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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.05.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000528029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900052802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900052802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-05
- Tag1900-05-28
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Die Zwischenzeit scheint von den Zeitungen der zunächst betheiligten Parteien mit nach haltigen Streitigkeiten über die lsx Heinze und daS Fleisch- veschaugesetz auSgefüllt werden zu sollen. Die „Deutsche Tageszeitung" läßt ihre übrigens gar nicht schreckliche Drohung, die Abgeordneten, die für da» Pökelsteischcompromiß gestimmt, 'namhaft zu machen, in Erfüllung gehen. Die «Freis. Ztg." macht der „Germania" tagtäglich begreiflich, daß daS Centrum in der lex-Heinze-Angelegenheit nicht der Sieger sei. Die „Germania" verweigert aber jedes Verstandniß und liefert in langen und unbeschreiblich langweiligen Artikeln den Nachweis, daß die klerikale Partei in djeser Sache Großes erreicht; ihp Ton erscheint aber ver- haltnisimqßig anständig, wenn man ihn mit der Sprache vergleicht, deren sich die „Cous. Corr." gegen die Straf- rechtslebrex bedient, die die lex bedenklich gesunden hatte. Man begreift den Aerger einzelner Fanatiker über diese Kundgebung von Fachgelehrten, die eS gerade gewesen ist, die Unsicherheit in dir Reihen der Rechten getragen hat; aber die aodauernde Mißstimmung könnt« doch etwas mehr Er ziehung verrathen. Von CcntrumSorganen geben einige zu, daß ein Mißerfolg eingrwirthschaftet worden ist, diese aber machen die Regierungen verantwortlich, die insgesammt in die Obstruction nicht «ingegriffen —wozu, beiläufig bemerkt, sie keine Handhabe hatten — und von denen einige mehr oder minder direkt in letzter Stunde Bedenklichkeiten wirksam werden ließen. Namentlich bringt eS klerikale Blätter in Wallung, daß Bachern über den von ihm selbst angeregten A 184» sich zuletzt nicht uiehr ereifert hat. Diese ultramontan« Angabe besagt vielleicht noch zu wenig; e» ist wahrscheinlich, daß maßgebende, der Kunst Inter esse und Verstänvniß entgegenbringende bayerische Persön lichkeiten ihren Wunsch nach einem Scheitern des Gesetzes in der EommissionSsassung nicht verheimlicht haben. All dies besitzt aber nur noch geschichtlichen Werth, und gar keinen Werth hat der Versuch der „Köln. VolkSztg." und der „Kreuz zeitung", den Zorn über daS erlittene FiaSco zum Vater «ine» konservativ-klerikalen CartellS werden zu lassen. Das rheinisch« Blatt meint, die Conservativen seien trotz ihrer agrarischen Exceffe doch viel bessere Menschen als die Obstructionisten, Leute, mit denen man gehen könne und müsse; und da» reaktionäre Berliner Örgan greift die Liebenswürdigkeit begierig auf. Die „Nationalztg. erinnert aber mit Recht daran, daß eine solche Eoalirung schon oft vergeben» empfohlen worden ist, und sie sieht mit einem Sederblick, der nicht trügen wird, alsbald wieder Herrn Gröber mit Herrn Singer Arm in Arm wandeln. Die „Köln. Bolk-ztg." hat mit ihrer Anregung insofern besonderes Unglück, al» da» Centrum, indem e» mit den Conservativen nothgedrungen für die Flotte stimmt, sich dabei auf der Seite nicht nur der National!,beralen, sondern auch der freisinnigen Bereinig»«» findet. Und andere Proben auf den Ernst der Pläne de» rheinischen ultramontanen Blatte» können in nächster Zeit im Reiche nicht gemacht werden. Brauchbare zer- klüftende Fragen sind nicht zu lösen; ohne die lex Heinze würde diesem Tagungsabschnitte — das Fleisckgesctz führte nur zu einem häuslichen Kriege — überhaupt die Bezeichnung eines ziemlich friedlichen beigelegt werden dürfen. Ist die Reform deS Unfallversicherungswesens dock sogar schließlich einstimmig angenommen worden, freilich nur, weil die Socialdemokraten mit von der Partie sein mußten. Und da sic das mußten, so muffen sie dem neuen Gesetze auch gewisse Vorzüge zuerkennen; der „Vorwärts" bandelt bereits mit süßsaurer Miene demgemäß. Die anderen Parteien, die sich sachlich und im Hinblick auf das Arbeiter interesse an dieser Reform betbeiligten, dürfen trotz der „Deutsch. Volkswirthsch. Corresp." mit dem Be wußtsein in die Ferien gehen, ein großes Werk vergrößert zu haben. Einer zerklüsteudcn Angelegenheit wird das Reich allerdings bald näher treten muffen: der Neuregelung der handelspolitischen Verhältnisse. Aber in dieser wird daS Centrum nicht umhin können, sich der ver mittelnden Stellung der Nationalliberalen zu nähern. Einen schwachen Schatten warf die große Frage schon in die Sonnabend-Sitzung des Reichstages, wo die Nationalliberalen die Führung übernahmen; es galt, das Handelsprovisorium mit England nur auf ein Jahr, nicht, wie die Regierung wollte, bis „auf Weiteres" zu ver längern. Es ist sicher kein schlechtes Vorzeichen, daß der Abg. M öl le r, der die Regierungsvorlage für annehmbar bezeichnet hatte, gleichfalls für die Befristung stimmte, nachdem von seinem Parteigenossen vr. Paasche auf die Nothwendigkeit hingewiesen worden war, England erkennen zu lassen, daß sein Interesse an einem guten gegenseitigen handelspolitischen Einvernehmen nicht geringer ist als Las unserige. Vorläufig sind die „Blutsverwandten" von dieser Einsicht noch weit entfernt. In diese werthvolle Debatte schob sich ein von dem rechten Freisinn hervorgerufener, höchst überflüssiger Streit über die Art der Vorbereitung der Handelsverträge ein. ES versteht sich doch von selbst, daß man nicht bei allen Artikeln gutachtlich über ein Zollschema vernehmen kann, ohne die Frage der Zollsätze zu berühren. Die freisinnige Vereinigung sah sich denn auch mit ihrerAuSstelluog allein gelassen. Die Stranbinger Rede des Prinzen Ludwig von Bayer« hat den Franzosen große Freude bereitet, die in dem sonst leidlich verständigen „Temps" in besonders drastischer Weist zum Ausdrucke kommt. DaS Blatt schreibt nämlich: „Der Prinz Ludwig von Bayern ist ein onkant tsrrible; er sagt ganz laut, waS die Süddeutschen münniglich ganz leise denken. . . . Seine Rolle erlaubt es ihm, ein wenig Dampf pfeifend heraus zulassen, dessen äußerste Spannung im Innern d«r Maschine schließlich «in« Explosion hrrbeigrführt habe» würde." Der „TempS" erinnert dann an Moskau, wo Prinz Ludwig mit seiner „Philippika raub den Schleier gewisser gefälliger Fiktionen herabriß und eine der Wunden am großen germanischen Körper bloßlegte", und fährt daun fort: „Jetzt Hot er ohne Nachsicht die sonderbare Prätention des preußischen PartieulariSmuS, sich als da» Reich darzustellen, gekennzeichnet. Er hat mit Recht di« feig« Resignation zurück- gestoßrn, die etnwilligen würde, die Bayern und im All gemeine» die Süddeutschen als Bürger zweiter Classe, als Deutsche minderer Kategorie behandeln zu lasten. Diese leidenschaft liche Sprache hat sofort ei» vibrireudeS Echo in der Presse und in der nationalen Seele gefunden. Bayern, Württemberger, Badenser, welcher Partei sie auch augehören, haben das unan genehme Gefühl, als arme Verwandte angesehen und hochmüthig von den Preußen behandelt zu sehen. Das ist der natürliche Erfolg der nach dem Geständnis Aller den Preußen angeborene» Arroganz. Auch die materiellen Interessen leiden darunter. Während die geringste preußische oder Hamburger Unternehmung sofort als von allgemeinem Nutzen hingestellt wird und die Unter stützung des Reiches erhält, können bayerische oder württembergische Unternehmungen noch so sehr wirklich deutsche Interessen berühren, so behalten sie doch den localen Geruch und werden danach behandelt." So gebt eS weiter in einer Weise, die den Prinzen aus die in Frankreich erzielte Wirkung seiner Neve gewiß nicht stolz macht. Diese Wirkung wird aber nicht von Dauer sein, wenn ver „Temps" und seine Landsleute erfahren, daß gestern in München der älteste Sohn des Straubinger Redners, Prinz Rupprecht, auf der Delegirtenversammlunz des bayerischen Landesverbandes deS Deutschen Flottenvereins eine Rebe gehalten bat, in der er unter Anderm sagt: „Das Anwachsen des Flottenvereins in Bayern möge beweisen, daß die Bayern stets bereit seien, auf das Thätigste mitzuwirken, wenn es sich um das Wohl des gesammten deutschen Vaterlandes bandelt." Daß Prinz Rupprecht sich der Zustimmung seines Vaters zu diesen Worten vorher versichert habe, unter liegt keinem Zweifel. Es ist sogar anzunehmen, daß Prinz Ludwig diese Auslastung gewünscht habe, um aller Well kund zu thun, daß er und alle Bayern keinen Anlaß haben, sich vom Reiche verärgert und zurückgesetzt zu fühlen. Durch diese neue Kundgebung wird nun freilich noch nicht aufgeklärt, gegen wen Prinz Ludwig in Straubing Stellung nehmen zu müssen glaubte, als er den Vorwurf zurückwies, Bayern wisse die Vortheile, die es vom Reiche habe, nickt genug zu würdigen und habe seine Zugehörigkeit zum Reiche als eine Gnade anzusehen. DaS officielle Organ der baye rischen CentrnmSpartei, die „N. Bayer. Ztg.", meint zwar, Prinz Ludwig habe die liberalen Münchener Blätter ge meint, die nicht müde würden, „nachzuweisen", daß Bayern ohne daS Reich nichts wäre. Aber daS wird schon deshalb keinen Glauben finden, weil die liberalen Münchener Blätter mit gutem Gewissen eine derartige Unterstellung abweisen können. Da jedoch das klerikale Blatt ferner schreibt: „Autoritative Seiten, vor Allem solche des Reiches, kommen nicht in Betracht. Prinz Ludwig würde sich mit Entrüstung dagegen verwahren, daß er gegendas Reich etwa» gesagt habe", so wird der „Temps" mit Schmerz erkennen, daß er sich zu früh gefreut und daß daS deutsche Reich weit davon entfernt ist, zur Verherrlichung der Pariser Weltausstellung in die Luft zu fliegen. * Die Amnestie-Commission des französische» Senats hat, den Wünschen der Regierung entsprechend, beschlossen, die DiScussion des Gesetzentwurfes, betreffend die Amnestie, insoweit sie sich auf die Dreyfus-Affäre bezieht, zu be schleunigen, um deren baldig« Vorlage und Erledigung im Plenum herbeizuführen. Die Regierung hat damit den Wünschen der Kammer in der Hoffnung entsprochen, daß dann die herbeigesehnte Beruhigung der Gemütber eintreten werde. In Paris glaubt man allerdings nicht an die Möglichkeit einer solchen Beruhigung, und der Verlauf der letzten Sitzung des Senats, wo wieder ein mal die DreyfuS-Affäre Gelegenheit zu heftigen Ausein andersetzungen gab, zeigt, wie wenig berechtigt jene Hoffnung ist. Es bat den Anschein, als ob das Cabinet mit seinen Friedensbestrebungen auf keiner Seite Unterstützung finden sollte. Die Nationalisten denken nicht daran, abzurüsten, und erklären ganz offen, trotz Allem, WaS auck geschehen mag, den Krieg gegen die Partei der „Verräther" und gegen die Dreysus-Negierung bis aufs Messer fort setzen zu wollen. Und was die Freunde DreyfuS' anbrlangt, so wollen sie nach wie vor, daß die Angelegenheit im gerichtlichen Wege gelöst und nicht als polirische Frage behandelt werde. Maure Labori hat dies am Donnerstag rückhaltlos vor der neunten Kammer deS Pariser Zucht polizeigerichtes ausgesprochen, wo eine VcrleumdungSklage Picquart'S und Reinach'S gegen den Redacleur des „Echo de Paris", Lepelletier, zur Verhandlung stand. Dieselbe wurde wegen Verhinderung des Vertreters Lepelletier'S, Maitre Cbcnu, auf drei Monate vertagt. Die Debatte über Len Vertagungsantrag gab Martre Labori die willkommene Ge legenheit zu einer längeren Auseinandersetzung, in welcher er nachdrücklich betonte, baß die juridische Phase des DreyfuS- Handels längst geschlossen sei, und daß die Politik sich der selben schon während des Processes in RenneS bemächtigt und die Vertheidigung gelähmt habe. Die Maßregel, durch welche mau die Beschwichtigung decretiren wolle, sei ein weiterer Schritt zum Bankerott der Gerechtigkeit und der nationalen Moral. Wenn übrigens die Widersacher die Beschwichtigung wollen, so mögen sie damit ansangcn; sie wollen angeblich den Dreyfus-Handel beenden, aber trotzdem immer von demselben sprechen und ihre Gegner Verräther und Helfershelfer von Verräther» nennen. Wenn man die Beschwichtigung aufrichtig wünscht, so mögen die Herren Verleumder anfangen. Es scheint in der Thal, als wenn die DreyfuS-Affaire nicht in eine Beschwickligungö-, sondern in eine neue Phase der Aufregung treten sollte. Die politische» Verhältnisse Spinnens scheinen sich in der letzten Zeit nicht weiter zugespitzt zu haben. Man darf aber aus dem Fehlen direct beunruhigender Nachrichten nicht etwa schließen, daß der Höhepunct der inneren Krise über standen sei und eine Aera de» Ausgleiche» der inneren Gegensätze anbebe. Ehe die Dinge soweit komme», müssen noch viele und ernste Hemmnisse auS dem Wege ge räumt werden. Den dunkelsten Puncl am innerpolitischen Horizont des Landes bildet nach wie vor die separatistische Be wegung in Catalonien, dessen hochentwickelte Industrie unter den verderblichen Folgen deS Krieges mit Amerika am schwersten zu leiden hat und nun in erhöhtem Maße zu steuerlichen Leistungen hcrangezogen werden soll. Hingegen sträubt sie sich aus Leibeskräften, während andererseits die Staatsregierung von ihrem Verlangen, daß Handel und Industrie mehr als bisber zu den öffentlichen Lasten beitragen solle, nicht abaehen kann und darf. Spanien hat nur die Wahl zwischen Steuererhöhung und Re- ducirung seines Heeres- und Flottenetats, wenn eS den Staats- bankerott hintanhalten will. Eine nrnnenSwcrthe Her absetzung des Armcebestandes geht nicht an, wenn Spanien überhaupt noch eine gewisse Machtstellung behaupten und sich zugleich vor der Gefahr eines PronunciamenloS der sich be droht fühlenden Elemente des Hcereö bewahren will. Die Landwirthschaft aber ist schon dermaßen mit Steuern überbürdet, daß sie unter einer weiteren Anziehung der Steuerschraube erliegen müßte. So bleibt denn nur Lik Zuflucht zu den commerziellen und industriellen Steuerquellen übrig. Hiergegen aber haben sich sämmtliche Handels kammern des Landes erklärt und einen Nationalverband in» FrrrLUrtsir. Loi Anter egyptischer Lonne. Roman au» der Gegenwart von Katharina Zitelmann. Nachdruck »«rloten. Für Mary'» jüngere Brüder hatte da» Gespräch de» Abend» erst jetzt vtdeutung gewonnen, und Wort für Wort erzählten sie r» ihrem Hauslehrer, der wie in Lethargie versunken dasaß. „Nun denke auch an Dich!" bat der Professor. Da erhob sich Jürgen schwerfällig und trat auf Harald zu, al» kost« e» ihn die größte Ueberwtndung. „Ihnen schulden wir Miß Mary'» Rettung", sprach er in ge zwungenem Tone. „Nehmen Sie auch meinen Dank. Sie — haben — fit sich erobert. Machen Sie sie glücklich." „Ja, das will ich!" rief Harald froh. „Verlassen Sie sich darauf, Herr Doctor! Und zum Dank bitte ich mir Ihre Freund schaft au»." Sr streckte dem jungen Braun herzlich die Hand entgegen, die dieser zögernd ergriff. Nachdem Harald noch die Umarmungen und enthusiastischen Danksagungen der jungen Salinas hatte über sich ergehen lassen, zog er fich auf die „Elephantine" und in seine Labine zurück und versank in tiefen Schlaf, au» dem ihn erst der Helle Ton der Frühstiicksglocke weckte. „Auf nach Abydo»!' tief draußen der Dragoman. ck ein Harald besann fich nicht lange und sprang auf. Ein unend lich frohe» Gefühl hob ibm di« Brust. Die» Leben, das er ohne Befinnen hinzugeben bereit gewesen, e» gehörte ihm noch einmal und erschien ihm wie ein köstliche» Geschenk. Bor Wenigen Mo naten hatte drt Dod in der bösartigen Krankheit schon die Hand nach ihm au»gestreckt, — und er war gerettet kdotven. Heute Nacht zum zweiten Maik war er im Begriff gewesen, e» zu derlteren, ja, er hatte e» m t vollem Bewußtsein auf da» Spiel gesetzt, um seiner Menschendslicht zu genügen. Utid nun grüß e er abermal» da» goldene Licht l Sink Dankuhvmne stieg au» seinem Herzen zum Himmel auf, rin Gebet, ei« Aelötzniß . . . Und vor seiner Seele erschien da» lichte Bild der Veliebten. Gramm mehr in die Waagschale zu werfen, in der er gewogen ward? E» hätte ja Jeder an seiner Stelle gehandelt, wie er e» gethan, aber daß daS Schicksal ihn ausersehen hatte zu dem RettungSwerk — da» schien ihm doch von hoher Bedeutung und stimmte ihn zuversichtlich und freudig. An dem letzten Ausflug, der vom Dampfer aus unternommen wurde, betheiligten sich, außer Mary und ihrem Vater, sämmt liche Reisegenossen, auch Jürgen Braun und seine Zöglinge, die Mr. Salinas fortgeschickt hatte, um für seine Tochter, die im Schlummer lag, Ruhe zu schaffen. An der Landungsstelle beim Dorf Beliane hatte sich eine große Menge von Treibern mit ihren Eseln eingefunden, und als der Dragoman mit der Gesellschaft das Schiff verließ, erhob sich ein barbarisches Geschrei und eS spielte sich eine Scene ab, die selbst dem sehr optimistisch gestimmten Harald den Charakter der Eingeborenen in bedenklichem Lichte erscheinen ließ und ihn zur Ausstoßung kerniger Verwünschungen ermunterte. Das Ge sindel umdrängte die Fremden und tobte förmlich in leidenschaft licher Aufregung. Ein Jeder der wenigstens fünfzig Leute wollte seinen Esel anbringen und führte einen wilden, erbitterten Kampf gegen seine Genossen. ES erregte den Anschein, als wollten sie sich gegenseitig vor Wuth ermorden. Die Peitsche deS Dragoman fiel Harald ein, und er gab zu, daß sie zuweilen ihre Berechtigung haben möge. Sah er sich doch selbst genöthigt, sechs auf ihn rin- dringende Kerle mit den Fäuflen zurückzutreiben. Trotzdem aber brach er in ein herzliche» Gelächter au», al» er in seiner Nähe den biedern Doctor Fischer erblickte, der, roth, erhitzt, den Helmhut auf dem Kopf«, «inen grauen Reiseschirm gegen seine Peiniger aufspannte und in einem wahren Derserkerzorn donnerte: „Hol Euch All« der Deibel, Ihr verfluchtes Gesindell Platz dal Au» dem Wege, oder ich spieße Euch auf!" Dir braunen Kerle schienen ihn ganz gut zu verstehen, denn sie wichen wirklich zurück. E» dauerte wohl zwanzig Minuten, bi» der Dragoman, der die Damen unter seinen Schutz genommen und zuerst beritten ge macht, auch für dir Herren die paffenden Thiere au»grwählt hatte und handel«!«» mit den unvernünftige Preise fordernden Treibern geworden war. Endlich saßen All« auf, und nun ging e» in frischem Trab» durch da» Dorf auf üppig grüne», reich br- baute» Fruchtgrliinde zu. Di« Aufregung der Nacht zittert« in allen Gemüthrrn nach. Niemand wagte indeß den Selbstmordversuch und seine Ur sachen zu berühren; um so mehr war von Miß Mary'» Rettung und den Umständen, di» sie wie durch ein Wunder herbeigesührt hatten, di« Rede. Harald war der Held de» Tages, und auch Jürgen Braun, der ihm entgegen geschwommen war, und ohne den doch vielleicht Harald sowohl al» da» junge Mädchen verloren gewesen wären, erhielt einen Antheil an der allgemeinen Aner kennung. Selbst Fräulein von Umsattel hielt es für angemessen, Harald einige freundliche Worte zu sagen. „Nun, Sie haben sich ja mit Ruhm bedeckt, Herr von Sperber", begann sie, ihren Esel neben den seinen lenkend. Sie schüttelte sich. „Huh! Es muß doch ein Entschluß sein, in das kalte Wasser zu springen! Freilich, von einem preußischen Edelmann konnte man es nicht anders er warten." Seine ganze Seele empörte sich gegen die Unheilstifterin; nur mit Mühe beherrschte er sich. Doch konnte er sich nicht ent halten, zu erwidern: „Jedenfalls kann man von einem preußischen Edelmann erwarten, daß er die Höflichkeit, die er einer Dame schuldet, nicht aus den Augen setzt!" Sie blickte ihn überrascht an, indem ihr rin feines Roth ins Gesicht stieg. Da übernahm, unerwartet genug, Frau Daisy die Rolle des Anklägers. „Ja, Kuni, Sie sind an Allem Schuld!" ertönte plötzlich ihre Stimme hinter den Beiden. „Ich möchte nicht in Ihre Haut stecken! Hätten Sie nicht Mr. Salinas gegen seine Tochter aufgrhetzt, so wäre dies nicht geschehen." Mit der vollkommensten HerzcnSruhe schleuderte die schöne Engländerin, an Harald'» linke Seite vorreitend, ihrer Freundin diese vernichtenden Worte in» Gesicht, als handle e» sich um die gleichgiltigste Angelegenheit, und daß sie da» tn Sperber'» Gegen wart that, verschärfte noch den Angriff, wenn e» auch bewie», daß sie fich des Schuhe» bedürftig fühlte. „Ach, nun verstehe ich erst Ihre Bemerkung, Herr Baron", entgegnete die Umsattrl mit gezwungenem Lachen. „Sie hielten e» für — unhöflich, mir, al» der Ursache des grauslichen Selbst mordes, höflich zu antworten. Litte, legen Eie Ihren Ge fühlen keinen Zwang auf! Ich bin Ihnen Beiden äußerst ver bunden für Ihre gute Meinung. Mit MrS. Summer» würden selbst Götter vergeblich kämpfen; warum sollte ich siegreicher sein? Und Ihnen kann man ein wenig Nervosität zu Gute halten nach Ihrer nächtlichen Heldenthat!" Sie grüßt« lächelnd mit der Hand und sprengte davon, um sich dem Ehepaar Fischer zu- zugrsellen. „Was meint sie?" fragte Daisy, ihre unschuldigen Augen auf ihren Begleiter richtend. „War sagt sie von dir Gotter? „Ich weiß e» nicht", antwortete er. „ES ist ja auch gleich- giltig. Jbre Freundschaft mit Fräulein von Umsattel scheint freilich auf dieser Nilreise Schiffbruch gelitten zu haben." Sie zuckte unbekümmert die Achseln. „Beim Zusammen reisen lernt man sich erst recht kennen. Man sollte auch mit den Mann, den man heirathen will, erst eine Reise machen, das wäre eine gute Versuchung." Harald lachte belustigt. „Sie haben ganz recht! Man spricht ja in Egypten von dem Dahabienteufel, der Busenfreunde zu Todfeinden macht, wenn sie acht Wochen lang auf dem engen Schiff zusammengesperrt sind. Doch unsere „Elephantine" ist keine Dahabie." „Sie beneiden mich immer, die Frauen", fuhr Mrs. Summers ganz ernsthaft fort. „Ich mag die Männer viel lieber als sie. Aber Miß Mary hab' ich lieb, obgleich es doch gar nicht kuistlich von sie war, so etwas Schreckliches zu thun." „Verurtheilen Sie sie nicht", bat Harald. „Sie war sehr unglücklich, und es war auch eine Art Liebesopfer, das sie bringen wollte. Sie haben ja gehört, waS sie zu ihren Brüdern ge sprochen hat." „So etwas verstehe ich nicht", meinte das schöne Menschenkind kopfschüttelnd. „Dazu haben wir doch die kuistliche Moral. Ich werde Gott bitten, daß er ihr verzeiht. Nun wird sie gewiß ihren Lebensretter gern zum Gemahl nehmen." „Wen? Mich?" „Gewiß, wen sonst?" Harald lachte. „Aber Verehrtest», Sie sind noch nicht von Ihrem Jrrthum geheilt?" „Meinen Sie wegen Miß Mary'» Verliebtheit in Herrn Braun? Den kann sie doch nicht heirathen!" „Warum nicht?" Die schönen blauen Augen schauten ihn verständnißloS an. Doch der Oberst von Wangen, der am Wege hielt und Harald die Hand entgegenstreckte, schnitt eine weitere Erörterung ab. „Drücke Ihnen meine Hochachtung aus", knurrte der kleine Herr in einem Ton, als wolle er ihm eine Grobheit sagen, ihn unter den starken Brauen hervor anblinzelnd. „Brav, junger Mann! Freut mich, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben." Sperber wußte diese Kundgebung de» schweigsamen Manne» zu schätzen und dankte eben dafür, al» Wildau sich ihm zugesellte. Den günstigen Augenblick benutzte Herr von Wangen, um mit der Engländerin -urückzubleiben. Er hatte eine ehrliche Zuneigung zu ihr gefaßt und sie ließ sich huldvoll seine vewunde- rung gefallen. »I sag's ja, Scbneid' habt Ihr Norddeutsche, da» muß wahr sein!" rief inzwischen der Oesterreicher. „Met Compliment, Herr Baron! — Ob » hier zu Land' Rettungsmedaillen aiebt? Wenn Ihnen daran liegt, werd' i in Kairo die nöthtgen Schritte thun." „Ich danke Ihnen verbindlichst", entgegnet« Harald. „ES
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