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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.05.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000516010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900051601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900051601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Morgen-Ausgabe Anzeiger Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 8 Jahrgang. ..V« ^8 Mittwoch den 16. Mai 1900. Ionen be> ge- a das in an- s. den en IU°K Ik^Il s. 6. rie Morgen-Ausgabe erscheint um V,7 Uhr, tic Tlbeiid'Ausgabe Wochentags um b Uhr. die der S s. s I.V. ».0 t-o. >.0 l.0. s. L L S S L Aus -cm Westen liegen heute keine Meldungen vor. Gestern, am Sonntag, wurde in London mit den bei solchen Gelegenheiten üblichem Lärm die Entsetzung MafekingS gemeldet, aber der Siezestelegrapb war wieder einmal, wie sckon so oft in diesem merkwürdigen Kriege, etwas zu voreilig. Es wird gemeldet: * Kapstadt, l4. Mai. Bisher liegt keine amtliche Bestätigung der Nachricht vor, daß die britische Entsatzcolonne für Maseking in Vryburg angekommen sei. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Margen-Au-gabe: Nachmittags 4Uhr. Bei deu Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets an die Er-e-itin» zu richten. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'- Lorttm. Universitätsstrahe 3 (Paulinum), LouiS Lüsche, ttatharinenstr. 14, part. und König-Platz 7. brtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Redaktion und Erpedition: IohanntSgafle 8. Tic Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Ubr. Dynastie vorüber, so daß die Königin - Regentin zu hoffen wagen durfte, ihre dornenreiche Aufgabe so lange zu er füllen, bis ihr als König geborener Sohn das Großjährigkeits alter erreicht haben und sie damit der schweren Verantwortung ledig sein würde. Wird diese Hoffnung jetzt, wo der weitaus größte Theil der langen Regentschaftszeit verstrichen ist, noch zunichte gemacht wer den? Wir möchten es kaum annehmen. Daß so viele anti dynastische und revolutionäre Strömungen vorhanden sind, ist ja gewiß ein Unglück für das Land und eine Gefahr für den Thron, aber ein Glücksumstand liegt eben darin, daß diese Strömungen unter einander uneins sind, weil die Interessen ein ander vielfach diametral zuwiderlaufen, und daß es an einer ziel bewußten Leitung der umstiirzlerischenUmtriebe fehlt. So dürften die gegenwärtigen Unruhen vielleicht den Sturz des allgemein verhaßten Ministeriums herbeiführen, aber die Dynastie dürfte kaum unmittelbar bedroht sein. Trotzdem sind diese Unruhen schlimm genug für das Land. Nach dem Kriege mit Amerika sind viele Hoffnungen auf ein besseres wirthschaftliches Gedeihen des Landes gefetzt worden, weil Spanien seine kostspieligen Colonien, die die Negierung obendrein in internationale Verwickelung gebracht hatten, losgeworden war. Die Börse, die ja der wirthschaftliche Barometer ist, oder, vor sichtiger ausgedrückt, sein soll, brachte dies Vertrauen in beispiel loser Weise zum Ausdruck, indem sie die spanischen Papiere, die während des Krieges nur wenig über 30 notirten, in noch nicht zwei Jahren auf einen Cours von über 70 emportrieb. Wenn aber an die Stelle der colonialen Unruhen fortlaufend heimathllche Revolten treten sollten, so wäre eine wirthschaft liche und finanzielle Besserung völlig ausgeschlossen. Marthe's und Claire's Leben war damit ein Wendepunct ein getreten. Innig und treu hingen die Schwestern aneinander, und still und friedlich waren die Tage bei emsiger Arbeit verflossen, bis Unruhe und Sorge in das Heim der Schwestern kam, und zwar in Gestalt des Herrn Dautra. Dieser war einer der eifrigsten Abonnenten der Bibliothek. Fein in seinem Auftreten, ungefähr fünfundzwanzig Jahre, war er zuerst immer nur mit stummem Gruße gekommen und ge gangen; allmählich aber hatte der junge Mann seine große Schüchternheit überwunden, und es war zum Plaudern ge kommen. Die Schwestern hatten erfahren, daß er ein Mi nisterialbeamter sei und seine freie Zeit gern mit Lesen ver bringe. Im Sommer freilich, da habe er vierzehn Tage Ferien, und dann reise er zu seinen Eltern. Er sprach von seiner sanften, heiteren Mutter und von dem Vater, der das kleine Landgut selbst bewirthschafte. Herr Dautra kam sogar manchmal des Abends unter einem Vorwande und plauderte mit Marthe und Claire, und da er sich stets äußerst correct benahm, so hatten die beiden Schwestern an solchem Plauderstündchen ihre Freude und vermißten den jungen Mann, wenn er einmal ausblieb. War es nun die stets mütterliche Besorgniß, die Marthe zu einem Trugschluß führte, oder täuschte sie sich nicht in der Annahme, daß Herr Dautra nicht der Bücher, sondern Claire's wegen kam, und sie selbst nur als Claire's Beschützerin be trachtete. Herr Dautra aber ging nicht aus seiner Reserve heraus, und für Marthe begann ein sorgendes Bangen, denn sie glaubte bei Claire mehr als eine gewisse Freundlichkeit dem Besucher gegen über zu sehen. Freilich, das verschlossene Kind schwieg und litt augenscheinlich im Stillen, zu stolz, der Schwester ihr übervolles Herz auszuschütten. Da plötzlich war Herr Dautra vor etwa vierzehn Tagen fort geblieben, und seitdem wurde Claire von Tag zu Tag stiller und blasser. Und nun fragte sich Marthe angstvoll, ob sie nicht Unrecht gethan hatte, dem jungen Mann den Zutritt in ihr Hau» zu er- Eschelon von rechts, vorginss, wurde durch daS Gelände bedingt, welches jetzt westlich von der Eisenbahn offen war, während der Listen voller Kopjes ist und dem Vormarsch natürliche Hindernisse in den Weg legt. Am Sonnabend Morgen wurde der Vormarsch auf der ganzen Linie fortgesetzt und eS zeigte sich, daß auch an der vielgenannten starken Boerenposition bei Boschrand keine feindlichen Truppen standen. RecoznoScirungcn auf Kroonstad ergaben, daß die Statt ohne feindliche Besatzung war und so zog Lord Roberts am Mittag desselben Tages mit besonderem Gepränge als Sieger in die Stadt ein. Zuerst kam seine Leibgarde, die man ausschließlich auö Colcnialtruppen zusammengesetzt hat, dann kam der Stab und die fremden Osficicre, hierauf ein Tbcil der Icomanry und dann die Division Pole-Carew. Der Nest der Truppen lagert außerhalb der Stadt. Es scheint, daß die Boeren nun doch durch das rasche Vordringen Roberts' nach Norden sich gezwungen sehen, ihre Positionen in Flanke und Rücken des Feindes aufzugeben und sich nach der Transvaalgrenze zu zu concentriren. Wenigstens wird heute gemeldet: * Kroonstad, l4. Mai. („Rcuter's Bureau".) Wie berichtet wird, ziehen die Boeren gegenwärtig alle Streitkräfte am Vaal-Flusfe zusammen. Mau nimmt an, daß nicht mehr als 200 Freistaalboercn am Vaal mit kämpfen werden. Tie Aus besserungsarbeiten an der Bahnstrecke bis Kroonstad werden voraussichtlich am Donnerstag beendet sein. Der Ver pflegungsdienst arbeitet regelmäßig. Die Mannschastcn und Pferde empfangen volle Rationen und der Gesundheitszustand Truppen ist vollkommen gut. * LouSou, 15. Mai. (Telegramm.) Reuter's Bureau richiet aus Brands drift, östlich von Thabanchu, unter dem 13. Mai: Der District von Ladybrand ist vom Feinde, der Mrquatlingsnek geräumt hat und sich jetzt in der Nähe von Lindley befindet, gesäubert worden. * London. 1b. Mai. (Telegramm.) Kroonstadrr Tele gramme vom 13. April melden, daß die Boeren sich von fast allen Puncten nach dem Vaalflusse zurückziehen. Die Boeren von Vrede und Frankfort werden in Heilbron zusammengezoqen. Nach Johannesburger Meldungen beabsichtigen die Boeren, ihre Gefangenen nach Lydenburg übcrzuführen und dort den letzten Widerstand zu leisten. (Magdeb. Ztg.) Anzeigeri-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redaction-strich (4go» spalten) 50^z, vor den Familiennachrichre» (6 gespalten) 40^. Größere Schristen laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Die Lage in Natal. * London, 15. Mai. (Telegramm.) General Buller telegrapbirt aus Kemsfarm: Wir besetzten Dundee. 2500 Boeren gingen gestern nach Glencoe weiter. Der Feind hat seine Stellungen auf den Biggarsbergen geräumt, ebenso an der Südost. grenze. * London, 15. Mai. (Telegramm.) Aus KempSfarm wird vom 14. Mai der „Morning Post" dcpefchirt, die Boeren- stellung bei den Biggarsbergen wurde durch die hcule auSgeführte kühne Bewegung umgangen. Der Feind räumte Helpmakaar. Dundonald's Cavallerie verfolgte ihn bis Bleskop- laagte, sieben Meilen von Dundee, wo der Feind Stand hielt, vermuthlich um in einem Nachhuttreffen den Hauptrückzug zu decken. (Boss. Ztg.) o. 6. S. 8. 8. L. L«rL7 — d.» " t-0' l-v. l. v. «-V. t 0. m.Opch l.v. «-V. l.0 Der Krieg in Südafrika. —<>. Nähere Details, welche jetzt über den Vormarsch Roberts von VenterSburg-Noad-Station auf Kroonstad vorlicgen, be stätigen, daß auf keiner Stelle von den Boeren Widerstand geleistet worden ist. Am Donnerstag Abend batte Lord Roberts seine Armee in einer Front von 32 km ausgestrcckt, mit dem linken Centrum in Ventersburg-Noad-Station. Am Freitag machte das linke Centrum, das auS der Division Pole-Carew besteht, eine Vorwärtsbewegung auf Geneva Siding, ungefähr 20 km nördlich; das rechte Centrum, das aus Tucker'S Division bestand, und der rechte Flügel (Hamilton'S Colonne) blieb etwa- zurück, während der linke Flügel, French's Cavallerie, sich erheblich weiter vorn befand und schon am Freitag Abend den Valscbe River, der durch Kroonstad stießt, unterhalb der Stadt überschritt. Dieser Wechsel in der Formation, durch den das Heer in Eschelon von links, anstatt wie vorher in lauben. Sie fand keine Antwort auf diese quälende Frage. Plötz lich jedoch richtete sie sich auf. Sie hatte einen Entschluß gefaßt: Was kam es auf die Regeln der Etikette an, wenn das Glück der jungen Schwester auf dem Spiele stand. Am folgenden Tage in der Dämmerstunde kam es zwischen den beiden Schwestern über die Ausführung einer Stickerei zu einer kleinen Meinungsverschiedenheit, und da Claire bei ihrer Ansicht beharrte, so äußerte Marthe plötzlich: „Schön! Dann werde ich selbst zu Frau Raybel nach der Parkstraße gehen, und fragen, wie ihre Wünsche waren." Und ehe Claire noch ihr Erstaunen über diesen raschen Ent schluß ausgesprochen, war Marthe auch schon fort. Allein ge blieben, überkam Claire ein Bedauern, Marthe widersprochen zu haben; sie hatte sicherlich Recht . . . Aber dieser Gedanke war noch kaum aufgetaucht, als die Ladenthür sich öffnete und eine Nachbarin erschien . . . „Lassen Sie sich nicht stören, Herzenskind . . . Nicht wahr, ich bekomme doch meinen Hut zum Sonnabend ... Ja? . . . Das ist net von Ihnen ... Bei dem Regenwetter ist freilich kaum die Möglichkeit vorhanden, ihn zu tragen ... es strömt ja förmlich . . . Was hat denn Ihre Schwester so eilig zu thun ... sie ist an mir in der Wallstrabe vorbeigelaufen und hat mich nicht einmal gesehen . . ." Wallstraße ... die entgegengesetzte Richtung mit der Park straße! Claire's Hände krampften sich in der Erregung zusammen, aber sie beherrschte sich, die Nachbarin merkte nichts. Erst nachdem die Dame gegangen, war eS mit Claire's Fassung zu Ende. Das Blut sauste ihr in den Ohren . . . oh, so hatte Marthe also den Streit absichtlich herbeigeführt, um fortgehen zu können . . . und sie war nach der Wallstraße ge gangen, wo Herr Dautra wohnte . . . Marthe hatte also ge logen ... nur um dort hingehen zu können ... zu Herrn Dautra, der nicht ihretwegen kam, wie sie geglaubt . . . dessen Besuche Marthe galten. Und dem Jmpul» folgend, sprang Claire auf, griff schnell nach ihrem Hut», schloß den Laden, und ohne schützende» Tuch Bezugs-Preis st, der Hauptexpedition oder den im Stadt, tessrk und den Vororten errichteten AuS- ^bestellen abgeholt: vierteljährlich H.50, jci zweimaliger täglicher Zustellung ins c^u-5 ö.50. Durch die Post bezogen für LnM'chland und Oesterreich: vierteljährlich > 6.—. Direkte iä»l!che Kreuzbandiendung in- Ausland: monatlich 7.50. s 8. S. 8. s. Spanische Krisen. Zg Als im Jahre 1873 König Amadeo von Spanien die undankbare und lästige Würbe niederlegte, um in sein Heimath- Icind Italien zurückzukehrrn, erklärte er voll Bitterkeit: „In mitten des tosenden Kampfes, der verworrenen, betäubenden und sich widersprechenden Rufe der Parteien, der zahlreichen und einander entgegengesetzten Aeußerungen der öffentlichen Mei nung ist es unmöglich zu erkennen, wo die Mehrheit sich be findet, und noch unmöglicher, ein Heilmittel für so viele und so große Uebel zu finden." Diese Worte mögen in der gegenwärtigen kritischen Situation der Königin-Regentin durch die Seele gehen, wenn sie auch aus der schwierigen Lage der Dynastie nicht dieselben Consequenzen zieht, wie einst König Amadeo, sondern wacker aushält, um ihrem -ohne sein Erbe zu wahren. Heute wie damals kann die Staats leitung mit Recht sagen, daß es unmöglich sei, sich inmitten der entgegengesetzten Aeußerungen der öffentlichen Meinung auszu finden. Denn die Tumulte in Valencia, Sevilla, Madrid, Bar celona und an zahlreichen anderen Orten haben nur Ei-ns ge meinsam: sie sind der Ausdruck der Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Regierung und den bestehenden Zuständen. Die Ursachen der Unzufriedenheit aber sind ganz verschieden. Die Einen tumultuiren, weil sie über den Uebermuth und das heraus fordernde Benehmen der Officier erbittert sind — und das mit Recht, denn die Leistungen der spanischen Officiere im letzten Kriege rechtfertigen wahrlich nicht ein herausforderndes Be nagen—, die Anderen sind erbittert über die neuen, den Handels stand bedrückenden und belästigenden Steuergesetze, die Dritten demonstriren, weil sie föderalistische Tendenzen verfolgen, denen die Regierung sich hartnäckig cntgegenstemmt, ein guter Theil der Tumultuanten — und zwar an allen Orten, wo Tumulte aus gebrochen sind, in Sevilla im Süden, ebenso wie in Barcelona im Norden — errichtet Barrikaden, schießt auf Gendarmerie und Soldaten und wirft Steine auf unliebsame Minister, weil er 'N einer Revolte eine Abwechselung gegenüber den ewigen Stier gefechten sucht. Die letzten beiden Kategorien, die Föderalisten und die, wenn man so sagen darf, Berufstumultuanten sind jedenfalls am gefährlichsten für die Regierung. Auch die letzte große Re volution baute sich auf föderalistischer Grundlage auf. Als nach der Abdankung Amadco's die Republik proclamirt wurde, constituirte sich diese ausdrücklich als Föderativrepublik, in der die einzelnen Königreiche, aus denen das Reich historisch ent standen war, ebensoviele Freistaaten bilden sollten. Aehnlich — wenn auch nicht auf republikanischer, sondern auf monarchischer Grundlage — denken sich jetzt die Catalonier die künftige Entwickelung Spaniens. Sie wollen zwar nominell unter dem Scepter eines in Madrid residirenden Monarchen bleiben, faktisch aber ein so ausgedehntes Maß eigener Befugnisse erhalten, daß sie dann mit Fug erklären könnten: „Madrid hat uns nix to seggen." Die Unruhen in einer Reihe catalonischer Orte sind ein um so bedenklicheres Menetekel für die Regierung, als in Catalonien fruchtbarer Boden einmal für den Carlismus, andererseits für den Anarchismus sich findet. Nahezu ebenso gefährlich, wie die ein festes Ziel verfolgenden Catalonier, sind die „Revolutionäre a tout prix". Ihr Auftauchen an allen Orten zeigt, daß die Spanier auch im 20. Jahrhundert sein wollen, was sie im 19. Jahrhundert ge wesen sind: das Volk der Revolution. In dem eben abgclaufenen Jahrhundert fanden größere und kleinere Revolutionen nur in folgenden Jahren statt: 1814, 1815, 1817, 1819, 1820, 1822, 1823, 1825, 1827, 1833—1840, 1842, 1848, 1854, 1857, 1860, 1867, 1868, 1869, 1872—1876, also innerhalb eines Jahrhunderts 21 (einundzwanzig) größere und kleinere Revolutionen, ein Record, den selbst die re volutionsfreudigen südamerikanischen Republiken nicht zu er reichen vermögen. Seitdem hat es in Spanien an kleinen Putschen, die manchmal einen ziemlich bedrohlichen antidynastischen Cha rakter annahmen, nicht gefehlt, immerhin aber ging im letzten Vierteljahrhundert das Gewitter immer noch gnädig an der 8. L 6. LU.SV.S0S. L loilvu d«L d,L V. S. d» S. L uttd wann zur Schwester hinüber, und so sagte sie denn auch gleich darauf: „Es ist zehn Uhr vorbei, Kind, ich glaube, Du bist müde. Willst Du nicht immer hinaufgehen? Ich komme auch bald, ich will nur noch mit meinem Buch L jour sein." „Ja, dann gehe ich immer, ich habe Kopfschmerzen." Claire war aufgestanden und vermied es, die Schwester zusehen, während sie ihre Arbeit zusammenlegte. „Du siehst auch so erhitzt aus, während Du sonst in all' Tagen äußerst blaß warst, fehlt Dir was? Sag' es doch." Claire war neunzehn Jahre, eine nervöse, sanguinische Natur, die den besten Willen hatte, ihre Zärtlichkeit in bereit williger Hilfe zu bethätigen. Spontan in ihren Empfindungen, trug sie dieselben doch verschlossen in sich, und in Schmerz und Freude gleich leidenschaftlich, konnte sie das, was sie bewegte, nicht mittheilen. „Sorg' Dich nicht", gab sie der sieben Jähre älteren Marthe ausweichend zur Antwort, „daS Regenwetter macht mich nervös, weiter ist es nichts." Marthe lauschte auf den verhallenden Schritt, hörte die Schwester in dem Zimmer über dem kleinen Laden gehen, und dann nahm sie aus dem Pulte die Lieferungen, nach denen sie die Schwester gefragt. Die Blätter waren wie im Zorn zusammen geknittert! „Arme Kleine! Die Blätter haben es entgelten müssen, daß er sie nicht abgeholt hat." Marthe stützte das feine blasse Gesicht sorgenvoll auf die Hand und dachte an die Schwester, an der sie nun schon so lange Jahre Mutterstelle vertrat. Angstvoll fragte sie sich, ob sie nicht unbedacht, unvorsichtig gehandelt habe. Als Waisen waren sie Beide, als Marthe noch nicht 15 Jahre gewesen, zu der einzigen Verwandten, einer Tante des Vaters, gekommen, der eben das Puh- und Modewaarengeschäft gehörte. Das alternde Fräulein hatte in den beiden Nichten zunächst nur eine willkommene, unentgeltliche Hilfe für ihr Geschäft gesehen und sie gründlich ausgenuht. Bei ihrem Tode, später, viel später konnten dann die Nichten das Geschäft weiter fortführen. Aber der Tod war früher gekommen, al» sie erwartet, und in L S. — Das Geheimliiß der Schwester. Von Renß Ghil. Autorisirte Uebersetzung von A. Heim. Nachdruck verboten. Wohl schon eine Stunde saß Marthe, die ältere der beiden Schwestern Wavers über das Hauptbuch gebeugt und übertrug „Soll und Haben" ihres kleinen „Schnitt- und Modewaaren- geschäfts" ordnungsmäßig. Trotz des bescheidenen Aussehens des Geschäfts war die Arbeit gar nicht so einfach, denn jede Branche mußte einzeln gebucht werden, und seit die beiden Schwestern sich entschlossen hatten, die Filiale einer Leihbibliothek und einen kleinen Buchladen noch mit ihrem Geschäfte zu ver binden, war der Arbeit übergenug. Aber die blonde Marthe mit den großen, klaren Augen war dem Allem gewachsen, und verlor nicht so leicht den Muth. Dennoch seufzte sie tief auf, als die Uhr gerade die zehnte Abendstunde verkündete; doch galt der Seufzer wohl weniger der mühevollen Buchführung, denn ein besorgter Blick fiel dabei auf die jüngere Schwester, die sich so tief über den Stickrahmen beugte und doch nur so langsam die Nadel herauszog. „Nicht wahr, Claire, Herr Dautra hat in den letzten vier zehn Tagen seine Lieferungen von dem Conversationslexikon nicht abgeholt? — Ich kann sie gar nicht finden, — merkwürdig — hast Du sie verwahrt?" Claire war bei den Worten der Schwester leicht zusammen gefahren, und der dunkle Kopf mit den schweren, schwarzen Haarwellen neigte sich noch tiefer über die Stickerei. „Nun, Claire?" „Ach ja, — verzeih' — ich weiß wirklich nicht —" Die Sprecherin hatte wohl Zeit gewinnen wollen, ihrer Stimme Festigkeit zu geben, aber diese klang doch, als wenn sie nahe am Weinen sei; die Aeltere nahm scheinbar ihre Bücher wieder vor, aber ein fast mütterlicher, zärtlicher Blick glitt dann Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Fremde Interessen in Korea. Aus Tokio, 10. April, wird der „Welt-Corr." schrieben: An dem seit fünf Jahren stets bewölkten Himmel der ost asiatischen Politik ist soeben wieder ein Wetterleuchten vorüber gegangen, durch das auch fernere Kreise an die hier aufge sammelte atmosphärische Spannung erinnert worden sind. Wie gewöhnlich, war Korea der Schauplatz der Entladung und Rußland und Japan stellten die Gegenpole dar. Bekannt lich verlangte der russische Ministerresident in Söul von der koreanischen Regierung die Abtretung der Insel Rampo, die den Eingang des geräumigen und guten Hafens von Mas am Po beherrscht, wo in den letzten Jahren einige Japaner begierig Land aufgekauft hatten. Da irrdeß die japanische Regierung und die japanische Presse mit ihrem Pro teste gegen eine solche russische Erwerbung nicht zurückhielten und da sogar anläßlich der Frühjahrsmanöver der japanischen Marine die Marinereserven in außergewöhnlichem Umfange zu den Uebungen herangezogen wurden, so fühlte sich denn auch die koreanische Regierung genügend gesichert, um das russische An sinnen abzulehnen. Ihren guten Willen, das Gleichgewicht zwischen den beiden Rivalen zu erhalten, konnte sie dadurch zeigen, daß auch Japan eine Weigerung einzustecken hat. Seit etwa einem Jahre ist nämlich das Post- und Telegraphenwesen in Korea der Controle der japanischen Regierung unterstellt; um Rußland versöhnlicher zu stimmen, lehnte Korea den weiteren Ausbau seines Postdienstes durch die Japaner ab. Directe Verhandlungen zwischen dem japanischen und dem russischen Ver treter in Söul führten dann ja auch zu dem Resultate, daß Rußland seine Forderung auf einen neuen Stützpunkt an der strategisch wichtigen Südspitze aufgab und sich mit einer kleinen Erweiterung einer Concession in Mokpo begnügte, die Japan sich gefallen ließ. Damit ist der Conflict auf eine spätere, günstigere Gelegenheit verschoben. Der russische Vorstoß ist viel leicht doch nicht ohne Folgen für die Situation in Ostasien; er hat der koreanischen Regierung Gelegenheit gegeben, zu er kennen, daß auf die Anlehnung an England in Ostasien augen blicklich nicht zu rechnen und daß Rußland mit unbequemen Compensationsforderungen bei der Hand ist, wenn die koreanische Regierung den neu belebten japanischen Bemühungen, Koreas Hilfsquellen zu entwickeln, mit zu viel Wohlwollen entgegen kommt. Die endlich begonnenen Tracirungsarbeiten der vor Jahren concessionirten Bahn von Söul nach Fusan haben die Gefahr einer steigenden Abhängigkeit Koreas von Japan in Helles Licht gesetzt, weil das letzte japanische Parlament für diesen Bahnbau in einem fremden Lande bereitwillig eine Sub vention bewilligte. Die glücklich vorübergegangene Krisis hat einer japanischen Zeitung Veranlassung gegeben, einmal übersichtlich zusammen zustellen, was für Concessionen Korea bereits an Ausländer vergeben hat. Weit voran stehen die Ja paner mit ihren Bahnbauten, ihrem Post- und Telegraphen dienst, ihren Bergbau- und Fischereigerechtigkciten, ihren 16 welt lichen und zwei buddhistischen Schulen. Aber von den vielen ge planten japanischen Bergwerken ist nur eine Goldmine wirklich in Betrieb gesetzt. Rußland hat sich einen Theil der Eisenbahn schwellen seiner sibirischen Bahn aus Korea zu beschaffen gewußt und hat einem unternehmenden russischen Seemanne die Berechtigung zum Walfischfang und zum Thranschmelzen an der koreanischen Küste gesichert. Eine rührige deutsche Firma betreibt seit drei Jahren eine ertragreiche Goldmine; auch giebt es in Söul eine Schule für deutsche Sprache mit etwa vierzig koreanischen Schülern. In jüngster Zeit hat sich auch der Unternehmungsgeist englischer und amerikanischer Kapitalisten wieder in Korea be- thätigt, während zugleich zwölf von amerikanischen Vereinen unterhaltene Missionsschulen der Verbreitung des englischen Idioms zu Hilfe kommen. Politisch ist diese ideelle und wirth schaftliche Concurrenz entfernterer Länder für Korea eine Sicherung gegen den ausschließlichen Zwang, den eine japanisch russische Verständigung über den machtlosen Pufferstaat ver hängen könnte. Eine auch äußerlich mehr in die Augen fallende Repräsentation des deutschen Reiches wäre des halb in der Hauptstadt des koreanischen „Kaiserreiches" wohl am Platze. Es ist sehr zu bedauern, daß die deutsche Regierung die Gelegenheit zum Ankäufe des wehlgelegc:en Grundstückes, auf dem das von Ehlers bespottete gemicihete Consulatshäuschen stand, nicht benutzt und nicht ein stattliches Amtsgebäude in An griff genommen hat. Der neu ernannte deutsche Consul für Korea, Or. Weipert, bisher Dolmetscher-Sckretär ded Legatton in Tokio, wird Mühe haben, in der verfallenen Stadt ein Amtsgebäude und eine Wohnung in passender Lage zu finden. So rächt sich die übergroße Zurückhaltung, die man bisher bei deutschen Consulatsbauten in Japan und Korea bewiesen hat. Auch in Uokohama liegt der Bauplatz für das Generalkonsulat seit acht Jahren unbenutzt. Nur in Twatutia auf Formosa besitzt Deutschland jetzt ein seiner würdiges Consulatsgebäude monumentalen Gepräges. Hoffentlich sieht auch Dokohama bald ein so stattliches deutsches Generalconsulat wie Shanghai. r. »0. »o. i. »o. «. »o. i. »0. » »o. r. »o. >. »0. 4 »v. 4 »0. r »o. ». >«lsos«r-o. r. »v. «LlS0 -L-v. »0. »v. »0. ?k- »v ooeor I S. SS > S. sc L
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