01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.05.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000526012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900052601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900052601
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-05
- Tag1900-05-26
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HanS Meyer, der in seinem eben bei Dietrich Reimer erschienenen großen Werke „Der Kilimanvjaro" dieser für jeden Freund der deutschen Colonial politik tiefbetrüblichen Erkenntniß Ausdruck giebt. Wie sehr er Recht hat, zeigt die Begründung seiner resig- nirten These: „Zanzibar ist durch seine geschützte Position als Insel, durch seine geographische Lage im tiefst einspringenden Winkel der ostafrikanischen Küste der natürliche Radiations- punct aller ins Innere von Deutsch- und Britisch-Ostasrika gehenden Karawanenwege. Es genießt und bietet alle Bor- tbeile einer volkreichen Stadt mit den Einrichtungen und Hilfsmitteln für Schiffbau, Schifffahrt und Großhandel. Es ist die Centrale der kapitalkräftigen, indischen Kaufleute, die sich als britische Unterthancn hier auf der britischen, von der Marine leicht zu schützenden Injel sicherer fühlen, als auf deutschen: und portugiesischem Gebiet des Continents und ihre Macht immer weiter ausbreiten, je mehr die arabischen Händler infolge der Aufhebung der Sclavenwirth- schaft herabkommen. Von Zanzibar als sicherem und be quemem Stützpunkt aus schieden sie ihre Verbindungen immer weiter auch in unserem Schutzgebiet vor, und das deutsche Gouvernement kann ihre oft ausbeuterische Handelspraxis nicht so beschränken, wie es oft wünschte, weil da» englische Gouvernement sie eifersüchtig schützt und sofort mit Gegenmaßregeln antwortet. Und gerade die Lage dicht vor dem deutschen Schutzgebiete verleiht der Insel Zanzibar eine für England ungemein wichtige politische Bedeutung. Sie ist gleichsam der Pfahl in unserem Colonial körper wie die Walfischbai in Südwestafrika; auf ihn wird sich England stützen, wenn eS zu politischen Verwickelungen kommt. Daß ihn England nur noch fester als bisher in die Faust nimmt, beweist die Aufhebung der Exterritorialität der in Zanzibar wohnenden Deutschen, die leider im Samoa vertrag festgesetzt ist." Von alledem läßt sich keine Silbe wegdenteln, und daß politische Verwickelungen mit England wegen des schwarzen ErdtheilS gar nicht so weit außer dem Bereiche der Mög lichkeit liegen, kann nur der verkennen, der in der gegen wärtigen Erwürgung der beiden südafrikanischen Republiken lediglich die Beschlagnahme ihrer Goldfelder und Diamanten minen und nicht einen neuen Schritt auf dem Wege vom Cap bis Kairo erblickt, der — über unseren ostafrikanischen Besitz führt. Sind jene Bollwerke, welche der Expansions sucht Englands in Afrika bisher entgegenstanden, gefallen, dann wird der Einfluß englischen CapitalS und englischer Macht innerhalb der Grenzen unserer Zanzibar gegenüber liegenden Colonie sich noch in ganz anderer Weise als bisher fühlbar machen, und cS wird eine Zeit kommen, wo man ihm ein „bis hierher und nicht weiter!" entgegensetzen muß, wenn nicht auch diese unter großen Opfern von Geld und Blut Altdeutschland angegliederten Gebiete auf dem Wege „friedlicher Eroberung" in den großen englischen Colonialsack gleiten sollen. Wie in Mombassa, so fand Professor Meyer auf der Rückkehr von seiner 1898 unternommenen Forschungsreise nach dem Kilimandjaro auch in Zanzibar keine wesentlichen, von den englischen „Schutzherren" geschaffenen Verbesserungen früherer Verhältnisse. Wohl ist am Hafen ein geräumiger Zollschuppen erbaut, Wohl liegen jetzt an der Hauptstraße einige Gasthäuser und von betriebsamen Indern und Goanesen gehaltene Kaufläden, wo die zahlreichen von und nach Ost- und Südafrika durchreisenden Fremden die üblichen schlechten Erzeugnisse moderner indischer Industrie anzepriejen be kommen, wohl sieht eS in Len Straßen und Häusern rein licher aus als ehedem; aber was immer Gutes geschehen ist, haben die Engländer den Sultan auS seinen Mitteln machen lassen, und da diese nahezu erschöpft sind, neue Ein nahmequellen ihm aber nicht zufließen, so hat er nicht einmal die sehr nöthigen Leuchtthürme am Hafen und im Süden der Stadt fertig bauen können, und sogar seinen von der eng lischen Marine 1896 zerschossenen Palast und Harem in Trümmern liegen lassen. Die verkohlten Balken und durchlöcherten Wände verkünden beredt genug den Muth der britischen Belagerer, die von sicheren Kriegspanzern aus die von armseliger arabischer Soldateska besetzte offene Stadt in Brand steckten. In seiner abseits auf hohem Küstenrand gelegenen hübschen Villa führt der Landesherr fast das Leben eines Exilirten. Der jetzige Sultan Seyid ben Hamud ist ein schwacher Greis, nur eine Puppe, ein Werkzeug in der Hand des klugen englischen GeneralconsulS Hardinge und des „Primeministers" General Mathews, des wirklichen Regenten von Ostafrika. Der rechtmäßige Thronfolger, der junge deutschfreundliche Seyid Chalid, ist bekanntlich von den Engländern ver trieben worden und sitzt nun unter deutschem Schutze in Dar-es-Salaam. Zwar hat er den moralischen Anhang aller rechtlich denkende» Araber, aber er ist gänzlich macht- und mittellos, und das deutsche Gouvernement würde ihn natürlich sofort an die Luft setzen, wenn er sich in politische Quer treibereien einließe. Der junge Fürst hat ein von Blatter narben arg entstelltes Gesicht und eine gewisse Scheu in seinem Wesen, aber er ist liebenswürdig und verbindlich, wie alle vornehmen Araber, und bewegt sich mit großer Würde. Seine Augen leuchteten, wenn Meyer mit ihm übe? seinen ver storbenen Vater Seyid Bargasch sprach, den unser Forscher 1887 gekannt hatte, als er noch ein glanzvoller orientalischer Herrscher war und von Zanzibar auS mit mächtiger Hand Ost- und Centralafrika beherrschte, soweit arabische Händler sich im Innern festgesetzt hatten. Nichts ist dem Sohn von all der Herrlichkeit geblieben, er lebt kümmerlich von dem geretteten VermögenSrest und von den 500 Rupien Monats zuschuß, den ihm die deutsche Regierung mitleidig ausgesetzt hat. Eine große Bedeutung deS Exils dieses arabischen Fürsten aber erblickt der gründliche Kenner afrikanischer Verhältnisse, dem wir hier folgen, darin, daß eS uns die Aufgabe erleichtert, mehr und mehr das Araberthum wieder in den Dienst der deutschen ColonisationSarbeit zu ziehen, nachdem seine (namentlich durch den Sclavenhandel) für das Land so unheilvolle politische Macht nun schon seit zehn Jahren ver nichtet ist. So sehr damit auch da» ostafrikanische Araber thum heruntergekommen ist, so liegt doch in der Unter nehmungslust, Zähigkeit, Landeskenntniß und Erfahrung der Araber eine wirthschaftliche Kraft unbenutzt, die man um so mehr zu heben und dem deutschen Interesse dienstbar zu machen suchen sollte, als damit ein Gegengewicht gegen das am Lande verderblich schmarotzende Indierthum geschaffen werden könnte, dem die Regierung nur schwer beikommen kann. Für die Zusammenfassung emeS im deutschen Interesse arbeitenden, neu gekräftigten AraberthumS wäre der unter Controle des Gouvernements lebende Exsultan Seyid Chalid sicherlich die geeignetste Persönlichkeit. Engländer und Amerikaner. Wer erinnert sich nicht jener schwärmerischen — soweit die trockenen Angelsachsen schwärmen können — Begeisterung und gegenseitigen Verhimmelung, mit dec Engländer und Amerikaner vor zwei Jahren ihre Stammesbrüderschaft neu entdeckten, frisch aufpolirten und eifrig begossen. Wie einst Kaiser Alexander III. von Rußland i» einer augenblicklichen Mißstimmung den Fürsten von Montenegro seinen einzigen Freund nannte, so bezeichneten die Amerikaner, mehr aus Verdruß über die anderen Rationen, als aus Liebe zu England, damals die Engländer als ihre ein zigen Freunde, weil die anderen Nationen, weniger heuchlerisch als die Engländer, „eine Katze eine Katze nannten" und ihre Meinung über den sonderbaren Befreiungskrieg, den die Ameri kaner damals führten, offen zum Ausdruck brachten. Die Flitterwochen der angelsächsischen Ehe währten nur kurze Zeit. Onkel Sam ist ein querköpfiger Gesell, der — es ist dies ja höchst ehrenvoll — kein Blatt vor den Mund nimmt. Er denkt nicht daran. Gleiches mit Gleichem zu vergelten und ebenso den Boerenkrieg zu beschönigen, wie seiner Zeit die Eng länder den spanischen Krieg beschönigten. Vielmehr haben vom Anbeginn des Krieges — und je länger er dauerte, in desto stärkerer Weise und desto schärferer Form — die Amerikaner ihren Sympathien für die Boeren offenen Ausdruck gegeben. Die Engländer haben sich lange blind und taub dagegen gestellt, weil sie die Fiction der englisch-amerikanischen Brüderlichkeit um so lieber aufrecht erhalten wollten, als ihr Verhalten sonst allgemeiner Verurtheilung begegnete — abgesehen von den Por tugiesen und Griechen, deren Freundschaft man aber sich ja nicht gern rühmt. Schließlich aber konnten sie das Vogel-Straub- Spiel nicht mehr fortsetzen. Die angesehene Zeitung „Globe" liest den Amerikanern gründlich den Text. England habe wegen seines Verhaltens im spanisch-amerikanischen Kriege den Dank der amerikanischen Union verdient. Dieser Dank werde jetzt in einer sehr sonderbaren Form abgestattet. Die gegenwärtigen Vorgänge in Amerika aber hätten wenigstens das eine Gute, daß sie die Engländer darüber aufklärten, welcher Werth amerika nischen Freundschaftsversicherungen beizulegen sei. Die „Dankbarkeit", die die Vereinigten Staaten gegenwärtig gegen England zeigen, will dem objectiven Beobachter völlig gleichwerthig erscheinen dem tatsächlichen Ansprüche auf Dank barkeit, den sich England im spanisch-amerjkanischen Kriege er worben hat. Der „Globe" spricht allerdings von einer furcht baren anti-amerikanischen Coalition der kontinentalen Mächte, vor der England damals die Vereinigten Staaten bewahrt habe. Diese Coalition aber hat faktisch nur in der Phantasie der Eng länder existirt, und sie sind eifrig bemüht gewesen, die Ameri kaner daran glauben zu lassen. Englands ganze Leistung be stand damals darin, die kontinentalen Mächte, in sonderheit Deutschland, und die Vereinigten Staaten mit einander zu verhetzen, und es ist den eifrigen englischen Bemühungen damals auch wirklich ge lungen, auf beiden Seiten Verstimmung zu erzeugen, die jeder vernünftigen Basis entbehrten, die aber darum nicht minder nachtheilig waren. Für einen so dubiosen Freundschaftsdienst ist der Dank, den jetzt die Amerikaner den Engländern spenden, eine völlig angemessene und ausreichende Gegengabe. Eine schneidige Antwort auf die Anklage des „Globe" ist der Empfang der Boerengesandtschaft in Washington. Dort hat ein Senator bei einer feierlichen Begrüßung im Opernhaus« er klärt, neun Zehntel der Amerikaner seien Gegner Englands. Ein Anderer hat den Boerenkrieg ein Unrecht gegen die Civilisation genannt, dem ein Ende ge macht werden müsse. Die Sympathie der Amerikaner für die Boeren und die Antipathie gegen England sind nun keineswegs lediglich philan thropischer Natur. Sie entspringen vielmehr zum Theil dem durch den glücklichen Erfolg des spanischen Krieges ins Un gemessene gesteigerten Selbstgefühle der Amerikaner. So lange die Amerikaner nicht selbst Colonialmacht waren, war ihnen der ungeheure Colonialbesitz Englands kein Aergcrniß. Jetzt aber, wo der coloniale Ehrgeiz durch leichte Erfolge angestachelt ist, stellen sie Vergleiche an, die natürlich ihren Neid über den un geheuren Besitz der Engländer erregen müssen. Und daß Eng land eben im Begriffe ist, seinen Riesenbesitz noch durch di- Annexion der beiden werthvollen Boerenrepublikcn zu vergrößern, kann diesen Neid nicht herabmindern. Engländer und Amerikaner sind ein Jahrhundert hindurch Gegner gewesen, die auch noch nach dem Unabhängigkeitskriege wiederholt die Klingen gekreuzt haben. Ihre Freundschaft, die sich bis zu Bündnißphantasien steigerte, konnte naturgemäß nur ein kurzes Intermezzo sein, das schon jetzt wieder einer neuen und langen Aera einer Gegnerschaft gefolgt ist, die voraussichtlich heftiger sein wird, als diejenige früherer Jahrhunderte. Der Krieg in Südafrika. „Daily Mail" läßt sich unter dem 12. d. M. über den letzten StUrmverfuch d«r Boeren auf Mafeking vov dort wie folgt belichten: „Der Boercnleutnant El off, Enkel des Präsidenten Krüger, Hane cs sich seit einiger Zeil angelegen sein lassen, einlige kühnere Angriffe auf Mafeking, als bisher erfolgt waren, in Aussichr zu stellen, aber das Ende vom Liede war, daß er mir seinen unternehmungslustigen Kameraden in eine wohlpräparirtc Falle fiel. Heine Morgen um vier Uhr machre dec Feind, der in den lehren wenigen Lagen anscheinend bedeu tend verstärkt worden war, eine Scheinartacke auf die Ostseite der Stadt, und rwar mir einer großen Truppe, die während der Nach: unter Führung von iltoyaien Eingeborenen am Flusse enr- lang gekrochen war und cs fertig brachte, bis in den Vorort Baraloirg vorzudringcn. Sie sreckrcn dieses Negerviertel in Brand, und als sic keinen Widerstand fanden, schrie der An führer nach der englischen Stellung hinüber: „Hurrah, kommt doch heraus, Ihr Feiglinge; heute nehmen wir Mafeking." Fn demselben Augenblick alwr brüllte ein anderer Boer: „Laust, lauft, die Rothröcke kommen", worauf fast alle trotz der An strengung ihrer Führer, sie wieder zum Stehen zu bringen, den Versuch machten, davonzulaufen; aber cs war zu spät, sie waren umzingelt. Capitän Marsh hatte ihre Rückzugslinie ab geschnitten und schlug die Haupttruppe zurück, die in der be liebten Bocrerttaktik ihre Avantgarde von ungefähr 150 Mann, meistens Portugiesen, Deutsche und Franrzosen, einfach im Stick ließ. FnMischcn war jedoch der Feind auch in anderer Rich tung thälig gewesen, und eine starke Truppe, die ans ungefähr 500 Mann geschätzt wurde, erreichte unser Lager in der Nabe der Eisenbahn. Die Boeren nahmen hier nach einem sckarfen Gefecht den Oberstleutnant Höre, den Hauptmann Zingleton und einen Roßarzt gefangen, die dann für einige Stunden in dem Amtshauie des British South African Prorcetorate vom Feinde scharf bewacht wurden. Als der Adjutant des Obersten Baden-Pvwcll unter dem Schutze einer Weißen Flagge die Boeren aufsorderte, sich zu Nicolaus Ludwig Graf von Zinzendorf. Zur Srtnncrung an seinen 200jährigen Geburtstag. Wenn man mit der Bahn von Löbau nach Zittau fährt, so berührt man nach halbstündiger Fahrt den schon aus der frühesten Schulzeit her bekannten Ort Herrnhut. Derselbe liegt an dem Abhänge eines sanften Berges, der Hutberg ge nannt, und macht Lurch die regelmäßige Bauweise, durch seine Einfachheit, Sauberkeit und Ruhe einen recht wohlthuenden Eindruck. In die Augen fallen uns außer den beiden Bei häusern, dem Erziehungshouse, noch die drei sogenannten Chor häuser, worunter große Wohn- und Arbeitsgcbäude für die Wittwen, die ledigen Brüder und die ledigen Schwestern zu ver stechen sind, Herrnhut ist bekanntlich merkwürdig als Stamm ort der hier gegründeten Brüdergemeinde, deren Mit- glieder danach Herrnhuter genannt werden. Die Brüdergemeinde (Brulderunität) hat sich gebildet aus den böhmisch-mährischen Brüdern, die ein Rest der Hussiten (Taboriten) waren und sich nach der Eroberung Tabors (1463) um Peter von Chalczic als Mittelpunkt gefchaart hatten. Deutsche Waldenser schlossen sich lynen an. Sie wurden vielfach verfolgt und vertrieben und mußten sich in Wälder und Einöden flüchten, so besonder» im Dreißigjährigen Kriege. Steter Druck veranlaßte den Rest dieser Religiosgesellfchaft zu Anfang des 18. Jahrhunderts ihr Vaterland zu verlassen. Sie fanden Aufnahme bei dem Grafen Nicolaus Ludwig von Zinzendorf und ließen sich im Jahre 1722 in den Waldungen seines Rittergutes zu Berthelsdorf in der Nähe des Hutberges nieder, allwo nunmehr der Ort Herrenhut entstand. Am 17. Juni des genannten Jähre» wurde der erste Baum gefällt und die Colonie „unter des Herrn Hut" gestellt. Die Bedeutung Zinzendorf'» nicht nur für die Brüder gemeinde, sondern besonder» auch für das Missionswesen — die Herrnhuter Brüdermiffion zählt heute 137 Stationen, 250 Missionare, 1600 eingeborene Gehilfen und 92 000 getaufte Heidenchristen — und somit für die ganze evangelische Christen heit ist so namhaft, daß wir jetzt, am zweihundertsten Geburts tage um) seiner dankbaren Herzens erinnern. Wir "folgen in unserer Darstellung den Werken von Spanqenberg, Varnhagen von Ense und Burkhardt. Auch der „Sächsische Gustav-Adolf- Lot«" (Verlag von Franz Sturm L To. in Dresden) hat für wenige Pfennige ein Jubiläumsschriftchen für Volk und Jugend herausgegeben, das man nur warm empfehlen kann. „Am 26. Mai i. 1.1700, Mittwoch Abends gegen 6 Uhr, hat der allerhöchste Gott mich in Dresden mit meinem ältesten Sohne Nicolaus Ludwig aus Gnaden beschenkt", so schrieb die Frau Cabinetsminister Charlotte Justine Gräfin Zinzendorf und Pottcndorf, geb. von Gersdorf, in ihre Handbibel. — Zwei Tage später war im gräflichen Hause, Scheffelstraße 9, ein festliches Leben, denn der Neugeborene wurde von dem damaligen Hof prediger Freiesleben in den Bund der Christenheit ausgenommen, neun Mitglieder aus hochadeligen Familien fungirten als Tauf zeugen. — Doch schon in seinem vierten Lebensjahre verlor der junge Zinzendorf seinen Vater, und er kam nun zu seiner Großmutter Katharina von Gersdorf auf Großhennersdorf in der Oberlausitz. Es war dies eine sehr fromme Frau und das Enkelkind artete ganz der Großmutter nach. Oft bestieg der Knabe einen Stuhl — wie später Gellert es auch that — und predigte vom Heilande mit Feuer und Begeisterung. Es wird uns erzckhlt, als die Soldaten des Schwedenkönigs Karl XII. das Rittergut zu Großhennersdorf besetzten (1707) und mit Nachdruck Geld und Speisen forderten, daß der kleine Knabe von seiner „Kanzel" aus den rauhen Kriegern so zu Herzen ge sprochen habe, Laß es diesen warm unter dem Brusttuche ward und sie fast vergaßen, weshalb sic gekommen waren. Des Oefteren schrieb er, als er des Schreibens kundig war, auch Briefe an den Heiland im Himmel, adressirte sie und warf sie dann einfach zum Fenster hinaus und meinte, dann würden sie schon an die richtige Adresse gelangen. Nachdem er zehn Jahre lang ausschließlich von weiblicher Hand erzogen worden war, kam er in da» Waisenhaus zu Halle unser Fronke'S besondere Aufsicht. Hier hatte das Muttersöhnchen von seinen Schul kameraden manches zu leiden, er war zu einseitig erzogen wor den, und e» bestätigte sich auch hier das Goethe'sche Wort: „Der Frauen Liebe nährt das Kind, Den Knaben zieh'n am besten Männer/ Sonst sagte der fromme Geist der Schule dem Knaben sehr zu und er hätte, als er dann die Universität Wittenberg bezog (1716), sich gern der Theologie zuqvwandt, doch sein Onkel und Vormund wollte davon nicht, wissen; eS wäre damal» unerhört gewesen, wenn ein Graf oder Prinz sich hätte dem geistlichen Stande zugewandt. Er mußte die Rechte studiren Reiten Tanzen und Fechten lernen, um so den Grund zu einem echten Cavalier zu legen. Heimlich aber beschäftigte er sich doch viel mit dem Studium theologischer Schriften und wurde ent- schieden» Pietist. Nach Abschluß seiner dreijährigen Universi tätsstudien unternahm er (1719—1721) nach der Sitte der da maligen Zeit eine große Bildungsreise und hielt sich vorwiegend in Paris und Utrecht auf. Auf seiner Reise fand er in der Gemäldesammlung zu Düsseldorf das Bild eines dornen gekrönten Heilandes mit der Unterschrift: „Das that ich für Dich; was thust Du für mich?" Dieses Bild machte auf den jungen Grafen einen tiefen und für das ganze Loben nachhaltigen Eindruck und brachte in ihm den Beschluß zur völligen Reife, sein Leben dem Heilande zu widmen. In die Heimath zurückgekehrt, bewarb er sich nach dem Willen seiner Angehörigen um ein Amt bei der kurfürstlichen Regierung, er wurde Hof- und Justizrath in feiner Vaterstadt Dresden. Die Pflichten, die ihm sein Amt auferlegte, waren ganz unbedeutende und ließen ihm unbeschränkte Zeit, sich seinem eigentlichen Lebensberufe guzuwenden, welcher Larin bestand, „dem Herrn Jesu Seelen zu gewinnen". — Von den Lust barkeiten am Hofe August's des Starken hielt er sich zurück, dafür suchte er Verkehr mit Frommen aus allen Ständen. In seiner MiethSiHMung am Kohlmarkte zu Dresden-Neustadt, der heutigen Korsierstraße, im Hause des Stuckateurs Schuh mann, hielt er religiöse Versammlungen ab, zunächst mit seiner Dienerschaft, später nahmen auch viele Andere Theil; Zinzen- dorf's Ansehen als Laienprediger wuchs immer mehr. Der Superintendent zu Dresden, v. Löscher, sah allerdings diese Hausgottesdienste nicht gern; er war ein Gegner alles pietistischen Wesens. Da sich Zinzendorf llberwaupt von der auf seinem Grund und Boden errichteten Brüdergemeinde sehr angezogen fühlte, schied er (1728) aus dem Staatsdienste und verließ Dresden. Um sich seinem Missionswerke ganz zu widmen, trat er in aller Form in den geistlichen Stand ein; 1734 ließ er sich unter angenommenem Namen in Stralsund als Candidat des Predigtamts prüfen, dann in Tübingen in den geistlichen Stand aufnehmen und (1737) in Berlin zum Bischof der Mährischen Brüdergemeinde ordiniren. — Die Gründung einer eigenen Kirche erregte selbstverständlich die Aufmerksam keit der Regierung und daS des Oberconsistoriums, um so mehr, da sich auch der Wiener Hof wegen Auswanderung so vieler Böhmen und Mähren beim Dresdner Hofe beschwerte. Eine Commission erhielt den Auftrag, „von dem Zustande der Gemeinde nach Lehre und Leben Kunde einzuziehen". Die Commission überzeugte sich, daß eine Verleitung zum Aus wandern nicht fiattgefunden hatte, nahm aber an manchen gottesdienstlichen Formen Anstoß, da selbige von der landeS- kirchlichen abwichen. Zinzendorf sah sich genöthigt, Sachsen zu verlassen; er ging auf Reisen, war aber überall in Europa wie in Amerika für seine Gemeinde thätig; nächst öffentlichen Vorträgen, die er hielt, war er viel mit Correfpondenzen und BUcherschreiben beschäftigt. Er verfaßte 108 asketische Schriften und dichtete viele geistliche Lieder. 1747 wurde ihm die Rückkehr ins Vaterland gestattet und im folgenden Jahre wurde die volle Anerkennung des Herrnhuterthums aus gesprochen. Zinzendorf starb am 9. Mai 1760 zu Herrnhut. Vermählt war er seit 1722 mit der gleichgesinnten Erdmuthe Dorothea, Gräfin Reuß von Ebersdorf, die ebenfalls mehrere geistliche Lieder dichtete und nach ihrem Ableben seit 1757 mit Anna Nitschmann, Chorpflegerin der ledigen Schwestern in Herrnhut, ebenfalls als Dichterin geistlicher Lieder bekannt. Zinzendorf war eine bedeutende, wenn auch von Eigensinn und Herrschsucht und von einem zu ausgeprägten Gefühls leben — eine Folge der etwas einfeitigen Erziehung — nicht ganz freie Persönlichkeit. Doch seine große Heilandsliebe machte ihn zum Freunde der Armen, der Schwachen, der Elenden, der Angefochtenen, der Verlassenen. Wer vermag die Hilflosen alle zu zählen, die im Schatten von Herrnhut Schutz und Trost gefunden haben! — Brüdergemeinden finden wir außer in Herrnhut und Kleinwelke bei Bautzen in vielen deutschen Städten, so in Niesky, Gnadenberg bei Bunzlau, Gnadenfeld bei Kofel, Gnadenfrei bei Reichenbach, Berlin und Rixdorf, Neuwied am Rhein, Gnadau bei Magdeburg, Ebersdorf im Reußischen, Neudietendorf im Gothaifchen, Königsfeld im Badischen u. s. w.; ferner in den Niederlanden, England, Irland, Rußland, in den Vereinigten Staaten und andere. — Besonders auf dem Gebiete des Er ziehungswesens haben die Brüdergemeinden sich ver dient gemacht, und ihre Erziehungsanstalten haben in aller Stille in reichem Segen gewirkt, wie denn der berühmte Sckleiermacher das Beste für sein Leben in der Schule Herrn huts empfangen hat. Der Einfluß der Brüdergemeinden auf das christliche Leben, seine Belebung und seine Gestaltung ist nicht gering anzuschlagen, die „Täglichen Losungen und Lehr texte" sind weit verbreitet, ebenso ihre Gebet« und Lieder. Von den letzteren enthält das sächsische Landesgesangbuch neun. Und durch Schleiermacher ist ein berechtigtes Element bleibend in die deutsche Theologie ausgenommen worden. Doch geradezu großartig ist die Wirksamkeit der Brüdergemeinden für die bereits erwähnte Ausbreitung des Christenjhum» unter den Heiden: in diesem Glanzpuncte der Gesellschaft beruht ihre Welt-- historische Bedeutung. HL?
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