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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010530011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901053001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901053001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-30
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Anzeigen »Preis die 6 gespaltene Petitzeile 2S Reelamen unter dem RedacnonSstrich (4gespaUea) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen uud Offertenanuahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderuug 60.—, mit PostbefSrderuug ^l 70.—^ ÄnuahMschluß für Äryei-e«: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestelle» je eins halbe Stund« früher. Anzeige« sind stets a« die Expedttroa zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Druck ssd Verlag von E. Polz in Leipzig. 270. Donnerstag den 30. Mai 1901. SS. Jahrgang. Absolutismus -es frauMschen Lriegsmimfters und Vemo- kratisiruug -es frauMschen Officiercorps. V. 8. Da» neue, vom Kriegsminister General Andr 8 ver anlaßte Decket, betreffend die Aufhebung der ClassificirungS- Commissionen für das Avancement der französischen Officiere, bildet eine ferner« Etappe auf der Bahn der systematischen Demo- kratrsirung und Desorganisation desselben. Der Kriegsminister betrat diese Bahn vor einem Jahre mit der die Gcneral-Jn- spectionen aufhebenden Verfügung, di« gleich dem neuen Decrete den Zweck verfolgt, dem Kriegsmmister die Allgewalt hinsichtlich der Besetzung der höheren Stellen d«S Officiercorps mit demo kratischen Elementen in die Hand zu liefern. Mit der Aufhebung der General-Jnspectioncn verloren die Classificirungs-Com- missionm die Existenzberechtigung, da sie nothwenviger Weise zu reinen RegistrirungS -- Commissionen des Ministers wurden. Von nun an aber hemmt nichts mehr di« unbeschränkte Gewalt desselben betreffs der Besetzung der höheren Stellen, und sämmtliche Garan tien, mit denen man selbst in monarchischen Staaten das Avan cement zu umgeben Sorge trug, sind in Frankreich vollständig verschwunden; der Minister herrscht fortan in der Rue Saint Dominique in dieser Hinsicht ebenso unbeschränkt, wie der Zar aller Reußen oder der deutsche Kaiser in ihren Armeen. In diesen beiden Heeren bilden die mit denen des Staates sich identificirendm Interessen der Dynastien, di« lediglich ein« mög lichst stark« und gut befehligte Armee anstreben, «in« Garantie für die Officiercorps, daß, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, nicht persönliche und jedenfalls nicht politische Interessen auf ihr Avancement von Einfluß sind. In Frankreich ist jedoch von nun an sowohl das Staatsinteresse wie das der Arme«, die man bis jetzt sorgfältig den Parteikämpfrn fern zu halten suchte, dem jenigen der am Ruder befindlichen Partei untergeordnet und die Vorgänge der letzten Monate haben bereits gezeigt, was sich ent wickelt, wenn der Kriegsminister sich zum willigen Werkzeug einer Partei macht und sich ihre Dorurtheile und ihre Abneigungen an eignet. General Andre gilt in Folge dessen in weiten Kreisen der französischen Heeres als der zielbewusst«, planmäßig« Zerstörer seimr Institutionen, dessen Verordnungen einen der Ecksteine des französischen Heeresgebäudes nach dem anderen beseitigen oder erschüttern. Dahin gehört sein Angriff gegen den Lehrkörper der Leols 6s 8aint O^r, die, wenn auch überwiegend mit kleri kalen Elementen besetzt, der Armee doch bisher tüchtige Officiere und Führer geliefert hatte, und die Nichtberücksichtigung der bis herigen Gutachten der Instanzen der verschiedenen Waffen für di« Auswahl der Lehrer, vermöge welcher den klerikalen Ein flüssen für di« Armee der Lebensfaden unterbunden werden sollte. Ferner die Maßregelung d«r Officiere der Artillerie- und In genieurschule in Fontainebleau aus Anlaß ihres Verhaltens gegen -den israelitischen Hauptmann Cöblenz. Alsdann die Aufhebung der Verordnung, kraft derer für die Heirath der jüngeren Offi- cier« bisher der Nachweis eines besonderen Jahreseinkommens von 1200 FrcS. erbracht werden mußte. Während man in der französischen Presse im Sinne deS Verfahrens der übrigen großen Armeen deS Continents auf eine Erhöhung der Jahresrente auf mindestens 2000 Frcs. eintrat, beseitigte General Andrß die For derung der Jahresrente ganz, um dadurch auch den aus dem Unterofficierstande hervorgegangenen Officieren daS Heirathen zu erleichtern und das Officiercorps der Armee noch weit weniger exclusiv wie bisher zu machen. AuS ähnlichem Geiste entsprang die Maßregelung des Officiercorps eines Dragoner-Regiments durch den Kriegsminister, welcher die nur mit standesamtlicher Trauung geschloffene Ehe eines Rittmeisters mit einer geschiede nen Frau nicht billigte. Die Maßregelung hatte mehrere Duelle und vor Allem die völlige Umgestaltung des Obersten Kriegsrathes zur Folge, der der für den Kriegs fall als Oberbefehlshaber der französischen Armee in Aussicht genommene General Jamont und der Chef deS Generalstabes zum Opfer fielen. Derartige einschneidende Vor gänge und Maßregeln mögen zwar den polnischen Ziele,» der der zeitigen französischen Heeresleitung entsprechen, allein sie können nicht verfehlen, auf das Officiercorps und die Armee von nach- therligstem Einfluß zu werden und politische Parteiung in die selben hrneinzutragen. Man fürchtet daher in französischen Heereskreisen, daß die Reihe der klug berechneten und combinirten Decrete des Kriegs ministers den Geist der Armee von unten bis oben reholutionlrrn und wieder GllnstlingSwirthschaft und Nepotismus in ihr Her vorrufen werde, die die Republik beseingt zu haben sich rühmte, und daß die auf guten und loyalen Diensten beruhenden berech tigten Ansprüche fortan hinter di« durch besondere Empfehlungen und politische Beziehungen, Unterwürfigkeit und Jntrcguen ge wonnenen zurllcktreten werden. Die Verkürzung der Dienst zeit habe, meint man, den Militärischen Geist der un teren Chargen der französischen Armee bereits völlig verschwinden kaffen, allein daS Officiercorps habe ihn wenigstens sorgfältig bewahrt. Die Andrs'schen Decrete stellten ihn jedoch auch für dieses in Frage. Ein stabileres System wie das mit fast jedem Cabinet wechselnd« wäre dem französischen Heere im Interesse seiner Con- sistenz, unter fachmännischem Gesichtspunkte betrachtet, offenbar sehr zu wünschen. Denn die Verordnungen seiner Kriegsminister, die in den letzten 30 Jahren fast mit jedem Jahre gewechselt haben, sind in der Regel nicht von langer Dri>" und heben sich gegenseitig auf. Die Wirren in China. Neue» vhcrco»«and< Wie verlautet, wird für die in China zurückbl«ibenü>en Truppen der verbündeten Mächte die Bildung eines neuen Oberkommandos für nothwendig erachtet. Heber diese Äugelegenbeit finden augenblicklich Verhandlungen statt. Es ist niicht mrwahrscheinlich, daß der Oberbefehl in dir Hände eines französischen Generals gelegt wird. Heimkehr. Als das ,Brandenburg"'G«schwader mit seinem Begleitschiff „Hela" am End« der vergangenen Woche den Beseh zur Heimreise erhielt, log es — zum ersten Mal« in diesem Jechre — zusammengezogen an der Aangtsemündung. Die ein zelnen Schiffe der »Brandenburg'-Division sind im Allgemein«» heute bereits zum sofortigen Antritt der Heimfahrt seeklar; trotzdem wird es nothwendig werden, in Shanghai oder Hong kong erst einig« Vorbereitungen für die lange Heimfahrt zu treffen. Nach den bei der Ausreise !m vergangenen Sommer gemachten Erfahrung«» mit der Division darf angenommen werden, daß vom Antritt der Heimreise an die Division etwa acht Wochen in Se« sein wird, ehe die heimischen Küsten erreicht werden. Die Rückreise soll die bekannte durch den Indischen Ocean, das Rothe Meer und das Mittelländische sein. Di« ein zelnen Schiffe werden jetzt befehligt: das Flaggschiff „Kurfürst Friedrich Wilhelm" (mit dem Chef Contreadmiral Geißler an Bord) vom Capitän z. S. von Holtzenidorff; die „Branden burg" vom Capitän z. S. Rosendahl; die „Weißenburg" vom Capitän z. S. Holzhauer; die „Wörtih" vom Capitän z. S. v. Heeringen und di« „Heia" vom Cvrvetten-Capitän v. Bredow. Nach dem Ausscheiden der „Brandenburg"-Schiffe aus dem Ver bände deS ostasiatischen Geschwaders bleiben jetzt in den chine sischen Gewässern — einschlveßlich <oer Torpedoboote und Laza- rethschifs« — noch immer 19 Schiffe unter deutscher Kriegsflagge zurück. Indessen darf jetzt wohl angenommen werden, daß auch bald den kleinen Kreuzern, die 'beim Ausbruche der Wirren von den amerikanischen, australischen und ostafrikanischen Stationen nach den chinesischen Gewässern zusammengezogen worden sind, der Befehl zugehen wird, nach ihren alten Stationsgebieten zu rückzukehren. Es sind dies die Kreuzer „Bussard", „Schwalbe", „Geier" und „Seeadler". Durch die Zurückziehung der „Branden- burg"-Division wird die chinesische Station zunächst um 2430 Mann verringert. * Lnndo«, 29. Mai. (Telegramm.) Die „Timet" melden auS Peking: Der russische Gesandte v. Giers erklärte, daß Ruß. land der Bildung der in dem englischen Vorschläge vor- gesehenen gemischten Commission zu stimme. Man glaubt, daß Rußland auch dem englischen Vorschläge wegen der Bezahlung der Entschädigung zuslimmen wird. Die Frage der Suspendirung der Prüfungen ist geregelt. Dir DoctoratSprüfungen in Peking dürfen fortgesetzt werden, aber nur für Candidaten auS den nicht- schuldigen Provinzen. Der Krieg in Südafrika. TranSvaalische Proteste. Aus Brüssel wird uns gemeldet: Di« Transöaalzesandt- schaft weist in einer an die Zeitungen gerichteten Mittheilung darauf hin, daß die englischen Militärbehörden in Südafrika an dauernd offenkundige Unwahrheiten verbreiten, zu dem Zwecke, um die Bocren zur Niederlegung der Waffen zu veranlassen. So hatte die amtliche „Johannesburg Gazette" bis zum 1. April 127 Mal eine Bekanntmachung mit der Unterschrift des Lord Roberts veröffentlicht, worin erklärt wird, Präsident Krüger habe die Sache der beiden Boerenstaaten für völlig verloren ge geben und sein Amt als Präsident endgiltig niedergelegt, ebenso sei Staatssekretär Reitz nach Europa geflüchtet unter Mitnahme großer Geldsummen und des transvaalischen Staatsarchivs. Dabei wissen die Engländer sehr genau, daß sich Reitz ununter brochen in der Nähe des stellvertretenden Präsidenten Schalk Burger aufhält. — In ähnlicher Weis« wird von den englischen Behörden die Meldung verbreitet, es sei in Utrecht durch einen Boer ein Mordanfall gegen den Präsidenten Krüger verübt wor den. Der Mörder habe erklärt, er habe sein unglückliches^ Vater land an dem Urheber des Krieges rächen wollen. Krüger liege in Folge des Attentats hoffnungslos krank darnieder. Von der Transvaalgcsandtschaft werden weiterhin folgende Mitkhcilungen auszegeben: Nach einem von durchaus zuver lässiger Seite aus Südafrika eingegangenen Berichte kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, daß thatsächlich verwunde te n B o e r e n auf dem Schlachtfelde keinPardon mehr ge geben wird. Wenn dies auch nicht überall angewendet wird, so ist doch festgestellt, daß von den Verwundeten, die in die Hände englischer Soldaten fallen, kaum die Hälfte am Leben bleibt bezw. in ordnungsmäßige ärztliche Behandlung gebracht wird. Aus dem Gefangenenlager zu Diyatalawa auf Ceylon sind Berichte eingetroffen, nach denen dort über 250 Knaben unter 12 Jahren als Gefangene gehalten werden und daß die englische Verwaltung die für die Knaben vom Niederländisch-Südafrikanischen Fonds eingerichtete Schule ge schlossen hat, weil sich die dorthin entsendeten Lehrer weigern, den Unterricht in englischer Sprache zu ertheilen. Des Weiteren hat di« «NHlische Verwaltung die zur Unter stützung der Gefangenen entsandten Gelder beschlagnahmt und rechnet dafür den Gefangenen die Kleider an, die sie ihnen liefert. Das Stärkste ist, daß aus dem Lager von Diyatalawa, welches ein verhältnißmäßig gesundes Klima hat, 340 „Aus länder", d. h. solche Boerenkämpfer, die nicht in Südafrika geboren sind, nach Rayama in der Nähe von Colombo ge bracht worden sind, wo sie in einem vom Fieber beherrschten Lager in kläglichster Weise untergebracht sind. Man darf annehmen, daß von diesen Unglücklichen, unter denen sich mindestens hundert Deutsche befinden, kaum noch der viert« Thekk gesund geblieben ist. * Land»«, 29. Mak. Ein« Middelburger Drahtung de» „Standard" vom 27. Mai meldet, Stehnsburg wurde von den Boer«» geräumt. Sie versuchen, nach dem Süden zu entkommen. (?) Da» von General Blood'S linker Colonne verfolgte Eommandopassirtrden Komatifluß nordwestlich von Glomoston und zog sich in« Gebirge zurück. Nirgend» im östlichen Transvaal lassen die Boeren «S auf einen Kampf ankommen. Zwischen Godwa» und Glanofhook, 80 Meilen östlich von Middelburg, brachten di« Boerrn «inrn Zug durch Dynamit-Explosion zur Entglrisang. Ei« feorrtra vor drr Explosion auf den mit krank«« Soldat«» grsülltrn Zug, wodurch virr Mann «Ine» Walliser Regi ment» getödtet uud drei verwnudet wurden. In Middelburg erheben di« Boer«» angeficht« der britisch«« Borposten Steuern von den Eingeborenen. (Voss. Zig.) Deutsches Reich. Vertin, 29. Mai. (Die Impsgegner und das preußische OderverwaltungSgcricht.) Die „Deutsche TageSztg." macht sich zum Sprachrohr eines Angriffs der 3mpfgcgoer gegen das preußische Oberverwaltungs gericht. Dem genannten Blatte zufolge hat das Oberver waltungsgericht „jüngst" in einem Erkenntiiiß ausgeführt, daß bei andauerndem Widerstand gegen die Impfung der Kinder die polizeiliche Vorführung zur Vornahme der Impfung anzuordncn sei. Die „Deutsche TageSztg." hält eine derartige Rechtsauffassung für irrthümliä» und für geeignet, „ernsthafte Beunrubigung innerhalb der Bevölkerung Hervor zurufen". Die „Deutsche TageSztg." empfiehlt daher eine entsprechende Befragung des Reichskanzlers im Reichstage. Daß ein unmittelbarer Impfzwang unter Anwendung von Gewalt durch daS Impfgesetz vom 8. April l874 nicht ein geführt wurde, ist allerdings zutreffend. Da aber die „Deutsche Tageszeitung" daS angebliche Erkcnntniß deS Ober verwaltungsgerichts inhaltlich nur kurz in der gedachten Art skizzirt, ist eS sehr wahrscheinlich, daß auf Seiten der „Deutschen Tageszeitung" ein Jrrthum obwaltet, wenn sie von der Voraussetzung ausgebt, eS habe sich das Obcrver- waltungsgericht in seinem Erkcnntniß auf das Reichs-Jmpf- gesetz bezogen. DaS Oberverwaltungögcricht hat jedoch in seiner Entscheidung vom 1. März 1895 für die Polizei auS Titel 17 tz 10 deS Landrechts und im 132 des preußischen Lan de Sverwaltu ngSrecht SdieBerechligung abgeleitet, ein impfpflichtiges Kind zum Impftermin auf dem ZwangSwege vorzuführen, „da die Polizei befugt ist, zur Durch führung gesundbeitspolizeilicher Maßnahmen auch Zwangsmittel anzuwenden, und diese Befugniß durch daS Impsgesctz nicht ge mindert oder ausgeschlossen ist". — Durch diese Stellung nahme des Oberverwaltungsgerichts können nur die von Vor- urtheilen beherrschten Impfgegner beunruhigt werden. Wenn die „Deutsche TageSztg." letztere vor Beunruhigung schützen will, geschieht es aus Respect vor „Strömungen, welche sich gegen die staatliche medicinische Wissenschaft richten". Die fraglichen Strömungen aber, die im Gegensätze zur „staat lichen medicinische» Wissenschaft" das sogenannte Naturheil- versahren bevorzugen, vergessen ganz, daß der Ursprung der Impfung keineswegs bei der staatlichen medicinischen Wissen schaft, sondern in der praktischen Erfahrung bestimmter Volks kreise zu suchen ist. Lange vor dem Auftreten Or. Eduard Jenner'S war die ländliche Bevölkerung darauf aufmerksam geworden, daß die Melker und Viehwärler, die durch pocken kranke Kühe einen Ausschlag bekommen hatten, stets von den Blattern verschont blieben. Ja, in Holstein, England und Schott land hatte man bereits vorsätzlich Uebertraguiigen von Kühpocken zum Zwecke der Schutzimpfung gegen die Menschenpocken ausgcführt. Wenn jetzt die „staatliche medicinische Wissen schaft" auf dem Wege wissenschaftlicher Forschung die Nichtig keit der ursprünglich der Praxis abgewonuenen Methode erhärtet hat, braucht sich darüber Niemand weniger zu be unruhigen, als die Anhänger der Naturheilkunde. Die „Deutsche Tageszeitung" beruft sich freilich bei ihrem Wider spruch gegen die Zwangsimpfung auf die Erkrankungen, die angeblich mit der Impfung häufig verbunden sind. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß die Möglichkeit von Erkrankungen überaus gering geworden ist, seitdem nicht mehr humanisirte, sondern animale Lymphe bei den Impfungen verwendet wird. Nach dem BundeSraths- beschlussc vom 28. Juni 1899 nämlich dürfen bei uns die öffentlichen Impfungen nur noch mit animaler Lymphe vollzogen werden und ist die humanisirte Lymphe lediglich in Ausnahmefällen zulässig. Gestorben aber sind nach der An gabe des Professors Fränkel im „Handwörterbuch der Staats wissenschaften" im ganzen deutschen Reiche jährlich jetzt in der Regel nur 10 Kinder nach, nicht wegen der Impfung infolge unglücklicher Zufälle. Ein wie geringes liebel die Impsschäbigungen im Vergleiche mit den durch die Pocken seuche verursachten Verlusten an Menschenleben sind, erkennt man, wenn man die Länder mit vollständiger Schutzimpfung vergleicht mit den Ländern, wo die Schutzimpfung unvollständig ist oder fehlt. Zu den letzteren Ländern gehören Belgien, Oesterreich und Rußland. Hätte sich die Blatternstcrblichkcit bei uns auf der gleichen Höhe bewegt, wie in Belgien, Oesterreich und Rußland, so würde Deutschland einen jährlichen Verlust von 7321» 12 584, 15 558 Menschenleben zu beklagen gehabt haben, während in Wirklichkeit nur 115 Personen an den Pocken verstorben sind. Etwa dieser Todesfälle aber haben sich an der Seeküste und an den Grenzbezirken ereignet, sind also auf Rechnung einer unmittelbaren Einschleppung zu setzen. Angesichts solcher Zahlen ist eS begreiflich, daß Professor Fränkel schreibt: „Die Bestrebungen der Impf gegner erscheinen nach alledem in ihren Motiven unbegründet und verfehlt, in ihren Zielen aber gewissenlos und bedrohlich für die Gesundheit unseres Volkes." * Berlin, 29. Mai. (Die Panzerplattenfrage.) OfficiöS wurde kürzlich angedeutet, daß daS Reich kein eigenes Panzerplattenwerk errichten werde, da eine Verbilligung der Platten durch staatliche Fabrikation nicht erreicht werde» würde. Zu dieser Verlautbarung schreibt jetzt die „Köln. VolkSztg.": Die maßgebenden Personen dürften sehr wohl wissen, daß die seither mit 2320 .4l pro Tonne bezahlten Platten den Herstellern nur 950—1000 pro Tonne kosten und daß, selbst wenn sie jetzt eine Herabsetzung deS Preise» auf 1920 erreichen, den Fabrikanten immer noch «In Nutzen von 100 Proc., auf die Herstellungskosten berechnet, bleiben würde. Glaubt nun daS Reich-marineamt wirklich, unter allen Umständen 100 Proc. thrurer fabricire» zu müssen, und womit will r» diese Ansicht begründen? Schon vor längerer Zeit ist mitgrtheilt worden, daß ein rheinische» Consortium sich bereit erklärt hab«, vom Jahre 1903 ob gleiche Qualität Nickelstahlpauzerplatten zu 1550 .6 pro Tonne, also 770 billiger, al» seither an die Lieferanten bezahlt wurde, zu liefern, wenn ihm nur die Zusage eines entsprechenden Thril» der künftigen Lieferungen gegeben werde. Diese Offerte scheint auch zur Kenntniß der seitherigen Privilegirten gekommen zu sein, denn sie sollen dem Reich-marineamt nunmehr den Preis voa 1920 — statt der zuerst geforderten 2070 (und statt der bisher gezahlten 2320 ^l) — gestellt haben, wenn ihnen der Sesammtbedarf bi» zum Jahr« 1907 fest übertragen würde. Damit soll der Entstehung eine» neuen Werke» der Boden entzogen werde», da diese» dann auf Jahre hinaus von allen Lieferungen für da» Reich ausgeschlossen sein würde. Man kann kaum annehmen, daß da» Reich-marineamt »in derartige» plumpe» Manöver nicht durchschauen werde, durch welche» ein immer noch exorbitant hoher Preis auf secb» Jahre dauernd festgelegt werden soll. Daß seither solche Preise gezahlt wurden, sucht die betreffende Notiz damit zu rechtfertigen, daß die Marine bisher „zum Detaileinkauf gezwungen war". Nach den uns vorliegenden Notizen hat dieser „Detaileinkauf" für die Jahre 1898, 1899, 1900 zusammen immerhin 16—13000 Tonnen Nickclslahlpanzerplatten im Einkaufspreis von rund 37 bi» 41 Millionen Mark (mit einem Nutzen von 20 bi» 23 Millionen Mark für die Lieferanten) betrage». Wir möchten Loch wissen, wa» man eigentlich unter „großen Con- tracten" verstehen will, wenn man solche Riesensummen einen „Detail einkauf" nennt. Bedauerlicherweise ist die Marineverwaltuag Ton- currenzofferten auch auf anderen Gebieten sehr schwer zugänglich; wir möchten bezweifeln, daß die» immer im Interesse der ReichS- finanzen und der Marine selbst wünschenSwerth sei, und bei dieser Gelegenheit einstweilen nur darauf Hinweisen, wie ganz ander» die Heeresverwaltung in solchen Fragen verfährt und welche Vortheile dadurch dem Reiche entstanden sind. Bei Beschaffung der neuen Fcldartillrrie waren die ersten Geschützrohrlieferungen an eia« si-hr bekannte und leistungsfähig« Firma zu einem Preise vergeben worden, der 4000 pro Stück überstieg. Dem Krieg-Ministerium gelang es später, eine Concurrenzsirma für die Sache zu interessiren, die dasselbe Material zu 1950 ^l anbot, und schließlich wurde der Preis auch von dem ursprüngliche» Lieferanten auf 1900 er mäßigt. Aebnliche Verhältnisse ergaben sich bei der Lieferung von Granaten; wir behalten uns jedoch vor, über dies« Angelegenheiten einmal ausführlicher zu berichten. Jedenfalls dürfte eS Sache deS Reichstage- sein, so schließt das Kölner Blatt seine Mittheilungen, darauf hin zuwirken, daß auch bei der Marineverwaltuag mit gleicher Rücksichtnahme auf die ReichSsinanzeu gewirthschaftet wird wie bei der Heeresverwaltung. (-) Berlin, 29. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser be sichtigte heute, umgeben von den Herren deS HauptquartierS und den fremdherrlichen Officieren, darunter der französische General Bonnal, wie alljährlich am 29. Mai, die zweite Garde-Infanterie-Brigade auf dem Tempelhofer Felde. Die Brigade übte gegen einen markirten Feind. Daran schloß sich ein größeres Feuergefecht, an dem Artillerie uud Cavallerie tbcilnahmen. Sodann folgten die Kritik und ein Parademarsch aller betheiligten Truppenthrilc. Der Kaiser kehrte an der Spitze der Fabnencompagnie mit einer zahl reichen Suite, darunter die französischen Officiere, in die Stadt zurück, von der Menge lebhaft begrüßt, und nahm das Frühstück beim Officiercorps deS zweiten Garde-Regi ments ein. (-) Berlin, 29. Mai. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet: Prinz Leopold von Bayern ist gestern von Berlin wieder ab gereist. Am Montag empfing der Prinz den Staatssekretär des Aeußeren Frhrn. v. Richt hofen in Audienz. (-) Berlin, 29. Mai. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht das Gesetz über den Verkehr mit Wei», weinhaltigen und weinahnlichen Getränken. Das Gesetz tritt am 1. October in Kraft. 8. Berlin, 29. Mai. (Privattelegramm.) Zu Ehren der Königin Wilhclmina der Niederlande, welche morgen mit ihre»! Gemahl und dem Großherzog von Mecklenburg-Schwerin zum Besuche der kaiserlichen Familie eintrifft, findet Abends 9>/, Uhr auf der Mopke vor dem Neuen Palais großer Zapfenstreich der gesammten Capellen deS GardecorpS statt, bei welchem u. A. eine Niederländische Hymne und das Niederländische Dankgebet zur Aufführung gelangen. Auf Wunsch deS Kaisers wird am Freitag nach der Parade die Königin Wilhelmina von Holland beim Besuch der Reichshauptstadt am Brandenburger Thore vom Oberbürgermeister Kirschner begrüßt werden. An der Begrüßung werden wahrscheinlich auch Mitglieder deS Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung theil- nehmen. Das Brandenburger Thor und der Pariser Platz werden, so weit eS noch die Kürze der Zeit erlaubt, geschmückt werden. (Nat.-Ztg.) — Die anscheinend immer noch officiösen „B. P. N." schreiben: Aus den Erörterungen, welche in Kreisen der Com- ponistcn und Verleger wegen der durch den Reichstag beim Gesetze über dos Urheberrecht angenommenen Ver kürzung der Schutzfrist von 50 auf 30 Jahre mit alter Lebhaftig keit fortdauern, muß man annehmen, daß in diesen Kreisen die Erwartung besteht, <drr Bundesrath werd« dem abgeimderten Gesetzentwurf seine Zustimmung versagen. Dem Vernehmen nach soll aber on maßgebenden Stellen di« Ansicht vorherrschen, daß jene Abänderung der Regierungsvorlage durch den Reichstag nicht so schweren Bedenken unterliegt, um lediglich aus diesem Grunde einem im Uebrigen annehmbaren Gesetzentwürfe di« Zustimmung zu versagen. — Der als Präsident der deutschen Katholikentage bekannte Fürst zu Löwenstein sammelt augenblicklich Unterschriften für eine Erklärung gegen daS Duell. Bon Denjenigen, welche unterschrieben habe», soll dann ein Comitö für Deutschland oder sollen mehrere LandeScomitS» gebildet werden, welche erwägen und beschließen sollen, wa» weiter zu ge- schehen ist. Nach der Ansicht deS Fürsten zu Löwenstein Wäre ersten» vachzuweisen, daß die sogenannte öffentlich« Meinung zu Gunsten drr Duelle nicht nur unrecht uud unvernünftig ist, sondern daß sie auch durchaus nicht wirklich öffentlich, Meinung ist, daß vielmehr die weitaus größte Zahl der Ge bildeten die Duelle so beurtheilt, wie sie e» verdienen. Zweiten» wäre anzustreben, daß in allen Ländern wirksamere Gesetz« zum Schutze der Ehre und zur streugen Bestrafung der Beleidigungen und Ehrenkeänkungen erlassen und staatliche Ehrengerichte eingesetzt werden, wodurch de» Duellen jeder Beschönigungsgrund und jeder Schein von Berechtigung al» unerläßlich« Selbsthilfe — al- Nvth- wehr — entzogen würde. Der Fürst hat bi» jetzt in den ihm näher stehenden Kreisen die Erklärung verbreitet und bereit» gegen
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