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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.05.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000510018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900051001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900051001
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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ZMW W ÄipM TUblatt m!> AnzeW Nr.K, ÄnerÄU lK.M I8W. WaiW-AiWbe.) Deutsche Colonialgesellschaft, Abtheilung Leipzig. Leipzig, 8. Mai. Am gestrigen Vcrsammlungsabend hielt Herr Oberleutnant Dominik, gegenwärtig der älteste Afrikaner in der Kameruner Schutztruppe, im grasten Saale des Kaufmännischen Vereinshauses einen äußerst fesselnden und lebendigen Vortrag über seine Thätigkeit und seine Erlebnisse während eines sechsjährigen Aufenthaltes in Kamerun. Frisch und frei, in einfacher, anspruchsloser Weise führte er, wie er selbst betonte, die Leute von Kamerun handelnd vor Augen, und knüpfte auf Grund langjähriger gründlicher Er fahrungen packende Schilderungen einzelner Erlebnisse daran. Ein stattliches Auditorium folgte den Worten des erfahrungs reichen Officiers mit ungewöhnlichem Interesse. Die Colonie Kamerun, welche uns bekanntlich seit dem Jahre 1884 gehört, hat eine besonders lange KUstenausdehnung; ihre Küste wird fast in ihrer ganzen Länge, 300 bis 400 Kilometer lang, von einem Urwaldgürtel eingefaßt. Dieser Gürtel hat der Colonie selbst eine besondere Marke auf die Stirn geschrieben, denn er stellt einem Eindringen in das Hinterland große Schwierigkeiten in den Weg. Die beiden großen, natürlichen Culturstraßen, welche diesen Urwaldgürtel durchdringen, sind im Norden der Niger und im Süden der Kongo; leider befinden sich beide Ströme in eng lischem und französischem Besitz. Zuerst kamen die Kaufleute nach Kamerun, dann die Pflanzer und die Missionare; alle drei aber konnten nur unter dem Schutze der Soldaten arbeiten. Die Kaufleute ließen sich überall an der Küste nieder, um sich zunächst die Schätze aus dem Inneren nutzbar zu machen und den Austausch der Maaren zu vermitteln. Erst in den letzten Jahren ist der Pflanzer nach Kamerun ge kommen. Die Colonie selbst hat schon seit Jahrhunderten mit Portugiesen und anderen europäischen Händlern in Verbindung gestanden, und daher kommt es, daß den Küstenbewohnern, den Du alla, das europäische Element nicht fremd erscheint. Zwischen diesen Dualla und den im Inneren wohnenden Bantu besteht ein gewaltiger Unterschied. Erstere, eitle, unwissende, träge Eingeborene, welche alle üblen Eigenschaften der Europäer angenommen haben, stellen ganz das Zerrbild eines cultivirten Negers dar. Wohl sind sämmtliche Küstenbewohner unter dem Einfluß der in den 50er Jahren ins Land gekommenen Missionare Christen geworden, ohne aber, daß das Werk der Mission auf sie selbst einen besonderen Eindruck gemacht hätte. Den schon lange bekehrten Dualla stehen die Bewohner des Waldlandes, die Bantu, gegenüber. Es sind Heiden. Sie stehen auf einer ganz niedrigen Kulturstufe, haben wenig Bedürfnisse und daher weder Interesse noch Neigung, europäische Cultur anzunehmen. Diese Anspruchs losigkeit führte dahin, daß jedem Eindringen der Europäer ein bewaffneter Widerstand entgegengesetzt wurde. Anfänglich blieb der Tauschverkehr auf die Factoreien an der Küste beschränkt, dann aber waren immer neue Absatz- und Handelsgebicte im Inneren zu erschließen, zu welchem Vorgehen bei dem Widerstand der Bantu die Regierung mit entsprechenden Mitteln zu Hilfe zu kommen suchte. Zuerst versuchte man im Norden auf der natürlichen Wasserstraße, dem Kamerunfluß, vorzudringen, was Eugen Zintgraff gelang, indem er im Norden den Wald gürtel durchbrach und an der Grenze des Wald- und Graslandes die Balistation anlegte. Letztere wurde indessen später von der Regierung wieder aufgegeben, weil sie zu wenig am Centrum des Jnnenlandes von Kamerun lag. Wie im Norden Zintgraff, so versuchten im Süden die bekannten Reisenden Kund und Tappenbeck nach dem Innern vorzudringen, und unter un säglichen Strapazen gelang es Kund, das Aaundeland zu erreichen, doch, da er nicht über genügende Mittel verfügte, mußte er, hart bedrängt, schweren Herzens mit Tappenbeck zur Küste zurückkehren. Tappenbeck starb unterwegs, und Kund selbst kam schwer krank zurück. Seine Expedition übernahm Hauptmann Morgen. Mit rücksichtsloser Energie gelang es ihm, vorzu dringen und die Uaundestation anzulegen. Ec überschritt den Samaga und sah das erste Hochplateau, im Süden AdamLua mit seiner großen Grassteppe. Hier stand er einem ganz anderen Geschlecht gegenüber, denn die Cultur dieser Neger ist an der Hand des Mohamedanismus von Osten, vom Tschadsee aus, vor gedrungen. Die ganze Bantubevölkerung hat das Innere Kameruns unterjocht und ihm den Stempel des Mohamedanis mus aufgedrückt. Morgen kam zum Sultan Ngilla, der wieder dem Sultan von Tibati unterstand, einem Vasallen des Emirs von Jola und des Kaisers von Sokola. Er fand also einen festen, organisirten Staat. Morgen marschirte nun nach Norden weiter, erreichte den großen Nebenfluß des Niger, den Benue, ging diesen abwärts und kam zur Küste zurück. Vor Allem war Kund's Expedition von großem Erfolge begleitet, denn sie brachte Kunde von der Organisation und den wirthschaftlichen Schätzen des inneren Kamerunlandes. Mit Genugthunng war es nun zu begrüßen, daß im Jahre 1890 die Regierung unter Gravenreuth eine größere Expedition zur Erschließung des Hinterlandes aus rüstete. Gravenreuth unternahm es, die Eingeborenen auf dem Kamerungebirge zu züchtigen und den Aufstand derselben nieder zudrücken. Aber bei dieser Gelegenheit fiel auch Gravenreuth. Aus seiner Expedition gingen dann zwei kleinere hervor; die eine übernahm der bekannte Ostdfrikaner Ramsey, welcher die Balegastation anlegte, die andere ging sechs Wochen später unter Rittmeister vonStettenauf demselben Wege ins Land. Es war lediglich im Hinterlande von Kamerun nur eine Aaundestation vorhanden, als Oberleutnant Dominik im Jahre 1894 mit 60 Mann der neugegründeten Schutztruppe nach derselben geschickt wurde, um dem Drängen des Mohameda nismus zu begegnen und die Sklavenverfolgung zu brechen. Ganze Gebiete Kameruns sind durch jahrlange Züge eindringender Horden, welche die Dörfer überfielen, die alten Bantuneger nieder machten, die jungen in der Sklaverei schleppten, nahezu entvölkert worden. Freilich, 60 Mann Schutztruppen waren nicht aus reichend, um dem berüchtigten Häuptling Ngillamit der Waffe in der Hand entgegenzutreten, und so mußte Dominik einen friedlichen Modus finden, ihn von der Menschenjagd abzuhalten. Dominik war innerhalb vier Jahren sechs Mal in friedlicher Weise in der Hauptstadt des Ngilla und erreichte dabei, daß wenigstens das Uaundegebiet von Menschenjagden verschont blieb. Auf dem Rückmarsch durch das noch ganz unbekannte wilde Bakoko- land wurde er überfallen und verlor dabei etwa die Hälfte seiner Expedition. Er selbst wurde dabei schwer verwundet und nach dreizehn Tagen beschwerlichster Reise vom Büchsenmacher Zimmermann in aufopfernder Kameradschaft mit 7 noch unverwundeten Mitgliedern der Schutztruppe nach der Küste zurückgeführt. Ein anderes Bild war es, als er nach seiner Entlassung aus dem Hospital in Begleitung einer 200 Mann zählenden, unter dem Comando von Stetten ausgerüsteten Strafexpedition zur Züchtigung der Bakoko ausrückte. Die Bakokos hatten Frauen, Kinder und ihre gesammte Habe an sicheren Plätzen im Walde versteckt und stellten sich selbst nur ver einzelt der Expedition entgegen. Diese schlug sich tapfer bis zum Grasland durch. Ganz anders als im dichten Busch ist es im Grasland, in der weiten Steppe; hier kommt die überlegene Waffe des Europäers zur vollen Geltung. Im Jahre 1898 kam Gouverneur von Putkamer nach Naünde, um mit dem Sultan Ngilla in Verhandlung zu treten, Dominik sollte sie einleiten. Er wurde aber am 27. Januar in der Stadt Ngilla's mit seiner aus 60 Mann bestehenden Escorte meuchlings überfallen und konnte sich nur durch eine rasche, blutige Abwehr von einer Niedermetzelung befreien. Damit war der Krieg gegen Adamaüa eingeleitet. Aber bis zum Januar 1899 dauerte es, bis die unter dem Kommando von Kamptz stehende 500 Mann starke Expedition die stark befestigte Ngillastadt mit 4 Geschützen stürmte. In einigen Wochen war das ganze Wutegebiet unterworfen; die Expedition Kamptz rückte am 26. Juli 1899 in die 9 Kilometer lange, mit Wall und Graben umgebene Tibutistadt ein und schuf von hier aus eine feste Operationsbasis für die einzelnen Expeditionen. Auf monatelangen kleinen Zügen hat vonKamptz den Sultan Tibuti so ermattet, daß dieser um Frieden bat und 40000 Mark an Elfenbein zahlte. Aber der Sultan hielt die Be dingungen nicht, und so kehrte von Kamptz nach der Tibutistadt zurück, ließ den Sultan gefangen nehmen und nach Kamerun führen. Damit hat man in Kamerun einen großen Schritt vor wärts gethan, indem man die Jnnencolonien besetzte, den Sultan schlug und sämmtlichen Stämmen einen gewaltigen Respect ein flößte. Seit der Ermordung Volkamer's haben sich viele neue Vortheile in Kamerun herausgebildet. Deutschland hat durch große Züge seine Farben im Innern Kameruns zur Geltung gebracht, so daß nun auch den Kaufleuten die Möglichkeit ge geben ist, nach dem Innern Kameruns vorzugehen; in Kamerun selbst hat sich ein gewaltiger wirthschaftlicher Aufschwung voll zogen. Arbeiten doch in den Plantagenunternehmen an der Küste Kameruns allein 16 Millionen Mark deutsches Capital. Nun sind auch die Eingeborenen aus dem Innern Kameruns für deutsche Culturarbeit frei geworden und können das Arbeiter material für die Plantagenunternehmungen an der Küste liefern. Der Sultan ist gefangen, das Land ist deutsch und die Leute sind niedcrgeworfen. Neuerdings sind allerdings wieder Aufstände zu verzeichnen gewesen, welche der Entwickelung Kameruns ge schadet haben. Alle diese Widersetzlichkeiten rühren aus dem Umstande her, daß die betreffenden Stämme einfach nichts zu ver lieren haben und sich immer wieder dem Eindringen der Europäer cntgegenstellen. Freilich, um ein Gebiet, größer wie das König reich Preußen, mit einer Schutztruppe zu besetzen, dazu reichen 500 Mann nicht aus. Es macht sich, um die bisher in Kamerun aufgewendete Arbeit nicht nutzlos vergehen, das geflossene Blut nicht umsonst geopfert sein zu lassen, ein viel größerer militäri scher Schutz nöthig. Die Hauptsache ist, daß die deutsche Flagge auch im Hinterlande von Kamerun volles Ansehen erhält. Eine starke Flotte, Colonien, ein Kabel über See, das müssen wir haben — und eins thut noth, an dem einen können wir Mit arbeiten, wir müssen lernen, nicht nur Deutsche zu sein, sondern uns als Deutsche zu fühlen, ins als Deutsche zu bekennen. Gleich dem Römer, der einst stolz der Welt sein „Romrinus suiu" verkündete, müssen auch wir das Bekenntniß voranstellen: „Stammesbewußtsein, Nationalgefühl, Deutschland über Alles, über Alles in der Welt!" Dem Vortrage selbst folgte rauschender Beifall aller Hörer. - -—ui. Lezirkslehrerverein Leipzig-Land. Sitzung vom 5. Mai 1900. Nach einer kurzen Ansprache, mit der der zweite Vorsitzende, Schuldirector K l e i n e - Grotzzschocher, die Sitzung eröffnete, erfolgte zuerst die Wahl eines Vertreters für die deutsche Lehrer versammlung, die Pfingsten d. I. in Köln stattfinden soll. Ein stimmig ernannte die Versammlung für dieses Amt den ersten Vorsitzenden des Vereins, Herrn Schuldirector vr. Lindner- Schönefeld. Als Stellvertreter desselben bekam Herr Schul director Kleine die meisten Stimmen. Nachdem verschiedene geschäftliche Angelegenheiten erledigt worden waren, erhielt Herr I)r. Schubert das Wort zur Er läuterung und Vorführung des Mang'schen Telluriums, das in einer bei Gelegenheit der letzten Generalversammlung des All gemeinen Sächsischen Lehrervereins gefaßten Resolution als das beste bis jetzt bestehende anerkannt worden ist. Als besondere Vorzüge des Lehrmittels hob der Vortragende die einfache, prak tische Construction — es fehlt alles Räderwerk —, die gediegene Ausführung und die Verwendbarkeit einzelner Theile für den Unterricht in der Physik hervor. Darauf zeigte er, wie mittels des Apparates den Kindern die Kugelgestalt der Erde, der Wechsel der Tages- und Jahreszeiten u. a. verdeutlicht werden kann. Die Versammlung folgte den Erklärungen und Vorführungen mit Interesse und erkannte die Vortheile, die das neue Tellurium bietet, voll an. Die nächste Confcrenz wurde auf den 7. Juli festgesetzt. II. vermischtes. ----„2chnit;eljagd"-er Kriminalpolizei. Ueber interessante criminalpolizeiliche Beobachtungen wurde dieser Tage durch die Zeugen in einem Strafproceß vor dem Landgericht I in Berlin berichtet, bei dem 13 Angeklagte verurtheilt wurden. Es handelt sich um eine Betrugs-, Diebstahls- und Hehlereigeschichte des Furier- und Sackhändlers Zech aus der Gerichtsstraße. Zech, der verhaftet, aber wieder freigelassen war, wurde von Neuem verhaftet und nunmehr zu zwei Jahren Zuchthaus verurtheilt. Seine Mitschuldigen erhielten Gefängniß bis zu drei Wochen herab. Die Gerichtsverhandlung enthüllte ein umfangreiches un sauberes Treiben, und die Art, wie Criminalbeamte es auf deckten. Viele Getreide-, Malz- und Futtergeschäfte wurden fortwährend bestohlen. Die Criminalpolizei hatte Zech im Ver dacht der Thäterschaft, da er einen schwung haften Handel betrieb, ohne daß man sich Klar heit über seine Bezugsquellen verschaffen konnte. Der Triminalschutzmann Ebert erhielt nun den Auftrag, den Ver dächtigen zu beobachten. Das war nicht leicht, da Zech mit seinem Fuhrwerk in der ganzen Stadt herumfuhr. Als guter Fahrer nahm Ebert sein Zweirad zu Hilfe. Für den Fall, daß mehrere Verhaftungen auf einmal vorzunehmen seien, schlossen sich ihm noch einige andere Beamte an. Diese mußten unauffällig dem Radfahrer folgen. Da aber Zech und ihm nach auch Ebert nicht selten ein flottes Tempo hielten, so mußte dieser ein besonderes Mittel anwendcn, um den Zusammenhang mit den Fußgängern zu erhalten. Zu diesem Zwecke steckte er sich jeden Morgen die Tasche voll Papierschnitzel, und wenn nun Zech in eine andere Straße einbog und er ihm folgte, so warf er beim Beginn des neuen Straßenzuges jedesmal eine Hand voll gegen einen Laternenpfahl, die Bordschwelle oder sonst einen festen Gegenstand, so daß die Schnitzel über Bürgersteig und Straßendamm sich zerstreuten und leicht zu sehen waren. Wieder holt schüttelten die Straßengänger über diese „Verrücktheit" des Radfahrers den Kopf, die Beamten aber, die zu Fuße folgten, fanden immer die Spur ihres radelnden Kollegen wieder. Mit unter kam Ebert aber auch in die Verlegenheit, von einem uni- formirten Schutzmann angehalten zu werden, da er auch auf ver botenen Wegen fahren mußte. Die „Schnitzeljagd" dauerte sechs Tage. Dann waren Zech's Bezugs- und Absatzquellen, seine Lieferanten und Hehler ermittelt. — Tas Geständnis; auf dem Sterbebette. Der räthsel- hafte Tod des Postillons Fritz, welcher im August 1896 auf der Chaussee zwischen Zechlau und Babylon mit zerschmet tertem Schädel im Chausseegraben todt aufgefunden wurde, scheint durch das Geständniß eines Sterbenden jetzt seine Auf klärung finden zu sollen. Bekanntlich wurde der Postwagen mit den Pferden eine ganze Strecke von dem Todten entfernt eben falls im Chausseegraben gefunden. Da an den Postsachen nichts fehlte, so galt ein Raubmord als ausgeschlossen. Man nahm vielmehr an, daß Fritz, welcher kurz vor seinem jähen Ende in einem auf seiner Tour gelegenen Gasthause mit mehreren Maurern gezecht batte, auf dem Kutsckcrbock ein geschlafen und während der Weiterfahrt mit dem Kopfe gegen einen Chausseebaum geschleudert sei, wobei er die tödtliche Berletzung erlitt. Die später vorgenommene gerichtsärztliche Obduction ergab jedoch mit Bestimmtheit, daß Fritz mittels eines stumpfen Instruments erschlagen worden sei. Dieses Gutachten wurde vom Gerichtschemiker vr. Bischof-Berlin, welchem der Kopf des Todten zur näheren Feststellung der Todesursache zugesandt worden war, in vollem Umfange bestätigt. Auf Grund dieses Ergebnisses wurden seinerzeit mehrere Verhaftungen von Maurern vorgenomrnen; diese ließen sich jedoch wegen Mangels an Beweisen für die Folge nicht aufrecht erhalten, obgleich einer der Festgenomnienen fast über sechs Monate im Untersuchungsgefängnisse zubringen mußte. Nunmehr hat einer der Maurer auf dem Sterbe bette das Geständniß abgelegt, daß er dem unglücklichen Postillon die tödtlichen Hiebe beigebracht habe. Er habe seiner Zeit, hinter einem Baume versteckt, die Post auf der Chaussee erwartet. Beim Herannahen derselben habe er sich auf den Kutscherbock geschwungen und dann dem im Halb schlummer befindlichen Postillon mit einem Stück Eisen die tödtlichen Verletzungen beigebracht. Allerdings sei es nicht seine Absicht gewesen, ihn zu tödten, den Tod müsse vielmehr Fritz beim Herabfallen vom Wagen erlitten haben. — Bon« Staatsanwalt abgcfatzt. Durch Zufall ist der Staatsanwalt Liebenow in die Lage gekommen, am Sonnabend Abend auf offener Straße in Berlin einen Taschen dieb bei der „Arbeit" abfafsen zu können. Er befand sich am ge dachten Abend Unter den Linden, wo sich vor dem Hause der Habel'schen Weinhandlung eine große Menschenmenge an gesammelt hatte. Da sah der Staatsanwalt L. vor sich einen Mann, dec sich in verdächtiger Weise an seinen Vordermann herandrängtc. Er behielt ihn fest im Auge, und als dessen Vordermann sich Plötzlich umdrchte und erklärte, daß ihm Jemand an seinen Taschen gewesen sei, hielt er den Verdächtigen, der im Gewühl verschwinden wollte, fest, wobei er sich als Staatsanwalt zu erkennen gab. Der Verdächtige bestritt jede verbrecherische Thätigkeit, doch wurde das Portemonnaie, welches er seinem Vordermann entwendet hatte, am Boden vorgefunden, auch zeigte es sich, daß er in seinem Rocke sogenannte Diebestaschen hatte. Staatsanwalt Liebenow ließ den Taschendieb durch einen Schutz mann sistiren, und auf der Wache konnte festgestellt werden, daß der Festgenommene der wegen Taschendiebstahls schon mit drei Jahren Zuchthaus vorbestrafte Maler Kickheber war. Er be findet sich jetzt in Untersuchungshaft. — Rosegger nnd „Los von Rom"! Bekanntlich erließ, wie unsere Leser sich entsinnen werden, der berühmte Volksdichter im vorigen Jahre einen Aufruf zum Bau einer evangelischen Kirche in Mürzzuschlag. Man war verwundert über den Auf ruf, da Rosegger Katholik ist. Eine Freundin erhielt darüber kürzlich eine Antwort, der wir folgende Stelle entnehmen: „Für die Heilandskirche in Mürzzuschlag haben wir im Ganzen schon l über 40 000 Kronen (etwa 32 000 Mark) beisammen. Der Bau beginnt bald. Ich glaube nicht, daß Steiermark protestantisch gemacht wird; aber ich glaube, daß dieses Gewitter reinigend für die katholische Kirche wirken wird. Ich trete nicht über, Kirck: ist mir Nebensache, das Christenthum Hauptsache. Die Geist liehen wollen das nicht trennen, und ich — kann es nicht ganz vereinigen. Ich freue mich aber jeder Cultusstätte, auf deren Thurm ein Kreuz ragt, und deshalb helfe ich der armen evangeli- sehen Gemeinde in Mürzzuschlag ein wenig bei ihrem Kirchenbau. Wie dankbar sind wir für Beiträge!" — So weit Rosegger. Ja, die Lehre Christi ist die Hauptsache! — TaS Ideal. Im „Berner Bund" berichtet ein Exami nator über eine Lehrerinnen-Prüfung. Ich gab den Kandidatinnen als Aufsatzthema: „Mein Gartenideal!" Ich nahm an, eine Lehrerin werde große Freude haben an ihrem Gärtchen und habe sich wohl zum Voraus ihre Gedanken gemacht, wie sie dasselbe einrichten und pflegen wolle, wenn sie auf dem Lande eine Stelle bekäme. Ich sagte ihnen auch etwas zur An leitung und Gedankenwcckung; aber vermöge meiner schnarrenden Stimme wurde ich ohne Zweifel von Einigen nur mit Mühe ver standen. Wie erstaunte ich, als eine der Examinanden als Ueber- schrift deutlich geschrieben hatte „Mein Gattenidcal!" Sie hatte jedoch den Gegenstand gelungen erfaßt und offenbar schon früher ernstlich erwogen; sie wünschte einen jungen, hübschen u. s. w., und specicll, daß er in sie verliebt sei bis über die Ohren. Ich konnte ihr mit gutem Gewissen eine „1" geben. ----- Zn Ron« fand ver Proceß Viterba seinen Abschluß. Es bandelte sich um eine falsche Anklage und Zeugenaussage, aus Grund deren vor einigen Jahren einige Angeklagte zu schwerer Strafe verurtheilt wurden. Die letzte Sitzung des Gerichtshofes begann am Sonnabend früh 11 Uhr und fand Sonntag früh 6 Uhr ihren Abschluß. Die Nervosität des PublicumS, welches unentwegt auf seinen Plätzen verharrte, hatte seinen Gipfelpunct erreicht. Die Vertheidiger der un schuldig Verurthcilten wurden bei ihrer Schlußrede frenetisch acclamirt. Als der Gerichtshof zur Verkündigung des Urtheils eintritt, erhebt sich hinter den Schranken der An geklagten entsetzliches Heulen und Schluchzen. Einige liegen halbtodt auf der Erde, andere sprechen nervös mit ihren Ver- theidigern, wieder andere küssen inbrünstig die Heiligenbilder und flehen laut die Madonna an. Der Priester Don Gratiliano Pezi (der falsche Zeuge) wurde zu 22 Jahren Zuchthaus, seine Eideshelfer zu 10 Jahren bis 50 Tagen verurtheilt. — Die drei unschuldig Verurtheilten wurden unter gewaltigen Evvivarufen deS PublicumS sofort frei gelassen. — Sie legten sofort die Sträflingskleider ab und wurden im Triumph unter Hochrufen auf die Justiz von einer unendlichen Menge nach Hause getragen. Die Ver haftung des pflichtvergessenen Staatsanwaltes Cavalli, des Carabinierileuinants iLcarso, des MajorS Decicco und anderer Polizisten steht bevor. Mil diesem Urtheil und Vorgehen stellt die italienische Justiz ihr Ansehen wieder her. Wochennachweis der Levölkernngsvorgänge in Leipzig. Bevölkerungsvorgänge ZI UZ ZS § Standesamt Leipzig II i III l IV l (NcU'Leipzig) V Einwohnerzahl aui den 1. Jul, IWO berechnet: Stonkcsaml 1180-04,Standesamt II121994, Standesamt 11 l 40011. StandeSamtl V 77216, Standesamt V I3k8ö, zusammen 439200. Geborene in der Woche vom 22. April bis mit 28. April 1900: Lebendgeborene männliche. . . 43 39 12 32 7 133 » weibliche . . . 50 41 11 33 5 140 - zusammen. . . 93 80 23 65 12 273 Todtgeborene männliche . . . 3 3 —- 1 7 - weibliche. . , . 1 — 1 o - zusammen . . . 4 3 2 — 9 Gestorbene (ausschl. Todtgeborene) in der Woche von« 29. April bis mit 5. Mai 1900: Gestorben überhaupt männliche 40 24 10 16 1 91 - » weibliche 33 24 8 21 2 88 - - zusammen 73 48 18 37 3 179 Darunter Kinder im Alter von 0—1 Jahr 22 24 6 16 1 69 Darunter ehelich geborene . . 14 14 6 14 1 49 - unehelich geborene 8 10 — — 20 Todesursachen, Zahl der Fälle: 1. Pocken 2. Masern und Röthcln . . . — — — 3. Scharlach — — — — — — 4. Diphtherie und Croup . . — , — — —— 5. Unterleibstyphus einjchl. gastrisches und Nervenfieber . 1 1 6. Flecktyphus — — — — 7. Obolera udiatiea .... —— . — —— —- — 8. Acute Tarmkrankh. einschl. Brechdurchfall .... 7 9 1 4 21 darunter u) Brechdurchfall aller Altersclasfen . . — b) Brechdurchfall v. Kindern bis zu 1 Jahr . . . - 9. Kindbett-(Puerperal-) Fieber 10. Lungenschwindsucht . . . 8 6 2 5 21 11. Acute Krankheiten der Ath- mungsorgane ... 15 11 3 4 2 35 Darunter Influenza . . . 12. Alle übrigen Krankheiten 4 1 — — — 5 39 22 12 22 I 96 13. Gewaltsamer Tod: a) Verunglückung . . 1 1 — 2 b) Selbstmord 2 — — 1 — 3 o) Todtschlag — — — — — — Das statistische Amt -er Stadt Leipzig. kmmr KmImmIlMklitiiiiß: r 2.2V, 2.VV, I.8V, I.VV R. pro V- M M im r I.4V, I.2V, UV, I.VV M. pro'/- 0. 6.1-kiiMcMst, DL« kadv iek erstanäen unä empkskle kieraus: Uvnnvn - trüber 4.00-10.00 Zstrt — PCI islctcp Uosvnslott« s.oo-a.00 o.oo-ia.oo S.OO NovdolsßLllt« vilwvilUstckvrsloNv, kLrckiovll, LottckLwLSte, ÜLllätüodvr, Msvdtäodvr, Illlsts, LvttLauKs, llomcksodLrokantv «8V. N».I »-,<>,» Ä« Id« Hillel Ham8tra88v 19, 1. Llaßss, «M. 8ain8tra886 19, 1.
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