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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.05.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000501028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900050102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900050102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Am preußischen Abgeordnetenhause ist gestern ein Streilobzect, das lange die Gemütber in Spannung erhalten hat und zeitweilig sogar daS Schicksal der Flottenvorlage im Reichstage ungünstig beeinflussen zu wollen schien, aus der Welt geschafft und zugleich ein kaum noch ausschicbbarer Act ausgleichender Gerechtigkeit perfect geworden. Der Gesetzentwurf über die Bildung der Wählrrablhelluugeu bei den Eommuualwahleu Hal die zweite Lesung in einem einzigen Tage passirt und ist noch dazu in seinen wesentlichsten und umstrittensten Bestimmungen so gut wie einmüthig zum Beschlüsse erhoben worden. Die Noth- wendigkett, endlich mit den unhaltbaren Wahlrechts-Ver hältnissen aufzuräumen, die seit und in Folge der Steuer- Reformen vom Anfang der neunziger Jahre einen geradezu plutokratischen Cbarakter angenommen batten, ist nachgerade von keiner Partei mehr verkannt worden. Und dem gemäß haben nachgerade alle Parteien ohne Ausnahme sich dazu bequemt, dem gegnerischen Standpunkte Con- cessionen zu machen. Die Nationalliberalen, einschließlich derjenigen aus den Rbeinlanden, haben sich, wenn auch ungern, darein gefügt, daß in größeren Orten statt der von ihnen gewünschten für alle Gemeinden obligatorischen Zwölsteluug (K/,2 für die erste, 4/,« für die zweite nnd b/,z des Gesammtsteuerertrages für die dritte Wählerabtheilung) das Princip des Durckschnittssteuerbetrages (wer den Steuer durchschnitt zahlt, soll aus jeden Fall nicht in der dritten, sondern in egner höheren Claffe wählen) zum Maß stab für die Bildung der drei Wäblerclasseu genommen worden ist. Und sie haben sich außerdem darein ge funden, daß der Erlaß von Ortüstatulen behufs Erhöhung der zum Eintritt in die höheren Wählerclaffcn berechtigenden Steuerbelragsgrenze durch die Vorschrift des Erfordernisses von r/z Mehrheit erschwert worden ist. Andererseits hat das Centrum, welches in der Commission über die Köpfe der Natio nalliberalen hinweji mit den Conservaliven einen Compromiß abgeschlossen hatte, sich gestern noch zu dem Zugeständnisse bereit erwiesen, daß bei Berechnung des aus Zugehörigkeit zur zweiten Wählerclafse Anspruch gewährenden durchschnitt lichen Sleuerbetrages nicht blos diejenigen Wähler außer Betracht blieben, welche „weder Staats- noch Gemeindesteuern zahlen", sondern vielmehr: „alle Wähler, welche nicht zur StaatScinkominensteuer veranlagt sind", und sogar da, „wo das Wahlrecht an 6 Einkommensteuer geknüpft ist, auch diese Steuerzahler". Durch diesen Modus, der gestern von dem Abgeordneten v. Zedlitz beantragt wurde, und der, da ihm auch da« Cenlrum zustimmte, einstimmige Annahme fand, wird erreicht, daß der mit dem „reinen" DurchschnittSprincip verknüpften Gefahr eines Eindringens gar zu wenig steuer- kräftiger Elemente iu die höheren Wäblerabtheilungen vor gebeugt wird. Man mag diese Gefahr groß oder gering achten und demgemäß die Einsetzung de« reinen Durch- scknittSprincips durch das dergestalt gemilderte für uner läßlich oder für entbehrlich halten, — jedenfalls bat allein dir Annahme de« Antrages Zedlitz das endliche Zustandekommen dieser Wahlrechtsreform ermöglicht. Denn der Minister des Innern von Rheinbabrn erklärt auf daS Nachdrücklichst«, daß die Negierung nur bei Annahme dieses Antrages auf ihr« sonstigen Bedenken gegen rin Grsetz in drr Fassung der Commissionsvorschläge zu verzichten im Stande sei. Im UeLrigen darf mit Genugtbuung constatirt werden, baß der Minister zugleich mit aller Bestimmtheit zu erkennen gab, in der Fassung, die das Gesetz nunmehr erkalten Hal, werde dasselbe von der Regierung acceptirt werden. Hiernach wirb sich also die Regierung auch die von ihr noch gestern stark angefochtene Bestimmung, wonach zu einer anderweiten ortsstatutarischen Regelung stets Zweivrittel Mebrheit in der Gemeindevertretung erforderlich ist, gefallen lassen. Dieser Zankapfel — namentlich zwischen Centrum und National liberalen am Rhein — ist damit wohl endgiltig aus der Welt geschafft. Für Annahme des Gesetzes im Herrrnhause wird hoffentlich die StaatSregierung Sorge tragen. Im neuen InvaliditätSversicherungSgrsetze ist in einer bisher von der Oeffentlichkeit wenig beachteten Be stimmung zum ersten Male in unserer Gesetzgebung der Versuch gemacht worden, die Arbeitskraft der ausländischen Wanderarbeiter mit einer Art Zoll zu belegen. Der Bundesrath bat zwar die Befugniß erhalten, zu be stimmen, daß diese Personen der VerficherungSpflicht nicht unterliegen, aber die Arbeitgeber find in diesem Falle ver pflichtet, den Beitrag an die Versicherungsanstalt zu zahlen, den sie für ihre ausländischen Arbeiter entrichten müßten, wenn diese versicherunpgspflichtig wären. Es braucht nickt besonders auseinandergesetzt werden, daß diese leyte Bestim mung vom rein versicherung-technischen Standtpunct aus gar keinen Sinn bat, denn den Beiträgen stehen keine auch nur möglichen Leistungen der Versicherungsanstalten gegenüber. ES bandelt sich bier vielmehr um eine Abgabe, die von den Ausländer beschäftigenden Unternehmern zu dem Zwecke ge fordert wird, damit bis zu einem gewissen Grade verhütet werde, daß sich die Chancen der ausländischen Arbeiter im Vergleich zu denen der inländischen in der Concurrenz um die Arbeitsgelegenheit allzu günstig gestalten. Man bat eS bier mit einer Art von Schutzzoll gegen die ausländische Arbeit zu tbun — mit einem Zoll, den die inländischen Unternehmer, die ausländische Arbeiter beschäftigen, zu zahlen haben und der den Invalidencaffen zu Gute kommt. Bei den niedrigen Lohnsätzen, die im Allgemeinen diese zum größtenTheil slawischen, zu geringerem Tbeil italienischen Arbeiter beziehen, wird zwar der zu „erhoffende" Zuschuß nicht sonderlich in die Waagschale fallen, doch ist es recht angezeigt, daß mit Hilfe dieser B-stimmung eine statistische Unterlage über den Umfang, die Bcrtbrilung und die Lobnbezüge der betreffen den Wanderarbeit geschaffen werden kann. Im Allgemeinen wird zwar die Landwirtbschaft und die Zuckerindustrie durch diese Bestimmung getroffen, doch auch die Bau-, besonders Tiefdauunternehmungen, welche bei Land-, Eisenbahn- und Canalbauten reichlich Wanderarbeiter einstellen, werden mit herangezogen werden. Diese unscheinbare Bestimmung kann sich als der Keim zu einer recht erfolgreichen Schutzgesetz gebung entwickeln. Denn so gut, wie die Unternehmer für ihre Produkte den Schutzzoll fordern, ist der Arbeiter be rechtigt, zu verlangen, baß auch seine Waare, die Arbeits kraft, durch einen gehörigen Zoll geschützt werde vor der slawischen Schmutzconcurrenz. Ueber die Führer »er chinesischen Hoscltque wird der „Welt-Corr." aus Peking vom 18. März geschrieben: Der Eindruck, den die viel verschrieene Kaiserin-Regentin bei ihren eine unmittelbare Beobachtung gestattenden Em pfängen macht, ist der einer wohlwollenden, mütterlich gesinnten alten Dame. Ruhige Beurrbeiler neigen zu der Ansicht, daß sie wohl sehr energisch auftreten kann, wenn sie ihre eigenen Interessen gefährdet glaubt, daß sie aber die Regie rung des Reichs ihren vertrauten Rathgebern überläßt. Es ist daher kaum gerecht, die alle Kaiserin allein für die Mißwirtschaft in China verantwortlich zu machen, die Hauptschuld trifft die Clique ibrer Rathgeber. Die Stelle des CerrmonienmeisterS vertritt am chinesischen Hofe der Ober-Eunuch und allmächtige Günstling der Herrscherin, Li-hsirn-lirn, im Volksmunde Pi-Hsiao-Li, d. h. Li, der kleine Schuster genannt. Er soll bis in sein 30. Lebensjahr Schuhmacher gewesen sein, dann aber, da dies ehrsameGewerbe nickt einträglich genust war, sich der Operation unterzogen haben, die ihm den Eintritt in die Dienerschaft dcS Palastes crmöalickte. Bald wurde er der begünstigte Leib-Eunuch der Kaiserin-Wittwe und ist jetzt schon seit ungefähr 20 Jahren eine der einfluß reichsten Persönlichkeiten am chinesischen Hofe. Niemand kann ein böberes Amt ohne seine Vermitteluug erlangen, selbst Li-bunq-chang zur Zeit seiner größten Macht als General- Gouverneur in Tientsin wagte nickt, Pi-bsiao-Li's Gunst zu verscherzen. Im Laufe der Zeit hat sich Pi-bsiao-Li ungeheure Reichthümer gesammelt, seinen Hut schmücken der Knopf der ersten Rangclasse und die Pfauenfeder, die höchsten Würdenträger erbeben sich in Ehrfurcht von ihren Sitzen, wenn er sich näbert, um Plätze anzuweisen, oder Anordnungen seiner Gebieterin zu überbringen, selbst die Prinzen von Geblüt begegnen ibm mit Achtung. Neben dem Ober Eunuchen sind Prinz Cbing, der Präsident dcS Tsung li Namen, Prinz Tu an, der Vater des Thronfolgers, die Groß-Sekretäre Kang-vi und Hsü-tung, Letzterer neuerdings zum Mentor deS Thronfolgers berufen, die ein flußreichsten Persönlichkeiten. Iunglu beschäftigt sich ausschließlich mit militärischen Angelegenheiten, nur bei sehr wichtigen Anlassen, wie z. B. bei der beabsichtigten Beseitigung KuanghsüS, tritt er in den Vordergrund. Vor Kurzem bat die obenbenannte reactionäre Clique einen neuen Schlag gegen die Betbeiligung fremden CapitalS an chinesischen Minen-Unternebmunaen geführt. Vor einigen Wochen wurde plötzlich der chinesische Director dcS Pekmg- SyndikatS, sowie einige andere hauptstädtische Beamte, die fremden Unternehmern bei Erwerbung von BergwerkS- concessioneu behilflich gewesen waren, festgenommen und nach kurzer Untersuchung zu lebenslänglichen! Gefängniß und anderen barten Sirafen vernrtbeilt. Dadurch sollen chinesische Capitalisten und Agenten von der Mitwirkung und Beiheiligung an Minen - Unternehmungen abge'chreckt werden. Da aber nach den im vorigen Iabre erlassenen Reglements Bergwerke nur eröffnet werden dürfen, wenn chinesisches Capital zur Hälfte belheiligt ist, so wird dadurch die Entwickelung des Bergwesens in Cbina überhaupt verhindert. Die Vor stellungen des englischen Gesandten gegen die Maßregelung des Directors de- Peking-Syndikats sind erfolglos geblieben, es scheint daher, daß eine gemeinsame Action niedrerer Mächte als einziges Mittel übrig bleibt, um die chinesische Regierung von weiteren, die Rechte Fremder schädigenden Maßnahmen abzuhalten. Der Krieg in Südafrika. Ter Boerengrsandtfchaft werden in Holland ganz besondere Ehren zu Tbeil. Gestern besuchte die Abordnung, wie schon in einem Tbeil der Auflage deS MorgenblattcS mitgetbeilt, Amsterdam und wurde von dem dortigen Transvaal-AuSsckufse empfangen. Auf der Fahrt durch die Stadt wurde die Abordnung von der Volks menge herzlich begrüßt. Man überreichte ihr Blumen und Kränze. Dann erfolgte der Empfang durch den Bürgermeister. Dem gestern Abend von der Abordnung veranstalteten Empfang wohnten sehr zahlreiche Personen aus allen Classen der Bevölkerung, darunter der Bürgermeister, die Civil- behördcn und mehrere Corvorationen bei. Von den Mit gliedern der Abordnung wurden keinerlei Reden gehalten. Heute Abend wird eine Versammlung abgebalten werden, die der Abordnung ihre Sympathie ansdrücken wird. Wie ans Washington, 30. April, von „Reuter'S Bureau" gemeldet wird, wird der Staatssekretär des Aus wärtigen Hay die Abordnung genau ebenso behandeln, wie jede andere Persönlichkeit in hervorragender Stellung, die der Regierung der Vereinigten Staaten einen Besuch ab stattet. Sie wird ebenso empfangen werden, wie z. B. Montagne White; der Staatssekretär wird ihr indessen nicht die Cvmpetenz zugesteben, in irgendwelche Ver handlungen mit dem Staatsdepartement ein zutreten. Nach einem Haager Bericht wird in Kreisen, die der Gesandtschaft nahcsteben, versichert, Staatsrath Fischer werde, falls seine Reise nach Washington ergebnißlos bleibt, den Präsidenten Krüger und Steijn den Friedensscklnß an- rathen, da in Folge deS Nichteinschreitens der Großmächte der weitere Widerstand der Republiken aussichtslos sei. Schon letzter Tage ging eine ähnliche Meldung durch die Presse. Sie siebt aber in direktem Widerspruch zu der anderen, daß verschiedene Mitglieder der Commission sich sehr siegeszuversichtlich geäußert nnd kein Hehl daraus ge macht haben, daß die beiden Republiken den Kamps bis zu letzt durchführen werden. Ueber Sic Aohaniicsbnrger Explosion wird dem „Bureau Reuter" aus Pretoria berichtet, die Katastrophe sei eine furchtbare gewesen, die Geschosse seien nach allen Richtungen umker geflogen nnd im Umkreise einer englischen Meile sehe man überall Spuren der Zerstörung. Nach einem Telegramm der „Daily Mail" auS Johannes bürg ist dort, wo das zweistöckige Haus stand, von dem aus die Explosion berbcigeführt worden sein soll, nur noch eine große Grube zu seben. Die benachbarte deutsche Kirche ist verschwunden und verschiedene Häuser sind zerstört. Man will die elektrische Anlage, durch welche die Explosion herbeizefübrt wurde, entdeck: haben. Weiter wird aus Iobannesburg gemeldet: Der verhaftete Fabrikbesitzer Bcgbie wird des Mordes beschuldigt. Er ist verdächtig, seine Fabrik, die 80 000 Lstrl. kostet, in die Luft gesprengt zu haben, um sich dafür zu rächen, daß er als Engländer gezwungen wurde, Kriegs Munition für die Feinde Englands zu sabricircn. Die Opfer der Explosion sind hauptsächlich Italiener und Oesierreicher; ihre Landsleute droben, alle Briten zu tödtcn, wenn die Negierung von Transvaal sie nicht über die Grenze schicke. * Pretoria, t. Mai. („Reuter s Bureau ") Anläßlich der Explosion in Johannesburg hat die Regierung heute eine neue Proclamation erlassen, durch die ungeordnet wird, daß die noch zurückgebliebenen englischen Unterthanen mit wenigen Ausnahmen die Republik binnen 48 Stunden zu verlassen haben. Zugleich ist ein besonderer Sicherheitsdienst zum besseren Schutze der ungarischen und italienischen Arbeiter aus den Re» gierungswerken eingerichtet worden. Eine englische Kritik der militärischen Lage. „Der Augenblick ist günstig, um einmal einen Rückblick auf die militärische Lage im Freistaate zu thun. Wir sind Frttvlleton. 7j Die Herdringen's. Novelle von Hedda v. Schmid. Hochdruck »erbot«». Marie Charlotte überläßt sich jedoch nur kurz« Zeit diesen Reflexionen, sie nimmt sich, wir gewöhnlich, zusammen, setzt wieder eine lächelnde Gesellschaftsmiene auf und widmet sich den Gästen. Die Aufregung der letzten Viertelstunde darf nicht zu lange in ihr nachwirken — Marie Charlotte iveiß, daß der morgende Tag, Walburga's Hochzeitstag, noch viele Anforde rungen an sie stellen wird. Und am Ende empfindet sie es als «ine große Erleichterung, daß die seit den letzten Tagen von ihr geplante Aussprache mit Tordal hinter ihr liegt. Willmann aber, anstatt ein ungestörtes Alleinsein mit Mari« Charlotten zu suchen, ist wiederum von seiner alten Zaghaftigkeit übermannt worden und in Folge dessen in der nächsten Saalecke gestrandet. Er läßt sich dort von einem alten, sehr redseligen Onkel des Bräutigams Langes und Breites über dessen Hand schriftensammlung erzählen. Seine Schüchternheit hat ihm wieder einmal einen Streich gespielt. IX. Der Winter war inS Land gezogen und hackte für die Her- dringen'sche Familie allerhand Veränderungen gebracht. Onkel Gotthold'S Leiden hatte sich dermaßen verschlimmert, daß er sich grnöthigt gesehen, in der Provinzialhauptstadt ärzt liche Hilf« in Anspruch zu nehmen. Isa weilte bereits seit einem Monat dort bei einer Cousine ihrer seligen Mutter. Arnold Berstitz ist bald nach seiner Hochzeit nach R. versetzt worden. — Walburga ist es zwar schwer gefallen, aus nächster Nähe der Ihrigen zu scheiden, aber sie vergöttert ihren Mann, und dies hat ihr über all' das Trennungsweh hinübcrgeholfen. Edi verbringt sein« freie Zeit selbstverständlich bei seiner Braut und kommt selten nach Herdringen, das tief verschneit da- lirgt.ztNuch der Ostsee brausendes Lied schweigt. Starr und eisig «M die gewaltige weiße Decke über den Wassern. MMe Charlotte und ihr Vater Hausen recht still, manchmal r»ur KMit Besuch, der Rechtsanwalt Dunker am häufigsten. Den alten Herrn von Herdringen zwickt das Podagra auf unangenehm« Weis« und er pflegt alsdann übler Laune zu sein. Nöari« Charlotte versteht es jedoch meisterhaft, mit ihm um zugehen; sie liest ihm vor, stopft ihm sein« Pfeife und bereitet ihm eigenhändig sein« Leibgerichte — Biersuppe und Entenragout. An einem Nachmittag, an welchem es ausnahmsweise einmal nicht schneit, sitzt Marie Charlotte am Fenster ihres Zimmers. Sie ist damit beschäftigt, «inen Brief zu lesen, den die Post ihr «den gebracht. Er ist von Isa. Marie Charlottens Antlitz ist sehr ernst. Zum größten Theil sind es trübe Nachrichten, welche Isa ihr spendet. „Liebste Lotte", heißt es gleich zu Anfang des Schreibens, „ich fürchte, daß Onkel Gotthold'S Leiden schnellere Fortschritte macht, als wir geglaubt. Ich fragte nämlich heute Morgen Onkels Arzt, wie es eigentlich stände. Er zuckte mit den Achseln und gab lauter ausweichende Antworten. Das ist schon ein schlimmes Zeichen. Warum, Herzensschwester, ist auf der W«lt nichts vollkommen? Warum muß Alles immer von irgend etwas Traurigem durchsetzt sein? Schon kann ich mich gar nicht so herzlich, wie ich es möchte, an Walburga's glücklicher Häuslichkeit freuen, wo die Sorge um Onkel Gotthold, den wir Geschwister ja wie einen zweiten Vater verehren, bedrückend auf mir liegt." In diesem Sinne ging es weiter, und auch Walburga sprach sich in einem Postscriptum sehr sorgenvoll über den Zustand des Onkels auS. Marie Charlotte faltete den Brief zusammen und glättete ihn mechanisch. Sie war bereits entschlossen, zu handeln, wie sie mußte — sie wollte nach R., um selbst nach dem Kranken zu schauen. Dem Vater würde sie ihren Reiseplan schonrnd beibringen. Der alt« Herr litt am Podagra jetzt mehr denn je — eS hatte sich bei khm in diesem Winter zum ersten Male, dafür aber auch recht nachdrücklich, «ingestellt. Auch sehnte sich Herr von Her dringen noch seiner frischen, lustigen Walburga. Isa vermißte er ebenfalls, und daß Edi so selten nach Herdringen kam, ver stimmte ihn, obzwar er zugleich den verliebten Bräutigam ent schuldigte. Während Marie Charlotte, den Brief im Schooß, dasaß und nachdachte, welche Anordnungen sie für die Zeit Ihrer Abwesenheit im Haushalt zu treffen hatte, kamen zwei Schlitten mit flotten Trabern bespannt die Allee heran. So gut ,S ging, arbeiteten sich die Pferd« durch den Schnee, bis sie unter Hellem Glockengeklingel vor der Freitreppe Halt machten. Die Glocken und laute- Hundegrbell störten Mari« Charlotten aus ihrem Nachsinnen. „Es muß Besuch gekommen sein", sprach sie zu sich, erhob sich und schritt rasch aus dem Zimmer, die Treppe hinab, im Vorübergehen der Köchin, welche den Kopf durch die Flurthür steckte, den Befehl ertheil«nd, Kaffeewasser bereit zu halten. Drunten trat Edi seiner Schwester mit heiterem Gruß entgegen. Sein hübsches Gesicht war von der Luft geröthet. „Das nenne ich eine famos« Fahrt!" rief er, „immer bergauf und bergab ging's in den Schneemassen. Wirklich, um seekrank zu werden. Ich habe Käte mitgebracht, Ivar und noch Jemanden." „Käte", — damit eilte er seiner Braut, welche eben aus oer Halle in das große Wohnzimmer trat, entgegen und zog beide Hände des jungen Mädchens zärtlich an seine Lippen, „Dich Hai doch nicht gefroren, m-ftn Herz?" „Bewahre, di« Fahrt war wunderschön. Schade nur, daß wir kein einziges Mal umfielen, das wäre zu lustig gewesen." „Nun, ich finde, das ist Ansichtssache", bemerkte Marie Char lotte trocken. Sie hatte der Braut ihres Bruders recht kühl guten Tag gesagt und wandte sich dann mit einem etwas befremdeten Ge- sichtSauSdruck der schlanken Mädchengestalt zu, welch; aus dem Halbdunkel der Hall« hinter Käten aufgetaucht war. „Meine Freundin Lola Berting, beste Marie Charlotte", stellte Käte vor. Man« Charlotte neigte kaum den Kopf, aber sie streckte Lola die Rechte bewillkommnend entgegen. „ES freut mich, mein liebe? Fräulein, Sie kennen zu lernen", sagte sie in förmlichem Ton. „Bitte, wollen wir Platz nehmen. Guten Tag, Herr Tordal, ich habe Ihnen Grüße zu bestellen von meinem Schwager Bernitz. Ich erhielt nämlich vor einer halben Stunde Nachrichten aus R.", wandte si« sich an Edi, „es steht schlimm mit Onkel Gotthold, doch darf man Papa damit nicht be unruhigen, er könnte eben kein« Wintrrreise unternehmen. Ich aber muß hin, Edi, denn Jsa'S Mittheilungen machen mich äußerst besorgt." ES ward nun diel hin und her geredet über Marie Char lottens Rrisepläne und Onkel Gotthold'S Leiden, von dem ihn, aller Wahrscheinlichkeit nach, eine baldige Auflösung befreien mußt«. Lola Berting, diesen Angelegenheiten, welche die Familie in so intimer Weise betrafen, ganz fern stehend, war eine stumme Zuhörerin. Ivar Tordal, als Edi's Freund, sprach mit und befürworteie «ifri- Marie Charlotten- Reisepläne. Sie blickte ihn scharf an. „Es ist noch ungewiß", sprach si.', „ob ich Isa mit nach Hause bringe; Isa hat «s vortrefflich bei Tante Marianne. Sollten wir zu schwarz sehen bei unseren Befürchtungen Onkels wegen, so bin ich nach spätestens zwei Wochen wieder daheim. Wenn Du, Käte, und Deine Mutter unserem alten Vater hier so lange Gesellschaft leisten wollt, so wäre mir dies, wie gesagt, sehr lieb. Auch hätte ich in dem Falle die Sicherheit, daß Edi dann so oft als ibm möglich nach Her dringen kommen würde. Du bist ja der Magnet, Käte, der ihn herziehen wird, und sein Vater profitirt dann auch von der Ge sellschaft seines Sohnes." „Es ist doch sehr begreiflich und selbstverständlich, daß Edi am liebsten mit mir zusammen ist", bemerkte Käthe, welche sich ärgerte, daß Marie Charlotte es gewissermaßen zu tadeln schien, daß ihr Verlobter ihre Gesellschaft der seines leidenden, an sein Ruhebett gefesselten Vaters vorziehe. „Uebrigcns", fuhr sie fort, „komme ich sehr gern auf ein paar Wochen hierher, und Mama wird gewiß damit einverstanden sein, mich zu begleiten. Du kommst selbstver" stündlich täglich her, Edi, und dazwischen bringst Du mir Lola mit, die Bahn wird hoffentlich endlich erträglich werden. Wir werden aber List anwendcn müssen, um der verehrten Frau Lommbeck Sand in die Augen zu streuen. O, wir sind di- echten Evastöchter, nicht wahr, Lola? Denke Dir, Marie Charlotte, Lola's gestrenge Pflegemutter hat keine Ahnung davon, daß diese von ihr so eifrig gehütete verwunschene Prinzessin, meine Freundin hier, heute unter dem Vorwande, mich zu besuchen, um an meiner Ausstattung nähen zu helfen, einfach mit uns zu Euch durchgebrannt ist. Allerdings kostete es mich Ueberredunz genug, Loka zum Mitfahren zu überreden." „Du hättest Dir dieselbe ersparen können, Käte", versetzte Marie Charlotte; „es kann Dir doch nicht angenehm sein, wenn Deiner Freundin durch ihren heimlichen Schritt zu Hause Un gelegenheiten erwachsen." „Glauben Sie jedoch nicht, daß Sie deswegen in Herdringen als Gast weniger willkommen sind, weil Sie so zu sagen auf krummem Wege erschienen", wandte sie sich dann, wie um den Eindruck ihrer strengen Worte abzuschwächen, direkt an Lola. Käte wurde roth vor Aerger. „Wenn man so schrecklich pedantisch ist, wie Du, so kann man nicht anders mtheilen, Du hast eben in ollen Dingen ganz ab sonderlich philisterhafte Ansichten, Marie Charlotte", sagte sie spitz. „Komm, Edi, wollen wir Papa begrüßen, er wird nun wohl von seinem Nachmittagsschläfchrn erwacht sein." Sdi, dem das stete Geplänkel zwischen s«iner Braut und sein«.
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