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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.05.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010528029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901052802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901052802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-28
- Monat1901-05
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Die Gesandten in Peking hoffen, dem „Reuter'schen Bureau" zufolge, daß noch einige Versammlungen genügen, um die noch schwebenden wichtigeren Fragen zu regeln und dem Hofe den Weg zur Rückkehr nach Peking zu ebnen. Große Bedeutung wird dem in Peking eingetroffenen Edictr bei gelegt, in dem Li-Hung-Tschang und Prinz Tsching angewiesen werde», die Verhandlungen schnell zum Abschluffe zu bringen, um dem Hofe die Rückkehr nach Peking zu ermöglichen. In dem Edicle wird Li-Hung-Tschang und Tsching gleichzeitig besohlen, den Rückzug der verbündeten Truppen zu sicher». In den Pekinger diplomatischen Kreisen glaubt man, der Hof wünsche dringend, zurückzukehren, wegen der Unbequem lichkeiten, die der Aufenthalt in Singanfu verursache. Die höheren chinesische« Beamten treffen in Peking ohne Frage Vorbereitungen zum Empfange des Kaisers. Zurückziehung der Truppen. Das GroS der verbündeten Truppen iu China wird alsbald die Rückfahrt in die Heimath antreten können, denn di« FriedenSverhandlungen sind so weit vorgeschritten, daß die Anwesenheit der fremden Truppen in Petschili nicht mehr lange Zeit nothwendig sein wird. Die Unterdrückung der neu auftretenden Boxerhaufen muß dann, wie die „Münchner Allg. Ztg." bemerkt, einfach den chinesischen Behörden überlaffen werden, und die kaiserlichen Truppen müssen zusehen, wie sie für sich allein mit ihren aufständischen Landsleuten fertig werden. Während rin Theil des jetzigen Okkupationsgebiete» der Verbündeten preisgegeben wird, bleibt für die Sicherheit der Hauptorte, wie Peking, Tientsin u. s. w., durch die zurückbleibeuden Garnisonen immer noch genügend gesorgt. Ungern werden die Wenigsten von der Okkupationsarmee Petschili verlassen. Lorbeeren waren dort kaum zu ernten, der Dienst war theilS äußerst eintönig, theilS sehr anstrengend. Auch Graf Waldersee wird nicht unzufrieden sem, wenn seine schwere, verant wortungsvolle und dabei wenig dankbare Mission beendet sein wird. Immerhin dürfte die Größe seiner Verdienste nach träglich mehr Anerkennung finde», al» r« während seines Wirken» i» China selbst der Fall war. Der soeben au« China zurückgekehrte Generaldirektor der Hamburg-Amerika- Linie, Herr Äalli», äußerte sich dieser Tage, darüber herrsche iu Ostasteu in kompetenten Kreisen, z. B. auch in franzö sischen, nur eine Stimme, daß Graf Walderste durch feine Persönlichkeit und mehr noch durch sein« außer ordentliche Gewandtheit rin Zusammenwirken der verschie denen Heerführer erst ermöglicht habe. Man sei drüben einig darüber, daß ohne Oberkommando und ohne «inen Mann wie Waldersee die ganze Action einen viel ungünstigeren Verlauf genommen hatte. Man darf sicher sein, daß dieses Urtheil späterhin weitere Bestätigung finden wird. Eigentlich ist e» schon durch den Gang der Ereignisse wenigsten» iu negativer Beziehung bestätigt worden; man be denke nur, als wie gefährlich im vorigen Sommer die Situation in China, die Abgeschlossenheit einer Armee von 68 000—70 000 Mann iu einem überseeischen Lande mit 400 Millionen Einwohner», die Zusammensetzung dieser Armee auS wehr als einem halben Dutzend verschiedener Widerstrebender und aufeinander eifersüchtiger nationaler Elemente angesehen wurde — und nun ist doch Alles ver- hältoißmäßig glatt abgegangen. Für den Rücktransport der deutschen Truppen stehen sofort zur Verfügung: der Dampfer „Krefeld" deS Norddeutschen Lloyd und der Dampfer „Palatia" der Ham burg-Amerika-Linie, die sich im Rerchödienst in den chinesischen Gewässern befinden und reichlich 2000 Mann befördern können. Auch die regelmäßigen Dampfer der ostasiatischen NeichSlinie dürften im Stande sein, ohne Beeinträchtigung ihres sonstigen Dienstes in jeder Fahrt etwa ein Bataillon zu laden, so daß, was in gesundheitlichem Interesse sehr zu wünschen wäre, diese Thcile der Truppen China schon vor dem Eintreten der heißesten Jahreszeit verlassen könnten. Für die Mehrzabl der zurückzubesörderuden Truppen wird es aller dings nvthig sein, Dampfer von Deutschland nack China zu schicken, deren Ausrüstung und Fertigstellung in kurzer Zeit erfolgen kann. Die eigentliche Tropenfahrt würde daun allerdings in der heißesten Jahreszeit slattfinden, doch hat dies gesundheitlich wenig Bedenken, da die Truppen an Bord unter allen Umständen besser untergebracht sein würden als in Edina. Nachdem das deutsche Panzergcschwaber, „Kurfürst Friedrich Wilhelm", „Brandenburg", „Weißen burg", „Wörth" und „Hela", in die Heimath abgedampft sein wird, wird unsere Seemacht in den ostasiatischen Ge wässern dauernd vertreten sein durch das Kreuzergeschwader im Verein mit den Flnßkanoneubooten. Deren Rückkehr liegt voraussichtlich noch in weiter Ferne. * Ttentfi», 27. Mai. Die vierte indische Brigade kehrt nach Indien zurück. Der Stab d«S Generals Cummins ging gestern mit dem Bekanar-Regiment von hier ab. * AuS Peking, 26. Mai, meldet das „Reuter'sche Bureau": In der gestern abgehaltenen Versammlung der Gesandten wurde die Frage der Aufhebung der Prüfungen in den Provinzen nochmal« in Erwägung gezogen. Mit Ausnahme deS englischen Gesandten waren alle geneigt, Peking bei der SuSpendirung der Prüfungen auszunehmen in der Erwägung, daß e» bei den Prü fungen in Peking sich um den Wettbewerb von Candi- baten aus dem ganzen Reiche um die Höchsten lite rarischen Ehrenstellen handle. Eine SuSpendirung dieser Prüfungen würde somit auch Candidaten aus Gegenden treffen, welche sich an den Unruhen gar nicht betheiligt hätten und außerdem daS ganze chinesische Erziehungssystem über den Hausen werfen. Der britische Gesandte war entschieden dagegen, Peking eine Ausnahmestellung zu gewähren, er rieth vielmehr, man solle China veranlassen, diese Prüfungen an einem andere« Centralpunct stattfinden zu lassen. Eine Einigung über diesen Punkt wurde noch nicht erzielt. * Peking, 26. Mai. In der heutigen Zusammenkunft beriethen die Gesandten, unabhängig von der Zahlung der Entschädi gungssumme, über die Frage der eudgiltigen Regelung. Der Krieg in Südafrika. Die „Westminster Gazette" veröffentlicht eine wohl angebrachte Kritik der amtlichen vcrtchtcrftattuns Da« Blatt meint, die Telegramme auS Südafrika gaben kein richtiges Brld der Lage daselbst, denn au- andere« Quellen höre man von Gefechten, über die officiell nie etwa» gemrldet worden sei. Zum Beispiel sei au« der am 23. Mai veröffentlichten Verlustliste ersichtlich, daß am 14. und 15. Mai bei Grobelaarrecht Gefechte stattgefunden, bei denen sechs Mann der australischen berittenen Infanterie getödtet und 11 verwundet worden seien. Aus der gleichen Liste finde mau ähnliche Verluste bei drei Regimentern, die auf Kämpfe au der Delagoa-Lioie hindeuteten. Officiell sei von keinem dieser Gefechte etwa« gemeldet worden und über haupt sei die Gesammtzahl der Verluste stet-größer, als nach den amtlichen Berichten über den Krieg zu erwarten gewesen sei. So lange biese sporadische Kämpfen fortdauere und so lange die Verlustlisten in ihrem monatlichen Total kein« Abnahme zeigten, könne man schwer den Versickerungen glauben, daß Erfolge zu ver zeichnen seien. Die jetzige Periode sei zugegebenermaßen äußerst kritisch. Entweder müsse man den Krieg vor dem AnSgang d«S Winter« beenden oder sich auf einen ueuen, langen und unbestimmten Feldzug gefaßt machen. Man habe die Hoffnung gehegt, daß die Boeren sich still verhalten würden, so lange da» Gras dürr sei, aber selbst i« dieser Erwar tung sei man, der erneuerten Rührigkeit der Boeren in der Capcolonie nach zu urtheilen, getäuscht worden. Unter solchen Umstände« könne man vernünstiger Weise von der Regierung verlangen, daß sie offen darlege, wa« eigentlich während der letzten Monate geschehen sei. Man wolle wissen, ob Aussicht vorhanden sei, i» absehbarer Zu kunft daS Heer oder einen beträchtlichen Theil desselben auS Afrika zurückzuzieben und dem noch immer trotz ofsicieller Versicherungen, daß daS Ende nahe sei, fortdauernden Ver lust au Menschenleben und Geld ein Ende zu machen. * Tapstadt, 27. Mai. Einer amtlichen Meldung zufolge Ist Scheeper'S Commando in di« Berge nördlich von Aberdeen gedrängt worden. 600 Boeren haben am 28. d. MtS., in zwei Abtheilungen südwärts marschirend, siebe« Meilen östlich von Theben die Eisenbahn gekreuzt. * London, 27. Mai. Lord Kitchener meldet au« Pretoria: Seit dem letzten Telegramme über di« Verluste der Boeren sind 63 Boeren getödtet, 36 verwundet uad 267 gefangen genommen worden, 83 haben sich ergeben. 246 Gewehre, viel Munition, 179 Wagen, jowie eine Anzahl Pferd« uud andere» Vieh wurden erbeutet. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. Mai. Da« Fest hat zwei von einander sehr verschiedene amt liche Bekanntmachungen gebracht. Einerseits ist die Rückkehr des deutschen Panzergeschwaders auS China und die Vorbereitung der Auslösung de« deutschen Ober- commando« „in Ostasien", d. h. in der Provinz Petschili, sowie der Verminderung deS ostasiatischen ExpeditionScorp« befohlen worden. Andererseits bestätigte der „Reichsanzeiger" die übrigen« nirgends bezweifelte Meldung von der Ver leihung de« höchsten preußische» Orden« an Lord Robert«, eine» der englischen Nichlbefieger, aber Quäler der Boeren. Da« zeitliche Zusammentreffen der willkommenen Nachricht, die freilich im Wesentliche» nur eine Ankündigung, keine neue Thatsache bedeutet — die Heimberufunz deS Ge schwaders war schon vorher in bestimmte Aussicht gestellt worden —, mit der Heraufbeschworung einer äußerst un liebsamen Erinnerung beruht natürlich nur auf einem Zufall. Uud «in Zufall ist t- selbstverständlich auch, daß die seit vier Monaten fällige amtliche Bekannt gabe der Auszeichnung des englischen General» mit den Festtagen de« Jahre» zusammentraf, in Vene« unbestreit bar und unbestritten am wenigsten gelesen und politisirt wird. Die Leute haben zu Pfingsten Andere» zu thuu. Der Presse steht aber nicht da« Recht zu, dir politisch« Un bekümmertheit der Festesstimmung über die Feste hinaus zu conservirrn, uud sie muß sich die Veröffentlichung de» „ReichSanzeigrrS" heute um so mehr etwa« näher betrachten, al« dir« da» amtlich - publicistische Factum den Zeitungen im Lande — das ist dte dritte Zufälligkeit — in einem Augenblick zugängig, wo nicht einmal die Mög lichkeit zu mehr als einer dürftigen Glosse gegeben war. Ueber die AuSzeicknuog de» Lord» ist natürlich nichts mehr zu sagen. Warum aber hat sich der noch uie dagewesene Vorgang ereignet, daß mit ihrer Bekanntgabe vier Monate gewartet worden ist? Wa» war da nicht in Ordnung? Etwa« jedenfalls, denn sonst erfolge« solche Veröffentlichungen un mittelbar nach der Verleihung. Wir sind uuterm ueuen Cur« an Halbheiten gewöhnt worden, aber hier lieat eine Halbheit de» Grafen Bülow vor, dir zu der dem Kanzler eigenen Neigung zur Berühmung der eigenen Consequenz herzlich schlecht stimmt. Der „Reu-Sanzeiger" untersteht dem Reichskanzler und Mimsterprästcenten. Nun hat Graf Bülow im Reichstage dir Verleihung dt» Schwarzen Adler-OrdenS an den britischen General al» «inen rein privaten Act be- zeichuet und erklärt: „Lord Robert» ist keine politische Per sönlichkeit". Wenn der Kanzler dieser Meinung in der Thal war, hätte er keine« Anstand nehmen dürfen, die alsbaldige Publicatio« auzuordnen. War er aber nicht dieser Mei nung und sprach er unter einem ihm unwiderstehlich scheinenden Drucke, so hätte er, wenn er schon weitere Consequenz«« nicht ziehen wollt« — wie BiSmarck einmal aus Anlaß einer OrdenSdecorirung, wegen der er nicht gefragt worden war, grthan — die frühere Erklärung, daß er, Graf Bülow, die Acte und Rede« de« Kaiser» decke, aus drücklich zurücknehmm oder doch erheblich emsckränkrn müssen. Statt der Wahl zwischen diesen beiden Wegen hat der Kanzler rin Verfahren beliebt, daS man iu Frankreich „ein ganz unmögliches" nennen würde. Man wird un- im Auslände deswegen nicht wenig auSlachen. Und wenn den Grafen Bülow dre« unangenehm berühre« sollte, würde er die internationale Heiterkeit uur sich selbst zuzuschreibe« haben. Seine Theorie, daß Ordensverleihungen gänzlich unpolitische Acte seien, wenn st« an „unpolitische Persönlichkeiten" er folgen, ist ganz und gar unhaltbar. Jemand kaua eine un politische Persönlichkeit gewesen sein und durch eine Ordens verleihung zu «ioer politischen werde», d. h. zu einer Persönlichkeit, die für da« öffentlich« Leben Interesse gewinnt. Zum Beispiel: Wir haben vor einiger Zeit einen Spekulanten mit dem preußischen Kronenorden II. Classe, einer hohen Aus zeichnung, decorireu sehen. Ein Spcculant ist eine unpolitische Persönlichkeit. Dieser Herr aber, vr. Esser mit Namen, wurde mit der Verleihung sofort eine politische. Er ver trat — als Speculant, der auch in afrikanischen Artikel« „machte" — bestimmte colonialpolitische Anschauungen. Die ungewöhnliche Auszeichnung, die ihm zu Theil wurde, machtedieAnderSmeinenden sogleich mobil; innerhalb und außer halb der Presse wurde Esser'« Ansicht al« die der obersten Stelle beurtheilt.und damit wird so ein Manu doch wahrlich ein politischer Manu. Der Casus Esser erbringt überhaupt einen klassische« rq Ein Engel der Finsterniß. Roman von Gertrude Warden. Lutorisirte deutsche Uebersetzung von A. Brauns. Na-dnrS vtttvlru. Im Moment, noch ehe er «ine Silbe geäußert, und sich ge bückt, daß Packet aufzuheben, hatte er den langen, schwarzen, pelzgefütertenRadmantel, dar schwarzcWollstoffkletd, die schwarze Copotte mit dem undurchsichtigen schwarzen Schleier, die in der Haue zu FranceSca'S Füßen zerstreut lagen, kurz, jede» Stück der Sachen erkannt, und überwältigend mußte sich ihm jetzt die Überzeugung aufdrängen, daß seine Cousin« und die geheimniß- volle Dam« in der Musikhalle ein und dieselbe Person wären. Er wollte ihr erst nicht in» Gesicht sehen. Ihre Stimme aber tönt« so kühl wie nur je und so süß, al» si« lhm für seine Bemühung dankt« und dabei mittheilte, daß sie der kleinen Schwester ein paar abgelegte Kleider geben wolle. „Und nachher wollen wir aleich unseren Spaziergang an treten, wenn es nicht zu spät ist , setzte sie hinzu. Sie hatte ihre Theerobe gegen «me ähnliche Gommertoikette, wie Betty am Nachmittag getragen, vertauscht, ihren schwarzen Spitzenchut aufgesetzt und «in Lüschtl hochrother Rosen in ihren Gürtel gesteckt. Sie mußt« doch wissen, sagte sich Dudley, daß er ihre Berkleivungssachen erkannt! Ader völlig unbekümmert plaudert« si« beim Hinuntergehen d«r Treppenstufen, den Pelz mantel, dm sie auf dem Arme trug, hinter sich herschleifend, Weiter üb«r die WohlthätigkeitSanstalten, die sie unterstütze. Die kleine Schwester nahm Geld und Kletpu»g»stück« unter warmen DankSäußrrungen in Empfang und entfernt« sich. Und fetzt, allein mit ihrem Cousin, drehte sich Francesca mit hoch gezogenen Braue» und verwundert fragende« Blicken nach Dudley um. „Es ist etwas vorgefallen, worüber Du Dich geärgert hast, scheint es", sagte sie. „Du siehst so mürrisch aus. Nun, waS ist denn?" „Nach dem Bootbauplah können wir morgen gehen", ent gegnete Dudley. „Begleite mich jetzt in die Palastgärten, dort können wir ungestört sprechen." Nicht ein« Silbe des Widerspruches laut werden lassend, be gleitete sie chn durch di« Thore und über die drei Höfe in di« Palastgärten, die jetzt mit den brillantfarbigen Rhododendrons und knospenden Rosen so erheiternd dalagen. Er führte sie über den Rasen nach jener Partie, wo eine Reihe hölzerner Bänke auf dem grasigen Abhange unter den breitästigen Bäumen die Aus sicht Über den ruhigeren Theil des „langen Wassers" bietet. Hier befanden sie sich ganz allein, nur einige Kinder spielten in ziem licher Entfernung am Ufer der Themse und noch weiter oben saß ein Liebespaar auf einer Bank. Entschlossen drehte sich Dudley jetzt nach seiner Cousine um und blickte ihr ins Gesicht. „Warum hast Du mir solche Lügen gesagt?" fragte er mit Strenge. „Du bist es ja doch gewesen, die ich in der Musik halle getroffen!" „Jawohl", erklärte Francesca in voller Gelassenheit — „ich war eS." „Und Du warst fähig, solche Lügen über die Lippen zu bringen?!" „Ja", wiederholte sie, „ich will mich zu entschuldigen gar nicht versuchen. Aus vielen Gründen war es mir darum zu thun, daß Du mich nicht wiedererkcnnen solltest, und ich wähnte, Leugnen sei der einzige Ausweg." „Deine gewandte Dreistigkeit ist jedoch weggeworfene Mühe gewesen", spöttelte er, „denn ich hab« Dir niemals vollständig Glauben zu schenken vermocht!" „Konnte ich wohl merken", sagte sie einfach und streckte ihr, beiden Hände aus, wie wenn sie einen ekligen Gegenstand von sich wegstoße. „Nun aber werde ich Dich nicht mehr zu täuschen nöthig Haven", fuhr sie im Ton» wahrer Erleichterung fort. „Aber ich dachte — fürchtete, Du würdest mich weniger ger» haben, wenn Du eit erführest." „Wenn tch wa» erfahre?" „Die ganze gräßliche alte Geschichte. O, runzle doch nicht die Stirn so! Ich Hao« kein« Vergangenheit hinter mir, über deren Bekenntniß ich zu erröthen hatte! Ich habe Dir nicht etwa direkte Unwahrheiten gesagt, al» vielmehr einen Theil der Wahr heit Weggelaffen. Sin» nur will ich gleich vorauSschicken: ich vin Witt»«, während Ihr Alle »lt ausgemacht angenommen habt, tch sei ledig." „Wittwe?" „Jawohl. Dabei lst doch nicht» Staunenswerthesl? Be denke doch, ich bi» fünfundzwanzig Jahr«! Al« mein Vater starb, hatte ich fast dieselbe Größe und dasselbe Ausseh«« wie fitzt, I» seh, »arten Jugendjahn» war ich grnöthigt, für meinen und meiner fchlaggelähmten Mutter Lebensunterhalt zu arbeite». Eh, ich noch das zwanzigste Lebensjahr erreicht, de- gegnet« ich i» Pen Gartenanlagen eines Hotels, wo ich mit einig«'! Schüleein»«» weilte. Pen Sohn ein«« englische» Adligen, der stch auf den ersten Blick in mich verliebte und mich durch Vorreden der glänzenden Stellung, die ich als sein« Gattin erlangen werde, zu einer heimlichen Berheirathung verleitete." „Liebtest Du ihn denn?" „Liebte ich ihn?" wiederholte sie bedächtig. „Die Frage kann ich kaum beantworten. ES giebt so verschiedene Arten der Liebe. Und er war »sehr schön. Bedenke doch, ich war noch nicht zwanzig Jahre, meine Mutter von mir abhängig, und ich mußte so an gestrengt arbeiten. Nach unserer Berheirathung reisten wir drei Jahre lang in der Welt herum, besonder» tn den großen Städten Italiens und Frankreichs, ohne Ueberlegung da» Geld ausgebend, denn er war über die Mußen verschwenderisch. Länger als an anderen Orten hielten wir uns in Rom, Baden-Baden, Monte Carlo, Paris auf, überhaupt allenthalben do, wo es Spieltische gab. Hernach reisten wir nach England; er stand aber bei seiner Familie in Ungnade." Sie machte eine Pause und richtete den Vlick vo» Dudley'» Antlitz auf den ruhig vor ihr liegenden Wasserspiegel, grün- schimmernd von dem sich darin resleetirenden Blätterwerk am Ufer oben und auf dir Enten, di« von Zeit zu Zeit au» dem Hainen Canale herausgeflattert kamen und ihre »affen Flügel aüf dem Grase aujtschüttelten. „Meine Ehe war verfehlt", fuhr sie nach einer Weile fort. „Bald wurde mein Gatte meiner müde. Ich war zu jung und unerfahren, einen Man» richtig behandeln zu können. Er trank, spielte, war untreu — und diese« letzteren Fehler konnte ich nicht verzeihen." Daß sie jetzt die Wahrheit sprech«, dagegen konnte kein Zweifel aufkommen: da» Blut schoß ihr auf di« Wangen und bi» an die Schläfen, und ein »ornige» Liryt sprüht« au» ihre» blauen Lugen. „Ich verlange nicht, daß Du mir etwa» mtttheilst, daß Dir Weh verursacht", begann Dudley; Francrtca aber that ihm durch Auflegen ihrer Hand auf seinen Arm Einhalt. „Ich aber wünsche", erklärt« sie sehr sanft — „wünsche, daß Du über mich — mein frühere» Lebe» — alle« Nähere erfährst, dann brauche» wir nie wieder auf dies«» Tapitel zurückzukomme». Meine Ehe war ganz entsetzlich unglücklich. Er — mein Mann — brauste auf, tobt«, wurde wüthend, weil ich mir nicht schwei gend »edwed« Behandlung aefallen lassen wollte, machte mir di« bitterste» Vorwürfe, weil ich kein vermögen besaß. Er w^aerte sich sogar, mick seiner Familie vorzustelün, und gab sich Mühe, jedoch ohne Erfolg, den Lewri» zu erbringe», daß unsere Sh« in Italien nicht rechttgiltig geschloffen sei. Dor drei Jahren ließ er mich in einem Pariser Hotel ohne «inen Pfennig Geld sitzen. Um meiner Mutter willen mußte ich mich »un wieder »ach Ar-rit umthun. Da» mich persönlich anbetraf, so hätte ich mit dem Dasein, da» mir so schwer zu tragen schien, am liebsten ab geschlossen." „Arme Francesca!" Sie lohnte ihm seine Theilnahme mit einem dankbaren Blicke. „Noch etwa» mehr ist zu erzählen übrig", nahm sie den Faden ihres Berichtes wieder auf. „Nicht viele Monate später trank sich in London mein Mann zu Tode, und ich war frei. Ich arbeitete, hoffte und kämpfte mit der bitteren Armuth. Don den Revels- worth'schen Vermögen hatte ich kein« Ahnung — mein Vater hatte nie etwas davon verlauten lassen. Und ich hatte auch keinen Verkehr mit seiner Familie gepflegt. Wie ich vor ein paar Mo naten nach London kam, geschah es mit dem Vorsätze, die Ver wandten meines Mannes ausfindig zu machen und meinen Stolz zu demüthigen durch die Bitt«, mir zu helfen, meine Mutter vor dem Hungertod« zu retten. Ich hatte erfahren, wo einer dieser verwandten zu finden sei, und folgte ihm — mit welchem Er- gebniß, hast Du ja gesehen!" „Dann war jener Herr in der Musikhalle —" „Der Bruder meines verstorbenen ManncS — ein Mann, der noch hartherziger und ausschweifender ist al» jener, vermittels Deiner gütigen Spende an jenem Abend — und Du warst mir doch ein völlig Fremder, wenn schon Deine Aehnlichkeit mit meinem seligen Vater mich höchlichst interesfirte — ward e» mir ermöglicht, seinem Tab eine kurz« Strecke zu folgen; doch zufällig kam er meinem Droschkenkutscher dann aus den Augen, und ich mußt« mit meiner Hauswirthin, die mich au» Gefälligkeit be gleitet hatte, »ach meinem Logit zurückkehren. Ich war mittel los, hoffnungslos, gänzlich muthlo» in Folg« de« Fehlschlagen» meiner letzten Berufung an die Familie meine» Mannes, al» mein Auge beim Aufnehmen eines ZeitungSblattes, in dem ich nachsehen wollte, ob eine Gouoernantenstell« zu finden sei, auf Tante Margaret'» Aufruf fiel. Ohne Verzug eilte ich in da» Bureau der Herren Simpson L Watt. Da» Uebrige ist Dir be kannt." „Doch nicht Alles. Warum hintrrgingft Du mich?" „Ich schämte mich meiner Ehe", gestand sie offen. „Ich habe alle Urkunden darüber im Besitz; aber seit mein Mann mich ver lassen hat, hab« ich meine» Mädchennamen wieder angenommen. Ich glaubte, die Tante würde mich einem endlosen Verhör unter- »erfin. wenn sie meine Lebenlgeschichte erführe, und sich eine völlig falsche und vorurtheilSvolle Ansicht darüber bilden. Meinst Du nicht auch, daß ich recht that?" „Wohl möglich. Warum aber sagtest Ku pff» nicht di« Mahr heit?" Francesca ließ den Kopf hängen.
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