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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.04.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000430029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900043002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900043002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Paginierfehler: letzte Seite S. 3580 statt 3582
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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DasCentrumSblatl betont den vorläufigen Charakter der Abstimmung vom Freitag mit vielem Geräusch unv kündigt an, daß seine Partei der endgiltigen, von ihr selbst beantragten Entscheidung durchaus abgeneigt sein würde, wenn die Deckungefrage nicht völlig in ihrem Sinne, also mit Einschluß einer „Erzänzungsstcuer", be antwortet werden sollte. Lermutbungea darüber, wie weit da» ernst gemeint ist, lassen sich zur Stunde um so weniger anstellen, als die CenrrumSfraction selbst erst heute über ihre endgiltige Stellungnabme in Beratbunz tritt, zu deren möglichst zablreichem Besuche der Borsitzende bat aufforbern lassen. Es ist möglich, daß die Klerikalen sich nur noch ein wenig zieren, aber es ist auch nickt aus geschlossen, baß sie ibrrn finanziell nicht nur unnölbigen, londern beinahe widersinnigen und überdies den föderativen Traditionen der Eentrumspolitik scknurstrackS zuwider laufenden Antrag auf eventuelle direkte Reichsbesteuerung nur eingedrackt haben, um bei Neuwahlen wieder einen Vor wand zu besitzen, äbnlich dem von 1887: „Jeden Mann und jeden Groschen." Ein Unterschied zwischen der Septenals campagne und einem Conflicte wegen des gegenwärtigen „Kampfes um die Sckiffe" bestände aber doch insofern, als die damals als Hinderniß ersonnene Beschränkung der Bewilligung der HeereSpräsenzstärke aus nur drei Jabre zwar vielleicht nicht mililärisch-tecknisck, aber doch wenigstens parlamentarisch technisch durckzusühren gewesen wäre, wahrend, wie hier schon bervorgehoben wurde, die Frage einer „Ergänzuugesteuer" schon aus rein äußeren Gründen vor dem nächsten Winter nicht zu lösen wäre. Sagt dock da» Centrum in seinem Anträge selbst nicht, welche Steuer eS für seinen Theil für eine annehmbare hielte. Und noch mehr: in dem Anträge ist nicht einmal davon die Rede, daß die ErgänzungSsleuer eine directe sein müsse; die Bestimmung, daß der Stein der Weisen, den die Herren Gröber und Genossen zu finden befehlen, den Massenverbrauch nickt belasten dürfe, läßt sogar theoretisch die Annahme zu, die klerikalen Finaozkünstler könnten an einen beweglichen Flottenzuscklaz auf eine invirecie ReickSsteuer gedacht haben. Wir wüßten diese Vermuthung allerdings nicht weiter auszuspinnen. Nun, daS Centrum kann die Geduld wenigstens nicht auf eine lange Probe stellen: die Entscheidung muß demnäckst fallen, wenn die Regierung nicht den letzten Nest von Vertrauen auf ihre Tbatkraft einbüßen will. Ob auch das Fleisch beschaugesetz, wie nach einer auck von uns wiedergegebenen Meldung verlautet, demnäckst erledigt werden wird, steht einstweilen noch dahin. Nickt beeinträchtigt wird die Glaub würdigkeit dieser Nackricht durch die Bctbeuerunz der „Deutsch. Tagesztg.*, daß die conservative Partei keinen Auftrag zu irgend welcken Verhandlungen mit der Regierung in dieser Sacke gegeben habe. Bielleickt bat man das der „Deutsck. Tagesztg.", die nickt von der Leitung der konservativen Partei reffortirt, auf die Nase zu binden versäumt. Auch die weitere Versicherung des Blattes, daß die dritte Lesung nicht in allernächster Zeit erfolgen werde, beweist noch nichts gegen die Richtigkeit der Meldung. Zweifelhaft siebt die Sache dennoch. Dagegen ist eS sicher, daß die Canalvorlage in dieser Tagung des preußischen Landtags nicht mehr erscheint, wa» ja auch für die Reichs politik nicht ohne Bedeutung ist. Sehr bezeichnender Weise versuchte am Freitag der Ab geordnete Singer im Reichstage Namen- der socialkemo- kra risch en Fraktion die Deraihung der nock ausstehenden Wahlprüfungen am ersten Mat zu Verbindern, indem er behaupkeie, raß an diesem Tage der Reichstag voraussichtlich bescklußunsäbig sein werde. Von welchen Gesichtspunkten er dabei in Wirklichkeit geleitet war, vcrräth daS socialvemokraiiscke Parteiblalt, indem es die Abhaltung einer Sitzung an diesem Tage al» eine G e gen m a i fei e r deS Reichstages bezeichnet. Man ist also im socialdemokratischen Lager bereits so anmaßend geworden, zu verlangen, daß selbst der Reichstag vor der socialdemokratischen Maifeier seine Reverenz macke. Der „Vorwärts" motivirt dieses Verlangen mit dem Hinweise auf die „zahlreichen religiösen und politischen Festtage", welche die bürgerlichen Parteien der Socialdemokratie aufgezwungen hätten, und stellt damit die großen nationalen unv kirchlichen Festtage, an denen die Sitzungen deS Reichstags ausfallen, auf gleicke Stufe mit einer lediglich von einer Partei dekretieren Feier. Wenn alle Parteien, die Welfen und die Polen eingeichlossen, dem Hause solche Parteifeiertage auf- nöthigen wollten, so würde die Socialdemokratie am lautesten dagegen proieftiren. Ihr Verlangen, den ersten Mai zu respcc- tiren, liefert daher zugleich einen kleinen Vorgeschmack dessen, was die bürgerliche Gesellschaft zu erwarten haben würde, wenn die Socialdemokratie wirklich zu der von ihr erstrebten Herrschaft gelangte. Selbstverständlich bat der Reichstag dem socialdemokratiscken Verlangen nickt entsprocken, vielmehr wird sowohl daS Plenum als die Budgctcommission am I. Mai tagen, und zwar gilt es, sowohl im Plenum als in der Commiision Beschlüsse von erheblicher Tragweite zu fassen. Wenn die Socialdemokraten sich nicht jeder Ein wirkung auf diese selbst berauben wollen, so werden sie also am 1. Mai auch Mitarbeiten muffen. Der „Vorwärts erklärt denn auch, die socialdemokratiscken Abgeordneten würden die Hoffnung durckkrenzen, baß durch ihre Abwesenheit reaktionäre Bescklüsse zu Stande kämen. Trotzdem ist eS nicht nnmöglick, daß sie versuchen werken, durch die auS den Ver handlungen über die lex Heinze sattsam bekannten Obstruc- tionSmittel die Aufhebung der Plenarsitzung berbeizufübren. Allein eS darf von den bürgerlichen Parteien mit B stimmt- beit erwartet werden, daß sie vollzählig am Platze sein und so einen Strich durch die socialdemokratischen Machenschaften machen werden. Gegenüber der in dem Verlangen, daß der Reichstag die Maifeier mitmachen möge, hervortreienden socialdemokratischen Anmaßung erscheint es geradezu als eine Ehrenpflicht aller bürgerlichen Parteien, dafür zu sorgen, daß am k. Mai der Reichstag beschlußfähig bleibt, auch wenn die Socialdemokraten streiken. Die ,^LvS-von-Rom"-Bewegung in Oesterreich sckreitet noch stetig fort. In Teplitz wurden am l. April 46 Personen in die evangelische Kirche ausgenommen. Die Mebrzabl war aus Turn. Die Zahl der seit Jahresbeginn erfolgten Ueber- trilte beträgt gegen 150. In Trebnitz, wo am 3. April 1899 der erste evangelische Gottesdienst stattgefunden bat, ist es stetig vorwärts gegangen. Dem ersten Gottesdienst wohnten vier Evangelische bei. Jetzt sind bereit- 30 evangelische Kinder schulpflichtig. Schon im December vorigen Jahres hat die Prediglstation Trebnitz einen eigenen Vicar gewählt, dem die Gemeinde Netluk da» Bürgerrecht gewährt bat, aber noch ist seine Bestätigung nicht erfolgt. In Mvdtan, Schallan, Wisterschan fanden allgemein ergreifende OsterzotteSvienste statt. ES sind dies Dörfer am Fuß des Mittelgebirges. In Graslitz predigte (wie schon gemeldet) am 2. Osterfeiertag unter großem Zulauf aus EraSlitz und dem benachbarten sächsischen Klingentbal Pfarrer Krehcr auS Zwickau. Der Eindruck der Predigt war mächtig. Auch unter den Tschechen scheint eine bei der Tschecheufreundlickkeit des katholischen Klerus allerdings kaum aussichtsreiche Abfallbewegung von Nom sich bemerkbar zu machen. Aus Prag wird gemeldet: Am 23. d. MlS. sollte in einer Versammlung auf dem Markiplatz zu Nachod der tschechische Pfarrer Jsckka sprechen. Die Veriammlung wurde behördlich untersagt. Pfarrer Jichka vertritt einen antirömischen, tschechisch-nationalen KaibolicismuS. Die Zahl der Altkatboliken in Mährisch- Schönberg ist auf 120 gestiegen. In Mügsttz (Mähren) wird am 29. ds. Pfarrer Hoffmann auS Tost, Oderschlesien, einen evangelischen Gottesdienst hallen. Den Glaubensgenossen daselbst wurden von einem Gönner der Bewegung im Reich 200 zur Anschaffung eines Harmoniums geschenkt. — Aus dem Mürztbal wirb der „Ostd. Rdsch." berichtet: Der Bau der evangelischen Heilandskirche ist in den letzten Wochen ein gutes Stück vorwärts gekommen. Eine Generalversammlung der evan gelischen Gemeinde bat beschlossen, die Ausarbeitung der Pläne dem Architekten Steinhofer in Wien zu übertragen. Für Mitte Juni kann die Feier der Grundsteinlegung in sichere Aussicht genommen werken und im Spätherbst dürfte die Einweihung der ersten Kirche in den Alpenländern erfolgen, die ihre Enistebung der Los-von-Rom-Bewegung verdankt. In den letzten Monaten sind 21 Personen im Mürzthal in Vie evangelische Kirche ausgenommen worden, am letzten Sonntag wieder sechs in Bruck a. d. M. Auch in dieser Stadt regt es sich gewaltig, und die Errichtung eines eigenen Betbauscs wird bald auf der Tagesordnung stehen. In Leoben, wo am Sonntag nach Ostern von Senior Kotschh aus Wald wieder ein evangelischer Gottesdienst gehalten und 4 Personen in die evangelische Kircke ausgenommen wurden, genügt der Betsaal der stets wachsenden Gemeinde nicht mehr. Man denkt auck hier an den Bau eines Gotteshauses. Am Ostermontag fand in Kufstein wieder ein evangelischer Gottes dienst statt, der besonders zahlreich besucht war. — Im April best seiner Zeitschrift „Heimgarten" bringt Rosegger wieder einige Beiträge zur gegenwärtigen Bewegung. In einem Aufsatz weist er an der Hand der biblisch n Ur kunden nach, daß der Cölibatszwang im Widerspruch steht mit dem ursprünglichen Christenthum. In einem weiteren Aufsatz: „lieber das Bibellesen" bekämpft er das Verbot des Bibellesens in der römischen Kirche. Was man beim einfachen Volk von religiösen Dingen in Folge dieses Verbots weiß, faßt Rosegger in die Worte zusammen: „daß man am Freitag nicht Fleisch essen soll. Laß mau bei der Herz Jesu-Andacht einen Ablaß gewinnen und diesen für die armen Seelen im Fegfeuer aufopfern kann, und daß Martin Lulher ein Höllenbraten ist. Das weiß Jeder, der die katho lischen Vorträge besucht." Vom biblischen Christenthum nichts. Li Hung Chang bat, wie aus Hongkong geschrieben wird, die kühnsten Erwartungen, die in ihn gesetzt wurden, als seine plötzliche und überraschende Ernennung zum Vice- könig von Canton erfolgte, bei Weitem übertroffen, und seinen Ruf als energischer unv rücksichtsloser Verwalter seit langer Zeit jetzt wieder einmal auf da» Glänzendste gerecht fertigt. Seine Hauptaufgabe in Canto« war, neben der Herstellung des Einvernehmens mit den Franzosen, vor nehmlich die Unterdrückung der Piraten, und seit der kurzen Zeit, die Li in Canton wallet, ist schon ein heilsamer Schreck in die Bande gefahren. Seine Justiz zeichnete sich in erster Linie durch Schnelligkeit aus, daneben durch eine Strenge, um nicht zu sagen Grausamkeit, die dem, der die Piraten nicht kennt, leicht al» übertrieben erscheinen kann, in Wirklichkeit aber das einzige Mittel war, um etwas gegen sie auSzurichten. Li hält seine Beamten in Einem fort in Athem; wer Piraten fängt, wird belohnt, wer sie entwischen läßt, wird bestraft. DaS hat gewirkt, und die drei am meisten gefürchteten Banditenführer, Au San, Fo Tsan Hoi und Kin Liu, haben einen solchen Respekt vor dem Allen bekommen, daß sie das Feld ihrer Wirksamkeit wo anders hin verlegten. Sie sollen sich in den Bergen verborgen halten, aber Li läßt ihnen keine Ruhe und hat Truppen hinter ihnen her gesandt. — Die Bewohner von Canton, Curopäcr und Eingeborene, fangen an, den allen Herrn persönlich lieb zu gewinnen, er ist immer noch der kluge Denker wie früher, was die Cantonesen zu ihrem Leidwesen insofern erfuhren, als er einige neue Wege fand, um Gelder für den immer nothleidenden Hof in Peking zu beschaffen. Besondere Ehre ist ihm kürzlich widerfahren, indem ihm die Insignien des „Doppelten Drachen" verliehen worden sind, e« ist bas eine Auszeichnung, die sonst ausschließlich für Mitglieder einer kaiserlichen Familie reservirt ist. Der Krieg in Südafrika. Roberts verproviantier Bloemfontein, ein weiterer Beweis dafür, daß es sich bei den gegenwärtigen Operationen nicht um den Bormarsch gegen Pretoria, sondern lediglich um eine dem englischen Feldmarschall aufgezwungene Bertheidigungsmaßregel handelte. Der Correspondent der „Morning Post" bemerkt ausdrücklich: „Sehr befriedigende Fortschritte sind während der vergangenen Woche im Aufstapeln von Vorräthrn gemacht worden; unser Provianipart macht jetzt einen ganz respektablen Eindruck. Die Aussichten auf einen allgemeinen Vormarsch werden günstiger." Hätte dieser Bor marsch durch die gegenwärtigen Operationen bereit» seine Ein leitung oder auch nur sein Vorspiel gefunden, so würde sich dieser, vom englischen Standpunkte aus betrachtet, bisher gut informicte Correspondent jedenfalls weit thatenfreudiger aus gedrückt haben. Uebcr das Ergebniß des Marsche» auf de Weis Dorp und Tabanchu drückt sich derselbe Correspondent ebenso vorsichtig wie bescheiden, um nicht zu sagen kleinlaut aus, indem er den ganzen Erfolg desselben in die wenigen Worte zusammen faßt: „Der Feind ist über die Wasserscheide in da» Thal deS Caledonflufses gedrängt worden und rückt jetzt mit bedeutender Eile nordwärts. Der Druck auf die isolirte Streitmacht hat überall nachgelassen." Diese isolirte Streitmacht ist offenbar die von Wepener-Jammersberg Furth, von der wir immer nock nicht Positives gehört haben, ebenso wenig wie irgend welche weiteren Nachrichten über die Lage der Generäle Brabant und Hart und ihre Truppen eingetroffen sind. Dagegen deuten die Meldungen über das Erscheinen eine» Boerencommandos bei Bethulie auf der Straße von Smithfield (demselben Bethulie, wo die neue Eisendahnbrücke eben eröffnet werden sollte), sowie des Marsches einer ungenannten englischen Division von de Wet» Dorp auf Smithfield darauf hin, daß SI Die Herdrillgeu'ö. Novelle von Hedda v. Schmid. Nachdruck »^b»Ien. VH. Aus Jfa'S Tagebuch. Den 20. August 18 . . Heute Morgen stand ich lang« auf der Düne und konnte mich nicht satt sehen am Meere. Ob wohl alle Menschen Gott so recht aufrichtig Dank sagen, wenn eS ihnen vergönnt ist, seine erhabenen Schöpfung-wunder zu betrachten und dabei voll DaS Bewußtsein zu habe«, Mensch zu sein, d. h. begabt zu sein, sich an Schönem, Herrlichem, Gewaltigem zu freuen. Lin Thier faßt ja kein Wunder der Schöpfung. Marie Charlotte würde meine Gedanken gewiß überspannt schelten und e» für Zeitverschwenidung an sehen, daß ich dieselben meinem Lagebuche anvertraue. Ich komme mir undankbar und schlecht vor, daß ich jetzt so oft an Marie Charlotten's Wesen deutle und find«, daß mir Biele» an ihr unbegreiflich ist. Un begreiflich vor allem Andern ihre Abneigung gegen Ivar. Wa» hat er ihr gegenüber verbrochen? Man kann kaum höflicher sein, wie er e» gegen Jedermann ist. Immer Ivar und wieder Ivar — auf jeder Seite merne» Tagebuch«» steht wiederholt sein Nam«. Wi« könnte e» auch ander» sein? Mit uoau»löschlich«r Schrift steht Ivar in meiner S«el« geschrieben leuchtend, durch keinen auch noch so leisesten Schatten verdunkelt. Hätte ich e« wohl vor wenig Wochen geahnt, daß ich diesen Mann, dessen erster Anblick mir Zagen und Scheu einflößte, so grenzenlo» kiebrn würde? Ob er e» ahnt? Ob sich ein unsichtbare» Band von meiner Seele zu der seinen spinnt? Ich weiß «» nicht — allein ich glaub« — ich hoff« «» Den 22. August. Die Blätter der Linden werden schon gelb und fallen immer dichter zur Erde. Der Herbst beginnt. In unserem Hause ent- wickelt sich ein« fieberhafte DHLtigkeit — eS wird zu Walburga'» Hochzeit gerüstet. Am 4. Oktober soll letztere stattfinden. Ich werde natürlich Brautjungfer fein. Wie gern ginge ich an Ivar'» Arm im HochzeitSzuge, aber Marie Charlotte sagt, ich müsse einen von Arnold'» Vettern -um Marschall haben; da schickte sich so und nicht anders. Ivar stünde uns überhaupt viel zu fern, um chn zu sehr zur Familie heranzuziehen. „Dafür wird er auf meiner Hochzeit Marschall sein", sagte Edi, der dabei war, als Marie Charlotte ihr« Ansicht sehr be stimmt äußerte und Papa ihr beipflichtete. „Ivar Tordal ist mein bester Freund, ein Prachtkerl", fuhr Bruder Edi fort, „ich scheere mich den Kuckuck um alles Ceremoniell." Papa lacht« und meinte: „So gefällst Du mir, Junge, auch ich hasse von jeher alle Ceremonien." Aber das hilft mir ja nichts — Ivar wird trotzdem nicht mein Marschall sein. Marie Charlotte hat ja gewiß recht. Ich schäme mich, daß ich ihr trotzdem ein "wenig gram bin, obzwar ich weiß, daß sie nur mein Bestes im Auge hat. Nein — nach wie vor will ich ihr blind vertrauen. Sie hat so unendlich viel für mich gethan — mich die selige Mama nie vermissen lassen. Si« blickt mich jetzt oft so forschend und dabei so kummervoll an. Es ist, als erwarte sie von mir «in Geständniß. Soll ich ihr beichten, daß ich Ivar Tordal über Alles in der Welt liebe? Nein — nimmermehr, ich thu's nicht! Keinem Menschen kann ich r» gestehen, nm diese stummen Blätter hier wissen darum. Gestern war Onkel Gregor bei unS; wir gingen lange zu Zweien im Lindengang auf und ab und sprachen Mancherlei. Wir berührten auch ernster« Themata — ich schreibe nächsten» mehr darüber — für heute ist'S genug — Mari« Charlotte ruft ungeduldig nach mir, ich soll ihr beim Obstschalen helfen. Den II. September. Arnold'» Großmutter ist plötzlich gestorben, und deshalb wird Walburga ohne Sang und Klang aus unserer Mitte scheiden; der Polterabend wird nicht, wie eigentlich beabsichtigt war, groß- artig gefeiert werden. An einig«» sinnigen Ueberraschungen wird «» trotzdem nicht fehlen. Käte wird als altdeutsche Hautfrau austreten und einen Schlüffelschrank — die Majorin fertigt eine Stickerei zu demselben an — überreichen, und dann komme ich mit «in«m frischen Myrtenkranz und sag« mein Sprüchlein. Willmann hat die Brrse geschmiedet — so dick und phleg matisch er ist, er besitzt dennoch ein« poetisch« Ader, man sollte die» bei ihm nicht suchen. Ivar hat einen Hochz«itsmarsch com- ponirt, den er Vorträgen wird. Ihm sieht man'» auf den ersten Blick an, welch begabter, gottbegnadeter Mensch er ist, welch «in G«niuS ihn beseelt. Aber getanzt soll nicht werden, weder am Polterabend, noch am Hochzeitstage. „Eine stille Hochzeit! Pfui, wie gräßlich langweilig!" rief Käte, al» sie davon hörte; „die alt« Frau v. B«rnitz im Himmel — Gott habe sie selig — wird's ihrem Enkel auf Erden auch nicht gerade übel nehmen, wenn er an seinem Hochzeitstage einen flotten Walzer tanzt." „Sprich doch nicht fo gottlos", bemerkte Mari« Charlotte ver weisend. Käte that sehr piquirt: „Ich bin nun einmal keine Heilig«", erwiderte sie spitz, „auch keine Scheinheilige. Ich rede, wie mir der Schnabel gewachsen. Du mußt mich schon fo verbrauchen, wie ich bin, beste Schwägerin. Gut, daß Dein Bruder mich anders beurtheilt, als wie Du es gewöhnlich zu thun pflegst, und wie er über mich denkt, darauf kommt es doch am meisten an." Das war «in kleiner Hieb, welcher Marie Charlotten galt. Die Briden mögen einander leider nicht. Käte sieht nicht Mari« Charlotten's Werth und Marie Charlotte ärgert eS, daß Käte oft so oberflächlich ist, und daß die Majorin uns Her dringen's all« miteinander so recht von oben herab behandelt. Sie findet das vornehm, eigentlich ist es aber drollig, wenn sie sich Airs giebt. Ich nehme es ihr ja auch nicht übel, wenn sie solch ein« protectorhafte Miene mir gegenüber aufsetzt — sie meint » im Grunde gewiß nicht schlecht. Ich stehe mich mit Käten recht gut. Heute saßen wir beide — Käte schenkt uns ihren Besuch «in paar Tag« lang — in meinem Stübchen und plauderten gemüthlich. Ich mag si« doch sehr, denn daß Edi sie lieb hat und sie ihn, ist ja die Hauptsache, und wenn si« ihn glücklich macht, so müssen wir, seine Schwestern, si« schon deshalb in unser« Herzen schließen. Käte erzählte mir viel von ihrer besten Freundin, welche verwaist ist und bei ihrer strengen, bigotten Pflegemutter ein freudlose», ttaurige» Leben führt. Wie sehr leid thut mir diese arme Lola Berting! Käte, di« sehr hübsch zeichnet, besonders mit Kohle sehr ähnlich portätirt, will mir nachher «ine Skizze von ihrer Freundin entwerfen. Ivar kommt heut« Abend hierher nach Herdringen. Edi hat ihn und sich angemeldet. Ich muß noch schnell in di« Noten de» Du«tt» blicken, da» Ivar neulich brachte. Er hat das Duett selber componirt — ich vermuth«, auch den Text gedichtet. Am Schluß des Liebes heißt «»: Ein Glück — ein unsagbar großes ich fand, Ich weiß, daß Du mein bist mit Herz und mit Hand. Wie singt Ivar dies doch so bezaubernd! O Gott, da» Leben ist wonnig für mich — möchte «» ewig so bleiben — ewig bi» in m«inen Tod heißt da», denn im Leben ist ja nichts ewig. . . . Jeder Tag, jede Stunde ist voll goldigen Sonnenschein». Wie ben«iden»werth bin ich im Ber ¬ gleich zu Kätens Freundin, der armen Lola. . . . Wenn ich mit Ivar zusammen bin, komme ich mir wie verzaubert vor ich weiß ja nicht, ob er mich liebt — ich frag« auch nicht darnach; ich liebe ihn, und dies Bewußtsein macht mich unsäglich glücklich. Darfst mich niedre Magd nicht kennen. Hoher Stern der Herrlichkeit Jedes Wort, das von seinen Lippen kommt, ist klug und gut. Heute Abend saßen wir alle im Kaminzimmer um die Lampe. Käte zeichnete eifrig; man durfte nicht auf ihre Arbeit blicken, ehe sie di«s«lbr vollendet. Endlich hielt sie da» Blatt Edi hin. „Nun — ist's ähnlich?" „Aber sprechend. Deine reizende Freundin, wi« sie l«ibt und lebt. Ich bin stolz auf Dein Talent, mein Herz." Das Blatt wanderte von Hand zu Hand, und Edi strahlte, als die Geschicklichkeit seiner Braut Anerkennung fand. Ick muß sagen, ich finde Lola Berting entzückend — schon im Bilde entzückend. Und dieses soll nicht geschmeichelt sein, sagen Edi und Ivar. Di« lebendige Lola muß Jedermann noch viel anziehender er scheinen. Ich sprach diesen Gedanken au» — und Ivar, der das Blatt gerade in seiner Hand hielt, blickte mich freundlich an und sagte: „Sie freuen sich so aufrichtig am Liebreiz einer Ihrer Mitschwestern, das ist hübsch von Ahnen." „Glaubten Si« vi«ll«icht, ich könnt« Neid empfinden auf die Schönheit dieser Lola? Ich möchte Kätens Freundin auch gern di« mein« nennen, ihre Skrlaffenheit erweckt mein« wärmste Theil- nahmr", erwiderte ich. „Fräulein Berting gleicht flüchtig meiner seligen Mutter, von der ich ein vorzügliche» Pastellbild besitze", bemerkte Ivar. „Begegnest Du ihr nicht öfter im Hausflur oder auf der Treppe?" fragte Edi. „Sie ist ja die Pflegetochter Deiner Hau»wirthin." Ivar schüttelte den Kopf. „Ich habe Fräulein Berting nur ein einziges Mal sekunden lang gesehen, gesprochen habe ich sie ni«." Jetzt beneide ich dies« Lola doch um etwa» — sie wohnt mit Ivar unter ein und demselben Dach«. VIII. E» ist Walburga'S Polterabend. Nur der engste Ver wandten- und Bekanntenkreis der Familie ist auf Herdringen versammelt — der Trau«r halber ist ja von ftglicher größer«n Festlichkeit keine Rede. Walburga ist ernst und weich gestimmt, in ihren Augen liegt ein« W«lt von Glück.
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