Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.05.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000503020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900050302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900050302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-05
- Tag1900-05-03
- Monat1900-05
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Di» Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, di« Mead-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Ne-aclion und Expedition: JobanntSgasse 8. Di» Expedition ist Wochentags ununterbrochen Geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Stemm'» Lortim. Universitätsstraße 3 (Paulinum„ LoniS Lösche, OlkhMinistr. In. »an. und König-Platz 7. DezrrgS-PreiS der Hauptexpedition oder den im Ttadk- vejirk und Len Vororten errichteten Aus» «bestellen abgrholt: virrtrIjuhrlich>L4.50, sei zweimaliger täglicher Zustellung in» hau» S.üO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteijabrlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendung ins Ausland: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. VcWiLtr TGtlilal! Anzeiger. Amtsblatt -es königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes nn- Nolizei-Amtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dein Redactionsstrich (4g«« spaltens 50^Z, vor den Familiennachrichtrn (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherein Tarif. ßrtra-Beilagcn (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderunz LO.—, Mlt Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Jinzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgeu-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. —»-q—o < Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 223. Donnerstag den 3. Mai 1900. St. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. Mai. Heute verläßt Kaiser Franz Josef von Oesterreick sein Land, um in unserer Reichsbauptstadt den deutschen Kaiser zu begrüßen und dessen erstgeborenen Sokn zur Feier der Großjährigkeit zu beglückwünschen. Der Umstand, daß die Anwesenheit der fremden Monarchen mit diesem Feste seines PathenkindeS zusammensällt, hat Manche verleitet, dem V-suche jede politische Bedeutung abzusprecken, während andererseits wegen der Form der Mittheilung des kaiserlichen Entschlusses, in Berlin zu erscheinen, Viele einen besonderen politischen Anlaß für die Neise suchen — und finden zu müssen glaubten. Da, wo dies Letztere in böswilliger Absicht, insbesondere um die Beziehungen Deutsch lands zu Rußland getrübt erscheinen zu lassen, geschah und geschieht, werken die Anstrengungen, dem Besuche einen außer ordentlichen Zweck zu unterlegen, weiterhin fortgesetzt werden. In Deutschland, wie in Oesterreich-Ungarn ist aber rur Stunde Jedermann überzeugt, daß der Kaiserreise jeder Gedanke an eine bestimmte politische Action der näheren oder ferneren Zukunft ferne liegt, daß sie vielmehr ihre natürliche Erklärung im VorauSgegangenen und in dem bestehenden politischen Verhältnisse zwischen dem Reiche und Oesterreich sinket. Kaiser Franz Joses erwidert einen Besuch, den ihm Kaiser Wilhelm II. vor nahezu drei Jahren abgestattet hat, und Kaiser Franz Josef ist seit einundzwanzig Jahren auf Grund von Verträgen der Verbündete des deutschen Kaisers. Beweg gründe eigener Art hätte vielleicht nicht Deutschland, wohl aber das Ausland vielmehr in dem Unterlassen des Gegenbesuchs finden können. In dieser Möglichkeit aber wurzelt die andere lleberzeugung der Völker Deutschlands und Oesterreich-Ungarns, daß nämlich diese Reise keineswegs ein völlig unpolitischer Act sei. Schon die Art der Ankündigung des Besuche» und die Aus wahl des Gefolges gaben dieser Deutung eine Unter lage. Sie wird auch durch manche Erscheinung der jüngsten Vergangenheit gestützt. Ein Tbeil der Bevölkerung Oester reichs haßt und bekämpft das Bündniß mit dem Reiche und, weil Deutschland das Bindeglied zwischen der Habs burgischen Monarchie und Italien darstellt, auch das Bünd niß mit Italien. Diese Abneigung tritt nngesckeut und un ausgesetzt anS Tageslicht. Ein offenes Geheimniß ist es aber gewesen, daß während der letzten Jahre in der amtlichen Umgebung des Kaisers Franz Josef eine gewisse Unfreundlich keit gegen das Bundesvcrhältniß sich geltend gemacht halte. Diese Stimmung war der Wiederschein einer inneren cisleithanischen Politik, die das Slaventhum zum allein herrschenden Elemente der westlichen ReichSbälfte zu erheben trachtete. Ohne Frage, eS hatten sich Wolken am Himmel des Dreibundes zu sammeln begonnen. Der Entschluß des Kaisers in diesem Augenblicke, sowie seine besonders herzlich gehaltene Bekanntgabe bezeugen, daß die Schatten gewichen sind. Der Klärung ging, nicht zum weitere» Schaden des Deutschlhums im Nachbarreiche, ein allerdings noch nicht sehr einschneidender, aber auch nicht gleichgiltiger Wechsel in der inneren österreichischen Politik voraus, eine Thatsacke, die die Freude des deutschen Volkes an diesem Besuche zu erhöhen sehr geeignet ist. Schon der Unwille der Tschechen — ein Angehöriger dieses Stammes erklärte kürzlich im Prager Landtag: „Diese Reise ist uns nicht angenehm" —, aber auch, von den Deutsch-Österreichern ganz zu schweigen, die Stimmung in dem niemals dreibundfeindlich gewesenen Ungarn gestatten un«, dem Erscheinen des Kaiser» die Bedeutung beizulegen, daß die Bemühungen, die GesammtPolitik Oesterreichs slavischen Leidenschaften dienstbar zu macken, die für die Wirksamkeit des Dreibundes wünschenSwerthe Zurückweisung erfahren haben. Wir dürfen beute in Kaiser Franz Josef einen der Repräsentanten eines ungetrübten Dreibundsverhältnisses begrüßen, den Freund des regierenden wie des ersten deutschen Kaisers, und wir be grüßen in ihm den Sprossen Habsburgs, an dem viele Millionen unserer StammeSgenossen in Treue hängen. Vieles bat sich seit dem letzten Berliner Aufenthalte hier und um Franz Joses geändert, dem betagten Monarcken sind unerhörte Prüfungen auferlegt worden, vaS deutsche Volk aber wird gleich seinem Kaiser den ritterlichen Herrscher mit der alten, begründeten Herzlichkeit empfangen. Der Reichstag hat gestern, wie vorauszusehen war, die „FlottendeckungS - Anträge" Müller-Fulda und Basser mann, von denen der erste den Lotteriestempel zu verdoppeln, die Börsensteuer zu erhöhen und die Schiffs- Connossemente und die Schisfssahrkarten zu besteuern vor schlägt, der zweite den Zoll auf Schaumweine und Liköre erhöhen will, mit großer Mehrheit der Budgelcommission überwiesen. Damit hat sich auch das Plenum des Hauses bezüglich der Behandlung der Flottenvorlage aus den Boden der vom Centrum vertretenen Ausfassung ge stellt, daß zugleich mit der Beschlußfassung über die Flottenverstärknng für die Deckung der Kosten im Voraus Mittel beschafft werden sollen. Die Bedenken, die ein nam hafter Tbeil deS Hauses gegen die Bewilligung von „Steuern auf Vorrath" hegte, scheinen überwunden worden zu sein durch die Hinkeutung des Reickssckatzsckretärs darauf, daß etwaige Überschüsse den Einzelstaaten zu Gute kommen würden. Daraus, daß die Verweisung der Anträge an die Budget- Commission mit großer Mehrheit erfolgte, darf man freilich noch nicht schließen, daß die Commission die An träge sofort annnebmen und dann Hals über Kopf die Berathung des ganzen Flottengesetzes zu Ende führen werde. Erstlich bedürfen die Anträge, wie alle der Initiative des HauseS entsprungenen, noch mancher Verbesserung, und ferner wird eS die Flottenopposition nicht an Versuchen fehlen lassen, durch neue Anträge die definitiveEnlscheidung wenigstens zu verschleppen. Nachdem aber die „ausschlaggebende" Partei, das Centrum, seine Verzögerungstaktik aufgegeben hat und mit der Negierung über alle wesentlichen Grundzüge des beschnittenen Gesetzes einig geworden ist, werden sowohl die CommissionS-, wie die Plenarberathungen in möglichst be schleunigtem Tempo zu Ende geführt werden. Es ist nickt einmal mehr anzunehmen, daß der bayerische Flügel deS Centrums dem Conipromisse Schwierigkeiten bereiten werde. Die letzte Fractionssitzung des CentrumS, in der die Stellung zur Flottenvorlage besprochen wurde, war allerdings von den bayerischen Mitgliedern schlecht besucht, daß aber daraus nicht geschlossen werden darf, die Ausgebliebenen seien zu einer Sonderstellung entschlossen, geht deutlich aus einem Artikel des Organs der bayerischen Klerikalen, der „Neuen Bayer. Ztg.", hervor, in dem es heißt: „Die Gesammtsituation ist diesmal eine andere als beim letzten Flottengesetze. Das Flottensieber hat auch in Centrums kreisen in ziemlichem Maße um sich gegriffen — Haupt- sächlich in Folge der bekannten Vorgänge bei der Berathung der 1898er Marinevorlage — eine Erscheinung, die allerdings auch die parlamentarische Vertretung nicht übersehen kann. Unter solchen Umständen muß man wirklich froh sein, wenn es gelingt, einige Abstriche zu machen und wenigstens die schwächeren Schultern vor neuer außerordentlicher Belastung zu bewahren. Den Werdegang der Dinge haben wir vorausgesehen und uns gehütet, uns in eine Opposition zu verbeißen, die keinen Zweck gehabt hätte. Was das Centrum jetzt beantragt hat, ist schon längst der Sache nach vorbereitet und feststehend gewesen." Angesichts dieser Kundgebung verzichtet Wohl auch der jenige Tbeil der Centrumsprcfse, der noch immer so thut, als ob bas Zustandekommen deS Flottengesetzes zweifelhaft wäre, auf weitere Spiegelfechterei. Besonders wichtig ist aber die Auslassung der „N. Bayer. Ztg." deshalb, weil sie die sichere Aussicht darauf eröffnet, daß das auch in CentrumSkreisen zur Erscheinung gekommene „Flotlensi.ber" die Bewilligung der jetzt gestrichenen Auslands schiffe sicher stellt, sobald die verbündeten Regierungen sie fordern. Tie „Germania" bemängelt, daß die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" wohl ihr Bedauern über die Nichterrichtung einer katholischen Facultät an der Universität Straßburg, aber nicht darüber ausspricht, daß auf einen vier Mal vom Reichstage gefaßten Beschluß, betreffend die Aufhebung eines „Culturkam pfgesetzeS ", der BundeSrath noch immer keine Entscheidung getroffen habe. Mit dem „Culturkampfzesetze" ist natürlich das Jesuitengesetz gemeint. Das Scheitern der Mission des Freiherrn v. Heil ung in Nom als Anknüpsungspunct zur Propaganda für die Jesuiten zu benutzen, ist ein so ungeschicktes Vorgeben, daß die „Germania" bei genauerer Ueberlegung darauf hätte verzichten müssen. Denn der schädliche, deutschfeindliche Cbarakter des Jesuitismus Hal sich gerade in der Angelegen heit, die Freiherr von Hertling in Rom betrieb, auf das Deutlichste bemerkbar gemacht. Daß und warum die fran zösischen Jesuiten die Sache hintertrieben haben, ist schon gestern dargelegt worden. Daß die deutschen ihre fran zösischen Brüder lebhaft unterstützt haben, ist leicht zu er weisen. Es ist noch keine zwei Monate her, seit in dem Jesuitenorgan „Stimmen aus Maria-Laach" der Jesuit von Ham merstein die Errichtung einer katholischen Facultät an der Straßburger Hochschule bekämpfte. In Bezug auf die Wissenschaft nahm Hammerstein daran Anstoß, daß auf der Universität „der vorherrschende Geist ein atheistischer, ein ungläubiger oder doch ein unkatholischer" sei; deshalb werde der junge Theologe „besser von den Universitäten ferngehalten." Betreffs der Professoren äußerte Hammerstein die Befürch tung: „Nur zu leicht würde der Staat Professoren auswäblen, welche bei einem Conflicte, wie wir ihn im Culturkampf erlebt haben, auf Seiten des Staates und nicht auf Seiten der Kirche ständen." Im Hinblick auf den Beichtstubl fragte Hammerstein bedenklich: „Ob die Juristen, Mediciner u. s. w nicht später unbefangener in den Beichtstuhl eine» Priesters geben, welcher ihnen bisher fern stand, als zu einem, mit welchem sie auf der Universität hinter dem Bierkrug saßen?" Endlich erblickte Hammerstein in der Confessionslosigkei t der Universität eine Gefahr für den katholischen Geist. Ob durch die Errichtung einer katholischen Facultät an der Straßburger Hochschule das Deutschthnm in den NeichSlanden gefördert werde — diese nationale Bagatelle kümmerte den Jesuiten von Hammer stein natürlich nicht! Die jesuitische Furcht von der freien Wissenschaft, die jesuitische Feindseligkeit gegen den Staat, die jesuitische Angst vor einer Erschwerung der Priesterberrsckaft über die Gemülher, der jesuitische Con- fessionellismus haben, wie in so vielen Stücken, so auch in der Facultäts-Angelegenheit im Vatican mit den französischen Einflüssen zusammengewirkt. Die „Germania" versichert zwar, eine endgiltige Entscheidung sei noch nicht getroffen. Wir glauben baS aber nicht, sind vielmehr überzeugt, daß die „Nordd. Allg. Ztg." im Rechte ist, wenn sie ohne Einschränkung von dem Scheitern der Verhandlungen berichtet. Daraus deutet vor Allem die Thatsacke hin, daß daS führende rheinische Centrumsorgan, die „Köln. Volksztg.", die Empfehlung, an der Straßburger Hochschule eine katholische Facultät zu gründen, von dem Augenblicke einstellte, als in den „Stimmen aus Maria Laach" die jesuitische Parole ausgegeben wurde. Der Krieg in Südafrika. —i>. Wir sind heute über die Operationen auf beiden Theilen des Kriegsschauplatzes ganz ohne Nachrichten, ein Zeichen, daß sich nichts von entscheidender Bedeutung er eignet Kat, oder was dasselbe heißt, daß weder General Buller in Natal noch der Generalissimus Lord Roberts in Bloemfontein ihrem Ziele auch nur einen Schritt näher ge kommen sind. Im Freistaat sind daran einmal die geschickten Operationen der Boeren schuld, welche Roberts nickt zur Rübe kommen lassen, ibn fortgesetzt östlich der Bahnlinie Bloemfontein-Brandfort beschäftigen und ihm so ein aggressives Vorrücken in nördlicher Richtung unmöglich machen. Dann aber fehlt es den englischen Truppen trotz aller Ableugnungen noch an der nötbigen Winter kleidung und an manchem Anderen. Daß Roberts in der That noch nicht fertig und in der Lage ist, den Vormarsch zu beginnen, stellte vorgestern Abend der Kriegs minister selbst im Oberhause fest. Es galt, sich gegen den Vorwurf zu verlbeidigen, die Kriegsverwaltung habe die Truppen ohne Winterkleidung gelassen, und so verlas er eine Depesche Lord Roberts', welche allerdings constalirt, daß warme Kleidung für alle Truppen reichlich vorbanden — aber noch in Capstadt läge und alle Soldaten damit versorgt werden würden .... sobald dieselben von der Basis herauf gebracht werden könnten. Kurz, es ist die Schwäche der Communicationslinien und die Unzulänglichkeit der Trans portmittel, welche jetzt an allem Unglück schuld sind. Die Engländer halten gegenwärtig eine lange, curvensörmige Position östlich von der Bahn, von Tbabanchn bis südlich von Winburg. Ihre Stärke beträgt etwa 20 000 Mann, während die Boeren dort auf ungefähr <>000 Mann geschätzt werden. Die Verbündeten nehmen eine mehrere Meilen lange Stellung bei Houtnek ein. Auch bei Thabancku stehen nock starke boeriscke Abtheilungen. Man glaubt, Roberts werde einen neuen Umziiigelungsversilch machen. Die ganzen Operationen im Osten von Bloemfontein waren von Roberts nur als eine Episode gedacht, dazu be stimmt, dem Franctircnrunwesen in seiner rechten Flanke ein schnelles Ende zu bereiten, die Linie Bloemsontein- Ladybrand zur Sicherung seines Rückens dauernd zu besetzen und den baldigen Vormarsch nach Norden zu ermöglichen. Die Säuberung des südöstlichen Freistaates ist freilich gelungen, wenn auch die Boerenschaarcn ungehindert ent wischt sind. Aber die Straße nach Ladybrand, deren Besetzung ein unbedingtes strategisches Ersorderniß ist, bat erst etwa zur Hälfte, eben bis Thabanchu, genommen werden können, obgleich schon über eine Woche seil Eröffnung dieser Opera tion vergangen ist und anfangs nur kleine Boerencommandos sich in den Weg stellten. Jetzt vollends gewinnt es den An schein, als ob sich bei Thabanchu, nachdem die von Süden FruLUston. vj Die Herdringen's. Novelle von Hedda v. Schmid. '.'i-Struck verboten. Die Otllampe im Studirzimmer des Rechtsanwalts Dunker brennt mit einer Hellen, freundlichen Flamme und verbreitet einen behaglichen Schimmer in dem mit Schränken und hohen Bücher regalen vollgepfropften Gemach. Bon dem einen Fenster hängt ein Bauer, in dem ein Dompfaff schlaftrunken sitzt. Das Licht stört ihn in seinem Schlummer und sein Herr hat heute aus nahmsweise vergessen, den Käsig mit einem Luche zu verhängen. Ein rauher, unwirthlicher Decombersturm fegt durch die Straßen und rüttelt an der Wetterfahne auf dem Dache, so daß sie sich mit mißtönendem Gekreisch in ihren verrosteten Angeln hin und her wirft. Bor seinem massiven Schreibtisch sitzt in tiefen und, wie <» den Anschein hat, schweren Gedanken der Rechtsanwalt. Seine linke Hand ruht auf der Lehne des Sessels, mit der rechten hat er sein Haupt, das stark zu ergrauen be gonnen, gestützt. Eigentlich ist er ja noch das, was man „in den besten Jahren" zu nennen pflegt; ihm selbst aber dünkt es, al» sei er in den letzten Wochen um ein Jahrzehnt mindestens gealtert. Er hat viel Schweres erlebt in dieser Zeit. Horch! Hat da nicht eben Jemand an der HauSthür ge klopft? Wer aber könnt« jetzt, zu dieser Stunde, ihn aufsuchen? Es ist Acht vorbei, also für den Bürger einer kleinen Stadt nachtschlafende Zeit. Wer kann Einlaß begehren, noch dazu bei diesem Wetter? Da vernimmt der Lauschende vom Korridor her die Schritte seiner alten Haushälterin. Sie scheint Jemandem vi» HauSthür zu öffnen. Noch einige Minuten vergehen, da er scheint der haubenumrahmt« Kopf der Alten in der Thür deS StudirzimmerS. „Herr Rechtsanwalt wollen entschuldigen, aber man wünscht dringend dm Heim zu sprechen." Dunker war gar nicht in der Stimmung, heute noch Jemanden zu empfangen, allein in seinem Beruf konnten immerhin Momente eintretrn, wv man seine» RatheS auch zu einer ungewöhnlichen Zeit bedurfte. Er konnte da nicht streng auf seine angesetzten Sprechstunden Hinweisen. „Wer ist es denn?" fragte er kurz, sich in seinem Sessel halb nach der Alten umwendend. „Ich weiß es nicht, Herr Rechtsanwalt. Ein Officier, den ich nicht kenne." „Ein Officier? Bitten Sie den Herrn, sich herzubemühen." Die Alte verschwand. Eigentlich hatte sie Furcht vor Dieben oder Raubmördern ge habt, als sie die HauSthür geöffnet, jedoch der Anblick eines be schneiten Officiermantels hatte sie beruhigt. Der Fremde hatte seinen Mantelkragen hoch emporgeschlagen und seine Mütze tief in die Stirn gedrückt. Er nahm den Mantel auch nicht ab, als er der Alten durch den schmalen, schwach beleuchteten Corridor zum Studirzimmer folgte. Erst als die Thür des letzteren sich hinter ihm ge schloffen, schlug er den Mantel zurück, und der Rechtsanwalt, der.sich erhoben und dem späten Gast einige Schritte entgegen getreten war, blickte überrascht in Ivar Tordal's todtenblasseS Antlitz. „Was verschafft mir di« Ehre?" fragte der ältere Mann, und sein« Züge sahen fast wie aus Stein gemeißelt aus, so streng und unerbittlich ward in diesem Augenblick ihr Ausdruck. „Ich schleiche mich zu Ihnen, wie rin Dieb in der Nacht", be gann Ivar mit unsicherer Stimme. „Heute Nachmittag von meinem zweiwöchigen Urlaub hierher zurückgekehrt, erfuhr ich von dem Furchtbaren, das sich inzwischen auf Herdringen er eignet. Edi Herdringen, zu dem ich sofort eilt«, traf ich nicht an, man sagt« mir, er sei fort zur — zur Beerdigung." Stock«nd, mühsam preßte Ivar die letzten Worte hervor; dann fuhr er fort: „Verzweifelt irrt« ich planlos durch die Straßen, mir graute förmlich vor der Heimkehr, tausend quälend« Fragen peinigten mich, da gewahrte ich den Lichtschein Ihres Zimmers; zufällig hatte mir Edi einmal im Borübergehen Ihre Fenster be- z»ichn«t. Ich vermuthet«, daß Sie daheim feien, und drang hier ein, in der Hoffnung, mit der Bitte, von Ihnen Nähere» zu erfahren." Ivar'» Züge waren gleichsam verzerrt, seine schlank« Gestalt bebte wie im Schüttelfrost. Dunker'S Strenge wich allmählich bei diesem Anblick und gab einer wohlwollenderen Miene Raum. Er macht« «ine einladende Handbewegung, auf einen Sitz neben dem Schreibtisch deutend; darauf nahm «r s«lbst wi<d«r seinen alten Platz «in. Ein Still- schweigen entstand, man vernahm nur die kurzen, fast keuchenden Athemzüge Jvar's. Dann sagte Dunker mit gedämpfter Stimme, als scheue er sich, die Worte auszusprechen: „Sie wissen — heute haben wir sie begraben." Ein Aufstöhnen antwortete ihm, dann warf Ivar plötzlich beide Arme auf die Tischplatte vor ihm, barg seinen dunklen Kopf in ihnen, und ein krampfhaftes Schluchzen erschütterte seinen Körper. Dunker konnte nicht einmal «ine Frau weinen sehen, ohne da durch gerührt zu werden, um fo vi«l mehr ergriff es ihn, als er jetzt diesen jungen Menschen, der noch vor Kurzem auf Herdringen in sprühender Lebenslust gesungen und gescherzt, so aufgelöst in Schmerz sah, daß «r weinen mußte wie ein Kind. Dieser Anblick ließ den Groll, den Dunker gegen Ivar hegte, schmelzen. Sein Mitleid erwachte. Sanft legt er nach einer kleinen Weile seine Hand auf die Schulter des jungen Mann«s. „Ich will Ihnen fürder keinen Vorwurf machen", sprach er, „obgleich ich Sie in dieser schweren Zeit in meinem Herzen viel fach angeklagt. Isa Herdringen hat es mit ihrem Leben be zahlt, daß Sie Ihnen ihre Liebe geschenkt. Still — sagen Sie nichts, ich weiß Alles —, nicht Sie allein tragen die Schuld daran, daß es so gekommen. Marie Charlotte hat sich aus über großer Zärtlichkeit für ihre Schwester, die ihr als theuerstes Venmächtniß ihrer seligen Mutter galt, an Ihnen Beiden ver sündigt. Ihre Strafe ist eine furchtbar«. Sie ist niedergebrochen unter der Hand des Schicksals." Dunker schwieg und schaute düst«r vor sich hin. Vor seinem geistigen Auge schwebten all' die traurigen, erschütternden Scenen, deren Zeuge er in Herdringen geworden. Ivar hatte sich emporgerichtet, und sich gewaltsam zur Ruhe zwingend, fragte «r: „Woher wissen Sie, wie es kam, daß mein Fuß das Herdnngen'sche Haus, das ich früher so gern, so voll der seligsten Hoffnungen betreten, plötzlich gemieden?" „Marie Charlotte theilte mir in ihrer Se«lenangst um Isa, welche sich Ihres Fernbleiben» wegen, Herr Leutnant, quälte und grämte, mit, was zwischen ihr und Ihnen vorgefallen. Mich ver setzten diese Nachrichten in aufrichtige Bekümmerniß; Sie wissen" —Dunker'S Stimme zitt«rte —, „daß ich die Herdringen'schen Kinder liebe, als wären es meine eigenrn. Ehe ich einen Ent schluß fassen konnte — Marie Charlotte bat mich um Rath —, traf mich di« Kunde von Isa » schwerer Erkrankung. Sie, Herr Leutnant, hattrn damals schon Ihren Urlaub angetreten und P. verlassen. Vielleicht hätte ich Sie sonst ausgesucht, ein offenes Wort mit Ihnen geredet. Einen directen Vorwurf tonnte ich Ihnen nicht machen — Ihr Stolz war eben stärker, als Ihre Liebe zu Isa Herdringen, und der Zug Ihres Herzens hieß Sie Lola Berting zu Ihrer Braut erwählen." „Ich schwöre Ihnen", sprach Ivar feierlich, und seine Augen glänzten fieberhaft in seinem blassen Gesicht, „ich habe Isa Her dringen mehr geliebt, als mein Leben, liebe sie noch bis über das Grab hinaus. Ich leugne nicht, daß mir Lola ein warmes Interesse einflößte; zuerst erregte sie, um ihres freudlosen Schick sals halber, mein Mitleid, in der Folge fesselten mich ihre eigen artig: Schönheit, welche dem Jugendideal gleicht, das ich mir einst geschaffen, und ihr Wesen, das so anders ist, wie dasjenige der meisten jungen Mädchen. Doch niemals wäre sie meine Braut geworden, wenn nicht Marie Charlotte sich trennend zwischen mich und Isa gestellt. Nebenumstände traten dazu. Gleich Marie Charlotten hatte die alte Magd der Frau Lomm deck Lola und mich im Gärtchen beisammen gesehen. Es war ein Zufall, der uns dort einander treffen ließ. Für Lola und mich wurde er verhängnißvoll. Als ich nach jener Unterredung mit Marie Charlotten heimkehrte, fand ich ein Billet meiner Hauswirthin vor. Sie schrieb mir, daß sie mich in einer wich tigen, dringenden Sache sofort sprechen müsse. Ich stand noch ganz unter dem Eindruck des «ben Erlebten, als ich Frau Lomm- beck's düstre Wohnräume betrat. Die Scene, welche nun er folgte, will ich Ihnen nicht in allen Einzelheiten schildern, es ist mir jedoch ein Bedürfnis, Ihnen, Herr Rechtsanwalt, den Isa Herdringen liebte und verehrte, «inen Einblick in die Verkettungen, welche mein Loben in ganz andere Bahnen gelenkt, zu gewähren. Frau Lommbeck's Magd, eine boshafte, intrigante Person, Ver traute bei ihrer Herrin, hatte Lola auf eine schändlich: Weise bei derselben verleumdet. Frau Lommbeck forderte nun Erklärungen von mir, stellte mich zur Rede. Ich muß gestehen, daß ich, ganz mit anderen Angelegenheiten beschäftigt, zuerst nicht recht begriff, um was es sich handelte; dann, als die Dame in harter, ab scheulicher Weis« davon sprach, von Lola ihre Hand abzuziehen, sie zu verstoßen, da sie Unehre über ihr Haus bringe, da sah ich, wie sich aus dem Hintergründe des Gemachs, wo Lola bisher mit gesenktsm Haupt unbeweglich gestanden, ihre dunklen, sprechenden Augen mit einem Gemisch von rührender Angst und demüthiger, hingebender Liebe auf mich richteten. Wir mußte das arme Kind durch die böse, unerbittliche Frau, die sich ihre Beschützerin
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite