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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.05.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000508013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900050801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900050801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-05
- Tag1900-05-08
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Das kann uns natürlich nicht davon abhalten, den energischen Protest zu wiederholen, den wir sofort an die Wiedergabe der Kundgebung wegen der brutalen Unterstellung knüpften, wir hätten uns bei der Veröffentlichung jenes Leitartikels von der Absicht leiten lassen, „confessionelle Zwistigkeiten in die Armee zu tragen" und „in die Commandogewalt Seiner Majestät des Königs einzugreisen". Wohl kein anderer Mensch als der Verfasser jener Kundgebung hat in unserem Leitartikel die Absicht verkannt, zur Beseitigung einer Miß stimmung und ihrer Ursache beizutragen, und zwar beizu tragen durch einen vertrauensvollen Appell an die königliche Commandogewalt. Zur Sache haben wir nach sorgfältiger Prüfung der einzelnen Angaben der ofsiciösen Kundgebung und nach wiederholter Vergleichung dieser Angaben mit unsren „sanimt und sonders falschen und den Thatsachen direct wider sprechenden" Beschwerden daS Folgende zu erklären: Mit anzuerkennendem Geschick bat der OsficiosuS unsere Einwendungen gegen die Verwendung evangelischer Soldaten bei Feierlichkeiten in der katholischen Hofkirche zu Dresden nicht entkräftet, sondern als vollkommen berechtigt erhärtet. 1) Er citirt den Commandanturbefehl, der den Kirchen dienst in der katholischen Hofkircke regelt: „Es sind in erster Linie Officiere, Unterofficiere und Mannschaften katholischer Confessio» zu befehligen." Diese Be stimmung rubt doch auf der Erkenntniß, daß für jenen Dienst Katholiken die passendsten Leute sind und daß man mit ihm Evangelische verschonen möge, weil ihnen etwas zugemuthet Werden könne, wogegen ihr Glaube Protest erbebt. DaS war aber auch die Voraussetzung, von der das „Leipziger Tage blatt" auSging. Daß nur Katholiken und keine Evangelischen dazu commandirt werden, darauf ist umsomehr zu bestehen, als vielleicht aus gewissem trotzigen Aerger über die endliche Anregung dieser Frage die Neigung hervortreten könnte, bloS Protestanten zuzuziehen. 2) Er stellt als unrichtig die Behauptung hin, daß die Mannschaft vor der Procession und dem katholischen Sanc« tissimum zu präsentiren habe, und führt als Beweis den Be fehl an: „Bei Annäherung ist in Höhe des Baldachins vor den Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften das Gewehr zu strecken bezw. zu präsentiren." Der Soldat muß also präsen tiren, sowie der Baldachin erscheint; unter diesem schreitet der Bischof mit dem katholischen Sanctissimum. Diese empfangen die Ehrenerweisung mit, wenn sie auch der Com- mandanturbefehl nicht auf den Bischof und daS „Sanctissimum" erstreckt haben will. Daß der Soldat schon vor den Beiden mit präsentirtem Gewehr stehen muß, haben eben Manche als lästig und drückend für ihre protestantische Ueberzeugung empfunden. Und sie haben darin richtig gefühlt. 3) Er nennt die Behauptung unrichtig: „Hier nötbigt man Cadetlen, vor der Hostie auf dir Kniee zu fallen." Zum Beweise dafür unterscheidet er zwischen Cadetlen als Cadeltcn und Ca- detten al» Pagen; in der That ein feiner Gedanke! Aber — wird nicht daS Pagencorps ans den Cadetten gebildet? Gleichviel, ob die Cadetlen als Cadetten oder als Pagen nicderknieen, sie knien nieder; das sagt ja der Herr OsficiosuS selbst. Nur beugen ste sich nicht vor der Hostie, sondern — doch man lese den Satz selber: „Die Allerhöchsten und Höchsten Damen, die an der Procession theilnehmcn, muffen, weil für diese Feier durch das Hofceremoniell „Manteau" vorgeschricben ist, einen Pagen haben Der Page muß ganz selbstverständ ¬ licher Weise den Bewegungen der Dame, deren Manteau er trägt, folgen; deshalb muß er, wenn die Dame niederkniet, auch niederknien; er kniet aber nicht vor der Hostie, sondern lediglich weil er in diesem Moment überhaupt gar nicht» Andere- thun kann." Also: er kann gar nicht» Andere» thun, al» nieder- knieen! DaS war eS ja, woran wir Anstoß nahmen; davor wollten wir die jungen Leute bewahren. So viel weiß der junge Mann doch, daß die Damen eben vor der Hostie nieder knien und daß er in diesem Moment niederfallen und als Page etwa- thun muß, wovon sein evangelische- Bekenntniß nicht» wissen will. Und wenn zu solchem Vorgang auch ein Cadett genötbigt wird, der eben confirmirt ist und in dem Confirmandenunterricht die Anbetung der Hostie al- einen Mißbrauch anzusehen gelernt hat, so ist da- unerträglich; um so unerträglicher, wenn e» um „de- Manteau»" willen geschieht. 4) Er sag», e» sei unrichtig, daß evangelische Officiere an der Kniebeugung sich belbeiligten; denn von den zum Kirchendieust commandirten Truppen kniee wahrend der kirch lichen Feier kein Mana nieder, also auch kein Officier. Richtig! Aber wer bat denn behauptet, daß di« da- Spalier bildenden Mannschaften und Officiere niederknieen? Wohl aber ist eS von denen behauptet, di« al- etwa zum „Großen Dienst" gerechnet vor dem Altar zu erscheinen haben. Und da» erscheint nicht unglaublich, wenn die von der „Täglichen Rundschau" behauptete Thatsache zutrifft, daß evangelische Officiere den Baldachin getragen haben, unter dem der Bischof mit dem „Sanctissimum" dahin schreitet. L) Er weist als unrichtig die Bemerkung ab, daß Soldaten „zu den Processtonen" commandirt würden; sie dienten viel mehr al« Wachen und zur Aufrechterhaltung der Ruhe! Aber wobei denn, Herr OsficiosuS? Doch eben bei den Processionen. Und bei diesen werden Evangelische, sei e« im Wachdienst oder im „Großen Dienst", für ihr Bekenntniß Versuchungen ausgesetzt, in die man sie nicht führen soll. Darum wird der Protest dagegen so lange nicht aufbörcn, al- nicht der Commandanturbefehl lautet: „E« sind nur Officiere, Unterofficiere »ad Mannschaften katholischer Eonfession zu befehligen." Daß die officiöse Kundgebung auch in weiteren Kreisen daS Gegentbeil von dem erreicht hat, was sie erreichen sollte, geht aus folgender Zuschrift hervor, die wir aus Dresden erhalten: „Tie gegenüber dem Aufsehen erregenden Leitartikel in Nr. 213 des „Leipz. Tageblatts" vom 28. v. MtS. — „Knie- !>eugung in Bayern und in Sachsen" — nunmehr erfolgte officiöse Antwort dürfte die in evangelischen Kreisen SachsenS !>ervorgerufene Erregung keineswegs beruhigen. Wenn in der officiöse» Auslastung die Heranziehung evangelischer Officiere und Truppen zu katholischen Kirchenfesten in der Dresdner Hofkircke dabin erklärt wird, daß dieselben als Wacken für die Allerhöchste Person Sr. Majestät des Königs und zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in den zur Absperrung zugcwiesenen Räumen und zur Verhinderung des Zutritt-Unbefugter dienen; wenn ferner festgesteUt wird, daß vor dem katholischen Sanctissimum nicht präsentirt und weder von den commandirten Officieren noch von den Truppen die Kniebeugung ausgeführt wird; wenn endlich das Niederkuien der Pagendienste verrichtenden Cadetten damit begründet wird, daß diese in Verfolg ihres Dienstes mit niederknieen müssen, wenn die Dame, deren „Manteau" sie tragen, niederkniet: so ist damit die tiefere Ursache deS Anstoß erregenden Vorgangs weder berührt, noch für die Folge beseitigt. Diese tiefere Ursache wird in evangelischen Kreisen darin erblickt, daß evangelische Truppen über haupt zur Dienstleistung — gleichviel welcher Art — bei katholischen Kirchenfesten herangezogen und gezwungen werden, Ceremonien und kirchlichen Handlungen beizuwohnen, die im Widerspruch mit ihrer evangelischen Ueberzeugung und Er ziehung stehen. Das widerspricht dem Geiste der Verfassung, die in tz 32 der VerfastungSurkunde festsetzt: „Jedem Landeseinwohner wird völlige Gewissensfreiheit und, in dem bisherigen ober dem künftig gesetzlich festzusetzenvem Maße. Schutz in der Gottesverebrung seines Glauben- gewährt." Diese Gewissensfreiheit wird beeinträchtigt, wenn evange lische Christen, weil sie zufällig den Nock des König- tragen und unter militärischem Commando stehen, an kirchlichen Handlungen sich betbeiligen müssen, die der Gottesverebrung ihres Glaubens nicht entsprechen. Hieran ändeit die Tbal- sache nichts, daß die commandirte Truppe lediglich passiver Tbeilnebmer ist, denn die Passivität geht bei denkenden Menschen nicht so weit, daß nicht unwillkürlich im Stillen Vergleiche gezogen werden, die — gleichviel wie sie aussallen — weder im Interesse der Truppe, noch in dem der katho lischen Kirche liegen. Es muß daher an dem sehr berechtigten Wunsche festgehalten werden, daß in Zukunft evangelische Truppen und Cadetten zu derartigen Diensten nicht mehr herangezogen werden. Die Forderung ist keine unbillige, zumal die katholische Kirche sich sehr energisch und ganz anders, als es von evangelischer Seite geschehen ist, dagegen wehren würde, wenn katholische Truppen zu evangelischen Kirchenfesten commandirt würden. Diese Gewißheit allein sollte die sächsische Militärverwaltung zu einigem Nachdenken und zur Ziehung derjenigen Consequenzen veranlassen, die hier die einzig gebotenen sind. Reichen augen blicklich zur Erfüllung des katholischen Kirchenwacht- und Sicherheitsdienstes die in Dresden vorhandenen Soldaten des katholischen Glaubens nicht auS, so hat e» das Kriegsministerium in der Hand, für die Folgezeit beim Ersatzgcschäft für die Dresdener Garnison soviel katholische Rekruten ausheben zu lasten, daß für besagten Dienst genug Mannschaften vorhanden sind. Da unseres Erachten- die officiöse Erklärung für die Handhabung der Frage in der Zukunft genügende Sicher heiten nicht bietet, so wäre eine Interpellation im Land tage dringend am Platze, um den Herrn Kriegsminister über die Stimmung und die Wünsche der sächsischen evangelischen Bevölkerung nicht im Zweifel zu lassen. Wenn eine solche Interpellation bisher noch nicht erfolgt ist, so hat da- seinen Grnnd darin, daß der Herr Kriegsminister die ihn auf suchenden und über die Sache befragenden drei Abgeordneten der Zweiten Kammer bat, no h wenige Tage zuzuwarten, bis er sich informirt habe und Antwort geben könne. Die Antwort ist da, jetzt ist eS an der Zeit, dazu Stellung zu nehmen." Der Krieg in Südafrika. —p. ES unterliegt keinem Zweifel mehr, daß die Boeren im Rückzug begriffen sind. Sie haben Brandfort und Smaldeel auf gegeben — nicht freiwillig, sondern gezwungen — und werden sich wahrscheinlich erst wieder am Zandriver, hinter dem bei Ventasburg und noch mehr hinauf bei Kroonstad da- Terrain in weiter Ausdehnung wieder stärker ansteigt, zeigen. Hier wird eS Robert- sehr schwer, wenn nicht unmöglich sein, die Boerenstellungen, wie er es Weiler südlich mit Erfolg gethan, zu umgehen. Zu schwerwiegenderen Kämpfen kann e« also hier erst kommen. Vorläufig verzeichnen wir noch folgende Meldungen: * Smaldeel, 7. Mai. (Telegramm.) Die Streitmacht des Feldmarschalls Roberts fand auf dem Marsch vom Vet River hierher keinen Widerstand. Die Boeren hatten gestern auf der westlichen Flanke 40 Todte. Die Nachhut de» Feinde» steht noch hinter einigen, 10 Meilen entfernten Kopje». In Smaldeel wurde eine große Menge Lisinbahnmaterial, Virhsutter und Getreide vorgrfunden. Die Brücke über den Zand-Fluß soll zerstört sein. * London, 7. Mai. (Telegramm.) Frldmarschall Roberts meldet au» Smaldeel vom 6. d. M. Nachmittag»: Wir haben beute Morgen den Bet-Fluß überschritten und unser Lager jetzt in Smaldeel aufgeschlagen. Der Feind ist in vollem Rückzug nach demZandfluß und ausKroonstad. — Die gestrige Umgehungbewegung der berittenen Infanterie wurde glänzend au-gesührt. Wir eroberten «in Maxim- geschütz und machten 25 Gefangene. Unsere Verluste be tragen 15 Verwundet«, «inen Lobten und S vermißt«. Die „Times" meldet aus Lourentzo Marquez vom 6. Mai: Louis Botha sei im Freistaat gewesen, um die Burgher an ihre Pflichten und Verantwortlichkeiten zu erinnern, sei aber entmutbigt und von Ekel erfüllt zurückgekehrt. Seinen Freunden soll er offen erklärt haben, die Frei- staatler seien so völlig demoralisirt, daß es unmöglich sei, irgend etwas von ihnen zu erwarten; eS sei mehr als wahrscheinlich, daß die Maste der Burgher sich an dem Widerstande gegen eine Belagerung von Pretoria nicht beteiligen werte. — Man fragt sich verwundert, wie die „Times" dazu kommt, ihren Lesern solch aufgewärmten, sauren Kohl vorzusetzen, da ihnen dock eben wieder das junge Grün der Roberls'schen Siegesdepeschen winkt; aber vielleicht sieht sie e» schon im Keime welken. Ter Einfins; des Winters auf die Kriegführung. Ueber dieses actuelle Thema bringt die „ K ö l n. Z t g." aus der Feder ihres vorzüglich orientirten militärischen Mitarbeiters folgende interessante Mitthcilungen: Das Niedergehen ergiebiger Regengüsse im letzten Drittel des April hat den Sommer, und damit den Vorrath an Futtergras auf der Hochfläche des Freistaates, in ungewöhnlicher Weise ver längert. Jetzt aber tritt der Winter unweigerlich in sein Recht. Ueber diesen südafrikanischen Winter, der bis Anfang October dauert, herrschen vielfach »betriebene Vorstellungen; er gleicht unserm nordischen insoweit, als die Tage ziemlich warm zu sein pflegen, während sich bei Nacht die Temperatur meist etwas über oder unter dem Gefrierpunct hält. In Ausnahmefällen kann sie indeß bis auf —10 Grad Celsius sinken. Dies gilt für die Hochfläche; in bedeutenderen Höhen der Gebirgszüge, z. B. in den Drakensbergen, tritt die Kälte erheblich schärfer auf. Jeden falls werden die für den Gesundheitszustand der Europäer so verderblichen Temperatur-Unterschiede mit einem Schlage noch erhevlich größer und machen die Lösung der Bekleidungsfrage zu einer schwierigen Aufgabe. Der Telegraph hat berichtet, daß die Winterkleider für Lord Roberts' Truppen angekommen und zum Theil wenigstens schon verausgabt sind. Was für Winter kleider? Etwa die daheim getragenen Tuchanziige? Sie sind für den Gebrauch bei Tage zu warm, und außerdem würden ste eine treffliche Zielscheibe für die Boeren abgeben. Tuchkleider von Khakifarbe, einer Mischung von Braun, Gelb und etwas Grün? Es ist wenig wahrscheinlich, daß man in England vor einem halben Jahre schon an die Beschaffung solcher Stoffe ge dacht hat; ihre Anfertigung und die Herstellung der Uniformen für 150 000 Mann ist nicht im Handumdrehen erledigt. Wahr scheinlich hat man sich in der Hauptsache auf die Ausgabe von Unterzeug beschränkt und im Ucbrigen den Khaki-Drillich bei behalten. Für die Nacht müßten dann die Truppen mit Decken versehen werden, deren unvermeidlicher Mittransport angesichts der Tragfaulheit des englischen Soldaten den schon so wie so ungeheuerlich starken Troß noch erheblich vermehren wird Ebenso geschieht das durch die Mitführung von Zelten, womit nach einer Meldung aus Bloemfontein alle Truppen des Roberts'schen Operationscorps Mitte April versehen gewesen sein sollen. Das Alles wird nicht vermeiden, daß die jetzt schon er schreckenden Krankenzahlen während einesWintcrfeldzugs in einem Lande, das Einquartierungsgelegenheit nur ganz vereinzelt bietet, zu einer höchst bedenklichen Höhe anschwellen werden. Noch mehr als bisher werden auch die Pferde dem Klima ihren Tribut zollen, und Fütterungsmangel, wie Wasterarmuth des Landes werden neben der schon erwähnten Vermehrung des Trosses mehr als bisher die Operationen der englischen Heere an die Eisenbahnlinien binden. Hochfliegende Umgehungspläne, die den in England für bald schon erwarteten (und nunmehr an getretenen) Vormarsch des Lords Roberts begleiten sollen, würden auf die allergrößten Schwierigkeiten stoßen. Auf keinen Fall würde sich eine ähnliche Operation, wie die von der Westbahn nach Bloemfontein, d. i. eine strategische Umgehung, wiederholen lassen; vielmehr dürfte die englische Heeresleitung auf taktische Um gehungen beschränkt sein. Merkwürdiger Weise will man das in England nicht einsehen. Man ist dort überzeugt, daß der Ein tritt des Winters den Boeren verderblicher sei, als den eigenen Truppen. Generalmajor Bengough, freilich ein unbelehrsamer Optimist, meint im „Broad Arrow": „Die Natur wird jetzt unsere Verbündete, und das ist mehr Werth, als eine neue Caval- lerie-Division." Warum das? Weil die Boeren — darin sind sämmtliche uns zu Gesicht gekommenen englischen Militär- Zeitungen einig — erstens für ihre Person Kälte nicht aushalten können und zweitens der Futtermangel ihre Kreuz- und Quer züge ohne Mitnahme eines umständlichen Fuhrparkes nicht mehr gestattet. Ueber den ersteren Punct schrieb die „Army and Navy Gazette" schon vor ein paar Monaten: „Die Constitution des Boeren verträgt keine Kälte. Deshalb sind Operationen in den Höhen der Drakensberge völlig für ihn ausgeschlossen. Er wird nicht wagen, den Laings Nek- und van Reenens-Paß zu ver- theidigen (!). Mit Rücksicht auf den bevorstehenden Winter wird er bestrebt sein, die weiteren Operationen bis zum Sommer zu vertagen; wir werden ihm das aber nicht gestatten." Auch in deutschen Quellen war allerlei über die angeborene Frostscheu des Boeren zu lesen. Wir meinen aber, wenn irgend einer sich den Bedingungen des in Frage kommenden Klimas angepaßt haben kann und die Mittel kennt, sich gegen die kalten Nächte zu schützen, so muß es der seit Generationen im Lande sitzende, abgehärtete Boer sein. Größeres Gewicht dürfte der Behinderung boerischer Operationen durch das Fehlen des Futtergrases beizumessen sein. Angeblich füttern die Boeren, da sie während des Sommers nur wenig Heu einzubringen pflegen, ihr Vieh während des Winters nur kümmerlich durch; während dieses Kriegsjahres soll es aus naheliegenden Gründen mit der Heubergung besonders schlecht bestellt gewesen sein. Außerdem ist die Zeit da, wo in vielen Distrikten das Vieh aus den höher gelegenen Weideplätzen in niedrigere oder in die Farmen übergeführt werden muß. Die Folge davon wird sein, daß sich zahlreich« Boerenstreiter zur Regelung dieser Angelegenheit — das Vieh ist ihr ganzer Reich- thum—auf einige Wochen Urlaub geben lassen und so die im Felde stehenden Commandos zeitweilig nicht unerheblich geschwächt werden. DaS ist bei der außerordentlichen Zersplitterung der Boerenstreitkräfte bnd ihrer Neigung, in endlos ausgedehnten Stellungen zu kämpfen, doppelt bedenklich. Wenn nun aber ein militärischer Kritiker in „Blackwoods Magazine" meint: „Da der Boer keine Fouragevorräthe hat, kann er bann nur noch zu Fuße kämpfen, damit wären alle strategischen und taktischer? Vortheile auf Seiten Englands" — so dürfte mit diesen Worten weit über da» Ziel hinausgeschossen sein. Selbst ein in Der- waltungsgeschäften so wenig geschultes Volk, wie die Boeren, wird an den Vertheidigungsmittelpuncten genügende Vorräthe an Ver pflegungsmitteln für Mann und Thier aufstapeln. Dagegen mag die Befähigung der Boeren zu weitzirlenden „Raids" wäh rend der Wintermonate erheblich herabgemindert werden; herab gemindert, aber nicht gänzlich aufgehoben. Man darf die Be- dllrfnißlosigkeit des Boerenpferdes und die Förderung solcher Unternehmungen durch die Landeseinwohner nicht aus dem Auge verlieren. Nach Allem scheint es, als ob man auf englischer Seite, im Vertrauen auf die Zufuhr von der See her und den Besitz der Eisenbahnlinien, sowie eines geordneten Transport wesens, die besonderen Beschwerlichkeiten des bevorstehende^ Winterfeldzuges unterschätze, dagegen ihre ungünstige Ein« Wirkung auf die Kriegführung der Boeren zu hoch bewerthe. Tie SpionSkop-Tcpcschcn vor dem Parlament. X. 6. London, 5. Mai. Numerisch ist die Regierung als Siegerin aus der großen Doppel-Debatte im Parlament hervor gegangen — moralisch erlitt sie eine Niederlage, die nicht ein einziger ihrer Anhänger auch nur zu beschönigen sucht. Wohl selten hat ein Ministerium sich so vollständig von seinen eigensten Anhängern verlassen gesehen, und noch seltener das Schauspiel eines Kriegsministers der Welt geboten, den ihrerseits sein« College» im Augenblicke der Gefahr im Stich gelassen. Trotz dem werden weder Cabinet, noch Kriegsminister sich durch das Stigma der „siegenden Besiegten" besonders gedrückt fühlen und vielleicht gar der Ansicht sein, daß die gestrigen Debatten, Alles in Allem genommen, ihre Lage nur — verbessert haben. Der Gegenstand derselben ist bekannt. Am 23-/24. Januar hatte Generalleutnant Sir Charles Warren den Spionskop ge nommen, um ihn Tags darauf wieder zu räumen; am 30. Januar richtete General Buller in seiner Eigenschaft als Obercomman- dant von Spearman's Hill an den Staatssekretär für den Krieg durch Vermittelung des inzwischen zu seinem Vorgesetzten ge wordenen Lord Roberts eine Depesche, welche die Operationen beschrieb, und legte derselben den Bericht Sir Charles Warren's, begleitet von einem eigenen Handschreiben Buller's, bei. Am 13. Februar beförderte Lord Roberts diese Depeschen mit seinen inzwischen berühmt gewordenen Glossen an Lord Lansdowne. Aber der Inhalt all dieser Berichte, welche nicht weniger als 45 Seiten umfaßten, und besonders die Roberts'sche Kritik, machten den Herren im Kriegsministcrium arges Kopfzerbrechen, da sie der „drängenden Neugierde der öffentlichen Meinung", wie der Kriegsminister sich ausdriickte, gegenüber nicht weiter zu schweigen wagten, und andererseits doch nicht die Verantwortlich keit für die Veröffentlichung dieser ganzen Depeschen mit der von ihnen enthüllten Misöre auf sich nehmen mochten. So telegraphirte denn Lord Lansdowne am 28. März an Lord Roberts, er könne die Gesammt-Documente seiner Depesche vom 13. Februar nicht veröffentlichen, und schlug vor, das nur mit fünf derselben zu thun, wozu er Roberts' Zustimmung erbat. Sollte dieser damit nicht einverstanden sein, so wäre er, der Kriegsminister, beerit, alle diese Papieer als vertrauliche zu be handeln und es dem General Buller zu überlassen, die Ge schichte vom Spionskop noch einmal zu schreiben, welche Lord Roberts seinerseits dann einsenden könne, verbrämt mit irgendwelchen Bemerkungen, welche er der Oeffentlichkeit übergeben zu sehen wünschte. Alles wäre gut ge gangen, hätte General Buller nicht seine altbekannte Hartköpfig keit gezeigt und sich geweigert, seinen Bericht umzuschreiben. Der Kriegsminister sah keinen Ausweg mehr, zog, wie er feier lich im Oberhause erklärte, auf Buller's Weigerung hin sofort seinen Vertuschungs-Vorschlag zurück und gelangte mit Lord Roberts zu dem Schlüsse, daß die Veröffentlichung nunmehr unvermeidlich geworden sei. Um diesen Punct drehte sich ihrem innersten Wesen nach die ganze gestrige Debatte im Ober-, wie im Unterhause. Dort leitete derEarlofPortsmouthden Sturm auf die Regie rung mit der etwas brutalen Beschuldigung ein, der Marquis of Lansdowne, er, dem die Wahrung der britischen Waffenehr« anvertraut sei, habe die Gesetze ehrenvoller Tradition gebrochen und sich außerdem des Versuches schuldig gemacht, die öffent liche Meinung durch bestellte Depeschen zu täuschen, und nachdem er diese beiden Vergehen wider die Ehre begangen, habe er dem noch die Feigheit hinzugefügt, die Verantwortlichkeit für Beides auf den Obercommandanten abzuwälzen. Im Unterhause erhob einer der jüngsten Abgeordneten, Mr. Runciman, in der Sache dieselbe Anklage, nur in weit reservirterer und sachlicher Form, aber auch dort wurde die Regierung beschuldigt, „eine Depesche auf Bestellung sich haben verschaffen zu wollen, um mittels derselben die Wahrheit zu vertuschen. Der Unterhaus redner hielt dabei den Ministern General Buller, den ehren haften Soldaten, als ein Beispiel vor Augen, weil «r e» ab gelehnt, sich an einem solchen Betrüge zu betheiligen. Die Ant worten der Regierung waren überaus schwach. Der Marquis of Lansdowne versuchte, alle Schuld auf die bösen Zeitungen ab- zuwälzcn, welche es auch dem Kurzsichtigen längst klar gemacht hätten, daß am Spionskop schwere Irrungen begangen, und so würde das Zurückhalten der Depeschen die Generäle noch mehr beschönigt haben. Er bestritt natürlich die Absicht, die öffent liche Meinung haben täuschen zu wollen. Der Unterstaatssekretär Wyndham, welcher für seinen Chef im Hause der Gemeinen antwortete, wußte keine bessere Entschuldigung zu finden, als, man habe General Buller zu schonen gewünscht, der übrigens gerade so, wie Lord Roberts, seine Depeschen zweifellos für die Oeffentlichkeit bestimmt gehabt habe. Es hätte nur noch der zweite Weg offen gestanden, in der Veröffentlichung ent schuldigende Umstände für General Buller anzuführen, und das würde „eine große Beleidigung eines so großen Mannes gewesen sein, welcher sich um sein Land so verdient gemacht habe". Im Oberhaufe legten sich indeß die Wellen der Er« regung nach dem ersten Angriffe Lord PortSmouth'S bald; der Kriegsminister, stets ein wenig lahm und zögernd, war noch lahmer als sonst und schleppte sich mühsam von Phrase zu Phrase, wie ein gebeugter, hoffnungsloser Mann, der sich längst damit abgefunden, Alle» über sich ergehen zu lassen. Und al«
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