag dies ruhig Ihn», dann aber auch die Folgen etwaiger Bestrafung nach der Arbeitsordnung oder Aussperrung aus sich nehmen. Häufig genug ist aber die Erfahrung gemacht worden, daß aus AnS- sperrungen wegen der Maifeier sofort mit Forderungen an die Unternehmer geantwortet wird. Dies ist schon des wegen falsch, weil die Aussperrungen meist nur wenige Tage dauern nnd von der Absicht dictirt werden, die Arbeiter zu reizen (!). ES erscheint daher entschieden praktischer, derartige Maßnahmen ruhig hinzunehmen und den Unternehmer gar nicht merke» zu lassen, daß man sich durch seine Maßnahme aufrcgt. Im Uebrigen können auch solche For derungen vom Vorstand nach dem Statut nicht an- erkannt werden, weil sie unter Nichtachtung der statutarischen Bestimmungen gestellt worden sind." Wenn die socialdemokratische Presse demnächst mit vollen Backen die Weltfcicrtags-Posaune bläst, und wenn sie die selbstverschuldete Maßregelung von Arbeitern zum Anlaß nimmt, über die „Brutalität" der Unternehmer zu zetern, so möge sie sich an die obigen Eingeständnisse der „leeren Demonstration" und der statutenwidrigen Forderungen der Arbeiter erinnern! Der unabhängige Cvngostaat veröffentlich« amtliche Mirtheiluugeu über den Aufstau- -er Bundjas im Ban- gala-Districte. Der Bericht giebt eine Darstellung der früher zur Beruhigung des Landes ergriffenen Maßnahmen nnd betont, daß die von de» Bundjas bewohnte Gegend vom Congostoate nur während der Monate August und September 1899 besetzt worden war, da das Verhalten der Eingeborenen später günstiger ge schienen habe. Die Feindseligkeit der Eingeborenen habe sich wieder gezeigt, al- die Besorgung der Militärposteu mit Lebens mitteln von ihnen verlangt worden sei, und sie hätten versucht, die Europäer auszuhungern. Am 17. Jauuar 1900 wurde der Handelsagent van Eyke», der sich mit einer Karawane nach Dobo begeben wollte, unterwegs angegriffen und mit 27 seiner Leute verwundet, während alle seine Träger niedergemetzelt wurden. Es gelang van Eyken nnd 14 seiner Leute, zu entkommen. Ter Hinterhalt war vom Häuptlinge deS Distrikt- Aambata Mandjmnba vorbereitet worden, der glaubte, daß die Vernichtung der Weißen die völlige Räumung deS Landes der Bundjas nach sich ziehen würde. Die Bundjas begannen dann die Belagerung des Postens von tzambata, der gut ver schanzt war. Die Garnison konnte sich bi- zur Ankunft der Verstärkungen halten. Alle diese Ereignisse fallen vor den 27. Januar. Die Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung schien auf gutem Wege zu sein, als am 2. März der Agent Weynant», der den Pope« vo» Palombo verproviantirte, erfuhr, daß di« Bundjas im Ausstande seien und sich in groß«» Masse» bei Hainlongo angejammelt hallen. Wepnant« begab sich dorthin, wurde jedoch umzingelt und mit der ganzen ihn begleitende» Mannschaft, etwa IM Mau», ui«tz«rgemacht; nur sechs ent- kamen. Der Bericht über da« weitere Ergebniß der Untersuchung ist noch nicht in Brüssel eiiigetroffeii. Der vorstrheude Bericht soll osseubar eine Rechtfertigung gegenüber den von dem Karaten de« Cvugostaate«, Morast, wiver den Agenten va» Evren im Speziellen und gegen die Beamten des Congostaate- im Allgemeinen erhobenen An klagen wegen unmenschlicher, an den Eingeborenen verübter Grausamkeiten sein, va» Estten soll, wen» die Eingeborenen nicht genug Kautschuk lieferten, die Eiuwohner deS betreffenden Dorfes durch „unterwürfige" Neger haben nicdermetz-ln, der: Männern die Köpfe uud Hände abhauen und die ersteren auf Pfähle stecken, sowie die Frauen und Kinder in Form eine« Kreuze- gleichfalls auf Pfähle habe» spieße» lassen; auch soll er eiumal die schwarzen Soldale«, weil die Insassen eine anderen Dorfe- einen seiner teilte getödtet hatten, aus jene gehetzt, sie in gleicher Weise haben hinschkachten und dem Häuptling mit eigener Hand einen Stock 10 om in den Körper gestoßen, den Unglückliche» haben enthaupten und aufspießen lassen. Diese Angaben rühren von schwarzen Soldaten her und sind von Morast iu seiner Eigenschaft alS höherer Polizei beamter unter dem Eid der Zeuaen zu Protokoll genommen worden. Alle diese Vorkommnisse fallen in de» November und Dcecmber 1899, liegen also vor dem Aufstand der BundjaMeger u»v köuuen sehr wohl die Ursache desselben gewesen seiu. Ueber sie aber schweig! der obige, vom Unab hängigen Cvngostaat ausgegebene amtliche Bericht. Hauptmann Lothaire behauptet bekanntlich, Morast'« Anklagen seien ei» Racheact, er ist aber früher selber schlimmer Grausamkeiten überführt worden. Mit der ersten amtlichen Veröffentlichung ist die Sache natürlich noch nicht erledigt und wird voraus sichtlich wiederholt im belgischen Parlament zur Sprache kommen. Der Krieg iu Südafrika. -t>. Man muß eS den Engländern lassen, daß sie di« Bersol-uu- -er Vieren auf dem Rückzug nach deut Norden de- Freistaates mir großer Energie uud Schnelligkeit betreibe». Nicht bloß General Frerich mit seiner Cavallerie, auch Infanterie ist bereits in Thabanchu »»gekommen, wie die folgende Meldung erkennen läßt: * Loudon, 27. April. Aeldtuarjchall Roberts meldet au» Bloemfontein unter dem 27. April: Geueral Freuch erreichte hrute morgen Thabanchu mit Cavallerie und traf mit General Hamilton und Smith Dorrte»'- Brigade zusammen. Der Feind hält uoch die östliche Vorstadt besetzt. Die Generale French nnd Hamilton gehen vor, um de» Feind von dort zu vertreiben. General Rundle war gestern acht Meilen südlich vou Thabanchu. Biel Hoffnung aus Erfolg mache« sich die Engländer freilich nicht. Man meldet uns: * London, 28. April. (Telegramm.) Die „Time»" be- richten au- Bloemfontein »ater dem 26. April: ES bietet sich wahrscheinlich wenig Gelegenheit, den sich zurückziehrnLei, Ferrrllstsir. L, Die Her-ringen's. Novelle von Hedda». Schmiß kkrsitk». Die gute Majorin hatte von einer Wirtschaft auf dem Lande keine Ahnung, außerdem fand sie, daß sich dieser Butter- und Airsehandel mit dem S-tandeSbesvußtsein eine- Fräulein von Her dringen schlecht vertrage. träte war anderer Meinung darüber. „Liebe Mama", sagt« sie, „ich finde eS durchaus richtig, daß man auf von Land« die Milcherträge, die Gartenerzeugnissr und dergleichen zu Gelve macht. Ich habe immer gehört, daß man auf dem Lande Alle- praktisch verwerthen muß. Natürlich ist eS nicht Jedermann- Sache, sich darum zu bekümmern. Ich, zum Beispiel, wean ich Frau von Herdringen werden sollte, würde mich niemals mit derlei befassen. Uebrrhaupt find wirthschastliche Damen entsetz lich langweilig — diese Marie Charlotte, ich kenne sie zwar nur flüchtig — ist mir geradezu antipathisch." „Hepzen-knid", rief die Majorin beschwörend, „ich bitte Dich, thue keinen übereilten Schritt." Kitte machte, al- hätte sie nichts gchört, und die Majorin fuhr eindringlich fort: „Und doch willst Du Marie Charlotten gern zur Schwägerin baden." „Dal Habe ich nicht gesagt — waS gehen mich übrigen-, wenn ich Eduard Herdringen heirathe, seine Schwestern an." „ES ist wirtklich nicht- NetteS an ihm", klagte die Majorin, „ein Durchschnitt-mensch, wie sie zu Dutzenden herumlaufen." „Mir gefallt er aber", entschied Käte kupz; „rege >Dich doch nicht so auf, Mama, Du hast schon hochrothe Wangen. Ich glaube, da kommt unser Wagen." Die Majorin hatte sich heute «inen Miethwagen geleistet. Kate nahm zuerst vorsichtig in demselben Platz, um ihr duftige- Ballkleid, da- die Mutter sich geradezu vom Munde ckbgedarbt, nicht zu zerknillen. Die Majorin drückt« sich, so gut eS ging, in «ine Eck« de- Wagen-. „Die gute Mama", dachte Käte, und griff nach der Hand der alten Fnru. „E- wird Alles reicht so schkstnm, wir »- Dir scheint", sprach sie tröstend. T-ie »eßt«, daß st« durch ihre Handlung-wers« all« Pläne ihrer Mutter durchkreuzen würde, aber sie war nun einmal fest ent schlossen, Edi Herdringen zu hrirathen. Arm war er ja keineswegs — er gefiel ihr — sie gestand sich sogar ein, daß sie ihn liebte — und er war sinnlos verliebt in sie — er würde sie auf den Hänoen tragen, ihr in Allem den Willen thun. Und Käte liebte zu herrschen, die Sclavm eines Mannes würde sie nie sein. Wer konnte wissen, zu welcher Ehe di« Mutter sie am Ende noch überreden würde. Sollte sie vielleicht ihr« Jugend, ihr« Schönheit einem alten, wenn auch reichen Gatten opfern? . . . Nein — niemals! Zuerst hatte sie mit Edi kokettirt, ihn ourch kühle Behandlung noch mehr entflammt; jetzt war er so weit, wie sie ihn haben wollte, sie wußte, daß dieser Ballabend entscheidend für ihr künftige» Schicksal sein würde. An Edi'» Seite würde sie es jedenfalls tausendmal besser haben, wie in den engen Verhältnissen, in denen sie eben lebte, es der Fall war. Jeder Groschen wurde von der Mama dreimal umgewendet, ehe sie ihn verausgabte, — freilich für sie, Käte, wurde nicht so ängstlich gespart, aber doch sehnte sie einen Um- scbwung in ihrem Dasein herbei. Edi'» Vater würde dem Sohn eine Zulage geben, schließlich konnte man ja auch mit mäßigem Comfort vernünftig leben. So kalkulirte Käte; aber sie wußte nicht, daß ihre» Vater» Blut, da» in ihren Adern rollte, einmal sprechen würde, und e» war das Blut einer Verschwenders, der sich und Andere zu Grunde gerichtet. Der Miethwagen fuhr am Lommbeck'schen Hause vorüber; trotz des warmen Juliabend» waren dort di« Fester in Frau Lomm-, deck'» Wohnung geschloffen. „Arme Lola", dachte Käte. Das düstere alte Haus dünkte ihr ein Gefängniß, in dem die Freundin schmachtete. „Wenn ich Lola wäre, ich liefe auf und davon", sprach sie zu sich, und ward sich voll dessen bewußt, daß sie e» doch tausend Mal besser habe, al» Lola. In Käten steckte viel Gute-, aber leider war sie zu oberfläch lich, um dauernd an sich selber zu arbeiten; außerdem hatte die Bewunderung, welche ihr von der zärtlichen Mutter gezollt ward, e» zuwege gebracht, daß sie sich für vollkommen hielt. Edi Her dringen's Anbetung that auch das ihre dazu. Mutter und Tochter wurden an der Thür de» festlich decorirten Ballsaalr» von Edi begrüßt. Mari« Charlotte trug graue Seide, eine frühere StaatSrobe ihrer seligen Mutter, welche sie für sich zurechtgeschneidert. Sie sah sehr vornehm und stattlich au- Jsa und Walburga trugen iveiße Mullkleidcr und frische Blumen im Haar und an der Brust. Für Walburga rrsstirte selbstverständlich nur ihr Bräutigam, sie sah und hörte nur ihn. Isa gab sich strahlend dem Vergnügen des Tanzes hin. Sir bevorzugte keinen ihrer Tänzer, doch gestand sic sich's heimlich, daß Niemand so elegant, so sicher tanze, wie Ivar Tordal, der sie gleich zu Beginn des Festes um den Cotillon gebeten. Sie hatten einander im Laufe der letzten Wochen häufig ge sehen. Ivar hatte im Sturm alle Herzen auf Herdringen er obert — mit Ausnahme desjenigen Marie Charlotten's. „Er gefällt Dir nicht?" fragte ihr Bruder einmal. „Nein", erwiderte Mari« Charlotte schroff, „in mir lehnt sich etwas gegen ihn auf. Wenn ich geneigt wäre, den Ahnungen zu glauben, so würde ich sagen, ich hätte das Vorgefühl, als ob mir durch diesen Menschen ein Unglück drohe." „Ach, Unsinn", lachte Evi, „Ivar thut keiner Mücke etwas zu Leide." „Aber er stiehlt mir das Herz meines Lieblings", hätte Marie Charlotte aufschreien mögen, allein sie zuckte nur mit den Achseln und brach das Gespräch ab. Sie fühlte mehr, als wie sie sah, daß sich mit Isa eine Veränderung vollzog. Noch gab Isa sich unbewußt Empfindungen hin, von denen sie kurz vorher keine Ahnung gehabt. Aber die Stunde ve» Er wachens war nicht fern — ein Wort Joar's konnte herbeiführen, daß sich da- junge Mädchen über seinen Herzenszustand klar ward. Tordal bemühte sich offenbar um Isa, aber doch konnte Marie Charlotten» Scharfblick noch nicht ergründen, ob er ernst liche Absichten hegte. War er denn der richtige Lebensgefährte für dieses süße, reizende Kind, da» erst knapp sechzehn Sommer zählte, das vom Ernst de» Löbens, seinen oft so harten Pflichten nicht» wußte. Marie Charlotten ist'», während sie zusieht, wie Ivar im Cotillon angelegentlich mit Isa plaudert, al» müßte sie den Mann, zu dem ihre junge Schwester mit gläubigen, glückseligen Lugen aufschaut, weil er für sie der Inbegriff alles Guten und Edlen iss, anflehen: „Lassen Sie diesem unschuldigen Kinde seinen Frieden, seine» Herzen» Ruhe." Und da kommt ihr zum ersten Male der Gedanke, daß sie, sobald sie ihre Befürchtungen wirklich begründet finden sollte, em ernstes Wort mit Ivar Tordal sprechen müßte. Vor der Hand kann sie'- nicht hindern, daß er ein allwöchmtlicher Gast aus Herdringen ist. Marie Eharlotte tanzt wenig an diesem Ballabend; nicht, al» »b sie eine ruchegehrt« Tänzerin gewesen wäre, aber sie refüsirt dir meisten Engagements; nur mit Willman» uno ihrem tiirstig-n Schwager Bernitz tanzt sie. Sie will Isa nichr aus ve» Auge» lassen und die» kann sie nur, wenn sie selbst den, Tanz« fern bleibt. Isa oeschäftigt sie ausschließlich. In jeder Tanzpause ruft sie das jung» Maschen an ihre Seite und sucht dann durch allerhand List Ivar fern zu halten. DeShakb entgeht es Atari« Charlotten, daß ihr Bruder Käte Weltkin start den Hof macht. Die Majorin ringt im Geist Vie Häitve, aber ftät: hat eine sehr zufriedene Miene aufgesetzt. Sin langer Kuß, ven Edi, Li er nach Schluß des Balles Mutter uud Tochter an ve» Mieth wagen geleitet, auf Käien's Rechte drückt, bitvet das Nachspiel einer leidenschaftlich geflüsterten Frage nnd einer leise, ab-r be stimmt gegebenen Antwort. Die Sonne, Vie eben ausgehl, den» der Tanz hat bis an ven lichten Morgen gedauert, ist taum strahlender, als Edi Her bringen's BräuiiqamSgesicht, mit -em er dem vaoonrollenv-ii Wagen irachblickt. Herdringen'» breche» ebenfalls auf. Walburga ist, kaum vaß sie m ihrer Wagcnecke sitzt, fest eiagrschlasen. Isa träumt mit offenen Auge» in den thaufrischeu Morgen hinein. „Woran denkst Du, Kind?" fragt Marie Lharlott« leise. „Daran, daß das Leben so wunder — wunderschön ist', antwortet Isa. Eine namenlose Seligkeit vibrirt in ihrer Stimme. „Ja, so lounderschön", wiederholt sie, „ein Tag schöner als der aridere." Marie Charlotte lehnt sich tiefer in dir Wagenkissen zurück. Jetzt weiß sie genau, wie eS um Isa steht. Ihr Auge wird feuch: — lautlo« bewegen sich ihre Lippe». „Wena eS zu ihrem Glück, zu ihrem Segen ist, o Herr, so führe ihr Herz Demjenigen zu, dmn e» sich enlgrgennetgt", fleht sie inbrünstig. "Und Marie Charlotte getobt sich's, den Dingen ihren Lauf zu kaffen. Besser rsi's, sie redet kein Wort Mit Tordal in dieser zarten Angelegenheit. Manch' Wort ist ost »om Urbel, wo die Herzen einzig und allem Rede uns Antwort tauschen VI. In der Nacht hat es geregnet; ei» Gewitter ist grollend über die Erde dahingegangen unv Kat sei,»« Spuren hinterlassen. Dort ist ein Zweig geknickt, hier durch die Heftigkeit »es Regen» der Boden aufgewühlt, aber nun lacht die Sonne heiter und ver söhnend und da- Schreckbild de» nächtlichen Unwetter» ist bald vergessen. In der Hopfenlaub« im Garten zu Herdringen sitzen vnkel
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