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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.05.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000505017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900050501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900050501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Größere Echristen laut unserem PreiS- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab ead»Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestelle» je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag vou E. P olz in Leipzig. 228. Sonnabend den 5. Mai 1900. 9t. Jahrgang. Ouiikergeift und Cultur. Die königlich preußische Regierung richtet die Jugend zu Henkerdienstcn ab und erweckt die Wollust der Grausamkeit und des tyrannischen Vernichtens in ihr. Und die böse Tagespresse macht sich der Begünstigung dieses Ver brechens schuldig, weil sie „ohne jede mißfällige Bemerkung" eine Verfügung abdruckt, in der die Landräthe mittheilen, daß die Regierung gegen eine Ver wendung der Schuljugend beim Suchen der Maikäfer in den Forstculturen nichts einzuwenden habe. Dagegen glaubt die „Ethische Cultur" energisch Verwahrung ein legen zu müssen. Sie schreibt u. A.: „Gegen die Verwendung unserer Jugend in dem kritischen Alter, wo die Wollust der Grausamkeit und des tyran nischen Vernichtens am leichtesten in die junge Seele ein dringt, zu solchen Henkersdiensten müssen wir doch sehr entschieden Protest einlegen. . . . Eines schönen Frühlingsmorgens, wo ringsum in Pflanzen- und Thierwelt Alles zu frischem, neuem Leben erwacht, wird die jugendliche Schaar vom Katechismus mit seinem „Du sollst nicht tödten" abcommandirt, um in zarter Morgenfrühe die wohlbekannten und als „Schornsteinfeger, Müller" u. s. w. liebgewonnenen Käfer von den Bäumen zu schütteln, zu zertrampeln, in Säcke zu stopfen, den Schweinen zum Fräße vorzuwerfen oder sie zerquetscht auf den Dunghaufen zu schütten! Das ist keine Arbeit für Kinder. . . . Wer von uns möchte seine Kinder zu dem unappetitlichen Massenmorde her geben? Aber natürlich: „Volksschüler", „Bauernjungen" — das ist ja ganz etwas Anderes". Wenn man derartige Auslassungen liest, so glaubt man zunächst, mit einem kurzen, herzlichen Lachen die Sache er ledigt zu haben und sich das Eingehen darauf ersparen zu können. Und doch muß man darauf eingehen, denn, um mit Shakespeare zu reden: „Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode". Es ist Methode in dem Denken und Handeln dieser Leute, die sich leider nicht damit begnügen, selbst einem krankhaften Empfinden nachzugeben, sondern es durch Wort und Schrift auch Anderen einzuflößen bemüht sind. Es sind das dieselben Kreise, die in ihrer Frirdens- taumlichkeit Deutschland am liebsten wehrlos machen möchten, dieselben Kreise, die den Verbrecher am liebsten in ein Daunenbett legten und die, wenn bei dem vollständigen Versagen unseres Strafensystems früher oder später eine Verkürzung, aber Ver schärfung der Freiheitsstrafen Platz greifen wird, Deutsch land vor der ganzen Welt als ein culturrückständiges Land verschreien werden, ohne daran zu denken, daß das von ihnen für das Ideal kultureller Entwickelung gehaltene England ein erheblich empfindlicheres Strafensystem be sitzt, als Deutschland. Es sind dies dieselben Kreise, die den Negern in unseren Colonien am liebsten das allgemeine Wahl recht verliehen, weil ja die schwarzen Menschenbrüder völlig gleichberechtigt mit uns sein sollen; dieselben Leute, die, wenn man irgend welchen Fortschritt erzielt, sich ängstlich umschauen, ob es uns nicht die Franzosen oder Engländer Übelnehmen könnten, wenn wir vorwärts kommen. In diesen Kreisen hat eben der so viel mißbrauchte Begriff der Humanität das er schüttert, was den Menschen doch eigentlich erst zur Humnität befähigt, weil es ihn über das Thier hinaushebt, nämlich das vernunftgemäße Denken. Weltabgewandt in ihrer Studierstube sitzend, von der Theorie ganz benommen, decretiren sie, was menschlich sei und was barbarisch. Der grimme Zorn über die Verwendung der Jugend zur Vernichtung von Maikäfern ist vielleicht der schlagendste Beweis solchen weltabgewandten Denkens. Denn der Mann, der da so poetisch von dem schönen Frühlingsmorgen spricht, an dem ringsum in Pflanzen- und Thierwelt Alles zu frischem, neuem Leben erwacht, denkt dabei nicht daran, daß eben dieses frische, neue Leben durch die von ihm so zärtlich behüteten Maikäfer zerstört wird. Er singt wohl sentimental bei irgend einer un passenden Gelegenheit im Salon oder in der Kneipe: „Wer hat dich, du schöner Wald", aber er sieht den seines Reizes durch die unersättlichen Jnsecten beraubten Wald nicht vor sich. Er sieht sie nicht, die Linden- und Kastanienallecn, die dem Wanderer Schatten spenden und dem Auge eine Freude sein sollen, statt dessen aber, kahl abgefressen, ihre Aeste anklagend emporrecken. Deshalb versteht er auch nicht, daß in dem Kinde, das Maikäfer einsammeln hilft, nicht grausame Instinkte geweckt werden, sondern im Gegentheil das befriedigende Bewußtsein, etwas Nützliches zu verrichten und frühzeitig in dem Berufe eines Schützers des Nahrung und Schatten spendenden Baumes gegen die Vernichter seiner Lebenskraft thätig zu sein. Wird, wie es von jedem Lehrer vorausgesetzt werden darf, die Jugend ermahnt, bei ihrem Schüherwerkc jeder vermeidbaren Grausamkeit sich zu enthalten, so ist Alles geschehen, was ein vernünftiger, über dem Thierschutz den Menschenschutz nicht vergessender Mensch ver langen kann. Mit derartigen Tiraden, wie sie die „Ethische Cultur" beliebt, gegen die Verwendung der Jugend auf dem Lande zu einer praktischen, nützlichen und nothwendigen Thätigkeit wird aber aus einem besonderen Grunde die kulturelle Entwickelung nicht nur nicht gefördert, sondern geradezu geschädigt. Es wird soviel darüber gescholten, daß die konservativen Parteien, die ja haupt sächlich auf dem Platten Lande ihren Stützpunkt haben, bildungs feindlich seien. Aber müssen sie nicht von einem gerechten Hasse gegen die Bildung oder richtiger die Ueberbildung und Verbildung erfüllt werden, wenn sie sehen, wie Männer, die an der Spitze der Bildung zu marschiren behaupten, ihrer grauen Theorie zu Liebe und Niemand zu Nutzen kalten Herzen» die Interessen der Land- wirthschaft hinopfern wollen? Es mangelt an männlichen Ar beitskräften für derartige Verrichtungen, wie daS Einsammeln von Maikäfern, weil die männlichen Arbeit-kräfte anderweit, wo sie nicht durch Kinder ersetzt werden können, in der Land- wirthschaft thätig sein müssen. Soll man deshalb ruhig die Forsten kahl fressen lassen und womöglich den Kindern noch ein» trichtern, sie bildeten sich zu praktischen Landwirthen aus, wenn sie die Vernichter der Bodenerzeugnisse vor der Vernichtung schützen? Solche Uebertrribungen der Cultur dienen nur dazu, Widerwillen und Mißtrauen gegen die kulturelle Entwickelung überhaupt zu schaffen. Denn wenn Diejenigen, die da wenigsten» behaupten, an der Spitze diese, Entwickelung ,u stehen, in einem Falle Unsinniges verlangen, so wird man leicht dazu verleitet, alle», was sie befürworten, für unsinnig zu halten. Und so sind unsere Humanitätsdusler das Gegentheil jenes Geistes, der stets das Böse will und doch das Gute schafft: sie wollen das Gute, aber sie schaffen das Böse. Die Ankunst des Kaisers Franz Josef in Lerlin. D Berlin, 4. Mai. (Telegramm.) Bei herrlichem Wetter prangt die Reichs-Hauptstadt in voll endetem Festschmuck. Einheimische, österreichische und ungarische Fahnen wehen fast auf allen Gebäuden. Eine froh gestimmte Menschenmenge durchwogte von früh an die Hauptstraßen und staute sich namentlich auf dem Pariser Platze und auf den Ein zugsstraßen und besichtigte die prächtige Ausschmückung. Von den Linden und unter dem prunkvollen Triumphbogen, wo die Stadtbehörden den Kaiser Franz Josef begrüßen sollten, bis zur Siegesallee, auf der Bellevue-Straße und dem Potsdamer Platze drängte sich eine unabsehbare Menschenmenge. Ein vor nehmes Festkleid trägt die Bellevue-Straße, insbesondere das Künstlerhaus, wo eine prachtvolle Dekoration angebracht ist, deren Mittelpunkt eine allegorische Darstellung der Huldigung der Kunst vor dem Kaiser Franz Josef mit der Colossalbüste des Kaisers ist. Der Potsdamer Platz trägt Flaggenschmuck. Der Potsdamer Bahnhof hat ein reiches Festgewand angelegt. Zahl lose Volksmassen, darunter viele Schulkinder, erwarteten dort mit Spannung die Ankunft der verbündeten Monarchen, die um 10 Uhr eintrafen. Bereits um 9 Uhr hatten sich auf dem Bahnhofe die Prinzen des königlichen Hauses und die sonstigen im Gardecorps dienen den, zur Zeit bei ihren Truppenthcilen anwesenden Prinzen auS den regierenden deutschen Häusern, ferner die Generalität, die Flügeladjutanten des Kaisers, der Staatssekretär des Aus wärtigen Graf Bülow, die Mitglieder der österreichisch-unga rischen Botschaft und die hier lebenden österreichischen und unga rischen Reserveofficiere eingefunden. Gegen ^10 Uhr traf der Kaiser mit dem Prinzen Heinrich ein, während sich die kaiserlichen Prinzen bereits bei der ausgestellten Ehrcucom- pagnie eingereiht hatten. Während sich der K r o n p r i n z, Prinz Eitel Friedrich und Prinz Adalbert bei ihren Zügen befanden, hatten die Prinzen August Wilhelm und Oskar zu beiden Seiten der Fahne ihre Plätze inne. Vor der Abfahrtsrampe war die erste Escadron der Gardes du Corps aufgestellt. Kaiser Wilhelm, der die österreichische Ge neralsuniform trug, begrüßte bei seiner Ankunft auf dem Bahn hof die anwesenden Fürstlichkeiten und die Generalität und schritt die Ehrencompagnie ab. Als der kaiserliche Zug einfuhr, er wartete der Kaiser den erlauchten Gast und salutirte in streng militärischer Haltung. Die Regimentsmusik intonirte den Prä- sentirmarsch und die Fahnen senkten sich zum Gruß. Kaum hatte der Zug gehalten, als Kaiser Franz Josef aus dem Wagen stieg. Die Begrüßung der beiden Monarchen trug »inen außer ordentlich herzlichen Charakter. Beide reichten einander die Hände und küßten einander wiederholt. Dabei waren beide Fürsten entblößten Hauptes. Nach der Vorstellung der beider seitigen Gefolge begrüßte Kaiser Franz Josef die Generalität. Unter den Klängen der österreichischen Volkshymne wurde dann die Ehrencompagnie abgeschritten. Mit dem Kronprinzen sprach Kaiser Franz Josef längere Zeit. Das Aussehen des Kaisers war vorzüglich. Nachdem beide Kaiser die Ehrencom pagnie abgeschritten batten, begaben sie sich in das Kaiser zimmer. Sechs Minuten nach 10 Uhr erfolgte unter brausenden, sich stets wiederholenden Hurrahrufen der vor dem Bahnhof Kopf an Kopf dicht gedrängten Menge die Abfahrt. Laute Commandorufe des die vor der Abfahrtsrampe aufmarschirte Leib-Escadron der Gardes du Corps commandirenden Ritt meisters verkündeten, daß die Majestäten den Galawagen bestiegen hatten. Unter Voraufreiten des Polizeipräsidenten und des Polizei-Obersten setzte sich der L la Daumont bespannte offene vierspännige Wagen in Bewegung. Ein Theil der Gardes du Corps schwenkte vor dem Wagen ein, der Rest folgte ihm. Zur Seite des Schlages auf der rechten Seite des Wagens, wo Kaiser Franz Josef saß, ritt ein Stabsofficier des Gardecorps, dem Kaiser Franz Josef, als die Fahrt im Schritt begann, von dem Wagen aus die Hand reichte. Sichtbar war die Freude des Monarchen, als brausende Jubelrufe der Menge erschallten. „Hurrah!", „Hoch!" und „Eljen" durchzitterten die Luft. Alle Fenster waren dicht gefüllt, jeder Mauervorsprung war von Schaulustigen beseht. Im zweiten Wagen fuhren der Kronprinz und Prinz Heinrich. Hierauf folgten die kaiserlichen Kinder, die Prinzen und die Fürstlichkeiten. Der Staatssekretär deS Aus wärtigen Graf Bülow fuhr mit dem österreichischen Staats sekretär des Auswärtigen Grafen Goluchowskt. Je näher der Zug dem Potsdamer Platze kam, desto mehr schwollen die begeisterten Begrüßungsrufe an. Damen winkten von den Balkons mit Taschentüchern, hell erklangen die jubelnden Stimmen der Berliner Jugend, die eifrig an der Spalierbildung betheiligt war. Kaiser Wilhelm war sichtlich erfreut über den schönen Anblick, den dieser vornehmste Platz Berlin» in dem blendendem Sonnenlichte mit seinen mit Teppichen und Guir- londen geschmückten Prunkgebäuden bot, und machte wiederholt seinen hohen Gast auf Alles aufmerksam. Als der Wagen in die vornehme Bellevue-Straße mit ihren im prächtigsten, saftigsten Grün prangenden Villen rinbog, erregte die im Dorgarten de« neuen Künstlerhauses aufgestellte Colossalbüste des Kaiser» Franz Josef, die Adolf v. Menzel modellirt hat, die besondere Auf merksamkeit der beiden Kaiser. Von der Bellevue-Straße führte die Feststraße durch die Siegesallee und die Charlottenburger Chaussee zum Brandenburger Thor. In der Prachtstraße durch den Thiergarten gab das frisch« knospende Grün in allen Schat- tirungen, von hellstem Sonnenlichte bestrahlt, einen prachtvollen Hintergrund für die blendenden Marmorstatuen der Ahnen unsere» Herrschrrhause». Krieger», Turn- und ander, Vereine bildeten mit ihren Fahnen Spalier; hinter ihnen drängte und wogte auf den breiten Promenadenwegen ein, unabsrhbar, Meng«. Al» der kaiserlich, Wagen in di» Sieg,»alle, tinfuhr, ertönten donnernde Hochrufe, Tücher und Fahnen wurden geschwenkt, während der glänzende Zug in langsamem Trabe durch die jubelnde Menschenmenge dahinfuhr. KaiserFranzJosef war sichtlich gerührt und dankte nach allen Seiten für die stür mischen Ovationen. Nun gings durch das Brandenburger Thor im langsamem Tempo. Der P a r i s e r P l a tz bot ein reiches, festliches Bild. Am Eingang der Straße „Unterden Linden" war der kolossale Triumphbogen errichtet, der das Brandenburger Thor beinahe überragt und in hohem Bogen den Durchblick auf die maifrische Allee freiließ, die von den Spalier bildenden Truppen des Gardecorps eingefaßt wurde. Als die Majestäten einfuhren, erschallten laute Hochrufe, dar gebracht von den Mitgliedern des Magistrats, den Stadtverord- ncten, den Gästen der Stadt, den Abgeordneten, den Mitgliedern der Ministerien, der Behörden, die vor dem Triumphbogen auf gestellt waren, der Damen auf den Tribünen und der öster reichischen und ungarischen Vereine, die mit ihren Fahnen er schienen waren. Die Eskorte ritt im Schritt durch den Mittel bogen des mit Guirlanden und Fahnen geschmückten Branden burger Thores; der Wagen, in dem die beiden Kaiser saßen, hielt. Oberbürgermeister Kirschner trat vor und hielt folgende Ansprache: „Allerdurchlauchtigstrr, Grobmächtigster Kaiser und König! Bei dem Eintritt Eurer kaiserlichen und königlichen Majestät in die Hauptstadt des Deutschen Reiche- entbieten wir Namen- der Bürger» schäft den ehrfurchtsvollsten und herzlichsten Wllkommensgruß! Dieser Gruß gilt vor Allem dem erhabenen Freunde des Hohen» zollernschen Fürstenhauses. Al« treuer Bunde-grnofse der ersten drei Kaiser de- neu erstandenen Deutschen Reiche- erscheinen Eure kaiserlich« und königliche Majestät heute in unserer Stadt, um die Feier der Großjährigkeit-erklärung Seiner koiserl. und königl. Hoheit de- deutschen Kronprinzen durch Eurer Majestät Gegenwart zu einer besonder- weihevollen zu gestalten und die Bande, welche Eure Majestät mit dem künftigen Träger der Hohenzollernkrone schon von dessen Tauffeier an verbinden, noch enger und fester zu knüpfen. Die Bürgerschaft dieser Stadt, sei Jahrhunderten gewöhnt, innigen Antheil zu nehmen au de» Freuden und Ehren ihres Fürstenhauses, dankt Eurer Majestät freudigen Herzen» für diesen neue» Benni- kaiserlicher Huld and Gnade. Der Gruß gilt zma Anderen den» mächtigen Herrscher der österreichisch-ungarischen Staaten, welche dem Deutschen Reiche benachbart und be freundet und mit demselben durch vielfache gemeinsam« politische, wirthschastliche und geistige Interessen eng ver» Kunden sind. Der Gruß gilt nicht zum Letzte» dem ehr würdigen Frieden-fürstrn, welcher seit Jahrzehnten i» treuer Bundrsgenossenschast mit dem Deutschen Kaiser rastlos, eifrig und erfolgreich bemüht ist, seinen eigenen Völkern «nd, soweit mög lich, den Völkern des Erdreichs die Segnungen de- Friedens zu erhalten und ihnen einen friedlichen Wettbewerb in dem Streben nack> der eigenen Wohlfahrt, wir den höchsten Gütern der Menschheit zu ermöglichen. Reich gesegnet seien die Stunden, welche Eure Majestät in dieser Stadt verweilen! Reich gesegnet für die Fürsten! Reich gesegnet für die Völker!" Kaiser Franz Josef, der huldvollst angehört hatte, antwortete: „Ich danke Ihnen, Herr Bürgermeister, für die herzliche Be grüßung und bin hoch erfreut über den prächtigen Empfang, den Mir die Stadt Berlin durch ihr» Vertreter bereitet hat. Ich sehe darin einen neuen Beweis, daß die unverbrüchliche Freundschaft, die Mich mit Ihrem erhabenen Herrscher vereint, auch hier, wie bei uns, in der Bevölkerung vollen Widerhall findet. Ich bitte Sie, der Bürgerschaft der Reichshouptstadt Meinen herzlichen Dank und Gruß zu entbieten I" Beide Kaiser verließen nunmehr den Wagen. Kaiser Franz Joses reichte dem Oberbürgermeister Kirschner die Hand. Hierauf traten Fräulein Kirschner, Fräulein Knoblauch und Fräulein Jacobi vor. Fräulein Kirschner sprach folgende Strophen Ernst v. Wildenbruch'S: Durch unsrer Thore hochgebaute Hallen Ziehst, hoher Gast, gebietend Du herein; Laß einen zweiten Willkomm Dir gefallen! In unsre Herzen, lieber Herr, tritt eia! Wir möchten Dir «in Wort, eia einz'geS sagen, Da- man nicht laut, nur leise sagen darf, Daß Lust und Leid, wo- jemals Du grtragea, Den Widerhall in unsre Herzen warf. Doch weil di« Herzen schweigen, wenn sie liebe», So sit die stumme Blume unser Mund: Du kommst zu unS, und wir sind Dein gebliebea, Der Frühling Gotte- segne diesen Bundl Der Kaiser Franz Josef dankte herzlich und bestieg dann mit Kaiser Wilhelm wieder den Wagen. Fanfaren bläser intonirte» di« österreichische Hymne, brausinde Hoch ertönten, auch al- der Kronprinz und Prinz Heinrich erschienen. Unter den Linden präseatirten die Truppen, an den Finstern und auf den Dächern der reich ge schmückten Häuser waren jubelnde Menschen, aus den Trottoir« eine dichtgedrängte Menge. In der russischen Botschaft war da» diplomatische Corps versammelt, um Zeuge de- Einzug» zu sein. Auch der dem Schlosse nächstgelegene Theil der Liuden bot ein farbenprächtiges Bild. Laubgewinde um rankten die Säulen de- Opernhauses bi» zu dem figureu- reichrn Friese. Auch der Balcon der Kaiserin Friedrich prangte in reichem Laubschmuck. An der Universität standen studentische Abordnungen in farbenreichen Trachten, Auch das Kaiser-Wilbelm-Denkmal war mit Tannen gewinden reich geschmückt. Gegenüber dem Hauptportal des Schlosses war eine Tribüne errichtet, die dicht gefüllt mit Damen war. Rechts neben der Tribüne waren Tscher kessk» aus dem Zoologischen Garten ausgestellt. Di« Terrasse vor d«m Schlosse war von Damen und Officierrn eingenommen, auch der Dürg«rst«ig vor dem Schlosse war dem Offteirrcorp» Vorbehalten. Gegen 10 Uhr war di« Auf stellung der Truppen beendet. DaS Kaiser-Alexander-Garde- Grenadier-Regiment stand an der Schloß brücke. Dann folgte daS Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regiment als Ehren wache zunächst dem Schlosse. Ihm gegenüber stand das Kaiserin-Augusta-Garde-Grenadier-Reginient. Sobald dir Majestäten an dem Denkmal Friedricki'S des Großen vorüberfuhren, gab die Leibbatterie deS 1. Garde-Feld- Artillerie-Regiments im Lustgarten den ersten Salut schuß ab. Die Truppen präsentirten. Bei der Aus stellung deS Kaiser-Alexander-Garde-Grenadier-Regi ments verließen die Majestäten den Wagen und schritten die Front diese-, sowie des Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regi- mentS ab und stellten sich vor dem Hauptportale des Schlosses auf. Sodann erfolgte der Vorbeimarsch der Regimenter „Kaiser Alexander", „Kaiser Franz" und „Kaiserin Augusta", an daS sich die Leib-EScadron deS Regiments Garde du CorpS und die Salutbatterie anschlossen. Sobald die Truppen vorüber waren, begaben sich die Majestäten unter den Hurrah- rusen der Anwesenden um IN/. Uhr in daS Schloß, wo der Kaiser Franz Josef von der Kaiserin und den Prin zessinnen empfangen wurde. Als die Majestäten daS Schloßportal betraten, wurde die Standarte des Kaisers von Oesterreich und Königs von Ungarn auf dem Schlosse gehißt. Der Krieg in Südafrika. -o Das neueste Ereigniß auf dem westlichen Kriegsschau platz« ist die Besetzung »on vrandforl durch die Engländer, die jetzt auch amtlich durch Roberts bestätigt wird. Man meldet unS: * London, 4. Mai. (Telegramm.) Feldmarschall Roberts meldet aus Brandfort vom 3. d. M.: Wir haben heute Brand fort besetzt, ohne großen Widerstand »nd, wie ich hoff», ohne viele Lerluste. Die erste Brigade der berittenen Infanterie» Division deckte die linke und die 14. Brigade der 7. Division die recht» Flanke. Unterstützt von der 15. Brigade rückte die Division Pol«w»Carew direct auf Brandfort zu. Die Boeren zogen sich mitrr General Delarry in nordöstlicher Richtung zurück. * Vrandfopt, 3. Mai. („Renter's Durra»".) Brandsort Wurde eingenommen infolge der combinirten Bewegung der Divisionen Tucker und Pole-Carew im Osten und im Centrum und Huttons berittener Infanterie im Westen. Die Boeren, di, durch die Bewegung überrascht waren, zogen sich in aller Eile zurück. 4000 Boeren sind in der letzten Nacht auf dem Wege hierher gewesen, um den Vormarsch der britischen Truppen zu verhindern. Tucker's Artillerie hat in einem heftigen Artillerie kampf zwei Geschütze der Boeren außer Action gesetzt. Von einer Ueberraschung der Boeren kann schwerlich die Rede sein, da das Terrain von Bloemfontein bis Brandfort fast vollständig freies Deldt ist und nur hier und da durch kleinere zerstreute KopjeS flankirt wird. Nur die Uebermachl deS Gegners kann die Boeren zum Rückzug veranlaßt baden, bei dem es ohne Verluste für die Engländer nicht ab gegangen ist. Ob man es bereits mit dem Vormarsch Roberts' im eigentlichen Sinne zu thun hat, oder nur mit einem weiteren Act der Säuberung deS Landes rund um sein Hauptquartier bleibt noch zweifelhaft. Wahrscheinlich ist daS erstere nicht. Die besten und competentesten englischen Militärkritiker finv darüber einig, daß Robert-' Armee zur Zeit für den Vor marsch gegen den Daalfluß noch nicht gerüstet ist. Spencer Wilkinson erklärte noch gestern, am 3. Mai: „Scheinbar stehen noch verschiedene Divisionen in Bloemfontein, von deren Thätigkeit die Telegramme schweigen, und es muß notbwendig angenommen werden, Laß sie für fort gesetzte Bewegung noch nicht ausgerüstet sind." Erst vor wenigen Tagen hatte General Roberts selbst uns mit- getheilt, daß seine Truppen mit Winlerzeug ausgerüstet sein würden, sobald der überlastete Bahnverkehr den Transport derselben von Capstadt nach Bloemfontein gestattete. Ueber- dieS ist es dem englischen Oberbefehlshaber immer noch nicht gelungen, seine Rückzugslinie vollständig vom Feinde freizu machen: er selbst meldete eben erst, daß Smithfield noch von ihm (d. b. den Föderirten) besetzt und andere CommanLcs nächst Betbulie und anderen Puncten des OranjeflusseS stehen. Um PhilipStown und Fauresmith, d. b. westlich von der Bahn linie, operirt Commaodant Fronemaon. Wepener, sow e die gesammte Straße nach Ladybrand, welche für die Eng länder von so hoher strategischer Wichtigkeit ist, wurde selbst zum größten Erstaunen der BasutoS unbesetzt gelassen u»d General Brabant kehrte mit der Brigade Hart nach Aliwal North zurück, ohne daß ein Grund dafür angegeben worden. Möglich, daß ihm die Aufgabe zugefallen, da andere Truppen, außer der zu ihm gestoßenen Brigade Hart, dort nicht mehr verfügbar, den äußersten Südostwinkel deS Freistaates von jenen BoerencommandoS freizumachen. Aber davon Kälten wir zweifellos ebenso gehört, wie wenn Brabant sofort wieder gen Ladybrand vorgerückt wäre, um dort die rechte Flanke der Boeren - im Rücken zu fassen. Aber selbst wenn er nordwärts unterwegs wäre, bliebe die rechte Flanke deS englischen HauptheercS immer noch durch General Botha bedroht. Ein Vormarsch nordwärts wäre daher rin großes Wagniß. Und voch befinden sich Roberts beste Truppen einschließ lich der Garden und Hochländer seit vier Tagen in Operationen verwickelt, die sie nicht mehr auf der Straße nach Thabanchu- Ladybranb festbalten, sondern i» nordöstlicher Richtung geaen Wynburg bis Jschelfont«in (nicht, wie erst gemeldet, Jubel- fontein) führen. „Daily Telegraph" berichtet au- Bloemfontei» vom 2. Mai: Die britischen Operationen erstrecken sich von Warrenton nach Lavybraad. Der Feind stehe jetzt Bewegungen gegenüber, die seinen Widerstand bald brechen dürften. Ein ernste- Treffen habe bislang nicht stattgefunden. Die Brigaden Wavell, Maxwell, Bruce und Hamil ton sicherten sich ausgezeichnete Stellungen auf den langen Höhenzügen östlich van Glrn, Di« Beeren zogen sich
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