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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.04.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000430029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900043002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900043002
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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im des 't als die SS72 dort unten Noch fliegrnd'e Colonntn Vit Föderirten den Eng« liindern zu schaffen machen. Man wird deshalb gut thun, sich den gemeldeten Rückzug der republikanischen Hauptmacht nicht als «ine vollständige und endgiltige Räumung des UiidostenS des Freistaates vor zustellen. Allev scheint vielmehr darauf hinzudeuten, bah ledig lich General Gradier mit seinen 6000 Mann oder der Haupt masse derselben auf die Linie Lrandfort, Wynburg, Senekal, respektive in der Richtung auf dieselbe langsam zurückfällt, während D«l« r«tzmit seinen 2000 Mann in kleinen fliegenden Commander die englischen Colonnen belästigt und ihre Com- municationSlinie nach Kräften zu stören fortfährt. Offenbar find selbst die hervorragendsten britischen Militärlrititer dieser Ansicht, denn sie sprechen übereinstimmend jetzt plötzlich von der Nothwendigkeit, „sämmtliche strategischen Punkte und größeren Orte des Freistaates durch genügend starke Truppenkörpcr zu besetzen, um eine Wiederkehr der eben erlebten Boeren- invasion unmöglich zu machen und den unterworfenen Frci- paatlern das Weiterkämpfen zu verleiden". Von Thabanchu heißt es ja schon, es solle „seiner strategischen Wichtigkeit wegen" besetzt gehalten werden. Dazu würde natürlich ein ganz wesent licher Theil der RobertS'schen Truppen nöthig sein, was wiederum eine weitere Schwächung der englischen Offensivkraft bedeuten würde. Die Division Pole Carens ist am 28. früh wieder kn Bloemfontein eingetrofsen, em Beweis, daß daS gesteckte Ziel des Boerenfanges doch nun einmal nicht zu erreichen und die Bewegung auf Thabanchu ein nicht weiter fortzuführender isolirter Act ge wesen ist. Die Boeren sind verschwunden und nur östlich Thabanchu zeigt sich noch eine Abtheilung, welche es aufgeben wird, die Engländer in kleinen Gefechten zu be schäftigen, sobald sie erfahren hat, daß daS Gros der Boeren in Sicherheit ist. Ucbrigens hatten die Engländer sich mit der Annahme geirrt, die östliche Vorstadt von Thabanchu werde von den Boeren noch gehalten. Als sie in den Ort einrüäten, fanden sie nur zwei Boeren dort. Alle übrigen hatten sich ostwärts zurückgezogen. Es sind (nach dem „Manchester Guardian") mehr Boeren im südlichen Freistaat, als allgemein angenommen wurde, aber das Land ist so ausgedehnt, daß ihre Verfolgung etwas dem Haschen nach einem Irrlicht gleicht. Wir werden, sagt das Blatt, unser Bestes thun, da wir wissen, daß das Fangen aller Boeren in diesem Distrikte eine fühlbare Wirkung auf die Fortsetzung des Krieges auSüben würde. Nach einer englischen Mittheimng haben die Boeren von der Maschinerie der Wasserwerke einzelne feine, unentbehrliche Theile entfernt. Ein Ingenieur kam eigens dazu aus Pretoria. Ein anderer Ingenieur, der sich bei den Boeren befand, als diese die Wasserwerke besetzt hielten, äußerte, die Boeren seien zum Wider stände entschlossener als je. Sie haben ein aeuesSystem eingefllhrt, wonach von zehn Leuten immer nur einer aus Urlaub abwesend ist. Dadurch soll verhindert werden, daß die Boeren sich, wie bisher, ohne Urlaub entfernen. Es soll sogar vorgekommrn sein, daß über 400 Mann, welche die Straße nach Bloemfontein bewachten, am Abend, ehe Lord Roberts heranrückte, auf gemeinsame Verabredung nach Hause gingen. Wie gründlich die Boeren die Engländer getäuscht, zeigt, so schreibt man uns aus London, die Vormarschroute Generals French. Er hatte bekanntlich von General Roberts den Auftrag erhalten, unter allen Umständen den Föderirten den Weg zu verlegen und ihnen den Rückzug abzuschneiden. Als ihm oas an der Modderfurth nicht geglückt war, hatte er sich logischer Weise sofort gen Thabanchu wenden müssen, aber er glaubte den Feind noch ruhig in Dewetsdorp und machte eine Umgehungs- Bewegung uni einen nicht mehr vorhandenen Feind, um so erst Dienstag Abend in Dewetsdorp einzutreffen, nachdem dieses be reits am Montag von den Föderirten geräumt und von General Chermside am Dienstag Morgen besetzt worden war. Wie sich heute herausstellt, traf General Louis Botha selbst am Montag früh in Dewetsdorp ein und ordnete den Rückzug sämmtlicher Föderirten-Corps auf der ganzen Linie bis hinunter nach Wepener an. Jetzt begannen die Engländer das, was Londoner Blätter die „wilde Jagd" hinter den Boeren her nannten. Es galt, um jeden Preis vor den Föderirten in Thabanchu ein zutreffen und ihnen die Straße nach Ladybrand zu verlegen, nach welcher ihr eigentliches Hauptcorps, von Wepener kommend, heraufzog. Aber obwohl Dorrien's Hochländer-Brigade an drei aufeinander folgenden Tagen sich in Parforcemärschen er schöpfte, Hammilton seine berittene Infanterie aufs Aeußerste anspornte und French Nacht und Tag durchritt, um seine beiden Cavallerie-Brigaden rechtzeitig wieder von Dewetsdorp nach Thabanchu heraufzubringen, versuchte doch der zuerst das kleine Oertchen erreichende General Hammilton nur einige Schüsse auf weite Entfernung mit der Nachhut der Föderirten zu wechseln. Deren Hauptcorps hatte längst jene Höhen erreicht, welche die Straße nach Ladybrand beherrschen, und von einem Abschneiden oder auch nur Festnageln des Feindes konnte keine Rede mehr sein. Daß dieser selbst nicht entfernt so stark gewesen, als bisher nicht nur die englischen Zeitungen berichteten, sondern auch General Roberts selbst angegeben, lag längst auf der Hand. Jetzt aber kommt aus dem englischen Hauptquartier selbst die recht ernüchternde Meldung, daß die gesammte Zahl der im Freistaat openrenden Föderirten 8000 Mann nichk überschreit«. Diese hätten aus zwei Corps bestanden. Das Hauptcorps, 6000 Mann stark, in verschiedenen Commandos, unter Olivier, Dewet, Cronje surr-, Villiers und Froneman, unter dem Oberkommando Grobler's, hätte die Aufgabe gehabt, die Hauptpositioncn parallel der Eisenbahnen zu besetzen, vor Allem aber die Generale Brabant und Hart daran zu hindern, daß sie ihrerseits die Ein bringung und Wegführung der Ernte störten, was auf der Straße nach Ladybrand, der Basutogrenze entlang, zu geschehen hatte. Daher das wiederholte Zurückwerfcn Brabant's und Hart's und das Einschlüßen der Garnison Dalgety'ü in Wepener und des größeren Theils der Brabant'schen Truppen an der Jammersberg-Furth. Zwischen diesen, die strategischen Höhen- puncte haltenden 6000 Föderirten und der englischen Hauptarmee resp. der Eisenbahnlinie operirten 2000 Mann unter Dclarey als fliegendes Corps mit der Aufgabe, die englischen Truppen zu beschäftigen und über den eigentlichen Zweck der Boeren im Un klaren zu erhalten. Diese 2000 Mann führten überhaupt keinen Train, Wagen u. s. w., mit sich. Jeder Reiter trug in seiner Satteltasche Proviant für acht Tage und wurde nach Ablauf dieser Frist durch einen anderen ersetzt, welcher mit frischem Proviant in dessen Platz einrückte. Diese 2000 Mann Delarey's lösten sich in einer Reihe kleinerer Commandos auf, die nun Bloemfontein umschwärmten und bald hier, bald dort an der Bahnlinie erschienen. Mitte April war die gesammte Ernte eingebracht und der dieselbe führende riesige Wagenzug über Ladybrand hinaus in Sicherheit. Am 22. April trafen bereits die ersten 750 Erntewagen in Kroonstadt glücklich ein Sobald daS geschehen, gab Botha den Befehl zum langsamen Rückzüge der Haupt truppen Grobler's, welcher am 21. April begann. So er klärt sich auch der aus Mafeking bereits Anfang der Woche ge meldete Vormarsch einer mächtigen Boerencolonne, welche zwei Tage gebraucht habe, um über den Caledonfluß zu kommen. In Sanas Post am Leeuwkop und Paardetraal, wie in Dewets dorp standen nicht die Hauptcommandos Grobler's, sondern lediglich Abtheilungen der fliegenden Colonne Delarey's, be stimmt, die eigentlichen Operationen des Hauptcorps zu ver schleiern. So erklärt sich auch, daß an den genannten Stel lungen von den Föderirten nur wenige Mitrailleusen („Pom poms") in Action gebracht wurden. Sie führten eben weder Train, noch schwere Geschütze mit sich. Zur Lage in Natal berichtet, wie schon turz erwähnt, der Correspondent des „Daily Telegraph": „Die Boeren treffen Vorbereitungen, um den Winter in Natal zu verbringen. Sie ziehen von den Kaffern des occupirten Gebietes die Hüttentaxe ein, bringen ihre Viehheerden nach Natal herunter auf die Winterweiden und haben die Kaffern benachrichtigt, daß sie das Gras für ihre Thiere gebrauchen. Die Eingeborenen müssen für sie arbeiten oder sich südwärts des Sonntagsflusses zurückziehen. Sie legen im Norden von ElandslaagteneueBefe st ig ungenau und befinden sich, 12 000 Meter von der Station und den Kohlengruben, außer halb des Bereichs unserer Geschütze." Das klingt ganz so, hätte General Buller jede Hoffnung aufgcgeben, demnächst Offensive ergreifen zu können. Erlebnisse eines Deutsche» aus dem Kriegsschauplätze Lranje-Areiftaat. * Montreal (Canada), 17. April. Ein bei den C a n a d i e r n stehender Deutscher schreibt über den Marsch von Paardeberg bis Bloemfontein wie folgt: „Drei englische Soldaten und meine Wenigkeit blieben bei einem Halteplätze auf Ordre ein paar Stunden zurück und wurden später von einem berittenen Boeren falsch, wahrscheinlich nicht absichtlich, unserer Brigade nachdirigirt, so daß wir diese erst nach einem dreitägigen Herumirren wieder an trafen. Wir haben in der Zeit manche Boerenfarm, manchen Kaffernkraal besucht und sind gut ausgenommen und anständig behandelt worden. Eines Tages, gerade um die Stunde, wo andere Leute, wie englische Soldaten, ihr „Lunch" einzunehmen pflegen, stießen wir auf eine hübsche Farm, auf der die weiße Fahne wehte; vorsichtig, wie unter den Verhältnissen nöthig, näherten wir uns, das Gewehr stets fertig, dem vor der Thür stehenden Farmer, der uns ängstlich erwartend anblickte, uns aber auf die höflichste Bitte, uns Wasser und Essen zu geben, sofort in die gute Stube führte, wo wir von der Hausfrau mit einem Mittagessen erfreut wurden, das uns weit besser mundete, als das feinste Diner im Montrealer „Windsor" — bedenkt man, daß wir seit dem 15. Februar bis jetzt, also fast einen Monat, weiter nichts zu essen bekommen haben, als per Tag ein paar Biscuits, etwas Kaffee und Rum, und nun fuhr da die gute Boerenfrau — Oo6 Klos der — vor uns total Aus gehungerten auf: Spiegeleier, frisches Brod und Butter (seit langer Zeit eine unbekannte Größe), Cotelettes, Beefsteaks, Kuchen, Wassermelonen, Honig und Syrup und zum Herunter spülen einen guten Tropfen alten Schiedam! Ich sage Euch, das war ein unvergeßlicher Tag, und eingehauen haben wir, noch besser wie bei Paardeberg, dann aber unter herzlichsten Dank sagungen von den braven Leuten Abschied genommen; mein Deutsch kommt mir jetzt oft gut zu Statten. Abends trafen wir auf einer anderen Farm ein, wo schon vier ebenfalls Deutsches Reich. ^verkitt, 29. April. (Die WaarenbauSangestellten beim Finanz Minister.) Heule Vormittag empfing der Finanzminister von Miquel eine Deputation derWaaren- Hausangestellten, die ibm ihre Einwendungen gegen das Gesetz, betreffend die Besteuerung der Waarenkäuser vorirug. Herr von Miquel hörte die Ausführungen dieser Herren aufmerksam an und erwiderte darauf in längerer Rebe, daß er durchaus davon überzeugt sei, die WaarenbauSsteuer werde eine wesentliche Besserung in der Lage des Klein handels nickt herbeifübren. Er hoffe jedoch, daß durch einen vorläufigen Stillstand in der Entwicklung der Waarenkäuser dem Kleinbandel Zeit gelassen werden könne, sich in den veränderten Verhältnissen zurecht zu finden, er empfabl, den Kleinhändlern als wirksamstes Mittel die Selbsthilfe in Form von Genossenschaften u. dgl. Er er klärte ferner, daß dem Priocip einer Besteuerung nach dein Umsatz auch bei der Regierung Bedenken entgegenständen und daß diese Form nur darum gewählt worden sei, weil der auf anderen Grundlagen beruhende frühere Gesetzentwurf wegen des allseitigen Widerstände», den er gefunden, keine Aussicht auf Annahme gehabt habe. Er betonte, baß die Folgen der WaarenbauSsteuer noch nickt vorher zu sehen seien und daß dieselbe ge wissermaßen als Versuch zu betrachten wäre, welcher die Communen zu einer Reform der Gewerbesteuer ver anlassen dürste. Der Finanzminister erklärt schließlich zuletzt, daß bei dem jetzigen Stande der Verhandlungen an eine Zurücknahme des Gesetzes nicht mehr zu denken sei, es wäre ibm aber doch von Interesse gewesen, durch die Deputation über die Lage der Angestellten in den Waaren- häusern Näheres zu erfahren. Nackkem die Audienz über eine Stunde gedauert, überreichte die Deputation dem Finanz minister eine Denkschrift, in der sie ibre Bedenken gegen die WaarenhauSsteuer niebergelegt hat. (Berl. Tgbl.) * Berlin, 29. April. Eine für die Großconfec- tionsfirmen schwer wiegende Entscheidung bat der Oberpräsident der Provinz Brandenburg getroffen: Nach tz 1005 der Gewerbeordnung sind vom InnunHszwang alle Diejenigen befreit, welche das Gewerbe der Innung fabrikmäßig betreiben. Die Berliner Schneider- Innung batte nun eine Reihe von Großconfectio- nären, darunter die bekannte Firma Adam in der Leipziger Straße, den ZwangSinnungSmitgliedern zugerechnet, wogegen diese protestirten und die Entscheidung der Aufsichtsbehörde anriefen. Die Gewerbedeputation des Magistrats entschied dahin, daß jene großen Firmen, weil sie das Schneider gewerbe fabrikmäßig betrieben, der Schneiderinnung nicht zugezäblt werden könnten. Diese Firmen arbeiten mit Zwisckenmeistern, die ihrerseits die Lieferungen durch HauS industrielle ausfübren lassen; daneben kalten sie freilich auck eine Werkstatt im Hause, in der einige Zu schneider, Arbeiter oder Arbeiterinnen — meist nur für Muster- und bestellte Sacken, Abänderungen und Re paraturen u. s. w. — beschäftigt werden. Dieser Um stand veranlaßte die Innung, gegen die Entscheidung der Gewerbedeputation Beschwerde beim Oberpräsidenten zu er- beben, der gemäß tz 100k der Gewerbeordnung derartige Streitigkeiten endgiltig zu entscheiden bat. Der Oberpräsident bat nun im Falle Adam dabin entschieden, daß die Eon fectionäre, wenn sie auch nur einen Zuschneider oder Arbeiter im Hause beschäftigen, der Zwangs- innung der Schneider angebören. Wenn sie ihre zahlreichen Zwischenmeister und die nach Hunderten zählenden Heimarbeiter in eigener Werkstatt beschäftigten, so läge zweifellos ein fabrikmäßiger Betrieb vor, welcher der Zwangsinnung nicht ungegliedert werden könnte. * Vertin, 29. April. (Arbeiterbewegung.) In den Maurer-Organisationen ist zu einem scharfen Vorgehen gegen die immer zahlreicher arbeitenden Accord-Maurer aufgefordert worden. Die Charlottenburger örtlicheOrganisation hat 6 Accord-Maurer ausgeschlossen und dein Gastwirtbe, in dessen Wirthschaft die Mitglieder die Beiträge zu zahlen hatten, diese Zahlstelle entzogen, weil bei ihm Accord-Maurer als Gäste verkehrten und er ihnen seine Wirthschaft nickt verboten hatte, wie die Organisationsführer eS verlangt hatten. — Von den Putzern arbeiten 1455 Mann auf 181 Bauten. Es soll dahin gestrebt werden, daß die Träger und Hilfsarbeiter, die auf 30 Bauten von den Putzern bezahlt werden, ibren Lohn künftig von den Baumeistern empfangen. Der Beitrag zum Streikfonds ist von 25 auf 50 wöchentlich erhöht worden. Im ersten Vierteljahre bat die Organisation von ihrem etwa 17 000 betragenden Fonds 9000 an den Central-Streikfonds abgefübrt. — Die Zahl der ausgesperrten Dachdecker beträgt etwa 1500. Die Meister sind auf eine Arbeitseinstellung für längere Zeit vorbereitet, da keine dringenden Arbeiten vvrliegen. — Tic Schoßarbciter der Schubmacher wollen io eine Lohnbewegung eintretrn; die jetzigen Wockenlöbne sollen 12 bis 20 und in den besseren Geschäfte» der Friedrichstadt 18—24 -L, die Arbeitszeit oft bis zu 16 Stunden betragen. Zunächst sollen Werkstattversammlungen abgehalten werden, vrrkrrle Ulanen lagen; auch hier besten Empfang, feine Verpflegung, zum ersten Male seit beträchtlicher Zeit aßen wir an mit Leinen gedecktem Tisch wieder von Porzellan-Geschirr, chliefen wir wieder in einem wohligen Bette — so abgemattet und vielleicht auch vollgegefsen waren wir, daß uns gar nicht der Gedanke an einen möglichen Verrath kam, denn wir acht Mann hätten doch von einer etwa herumstreifenden Boeren- Pairouille leicht aufgehoben werden können. Die guten Leute waren aber von zu vortheilhaftem Aussehen, als daß wir uns mit derlei Möglichkeiten hätten abgeben wollen. Harte, sehr harte Tage, forcirte Tages- und Nachtmärsche ohne Ver pflegung, liegen hinter uns, und in Bloemfontein wird man uns wohl endlich etwas Ruhe gönnen; wenn wir in der Gluthhitze so hinzogen, hungerten und dursteten, dann erzählten wir uns gegenseitig von den Lieblingsspeisen, die uns Mutter zu Hause bei unserer Rückkehr machen sollte, und solche an genehmen Vorgenüsse haben uns über manche traurige Stunde hinweggeholfen, uns wieder aufgefrischt. Bloemfontein erreichten wir um Mitternacht, ohne einen Schuß abzufeuern — wir lagen dicht bei der Stadt, auf einem prächtigen weiten Rasen, und er hielten sofort Extra-Rationen von je Pfund Kaffee, Zucker, Thee, Tabak und 1 Pfund Mehl —, fünf Proccnt unseres Regimentes dürfen täglich, mit Pässen versehen, nach der Stadt hinein, die sehr hübsch ist, in der man aber Preise kennt, die L In Klondyke gepfeffert sind; das deutsche Kon sulat besuchte ich auch, der Herr Konsul war sehr freundlich und delectirtc mich mit einem Glase guten deutschen Bieres, des ersten seit Montreal im October! Der Krieg wird wohl nun bald zu Ende und wir Ende Mai wieder dort sein (?). Man erzählt hier, daß Präsident Krüger beim Kaiser Wilhelm per Kabel um Rath angefragt und daß „Willy" — so wird er bei den Soldaten allgemein genannt — geantwortet habe: Le sensible an«! ^ve in! (!!) (Sei vernünftig und gieb nach). Wir sehen schrecklich aus und warten auf neue und dickere Uniformen, denn der Winter fängt jetzt an." Zwei Briefe. * London, 28. April. Aus Mafeking wird unter dem 14. April telegraphirt: Zwischen dem Boerencommandanten Snyman und dem englischen Kommandanten Baden- Po w e l l wurden die folgenden Briefe gewechselt: „An den Obersten Baden-Powell zu Mafeking! Beifolgend sende ich Ihnen die Abschrift eines Schreibens, das von A. 2. Mackenzie, Black Watch, unterzeichnet ist und vom 4. April datirt ist. Es liefert den klaren Beweis dafür, daß die Kaffern ausgesandt worden sind, um zu plündern, zu rauben und zu morden. Sie als commandirender Officier müssen davon gewußt haben. Es thut mir leid, mit ansehen zu müssen, daß die Tyrannei die bessere Natur eines so vornehmen Volkes, wie es das englische ist, verdrängt. Zwanzig Kaffern wurden in voriger Woche unter Leitung eines englischen Officiers in einer nördlichen Richtung ausgesandt, wie ein verwundeter Ein geborener uns bestätigte, der von einem meiner Bürger befragt wurde. Aus dem Schriftstück, das sich in den Taschen eines Ge- tödteten fand, ist zu entnehmen, daß am 4. ebenfalls 32 Ein geborene ausgesandt wurden. Alle wurden gestern erschossen. Ich fordere Sie höflichst auf, die Leichname abholen zu lassen. Senden Sie, bitte, eine Ambulanz unter einer Flagge vom Rothen Kreuz, und zwar in der Richtung der Kanton Kapje, und bezeichnen Sie mir, bitte, sofort die Wagen, die Sie für diesen Zweck übrig haben. Ich werde Ihnen einige meiner Bürger senden, um Ihnen das Schlachtfeld zu zeigen. Ich zeichne als Ihr gehorsamer Diener I. P. Snyman." Der englische Kommandant antwortete darauf in folgendem Schreiben: „An den General Snyman. Geehrter Herr! Ich habe Ihren Brief erhalten. Was nun das Schriftstück, das Mackenzie .uuterzeichnct ist, betrifft, so hatte dieser Mann kein Recht, ein Schriftstück irgend welcher Art zu veröffentlichen, am aller wenigsten aber für den Zweck, für den er es brauchte. Ich bin Ihnen zum Danke verpflichtet, daß Sie den Fall zu meiner Kenntniß brachten. Was nun Ihre Mittheilung anbetrisft, daß Ihre Bürger 32 Eingeborene tödteten, so muß ich Ihnen darauf antworten, daß ich überhaupt nichts über diese Leute weiß. Jedenfalls handelten diese nicht auf Befehle, die ich ertheilt habe, sie handelten, so weit ich die Sachlage überschauen kann, auch nicht auf Befehl irgend eines meiner Officiere. Ich möchte diese Ereignisse so auslegen, daß es eine große Anzahl Eingeborener giebt, die sich in bcjammernswerthem Zustande befinden, da ihre Häuser verbrannt sind und ihr Vieh von den Bürgern ge stohlen worden ist. Es ist nur allzu wahrscheinlich, daß sie sich selber Gerechtigkeit verschaffen wollten, um irgend welche Nahrung zu bekommmen. Ich habe sie bereits vorher davor gewarnt. Ich muß es also entschieden ablehnen, für die Thaten der Einwohner in irgend einer Weise verantwortlich gemacht zu werden. Ich habe die Ehre, mich Ihnen als Ihr gehorsamer Diener zu empfehlen. R. S. S. Baden-Powell." Als Isa, weiß gekleidet, in rührender, sanfter Lieblichkeit vor ihr steht, ihr den Myrtenkranz überreicht und dazu innige, warme Worte spricht, da kann sie sich der Thränen nicht erwehren. Willmann hat die Verse gedichtet; sein behäbiges Aeußere weist eigentlich gar nicht auf eine dichterische -Begabung hin, er hat aber seine Sache gut gemacht und erntet, nächst Isa, viel Lob. Herr v. Herdringen geizt auch heute nicht mit manch edlem Tropfen, den sein Keller beherbergt, und gegen Schluß deS Abends hat der Wein bei Willmann eine gewisse Courage er zeugt, die ihn dazu drängt, heute endlich einmal Marie Char lotten gegenüber di« entscheidende Frage zu wagen. Wenn ihm das Schicksal nur «inen günstigen Augenblick dazu senden wollt«! Sein Auge sucht die Königin seines zagenden Herzens ver geblich in dem kerzenschimmernden Saale. Eben noch meinte er, sie neben Isa gesehen zu haben, aber nein; diese steht im Ge spräch mit dem ihr bestimmten Marschall, einem blutjungen Ber- nitz, neben einem der riesigen Dolkamerienkübel. DaS junge Mädchen hat entschieden Eindruck auf den Vetter ihres Schwagers gemacht, er widmet sich ihr mit aller ihm zu Gebote stehenden Liebenswürdigkeit; seine Worte rufen be- 'hr jedoch nur ein zerstreutes Lächeln hervor. Isa ist sehr gedanken voll, es beschäftigt sie, daß Mari« Charlotte vor ein paar Minuten ein tSts-L-tSte zwischen ihr und Ivar in fast brüsker Weis« gestört. „Ich möchte Sie gern «in wenig sprich«»", damit war sie auf Tordal zugetreten. Dieser war mit zuvorkommender Höflichkeit aufgesprungen, und in demselben Moment hatte der junge Bernitz auch schon seinen Platz eingenommen. Unterdessen war Tordal der voranschreitenden Marie Char lotte in ein an die GesellschaftSräum« stoßender kleines Gemach gefolgt. Hier pflegt« Marie Charlotte ihre WirthschaftSbücher zu führen und ihr Vater sein NachmittagSschläfchen zu halten. Der klein« Raum war nur durch «ine Messinglampe auf hohem Fuß erleuchtet. Marie Charlotte blieb an dem runden Mahagonitisch, der die Mitte deS Zimmerchens einnahm, stehen. Ihre kräftige Recht» stützt« sich leicht auf die Tischplatte. Ivar stand ihr gegenüber und schaute sie erwartungsvoll an. Er ahnte übrigens, daß sie über Isa mit ihm reden wollte. Tie schien sichtlich nach einem einleitenden Wort zu ringen. Ivar versuchte, ihr die Situation, welch« ihr offenbar peinlich war, dadurch zu erleichtern, daß «r anhob: „Sie wünschten mir etwas mitzutheilen, Fräulein von Her dringen. Gestatten Sie mir die Versicherung, daß ich zu jeglichem Dienst bereit bin, falls Sie mir den Vorzug erweisen sollten, einen solck^en von mir zu verlangen." Marie Charlotte schöpfte tief Athem. „In der Tat verlange ich einen Dienst von Ihnen." Sie zögerte ein wenig, dann stieß sie heftig, fast befehlend hervor: „Stören Sie fürder nicht den Herzensfrieden meiner Schwester." Ivar Tordal trat einen Schritt zurück — «r war sehr blaß geworden, aber seine Stimme klang fest und ruhig, als er er widerte: „Fräulein Isa s Frieden ist mir heilig. Aber sollte das, was ich für sie empfinde, was sie ahnen, fühlen muß, sollte das ihr weh thun, ihr friedlose Stunden bereiten? Und verlangen Sie, gnädiges Fräulein, nicht zu viel von einem Manne, der um ein Mädchen wirbt, das er liebt?" „Sind Sie denn Ihrer Liebe so sicher", widersprach Marie Charlotte hastig. „Und wissen Sie auch gewiß, daß Jsa's Neigung für Sie dauernd und echt? Isa ist ein Kind noch in ihren Empfindungen; ich bin für ihr Wohl und Weh« verant wortlich, auf dem Todtenbette hat unsre Mutter sie mir an vertraut. Mein Lebenszweck ist, Jsa'S Glück zu sichern. Wird sie dasselbe an Ihrer Seite finden? Liebt sie Sie so, daß sie Vaterhaus, Alles, was sie jetzt sorgend und schützend umfängt, freudig aufgeben wird, um Ihnen zu folgen?" „Ich meine", versetzte Tordal, der, voller Ungeduld zuhörend, feinen Schnurrbart malträtirt, „daß ich mir eine Antwort auf all' diese Fragen am sichersten von Fräulein Jsa's Lippen holen kann." Ivar, der leicht empfindlich und verletzt war, deprimirte es, daß Marie Charlotte sich ohne Weiteres in seines Herzens angelegenheiten mischte. Er unterdrückte mühsam «ine scharfe Antwort. Marie Charlotte erhob gleichsam beschwörend und bittend beide Hände: „Nein, nein", flehte sie, „thun Sie dies nicht, beim Andenken Ihrer Mutter, daS Ihnen heilig ist, beschwör« ich Sie: hören Sie auf meine Worte. Warten Sie mit Jhr«r Werbung um Isa. prüfen Sie Ihr Herz und lassen Sie meiner Schwester Zeit, das ihrige zu befragen. Ich habe Sie Beide heute Abend un ablässig beobachtet; in Ihren oft leidenschaftlich erregten Mienen las ich, wie in einem aufgeschlagcnen Buch: Sie haben die Absicht, noch im Laufe des heutigen Abends um Isa zu werben." „Und wenn ich es thät«, wer könnt« mich daran hindern?" fiel Ivar ein. „Ich — denn ich bitte Sie inständigst, geben Sie düsen Vor satz auf. Bedenken Sie, welch ein furchtbar ernster Schritt eS ist, den Sie Beide thun. Und ich sage Ihnen noch Eins: meinen ganzen Einfluß — und der ist oft nicht gering — werde ich bei meinem Vater aufbieten, um ihn zu bewegen. Ihnen auf Ihr« Bitte um Jsa's Hand in demselben Sinne zu antworten, in dem ich eben zu Ihnen rede. Ich wiederhole Ihnen, gönnen Sie sich Zeit, und wenn Sie auch wähnen, ganz sicher in Ihren Gefühlen zu sein, so bedenken Sie die Jugend meiner Schwester — Sie sind der «rste Mann, der auf Isa Eindruck gemacht — lassen Sie -sie erst ein Stück andere Welt kennen lernen." Auf Jvar's Zügen malte sich der Kampf, der in seiner Brust tobte — er wollte heftig auffahren, allein er bezwang sich — um Jsa's willen. Marie Charlotte fuhr fort: „Isa soll binnen Kurzem auf zwei Monate nach R. zu unserer dort lebenden Tonte. Kehrt sie von dort heim, nach wie vor Ihr Bild im Herzen tragend, und denken Sie Beide nach Verlauf eines halben Jahres noch ebenso wie jetzt, so will ich meiner Schwester Hand vertrauensvoll in Ihre Rechte legen und Ihrer Vereinigung nicht mehr feindlich gegen überstehen. " Gesenkten Hauptes hatte Ivar dagestanden, nun hob «r den Blick — «in finsterer Ausdruck lag in demselben. „Sie ver bannen mich aus Ihrem Hause, aus der Nähe Ihrer Schwester „Nicht doch", fiel Marie Charlotte ein — „Sie loerden unS nach wie vor willkommen sein. Ich bitt« Sie sogar darum, Ihren Verkehr bei unS fortzusetzen. Ein plötzliches Wegbleiben Ihrerseits gäbe Veranlassung zu allerhand bösen Mißdeutungen — und dann — ich will ja, daß Sie und Isa einander näher kennen lernen. — Zürnen Sie mir nicht — ich bitte Sir — verstehen Sie mich recht — cs ist di« Liebe für meine kindliche Schwester, die mich so und nicht anders handeln heißt." „Ich achte Ihre Gründe", versetzte Ivar beherrscht — „es sei denn — Ihr Wunsch soll erfüllt werden, Fräulein von Herdringen. Ick will mich bescheiden — meinem Herzen Zaum und Zügel anlcgen und geduldig auf den Zeitpunkt harren, wo ich ^on meinem Glück Besitz ergreifen darf." Ein« tiefe Ver fügung, und Ivar Tordal hatte daS Gemach verlassen. Es drängte ihn, unter dem nächtlichen Himmel unbedeckten Hauptes in den entlaubten Gängen deS GartenS hin- und her- schreittnd, seiner erregten Empfindungen Herr zu werden. Etwa-, was an Haß stresste, erfüllte ihn gegen Mari« Charlotte. Sie war ihm nie sehr sympathisch gewesen, diese strenge, sich unfehlbar dünkende Schwester seiner holden, blonden Isa, deren Besitz, den er in seinen Gedanken bereits als «men ganz sicheren betrachtet, ihm nun in weit« Ferne gerückt war. Marie Charlotte, einem uerbittlichen Schicksal gleich, stellte sich trennend zwischen ihn und sein Glück. Doch — als sein Nachdenken ein ruhigeres ward, fand Ivar, daß sie von ihrem Standpunkte aus Recht hatte. — Jsa's große Jugend ließ Marie Charlotte an der Beständigkeit der, Gefühle ihrer Schwester zweifeln. Diese Jugend, diese reizende, mädchenhafte Frische, welche Isa in so hohem Grade besaß, hatten ihn ja vornehmlich bezaubert.. — Isa war eigentlich der Gegensatz des Ideals von Frauenschön heit, welches er sich gebildet, aber er liebte nun einmal das blonde, süße Geschöpf, mit dem sanften, kindlichen Blick, obzwar sie nichts von dem Räthselhaften, Unergründlichen, fü - welches Ivar, wenn er es auch noch nicht verkörpert gefunden, bislang ge schwärmt, an sich hatte. Jsa's Wesen war klar und golden, wie ein Sonnenstrahl. Seit einiger Zeit hatte sich Ivar einen Lebensplan zurecht gelegt: er wollte den Dienst quittiren und sich ganz der Musik widmen. — Isa, sein« reizende, kleine Frau, würde die Muse sein, die ihn zum Studium und zu selbstständigem Schaffen begeisterte und anregte. Nun aber hatte Marie Charlotte für's Erste alle diese Pläne in Frage gestellt — sie, mit ihren nüchternen Argumenten, war bis auf Weiteres Siegerin geblieben — aber Ivar ist seiner und Jsa'S so sicher — er weiß, das geliebte Mädchen wird trotz alle dem dereinst seine Frau — sie lieben ja einander, und sie werden die Treue halten —auch ohne geleisteten Schwur, ohne bindende Worte. Ein halbes Jahr — di« Frist, welche Marie Charlotte so kategorisch gestellt, ist ja schließlich keine Ewigkeit — Alles nimmt einmal «in Ende, so auch die Prüfungszeit. Marie Charlotte ist trotz ihres verhältnißmäßig so leicht er rungenen Sieges nur Halbwegs befriedigt. Hat sie das Rechte gethan? Sir fragt sich dies, nun, wo sie ihrem Vorsatz, den Dingen ihren Lauf zu lassen, untreu geworden. Sie ist fest davon überzeugt, nach bestem Wissen und Ver stehen einzig und allein in Jsa'S Interesse gehandelt zu haben, st« spielt jedoch unbewußt mit sich selber ein wenig Komödie — denn sie verhehlt sich'S, daß selbstsüchtige Regungen ebenfalls mit im Spiel gewesen — sie will ihr Pflegekind, ihr Kleinod, noch nicht so bald hingeben, sie will eS hüten und hegen, «he «S einem fremden Manne folgt. (Fortsetzung folgt.)
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