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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010530029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901053002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901053002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-30
- Monat1901-05
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Donnerstag den 30. Mai 1901. Anzeigen »PreiS die v gespaltene Petitzeile 25 Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach« richten (t> gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für -tachweisnugen und Offertenaonahme L5 (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poftbefördrrung ^l> 00-, mit Postbesürderung X 70 — Annahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Lormütags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filiale» und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an di« Expedition zu richten., Die Expedition ist Wochentag-ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Polz in Leipzig 95. Jahrgang. Ein Trinkspruch des Kaisers auf die französische Armee. Der Kaiser hat gestern in derNeichshauptstadt, nachdem er die zweite Garde-Infanterie-Brigade exercirt halte, LaS Frühstück beim 2. Garde-Regiment z. F. eingenommen, bei dem auch der französische General Bonn al mit seinem Adjutanten Galtet anwesend war. Hierbei nahm der Kaiser, nachdem er zuerst seines NaterS, deS Kaisers Friedrich, gedacht, Gelegenheit, aus sein freundschaft liches Einvernehmen mit demKaiser vonRußland und auf die treue Waffcnfrrundschaft zwischen Franzosen und Deutschen in Ostasien hinzuweisen. Die bedeutsame politische Rede lautete nach dem „B. L.-A.", dessen Bericht vou Wolff'S Bureau übernommen worden ist, folgendermaßen: „Meine Herren! Am heutigen Tage habe Ich die Ehre gehabt, an der Spitze der 2. Garde-Jnfanteric-Vrigade zu commandiren. Es ist dieser Tag ein ganz besonderer Gedenktag, Len Ich immer hochgchalten habe und Hochhalten werde, der Tag, an dem die Brigade vor dem hochseligcn Kaiser Friedrich exercirt hat. Wir weihen dem Andenken an ihn ein stilles GlaS!" Nachdem die Anwesenden dem Folge gegeben hatten, fuhr der Kaiser fort: „Füllen Sie die Gläser aufs Neue! Es freut Mich, gerade heute mittheilen zu können, daß es im fernen Osten zu Friedens abschlüssen gekommen ist und daß die Truppen zurückgezogen werden können. Es sind Mir aus diesem Anlaß von vielen Seiten Anerkennungen und Danksagungen zu Thcil geworden, auch eine vom Kaiser von Rußland persönlich abgejandle Depesche habe Ich heute erhalten; sie lautet: Für die Dienste in China sage Ich Euer Majestät Meinen herzlichsten Dank. Graf Waldersee hat eine schwere, un dankbare Sache mit Würde und Geschick geführt, Ich bezeuge Meine volle Sympathie. Mit dem heutigen Tage ist der Brigade eine ganz besondere Ehre zu Theil geworden, indem sie zwei Officiere der franzö sischen Armee in ihrer Mitte willkommen heißt. Es ist dies das erste Mal, ebenso wie deutsche nnd französische Truppen zum ersten Mal Schulter an Schulter gegen einen gemeinsamen Feind in guter Waffenbrüderschaft und treuer Kameradschaft gekämpft haben. Die beiden Herren Officiere und ihre gesammte Armee Hurrahl Hurrah! Hurrahl" Nach der Ansprache deS Kaisers, die in deutscher Sprache gehalten wurde, gab die Capelle einen dreifachen Tusch. Nach einigen Minuten erhob sich ber französische General Bonnal und sagte in französischer Sprache dem Kaiser in warmer und überaus verbindlicher Weise seinen Dank dafür, daß es ihm gestattet worden sei, gerade diesem denkwürdigen Exerciren beizuwohnen, und für die zahlreichen ehrenden Aufmerksamkeiten von Seiten des Kaisers und der deutschen Officiere. Der General schloß seine Ansprache mit den Worten: „Die deutsche Armee und ihr Soldatenkaiser hoch, hoch, hoch!" Nach dem Hoch intonirte die Capelle die deutsche Nationalhymne. Die Stimmung bei Tisch war sehr animirt. Der Kaiser zeichnete wiederholt Officiere durch Zutrinken aus, unterhielt sich in freundlichster Weise mit ihnen und erkundigte sich nach ihrem Ergehen. Der Kaiser verweilte im Ganzen drei Stunden lang im Kreise seiner Officiere, worauf er sich verabschiedete. Die französischen Gaste blieben noch eine Stunde länger im Casino. Oer Krieg in Südafrika. Wachsende Chancen Ser Bocren. -p Die gestrige Nachricht von einer am 2. Mai bei Pretoria erlittenen Niederlage der Engländer ist bis jetzt nicht dementirt worden, man wird sie also als Thatsachc registriren können. Und diese ist um so erfreulicher und bedeutsamer, als sie nicht allein geblieben ist, die Boeren vielmehr in allerjüngster Zeit wiederholt glücklich gekämpft und den Engländern empfindliche Verluste bcigebracht haben. Heute erhalten wir folgende, schon durch Extrablatt bekannt gegebene Nachricht: r. London, ZO. Mai. (Privattclcaramm.) Aus Capstadt wird unter dem 29. Mai gemeldet: Zahlreiche heftige Gefechte fanden in den letzten vier Tage» im Transvaal, im Freistaat und in der Capcolonie statt. Tic englischen ttcsammt Verluste hierfür werden osficiclt mit V2 Todtcu, LZ7 Verwundeten nnd t.9 Gefangenen angegeben. Tie englischen Ver bindungslinien sind allseitig »ntcrbrochc». Ein Angriff der Vieren ans LnccnStown (Capland) steht bevor. Tic Gesammtlagc für Sic Cngländcr wird täglich bedrohlicher und vielfach nah altbar. Daß es den Engländern in den letzten Tagen tatsächlich schlecht gegangen ist, gesteht selbst der amtliche Telegraph ein. Man lese folgende Drahtmeldung: * Londcht, 29. Mai. Amtliche Verlustliste. Während der letzten Woche sind in Südafrika 42 Mann qetüdtet und 99 verwundet worden, die Mehrzahl in dem Gefechte zwischen Bethel und Standerton. Dies Eingeständniß, das die englische Verlustliste plötzlich — im Berhältniß wenigstens zu dem, was bisher zu veröffent lichen für gut befunden wurde — ganz erheblich in die Höhe schnellen läßt, genügt vollständig. Wenn 42 Todte und 99 Verwundete — fast alle aus einem Gefecht — zugegeben werden, dann kann man getrost die viel höheren Ziffern unserer Privatmeldung als authentisch annehmen. Die Kriegsmüdigkeit des englischen Militärs beginnt sich bemerkbar zu machen, und es ist bei den ungeheuren Strapazen, denen es sich in dem endlosen Feldzuge ausgesetzt sieht» nur zu verwundern, daß sie nicht schon längst in die Erscheinung getreten ist. Die Verlustlisten des Londoner KriegSministeriums werden vom Publicum mit einem wahren Grauen und mit Angst und Bangen abgewartet nnd dann gelesen, zumal all wöchentlich die ohnehin schon endlose Liste der an Krank heiten verstorbenen Officiere und Mannschaften stetig zu nimmt und das Ihrige dazu beiträgt, die Kriegsmüdigkeit auch im Lande zusehends größer zu gestalten. Lor» Milner of Capctow». Man schreibt der „Tägl. Nundsch." aus London: „Der Krieg in Südafrika, dessen Ausbruch Milner in sattsam bekannter Weise förderte, ist noch lange nicht beendet, seine bisherigen Ergebnisse entsprechen ganz und gar nicht den officiellcn und privaten Er wartungen der Engländer, das ganze kriegerische Unternehmen ist, vom finanziellen Standpunkte allein schon betrachtet, längst als die schlimmste und ruinöseste Speculaiion erkannt worden, aus l die Großbritannien sich jemals eingelassen hat, — der Herr Ober-1 commissar und Generalgouvernrur der „Neuen Colonien" ist an geblich aus gesundheitlichen Gründen nur beurlaubt , aber trotz all' dieser Thatfachen wird dem bisherigen Sir Alfred Milner die hohe Ehrung der Pairs würde zu Theil, welche Belohnung in früheren Zeiten die englische Krone nur für vollendet« und in jeder Hinsicht erfolgreiche Dienst: austheilte. Von allen anderen Umständen abgesehen, glaubt man hier in London in dieser Erhebung Milner's zum Lord of Cape- town erst recht eine Bestätigung der officiell immer noch be strittenen Thatsache zu erblicken, daß es mit der südafrikanischen Thätigkeit des früheren liberalen Journalisten und jetzigen Werk zeuges und Handlangers des Herrn Chamberlain wenigstens vor läufig vollständig vorbei ist. Die Pairswilr>>e wird vielseitig als ein Ausgleich der nothwendig gewordenen Ab berufung dieses Mannes von seinem mit einem, so riesenhaften Gehalt dotirten Posten betrachtet, und Chamberlain soll auf diese Weise versuchen, die bittere Pille für sich selbst und für Milner nach Möglichkeit zu versüßen. Sie haben ja Beide, Milner so wohl wie Chamberlain, in ihren Reden vom vergangenen Sonn abend ihr Bestes gethan, um die britische Nation und die ganze Welt glauben zu machen, daß ihr Standpunct und damit natüv- lich derjenige der ganzen Regierung unverändert derselbe ist und bleibt, und daß in Südafrika irgendwelche Wendung in der englischen Politik unter keinen Umständen zu erwarten ist. Es bleibt aber abzuwarten, ob diese hochtrabenden Phrasen wirklich noch viel länger in die Praxis überseht werden können und dürfen." Oie Wirren in China. Zur CntschädtgnngSfrage. Der Stand der Entschädigungsfrage ist augenblicklich bestem Vernehmen nach der, daß gleich England, die Ver einigten Staaten und Japan, auch Rußland und Frank reich der Ansicht zuneigen, China solle die Entschädigungs summe mittels Schatzanweisunzen, wie England sie zuerst empfohlen hat, aufbringen. Was Deutschland anbelangt, so ist eö kein grundsätzlicher Gegner dieses mockus prveeckeuäi sondern lediglich entschlossen, sich für dasjenige Verfahren zu entscheiden, daS finanztechnisch das empfehlcnswertheste ist. Da der englische Vorschlag in finanz-technischer Be ziehung gewisse Vortheile in sich schließt, ist eS wahrscheinlich, daß Deutschland seinerseits den ModuS der Schatzanweisunzen ebenfalls acceptirt. Politische Erwägungen kämen bei einem solchen Schritte Deutschlands nicht in Betracht, eS sei denn der Gesichtspunct, der Einmüthigkeit der Mächte auch in diesem Stücke zum Siege zu verhelfen. Die endgiltige Ent scheidung über die Entschädigungsfrage ist in einigen Tagen zu erwarten. Rückkehr der Truppen. * AuS Ticntfi», 29. Mai, meldet daS„Neuter'sche Bureau": Zwei britische Transportschiffe kamen in Tongku an nnd werden Truppen an Bord nehmen, die nach Indien befördert werden sollen. Ein anderes Transportschiff kommt heute an und wird das Beluchi-Regiment nach Wei-hai-wei befördern. General Voyron erwartet, daß, nachdem jetzt die Räumung beschlossen ist, Frankreich seinen Befehl, zeitweilig in China Truppen stehen zu lassen, rück gängig machen werde und glaubt, daß bald Transportschiffe zur Rückbeförderung seiner Truppen eintreffen werden. General Lome-Campbell erklärte, die internationale Lage in Tientsin sei besser als jemals seit der Ankunft der Truppen. Die Amerikaner und Russen hätten zwar bei ihrer Abfahrt dagegen Einspruch erhoben, daß die Briten ihre Flagge auf der Brücke hißten, als die amerikanische heruntergezogen worden war, General Wogack habe jedoch seinen Einspruch wieder zurückgezogen. * Aokohamu, 29. Mai. (Reuter's Bureau.) Nachrichten aus Söul zufolge ist auf der Jnjel Quelpart eine gegen dieEhristen gerichtete Bewegung zum Ausbruch gekommen; ein französischer katholischer Missionar sei ermordet worden. Die Nachricht bedarf jedoch der Bestätigung. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. Mai. In einem „Licht, mehr Licht" überschriebenen Artikel klagt die konservative „Scbles. Ztg." darüber, daß der Monat, in dem daS preußische Maiministerium geboren ward, sich dem Ende zuneige und daß man trotzdem nach wie vor im Dunkeln sitze. „Wir haben Landtag und Reichstag plötzlich und unerwartet verschwinden, haben brei alte Minister gehen, drei neue kommen sehen — warum? wozu? Darauf mag sich ein Jeder seinen eigenen Vers machen; von der Stelle, an welcher allein man die Gründe und den Zusammenhang der Vorgänge kennt, ist noch keine Silbe darüber in die Oeffentlichkeit gelangt. Oder weiß Jemand mit authentischer Sicherheit zu sagen, warum Miquel gehen mußte? warum Hammerstein? warum Brefeld?" Das konservative Blatt bestreitet dann — nach unserer Ansicht mit vollem Rechte — die Behauptung, daß die ausgeschiedenen Minister, besonders Herr v. Miquel, die erweiterte Canalvorlage in der Commission nicht mit der nöthigen Festigkeit und Zielbewußtheit und infolge dessen ohne jede Aussicht aus Erfolg vertreten hätten; ebenso bestreitet es, daß Diejenigen, die behaupten, sie hätten sich durch Miquel'S Rücktritt wie von einem Alp befreit gefühlt, rin Recht zu dieser Behauptung besäßen. Wer wisse denn, ob daS, wovon er befreit zu sein glaube, unter dem neuen Ministerium nicht ebenso oder, in seinem Sinne, schlimmer fortbestehe? Die Frage: „Was will das Ministerium Bülow?" sei ncuerdingS nicht klarer, sondern nur noch dunkler geworden. „Der einzige der neuen Minister, von dem eine Art program matischer Arußerung vorlag, war der Handelsminister Möller. Aber die Aeußerung stammte noch au- der letzten Zeit seiner Parlamentarierschast, und dieser Tage hat er in einer Rede zu Bielefeld zu verstehen gegeben, daß ihm derartige, ohne jede Ahnung von seiner bevorstehenden Ernennung zum Minister gemachte Aeußerungen jetzt rin Gegenstand der Verlegenheit sind. WaS soll man nun daran- entnehmen? Es ist kein Zweifel, daß die vollständige Ungewißheit darüber, in welcher Richtung das Ministerium Bülow zu steuern gedenkt, auf die Ent- Wickelung der Tinge nur schädlich einwirken kann. Sie ist die Grund ursache der immer von Neuem austauchrnden Gerüchte von einem grundsätzlich veränderten Curse. Wir unsererseits bleiben der Ueber- zeugung, daß Gras Bülow eine andere Politik als die „Politik Lenilletsn. Ein Engel der Finsterniß. Roman von Gertrude Warden. Autorisirte deutsche Uebersetzung von A. Braunß. Nachdruck »erboten. Wie ihr bas Bürschchen das Alles in jagender Hast und mit gedämpfter Stimme erzählte, seine schwarzen Augen dabei fest auf ihr Antlitz geheftet, sah er alle Farbe darauf ersterben, daß es völlig aschgrau erschien. Einige Augenblicke stand sie sprach los, nur mit Anstrengung Athem schöpfend und mit ausdrucks losen Augen vor sich hinfiierend, neben ihm. Versunken in Sinnen, hatte sie seine Gegenwart gänzlich vergessen, und Josef, beunruhigt über die Wirkung, die seine Mittheilung hervor gebracht, dachte darüber nach, wie er sie wieder zum Selbst bewußtsein zurücktufen könnte, als plötzlich die Uhr auf dem Pferdestalle von Revelsworth House zum Schlagen aushob und die siebente Stunde kündete, Francesca an die unvermeidliche Gegenwart erinnernd. Zutraulich legte sie sogleich ihre Hand auf Josrf's Schulter. „Ich mutz jetzt hineineilen, um rechtzeitig beim Diner zu erscheinen", sagte sie. „Du aber, Joe, bist ein guter Junge, ich habe Dich gern und traue Dir, Weitz, daß Du mein Freund bist. Also höre: Warte hier noch ein paar Minuten, dann gehe nach Hause und direkt hinauf in's Zimmer meiner Mutter, klopfe an die Thür und warte, ob sie Dich hineinlassen will. Sage, Du warst von mir geschickt. Dann wiederhole ihr ganz genau, was Du mir berichtet hast — ganz genau, wohlverstanden! ohne auch nur ein Wort wegzulassen." Im nächsten Momente huschte Francesca, ihre Kleiderröcke zusammenraffend, schnellfüßig durch die Thore und über den Anger, bis sie daS Hau» betrat und gerade drei Minuten zu spät bei Tisch erschien. E» war ganz unmöglich, auS ihrem Benehmen schließen zu können, dah sie die feindselige Gesinnung ihrer Tante gegen sich erfahren. Sie sah ungewöhnlich erhitzt aus, was ihr sehr gut kleidete; diese Thatsache schrieb Dudley natürlicher Weise seinem erregenden Zusammensein von vorhin mit ihr zu. Aber mit derselben sanften Anmuth, die ihr Wesen stets charakteri- firte, beantwortete sie die scharfen Fragen ihrer Tante nach der Ursache ihre» späten Erscheinen». „Es thut mir sehr leid, Tante Margaret! Ich hatte aber nicht ordentlich taxirt, wie viel Zeit es erfordern würde, aus den Palastgärten, wo ich gedankenversunken unter den Bäumen saß, bis nach hier zu gelangen." „Saß Dudley auch gedankenversunken unter den Bäumen bei Dir?" fragte die Tante sarkastisch. „Er wenigstens hat es mög lich gemacht, zur bestimmten Zeit zu Tische zu kommen." „Er ist früher als ich von dort fortgegangen, um sich zum Diner anzukleiven und Dich nicht warten zu lassen", entgegnete Francesca. „Aber da Betty und ich unsere seidenen Röcke an hatten, so dachte ich, wir brauchten sie nicht zu wechseln." „Ich dachte, es wäre Euch besonders ums Kaufen von Kähnen und Böten zu thun gewesen." „Wir meinten, die Zeit vor dem Diner wäre zu kurz", be gann Francescä, als Dudley, der gerade nicht in der Laune, seine Cousine gemaßregelt zu hören, ihr zu Hilfe kam. „Und obendrein war unser Gespräch so anziehend, daß wir alles Andere darüber vergaßen." Brummend warf ihm seine Tante einen ernst-strafenden Blick zu. — - „Flirten, vermuthlich", äußerte sie in beißendem Tone. „Ja", versetzte Dudley in gleicher Weise, „vermuthlich wür dest Du es so nennen." Die noch übrige Tischzeit verlief recht ungemütlich. Der Ton haldverschleirrten Trohes, den Dudley angeschlagen, kränkte und ärgerte sein« Tante in hohem Grade, da er eben von ihrem Lieblingsneffen kam, während das offene Einräumen der zwischen Dudley und Francesca bestehenden Beziehungen die kleine Betty wie rin Schlag traf. Und Francesca hatte ihrer seits ebenfalls Gründe, Dudley'S Aeußerungen zu bedauern, da sie Viktor in einen Zustand solch augenfällig-eifersüchtiger Ver stimmung versetzten, daß, so lange sie bei Tische saßen, keine Silbe mehr aus ihm herauszubringen war. Sobald die Damen sich in den Salon zurückgezogen hatten, wandte er sich in rührender Verzweiflung an seinen Bruder. „Allons ckona, mvn fröre!" rief er. „Ich frage Dich, ist das recht, ist es aufrichtig? Du mußt doch meine Gefühle für Francesca kennen; und doch machst Du ihr dessen ungeachtet den Hof! Sie kann uns doch nicht Beide heirathen?!" „Hat Francesca versprochen, Dich zu heirathen?" fragte Dudley, indem er bedächtig die Spitz« seiner Cigarre abschnitt „Nicht doch, noch nicht! Sie kann sich noch nicht entscheiden. In «in paar Tagen vielleicht —" „Und soviel ich verstanden", erklärte der Andere, ohne den Blick auf ihn zu richten, „ist sie gegen verheirathungen zwischen Cousin» und Cousinen im ersten Grade." „Sie hat derartig thörichte Vorurtheile", räumte Viktor rin, „das hat jedoch nichts auf sich. Sie kann ohne Zweifel überredet werden, wenn —" „Hast Du sie zu überreden versucht?" „Oftmals. Und mit der Zeit werd' ich schon reüssiren", fuhr Viktor lebhaft fort, „wenn ich keinen Nebenbuhler in demselben Hause habe." „Willst Du damit sagen, daß sie Dich ermuthigt?" Viktor öffnete schon den Mund zum Aniworten, besann sich aber und verschluckte die Worte wieder, die ihm schon auf den Lippen lagen. Seine Angebetete hatte ihm feierlichst befohlen, seinem Bruder keine ihrer Unterredungen über ihre künftig: Verheiratung mitzutheilen. „Was nennst Du Ermuthigung?" brachte er zögernd hervor. Dudley lehnte sich in seinen Stuhl zurück und sah seinen Bruder scharf an. „Was ich nicht begreifen kann, ist, daß Du so apart ver schwiegen darüber bist. Sonst warst Du doch immer bei der Hand mit dem Plaudern von Deinen Liebesangelegenheiten, weiß der Himmel! Da Du aber Francesca's Namen seit min destens vierzehn Tagen kaum Erwähnung mir gegenüber gethan hast, und da sie nie Notiz von Dir zu nehmen scheint, wie soll ich denn wissen können, auf welchem Fuße Ihr zueinander steht?" Er sprach mit einer gewissen Gereiztheit und Ungeduld. Nicht länger mehr konnte er vor sich verbergen, daß Francesca wenigstens die Gabe besaß, sein« Sinne zu umstricken, obschon er in kühleren Augenblicken unfähig war, das alte Mißtrauen gegen sie abzüschütteln. Die Vorstellung jedoch, gegen seinen Bruder, den er zärtlich liebte, in ernstliche Nebenbuhlerschaft zu treten, war ihm entsetzlich peinvoll. Er glaubte in der That, daß Francesca ihm wirklich zugethan sei. Unmöglich konnte sie solch vorzügliche Schauspielerin sein, das zarte Erröthen und die bezaubernden Beweise von Erregung bei ihrer jüngsten Unter redung zu fingiren, wenn er ihr völlig gleichgiltig wäre. Aber fort und fort ward <r von dem Gedanken, Francesca sei eine ausgelernte Kokette, die zu ihrer Belustigung einen Bruder gegen den andern aufspielte, beunruhigt. Francesca war kein unerfahrener Backfisch, sonvern eine er^ fahrene, mit allen Künsten der Gefallsucht bekannte Frau, eine Wittwe von 26 Jahren, die sich des Werthes ihrer Worte uno Handlungen und der Wirkung ihrer Schönheit auf die Männer voll bewußt war. Ob sie seinen Bruder ermuthigt oder nicht, konnte Dudley bei Viktor's eigenartiger Verschlossenheit hierüber nicht sagen, aber daß sie ihn selbst ermuthigt trotz ihres ausge sprochenen Torurtheils gegen Ehen zwischen Vettern und Basen, war eine nicht zu bezweifelnde Thatsache. Selbst in diesem Moment fühlte er sich noch vurchzittert von der Erinnerung ihrer freiwilligen Bewegung nach ihm zu auf der Bank unter den Bäumen — ihrer envgegengestreckten Hände und der langen goldig-braunen, über ihre Augen gesenkten Wimpern, als sie ihm ihre Lippen halb zum Kusse bot. Demnach war es wenigstens seltsam, daß sie untersagt, gegen seinen Brüder zu erwähnen, daß sie Wittwe sei; und wenn «r sie auch nicht als absolut falsch bezeichnen wollte, so fand er doch, daß sie bezüglich ihrer eigenen Angelegenheiten einer merkwürdigen Zurückhaltung fähig war. Dies« Vorstellungen durchzuckten seine Seele, während er schweigend dasaß und auf Viktor's Antwort harrte. Schließlich hob er den Blick auf dessen Antlitz, und Staunen und Teil nahme erfüllten sein ganzes Sein beim Anblick seines Aus sehens, wie alt und abgehärmt er jetzt erschien, wie der Ausdruck fröhlicher Lebensfreudigkeit, der sein Gesicht früher gekennzeich net, gänzlich verschwunden unv durch einen Zug sorgenvollster Abspannung ersetzt worden war. „Beim Jupiter, Viktor, wie krank Du aussiehst!" rief er in einem Ton«, aus dem jeder Anklang von Uebelwollen geschwun den. „Jetzt erinnere ich mich auch, vaß Du in ven letzten Tagen kaum etwas genossen hast. Was ist denn mit Dir? Bist Du nicht recht auf dem Damme, alter Bursch«?" Viktor stützte seinen Kopf schwer in seine Hände. „Ich liebe", bekannte er mit schwermüthigem Lachen. „Das ist's vermuthlich, wodurch ich leide. Ich kann nicht schlafen vor Denken an sie, und den ganzen Tag träume ich von ihr." „Aber Du siehst geradezu krank aus!" „Das kommt davon, weil ich nicht essen kann. Und dann auch die Nähe der Themse — ich glaube, da» ist mir nicht gut. Ich habe mit dem Doctor in Kingston gesprochen, und der sagte, daß Leute, die von ferne nach hier kämen, anfangs gewöhnlich krank würden. Erschlaffung nannte es der Doctor. Und dann ist es auch so heiß", fuhr Victor fort, aufspringend und ruhelos im Zimmer herumwandernd, die Arme und Hände ausgestreckt — „mir ist so heiß, als müßte ich ersticken!" „Wir hatten es aber oft heißer in Paris!" „Nicht diese Hitze! Ich bin immer so durstig hier", fuhr er fort, sich noch einen Becher Claret mit Sodawasser rinschenkend nnd mit Gier schluckend; „mein Hal» ist entzündet und wie ge dörrt, und vas Schlucken von Speisen verursacht mir Schmer zen. Ach, es ist nicht da» Klima", rief er in zärtlichem Mit» theilungsoerlangen und schlang plötzlich seine Arme um Dud- ley's Schultern, „der Grund ist, weil ich so tief liebe! Ich -in elend elend, wenn ich nicht in Francesca'» Nähe. Da» blaue Feuer ihrer Augen brennt mir in» Herz! Dudley — Du kalter Engländer, der Du bist — Du kannst sie nie lieben wie ich st« liebe! 2» erfüllt meine Seele mit Haß, wenn sie «inen anderen
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