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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000530029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900053002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900053002
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- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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4470 die Mine» nntzefchätztgt. Ich »erde morgen früh den Eomiiinndnuten der 2taLt zur Urbrraadc aufsorSern und erwarte keinen Widerstand. Mittage bradiichtige ich mit der Armee in 2ohan«c»durg einruziehc«. Die Bezeichnung „Vorstadt von Johannesburg" für den Ort Germiston ist nicht genau. Johannesburg liegt 11 Irm westlich der SUd-Nordbahn, Germiston 7 lrw östlich derselben; dazwischen liegen noch Eland«- sontein und Ieppestown. Sämmtliche Orte sind auf unserer letzter Tage veröffentlichten Karle zu finden. Nach der „Daily Mail", die sich indessen als unzuverlässig er wiesen hat, seien in Johannesburg nur einige Gräben ge zogen, aber sonst sei nicht« für die Vcrtheidigung gethan. Dagegen seien Höllenmaschinen hergestellt worden, welche aus di« Schienen gelegt werden sollten, wenn Züge mit englischen Truppen ankämen. Es bleibt abzuwarten, ob die Boeren den Zutritt zur Stadt freigrben, ob sie, wie früher ange- kündigt wurde, auf de« im Norden dicht an Johannesburg berantretenden Höhen sich bi« zum Aeußersten vertheidigen, ob sie sich auf die starke Festung Pretoria zurückzieben oder auch diese preiSgeben und sich erst im gebirgigen Nordosten des Lande« sammeln werden. Der Berichterstatter des genannten Londoner Blattes in Lourentzv MarqueS ist in Pretoria ge wesen und will erfahren baben, daß der Sitz der TranSvaal- Regierung zuerst nach Waterval Bovrn an der Delagoabai- Eisenbahn und dann, wenn nöthig, nach Lydenburg verlegt werden soll. Krüger habe alle Vorkehrungen zur Flucht getroffen. Ein Extrazug stehe in einiger Entfernung von Pretoria unter Dampf bereit. Treffende Worte widmet die „Boss. Ztg." der Lage. Sie schreibt: Eilt das Trauerspiel des Freiheitskampfes der Boeren wirklich schon seinem Ende zu? Beinahe möchte mau es glauben, wenn man die englischen Meldungen von wachsender Uneinigkeit der Doerensührer und rasch ein reißender Mutlosigkeit in den Reihen deS BoerenheereS liest. Aber ganz ähnlich so haben die britischen Stimmungsberichte auS dem Boerenlager auch schon nach dem NnglückStaae von Paardeberg gelautet und doch sind diesem noch glänzende Waffcn- thaten der FreiheitSheere gefolgt. Mag sein, daß Paarde berg wirklich endgiltig die Sonnenwende deS BoercnglückS bedeutet hat, aber darum muß nicht jetzt schon und so rühmlos der Stern von Transvaal in die ewige Nacht hinab tauchen. Nur wenn die Boeren sich selbst aufgcben, ist schon in den nächsten Tagen der völlige Zusammenbruch zu erwarte«, und unS will scheinen, als sei trotz der britischen Berichte der Boerenmutb noch nicht ganz erloschen. Präsident Krüger, die Seele deS Freiheitskämpfer, hat drei aufeinander folgende Buß- und Bettage angeordnet — das siebt für den, der die boeriscke Volksseele kennt, nicht darnach auS, als seien die Boeren gewillt, die Waffen sinken zu lassen, sondern viel eher wie ein tiefer Athemzng deS BoerenthumS vor einem letzte» großen Entscheidungskampf, vor einem Ringen auf Tod und Leben, worin, wenn nichts weiter mehr, so doch die Ehre zu retten ist. So ganz erloschen dürfte der Heldengeist, den die Boeren bis vor wenigen Wochen im Unglück wie im Glück bewiesen haben, denn doch nicht sein, daß sie nicht noch einer gewaltigen Anstrengung, daS KriegSglück zu wenden und ihre Unabhängigkeit zu retten, fähig wären, und e« ist nicht reckt wabrsckeinlick, daß einzig noch der greise Krüger ungebro chenen MulheS dastehen sollte, während ringS um ihn Alle ver zagten, selbst der feurige Botha und der stablharte Steijn. In höherem Maße als in irgend einem früheren Abschnitte deS Kriege- baben die TranSvaaler von jetzt ab alle Vortheile des Geländes für sich, es wäre erstaunlich, wenn sie, die auf dem Boden von Natal und im Oranje-Freistaat wie di« Löwen gesockten haben, jetzt, wo sie die VaterlandSsckolle unter den Füßen haben, kampflos die Waffen strecken wollten. Vielleicht geben sie Johannesburg, daü keine Festung ist, ohne Vertheidizung auf, aber daß sie auch daS seit Jahren stark befestigte Pretoria ohne heftigen Widerstand dem Feinde über lassen könnten, werden wir erst glauben, bis es Thatsache geworden ist. Die Goldminen sind, wie Roberts gemeldet wurde, nicht zerstört. Ihre Demolirung scheint auch nicht beabsichtigt zu sein. Nach Londoner Blättern sei der StaatSminen-Ingenieur Munnik privatim gewarnt, daß «S für ibn persönlich gefähr lich werden könnte, wenn die Minen zerstört würden. Darauf babe Munnik erklärt, eS bestünde keine Absicht, die Minen zu zerstören, daS Ganze sei nur eine Vorspiegelung, um eine fremde Intervention herbeizuführen. Die Transvaal-Ne gierung wolle die Agitation gegen die englische Occupanon der beiden Republiken in England, Amerika und auf dem Continent sortsetzen und keine Kosten dafür scheuen. Ta« Leben der englischen Kriegsgefangenen. Ueber die Art, in der die englischen Kriegsgefangenen behandelt werde», sind mancherlei tendenziöse und entstellende Berichte in der englischen Presse verbreitet worden. E« hieß, die englischen Kriegsgefangenen würden in den großen Lagern bei Pretoria in ungesunden Schuppen untergebracht, erhielten ganz unzureichende Nahrung und würden sehr schlecht be handelt. Heute veröffentlicht die „Evening News" indessen eine Zuschrift von einem der gefangenen Kanoniere, in der er das Leben im Watervalkamp bei Pretoria ausführlich schildert und besonders die gute Verpflegung, Unterkunft und Behandlung rühmt. Der Kanonier wurde bei Koornspru'it gefangen genommen. Er schreibt: „Seitdem wir in die Hände der Boeren fielen, sind wir bis jetzt gleichmäßig freundlich und höflich behandelt worden; die Aufmerksamkeiten, die unS auf der Reise hierher von der Bevölkerung auf den verschiedenen Stationen erwiesen wurden, kamen un« sehr überraschend und nöthigten un« aufrichtigen Dank ab. Unser Leben hier im Lager wird un«, abgesehen vou der strengen Ueberwachung, die selbstverständlich bis zu einem gewissen Grade nothwendig ist, so behaglich gemacht, wie die Umstände e« uur gestatten. Wir sind in langen Straßen von Wellbleckbaracken untergebracht, die allerdina« an beiden Seiten offen sind. Aber darunter leiden wir sehr wenig, besonders nicht, wenn wir daran denken, daß wir, bevor wir hierher kamen, fünf Wochen auf dem offenen Feld ohne jeden Schutz schlafen mußten. Nahrungsmittel mit Ausnahme von Fleisch werden un« in liberalster Weise zuertheilt und, da wir hinreickend Koch geschirr erhalten haben, vereinigen wir unö zu Messen von 5—6 Mann und kochen unser Diner so gut und so schleckt wie es geht. NachtS sind dir „Straßen" brillant elektrisch erleuchtet und obwohl das meiner Ansicht nach wesentlich geschieht, um Fluchtversuchen vorznbeugen, so ist eö doch jedenfalls angenehmer, als die Dunkelheit der mondscheinlosen afrikanischen Nacht. Tommy AtkinS hat sich schnell wie immer daran gewöhnt, daS Beste aus dem schleckten Geschäft zu machen und amüsirt sich in so vielseitiger Weise, daß Abends das Lager wie eine Mischung von Iabrmarkt, Kirch weih und Sportplatz aussieht. Bei Schritt und Tritt stößt man auf erlesene kleine Cirkel, die hingebungsvoll Poker spielen, andere spielen Würfel ohne das beliebte „Kopf oder Schrift". Am Ende deS Lagers kann mau jeden Abend einige Hundert Mann sehen, die vergnügt nach der Musik, die ans eingeschmuggelten Instrumenten verübt wird, auf dem Nasen Herumwalzen. Einmal in jeder Wocke ist Garten- coucert und cö ist wirklich überraschend, was für eine Menge von Talente» wir unter uns haben. Auch unser Seelenheil wird nicht vernachlässigt, und jede Woche kommen von Pretoria Geistliche, um unS zu besuchen; im Lager selbst ist ein Zelt, in dem mehrere „RegenerateS" jeden Abend Bibelstunden abhalten. Crickct, Fußball und andere Sports werden täglich ausgiebig geübt und verschiedene Male schon haben wir große Wettkämpfe gehabt. Zn dem speciell für die Erholung bestimmten Bezirk ist ein großes Schwimmbad, welches die Soldaten selbst auSgegraben haben. So kann Jeder jeden Morgen sein Schwimmbad haben, und da das Bassin in directcr Verbindung mit einem Fluß steht, baben wir reichlich reines Wasser sür die Wäsche, was uns auf dem Marsche am meisten fehlte. Die Namen der ver schiedenen Theile deS Lagers sind entschieden erheiternd. Au einer Stelle giebt eS eine „Gloucester Avenue", weil dort das Gloucester-Regiment haust. Nicht weit davon liegt „Waterval-Villa" und ein Schild verkündet, daß dort rasirt wird. „Sie sehen also", schließt der Kanonier seinen Bericht, „daß eS unS nicht so schlecht gebt, wie man im Allgemeinen glaubt. Was unS fehlt, ist höchstens etwas zu lesen und natürlich vor allen Dingen schnelle Rückkehr nach England". Deutsches Reich, -g- Leipzig, 30. Mai. Der in letzter Zeit ost erwähnte Hochverratbsproceß gegen den Redacteur Witold Leit geber in Ostrowo, sowie Hegen den Buchdrucker Mrle- rowicz und den Schneider Kol enda, beide in Düsseldorf, findet am 25. Juni vor dem vereinigten zweiten und dritten Strafsenate deS Reichsgerichts statt. * Berlin, 29. Mai. Die Gewährung von Tage geldern an die ReichStaaSabgeordneten sollte dem „Berl. Loc.-Anz." zufolge zur Zeit in BundcSralhSkreisen er wogen werden, nach der „Post" aber ist davon an unter richteter Stelle nicktS bekannt. Gleichwohl ist die „National liberale Corr." der Ansicht, daß der BunveSrath der Sacke näher treten werde und müsse, da die Gewährung wenn auch nicht gerade von Tagegeldern, so doch wenigstens von Anwesenheits geldern zur unabweisbaren Noihwendigkeit geworden sei, nach dem stlbst Mitglieder der Rechten, die früher gegen die Gewährung von Tagegelder» sich ausgesprochen, um ein Correctiv für da«' jetzige RecchStagSwahlrecht zu behalten, sich für Reise- und Anwesenheits gelder ausgesprochen haben. Das nationalliberale Organ fährt dann fort: „Zugleich ist berichtet worden, daß man sich in BundeSrathSkreisen mit der Absicht trage, die Verfassung abzuändern, so daß die Neuwahlen schon nach 14 Tagen stattfinden können, während jetzt die Wahlagitation einen Spielraum von in der Regel 5 Wochen hat. Zutreffend wird darauf hingewiesen, daß die Frist zwischen dem Schluß bezw. einer Auflösung deS Reichstages und den Neuwahlen nicht in derVerfassung begründet ist, sondern in den Bestimmungen deS Wahlgesetzes, wonach die Wahllisten mindestens vier Wochen vor den Wahlen auSgclegt werden müssen. So viel uns bekannt ist, hat man in maßgebenden Kreisen vor längerer Zeit schon erwogen, ob eS nicht räthlich sei, wie in England, fortdauernde Wahllisten zu führen, so daß die Neuwahlen ungesäumt «ach dem Sckluß de« Reichstag« stattfinden konnten; einerseits um die allge mein anerkannten Entartungen der Wahlagitation zu be seitigen, andererseits, um im Falle einer Auflösung de« Reichs tags in kritischen Zeiten so bald als möglich wieder mit einem Reichstage arbeiten zu könne». E« war aber damals nicht nur von einer Einführung fortgesetzt aus dem Lausenden zu ballender Wahllisten gesprochen, sondern auch von einem Ersatz de« gegenwärtigen Stickwahlsystem«, da« zu den widernatürlichsten Wahlbündnissen und einer offenkundigen Verzerrung de« BolkSwillenS geführt hat. Der Abänderungs vorschläge gab es mehrere; so z. B, daß nur eia Wahlgang stattfinden und derjenige Candidat al« gewählt angesehen werben solle, der die meisten Stimmen erkalte, oder daß im zweiten Wahlgang neue Candidaten aufgestellt werden dürsten und derjenige als gewählt betrachtet werden solle, der in diesem zweiten Wablgange die meisten Stimmen erhalte. Ueber völlig unverbindliche Erwägnngen sind diese Absichten indeß nicht binauSgekommen; auch ist nnS nicht bekannt, daß davon die Gewährung von Anwesenbeitsgeldern abhängig gemacht werden solle. In dem Zusammenhang sei in Erinnerung ge bracht, daß die nationalliberale Partei, wie der Abg. Basser« mann im Reichstag ausdrücklich feststellte, die Diäten nicht mit einer Einschränkung deS bestehenden Wahlsystems einzutauschen gewillt ist, sondern an dem bestehenden ReichS- tagSwahlrecht in vollem Umfange festhält." * Berlin, 29. Mai. Die Anzeigepflicht der arzt- ichen Ehrengerichte ist am Sonnabend Gegenstand der Verhandlung in der Brandenburgischen Aerztekammer gewesen. Gebeimratb Dr. Becher, der Vorsitzende der Aerztekammer, batte sich-geweigert, sich auf die Geschäftsordnung de« Ehrengerichts vereidigen zu lassen, weil ibm tz 15 derselben — es wird darin angeordnet, daß der Vorsitzende von einer jeden ehrengerichtlichen Verurtheilung eine« ArzteS der Staatsanwaltschaft Anzeige zu machen hat — nicht annehmbar erscheint. Nach Erörterung der Sachlage schlug vr. Becher vor, die Aerztekammer solle eine Eingabe a» den Minister um Streichung de« tz 15 richten. Oberpräsidialrath von Meusel, der der Sitzung beiwohnte, gab der Auffassung Ausdruck, daß man tz 15 zu große Bedeutung beilege. Nachdem aber einmal Bedenken dagegen zu Tage getreten seien, werde die Regierung seiner Meinung nack nicht - anstehen, diese Bedenken zu berück sichtigen. Es werde rem tz 15 eine andere Fassung ge geben werden. Er möchte ralhen, die Gegensätze dadurch auS der Welt zu sckaffeu, daß die Kammer den Vorsitzenden ermächtige, sich unter der Voraussetzung vereidigen zu lassen, daß tz 15 geändert werde. Gebeimratb vr. Becher erklärte, eS werde beabsichtigt, den tz 15 dahin ab zuändern, daß die Anzeigepflicht an den Staatsanwalt wegsallen, dafür aber festgelezt werden solle, daß der Vorsitzende des Ehrengerichts verpflichtet sei, von den ehrengerichtlichen Bestrafungen allen anderen Ehren gerichten Nachricht zu geben. Er habe kein Bedenken, auf eine Zusage des RegiernngSvertreterS bin, daß diese Aenve- rung deö tz 15 Platz greife, sich vereidigen zu lassen, er bean trage, daß die Kammer ibm die Ermächtigung dazu gebe. Obwohl nun einige Bedenken erhoben wurden, beschloß die Kammer, nachdem nochmals Oberpräsidialrath v. Meusel erklärt batte, er glaube sicher, die Negierung werde die Pflicht der Anzeige an die Staatsanwaltschaft fallen lassen, im Sinne der Anträge Dr. BeckerS: ter Vorsitzende wird ermächtigt, sich auf eie Ehrengerichtsordnung vereidigen zu lassen unter dem Vorbehalt, daß die Verpflichtung der Anzeige an die Staatsanwaltschaft gestrichen wird. — Die kaiserliche Familie siedelt am 1. Juli, dem Tage der Frühjahrsparade in Potsdam, von Berlin nach dem Neuen Palais über. — Kronprinz Wilhelm ist heute mit seinem ge lammten Hofstaat vom königlichen Stadtscblosse in Potsdam nach dem königlichen CabinetShauS daselbst, seinem neuen Heim, übergesiedelt. Zu gleicher Zeit ist vor dem genannten Gebäude ein Posten ausgezogcn. — Der Herzog-Regent Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin ist au« Schwerin hier an gekommen. — Der preußische Minister für Handel und Gewerbe hat den Handelskammern und sonstig«, Corporationen davon Kenntniß gegeben, daß nach einer Mittheilung deS Reichs kanzlers die ReichSpostdampfer der ost asiatischen Linie versuchsweise bi« auf Weiteres auf jeder zweiten Aus reise Rotterdam und zwar neben Antwerpen anlaufen werden. Erstmalig wird der planmäßig am 13. Juni d. I. von Bremerhaven abfahrende Dampfer die Fahrplan erweiterung purchführen. Die Rotterdam anlaufenden Dampfer werden Bremerhaven einen Taz früher al« im gegenwärtigen Fahrplan vorgesehen ist, verlassen. — Finanzminister Dr. von Miquel wird der Eröffnung der landwirthschastlichen Ausstellung in Posen beiwohnen. — Der Unterstaatssekretär vr. v. Bartsch, der seine Versetzung in den Ruhestand beantragt hat, hat nie die Gunst des CrntrumS erfahren. Jetzt schreibt die „Germania": „In vr. v. Bartsch repräsentirt sich der culturkümpfertsche „Geheimrath" im CultuSministerium, dessen „Geist" bei allen Wechseln in den Personen der Kultusminister gewissermaßen al« „ruhender Pol in der Erscheinungen Flucht" t» EultuSministerinm herrschend blleb. Die Katholiken in Preußen werden daher den Rücktritt da« UnterstaatSsekretär« vr. v. Bartsch nicht zu be- dauern haben." Bedauern wird die „Germania" nur dann den Rücktritt eine« Beamten, wenn dieser nicht allein ein guter Katholik, sonder» auch ein bis in die Wolle gefärbter CentrumSmann ist. — Der LandgerichtSratb und NeichStagSabgeordnrt« Roeren wird nicht müde in dem heiligen Kampf um die Hebung der Sittlichkeit. AuS Hagen i. W. wird gemeldet: Vor der hiesigen Strafkammer kam am Sonnabend »ine an die lex Heinze erinnernde Sache zur Verhandlung. Wegen Ber- breitung „unzüchtiger" Bilder hatten sich die Buchdruckereibesitzer FrielinghauS und Möbtu« zu verantwvrten. Dies« hatten von einer Coburger Firma Ansichtspostkarten bezogen und st» nach auswärts angeboten und verschickt. Auf de» Karten befanden sich die Bilder „Sklavenmarkt im Orient" und „Jupiter und Antiope". Ein Kölner Wirth zeigte die Karten mehrere» Juristen, die erklärten, daß e« sich um die Reproduktion bekannter Kunstwerke handele. Auch dem ReichStagSabgeordneten, Landgerichts- rath Roe reu wurden dir Karten vorgelegt. Dieser veranlaßte die Strafverfolgung, weShalb die Sache zur Verhandlung kam. ES wurde srstgestrllt, daß der Coburger Firma der Berkaus ber Karten unbeanstandet gestattet ist und daß die Kartenbilder thatsächlick bekannten Kunstwerken nachgebildet stad. DaS Gericht erkannte daraufhin auf Freisprechung. Vermuthlich wird die „Germ." finden, daß der große Jurist und nock weit größere Kunstverständige Roeren sich auch in Hagen ein neue« Lorbeerblatt in seinen RuhmeSkranz geflochten habe. — Wie der „Köln. Ztg." auS Bern mitgetheilt wird, ist an den Professor deS Strafrecht« an der Kaiser-Wilbelms- Universität Straßburg, vr. van Calker, die ehrenvolle Be rufung zur Mitarbeit an de» Aufgaben ergangen, welche auf dem Gebiete der Reform der Strafgesetzgebung in ber Schweiz gegenwärtig vorliegen. So schmeichel haft sowohl für den genannten Gelehrten persönlich, als für daS Ansehen, welche- die deutsche Wissen schaft im Auklande genießt, auch diese Berufung ist, so lebhaft wird man dock bedauern, daß ein« so tüchtige Kraft dem engeren Dienste de« VaterlanveS verloren gehen soll. Eine Reform der Strafgesetzgebung gehört auch in Deutschland zu denjenigen Aufgaben, die in absehbarer Zeit gelöst werden müssen und deshalb nickt gründlich genug vor bereitet werden können. Bei einer solchen Vorbereitung aber würde man Professor van CalkerS Mitarbeit nur ungern vermissen. — Der Herrenmeister de«Johanniter-OrdenS, Prinz Albrecht von Preußen, wird, da in diesem Jahre der 24. Juni, der Toq St. Johannis deS Läufer«, auf einen Sonntag fällt, am 25. Juni im Ordensschlosse zu Sonnenburg ein Capitel de» Johanniter- Orden» abhaltrn und am folgenden Tag», dem 26., in der Kirche daselbst «ine größere Zahl von Ehrenrittern durch Ritterschlag und Investitur alS RechtSrilter aufnehmen. In dem Capitel dürste auch di« durch den Tod des General» der Infanterie und General- adjutanten v. Tre»ckow erledigte Stelle de» Orden-Hauptmann» wieder besetzt werden. — Der deutsche Gesandte in Bukarest Geh. Legation»rath von Kiderlen-Waechtrr ist von dem ihm bewilligten Urlaub aus seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandt- schast wieder übernommen. — Der hessische KreiSassistenzatzt Vr. Th oben ist zum kaiser lichen Regierungtrath und Mitglied d«S Gesundheitsämter, der hessische OberlandesgerichtSrath Forch zum richterlichen und der mecklenburgische OberlandesgerichtS-Senatspräsident Allvater zum stellvertretenden richterlichen Mitglirde des ReichSeisenbaho- amte» ernannt worden. — Der OberlandeSgerlchts-Präsident, Staat-Minister vr. Falk ist au« Hamm t. W. hier riugetrosfen. D. Kiel, 29. Mai. Auf den dänischen Inseln wird ein wahrer Vernichtungskampf gegen deutsche Brief tauben geführt, die jetzt häufig auf See oder in nordischen Küstenplätzcn nach Kiel aufgelassen und für weite Ent fernungen dressirt werden. Eine ganz« Reibe Tauben sind mit zerschossenen Flügeln und Beinen wieder hier angelangt, sehr viele sind der Mordlust zum Opfer gefallen. Es wäre dringend zu wünschen, daß dieses frevelhafte Treiben gründ lich unterdrückt würde. * Liffa i. Pofen, 29. Mai. Bei der Landtagsersatz wahl im 6. Wablbezirk deS Regierungsbezirk« Posen wurde nach amtlicher Feststellung Recht-anwalt und Notar Fr. Wolff zu Liffa (freis. Vereinig.) mit 334 von 525 abgegebenen Stimmen gewählt. Rittergutsbesitzer v. MycielSki zu Kobylrpole (Pole) erhielt 191 Stimmen. * Lauterberg, 29. Mai. Wie ein Privattelegramm de« „B. T." meldet, ist Major v. Wissmann gestern zu mehr tägigem Aufenthalt hier eingetroffen. * Erefcl-, 29. Mai. Capitänleutnant Funke hat tele- graphirt, der Besuch Crefeld« erfolge am 6. Juni. Diese Verschiebung deS Besuches wird hier freudig begrüßt, da daS Wort nicht au«*, sagte sie. „Aber glauben Sie mir, daß ich Sie segnen werde bi« zum letzten Tage meine» Leben, und wenn Gott da- Gebet einer Mutter erhört, so wird er Sie für Ihre That belohnen." Al« sie sich ein wenig beruhigt hatte, bat sie ihn, ihr die Einzelheiten deS schrecklichen Vorganges zu erzählen, Alles ihr mitzutheilen, was er über die Ursache wisse, ihr nichts, gar nicht« zu verschweigen. Mary selbst zu fragen, deren Herzenswunde noch immer blute und die sehr angegriffen sei, wage sie nicht. So sprach er denn mit aller Offenheit zu ihr, deren echt mütterliches Wesen ihm da« größte Zutrauen einflößte. Er fühlte, daß Mary auf der Welt keine bessere Freundin habe, al« sie, und berichtete daher Alle«, was der Mutter Klarheit ver schaffen konnte: von der ablehnenden Haltung des Doctor Braun und dessen Entschluß, da« SalinaS'sche Hau« zu verlassen, von der Ohnmacht Mary's im Luxortempel und der bösartigen Klat scherei der Umsattel, von dem Zorn des Mr. Salinas und dem Auftritt, der offenbar den letzten Anlaß zu Mary'» verzweifeltem Entschluß gegeben. Frau Salina» hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu, und al» Harald geendet hatte und fragte, ob sie denn von der Neigung ihrer Tochter zu dem Hauslehrer nichts gewußt hätte, verneinte sie. Zuweilen sei ihr freilich der Gedanke gekommen, doch sie habe ihn stets von sich gewiesen. Die ganze Familie hielte Dockor Braun so hoch und Mary hätte so ganz im Verhältnis; der Schülerin zu ihm gestanden, daß sie al« Mutter keinen Grund zur Besorgniß gehabt hätte. Auch sei die Zeit der Beiden so ausgefüllt gewesen, daß ein Verkehr zwischen ihnen kaum stattgefunden habt. Die Reise von Louisiana noch New Dork, der Aufenthalt dort und die Ueberfahrt nach Alexandria hätten indeß wohl in dem gegenseitigen Verhältniß eine Aenderung herheigeführt. Jedenfalls sei sich ihre Tochter erst während dieser Monate ihrer Liebe bewußt geworden. Vielleicht sei das erst ge schehen, al» Mr. Salina« ihr von seinen Hrirathsplänen ge sprochen. Die hätte sie vom ersten Augenblick an mit solcher Hartnäckigkeit abgewiesen, daß nun nachträglich allerdings sie, die Mutter, sich ihrer Kurzsichtigkeit schäme. „Würden Sie denn eine Verbindung Ihrer Tochter mit dem Hauslehrer für ein Ding der Unmöglichkeit halten?" fragte Harald. „Warum in aller Welt sollen zwei Menschen, die sich lieben, wie diese, sich nicht heirathen?" Sie schwieg einen Augenblick. Dann entgegnete sie zurück haltend: „Sie wissen, Herr von Sperber, daß wir Frauen in diesen Fragen immer lieber dem Herzen folge«, al» de« Ber- si-ndk. Ich achte Kern» Braun sehr hoch — ja ich ließ« ihn saß wie einen Sohn. Er hat vier Jahre lang Freud' und Leid mit unS getheilt, und für die Erziehung der Kinder sind wir ihm außerordentlich verpflichtet. Mein Mann hat keine Zeit, sich mit ihnen zu beschäftigen. Was sie geworden sind, das sind sie durch Braun. Mary hat ganz recht, eS ist ein unersetzlicher Verlust sür ihre Brüder, daß er uns verläßt." „So würden Sie im Princip nichts gegen den Schwiegersohn einzuwenden haben?" fragte er eifrig. „Ihnen würde daS Glück Ihrer Tochter höher stehen, als äußere Bedenken?" „Welche meinen Sie? Daß er nicht reich ist? Mein Gott, wir haben ja genug! Und er ist so tüchtig, daß er sicher seinen Weg machen wird." „Er ist nicht von Adel. Ihr Herr Gemahl hat den Ehr geiz —" Sie zuckte die Achseln. „DaS ist eine kleine Schwäche meine- Manne». Doch sie entspringt der Liebe zu seinen Kindern. Er möchte ihnen alles daS verschaffen, was auf Erden Geltung und Werth hat." „Glauben Sie denn, daß Ihr Herr Gemahl in Bezug auf eine Hcirath Miß Mary's und Doctor Braun's unerbittlich ist?" Sie neigte sorgenvoll den Kopf. „Mein Mann hat in un glücklicher Stunde einen Schwur an die Jungfrau gethan, den er nicht ungeschehen machen könnte, wenn er auch möchte. Er ist rin fast abergläubischer Katholik, wie so viele Spanier. Welch ein Unglück, daß ich die Reise nicht mitmachte! Sie kennen Mr. Salinas nicht genug, um zu wissen, wie bald er vernünftigen Erwägungen zugänglich ist, wenn man ihn nur im Zorn nicht reizt. Eine ungeschickte, plumpe Hand hat ihm die Binde von den Augen gerissen, und Mary hat leider viel zu viel von ihrem Vater, um ihn richtig zu nehmen. Wäre ich dagewesen, er hätte sicherlich den Schwur nicht gethan, und mein Kind hätte sich mir andertraut, oder ich hätte e« endlich verstanden. Wa« soll nun werden?" Frau Salina» schluchzte auf und drückte dar Luch gegen die Augen. „Gut soll Alles werden!" rief Harald tröstend. „Verzagen Sie nicht, gnädige Frau! Wir wollen un» anstrengen, Ihrer lieben Mary noch ein Glück zu schaffen, mit dem stch'S leben läßt." „Ich «miß', antwortete sie leise wie in tiefer Beschämung. „Sie wollen meinem Kinde Ihre Hand reichen, wollen daS zer störte Leben von Neuem retten." Eie hob den Kopf und fuhr in steigender Erregung fort: „Begreifen Sie nicht, daß wir Ihren Edelmuth nicht annehmen können? Daß mir der Ge- dank« an da« ppfer, da» Die dring« wollen, unerträglich ist? Wer sind wir denn, daß wir eine solche Schande auf uns häufen sollten? Sie wollen aus Mitleid mein liebes Kind heirathen, für das Ihre Neigung, wenn Sie je eine solche empfunden, er loschen sein muß in den Fluthen deS Nil. Sie fordern eine Gattin, deren Herz einem Andern gehört, der ihr versagt bleiben muß. Und wenn Mary selbst, wie mein Mann behauptet, anderen Sinnes geworden ist, sich aus Dankbarkeit ihrem Lebensretter zuneigt — ich, die Mutter, kann nicht dulden, daß sie Ihre Werbung annimmt. Auch mein Mann hat eingesehen, daß eS im höchsten Grade unrecht von unS sein würde, auf Ihren Vor schlag einzugehen. Er ist bereit, Ihnen das Wort zurückzugeben, daS Sie — in einer großmüthigen Stimmung vielleicht — ver pfändet haben." Auf Harald'S Antlitz kämpfte tiefe Bewegung mit dem Sonnenschein seiner inneren Freudigkeit. Er zog die Hand der Frau Salinas an seine Lippen und küßte sie. „Erlauben Sie, daß ich meiner Verehrung Ausdruck gebe", sprach er mit warmer Herzlichkeit. Und dann fuhr er fort: „Sie irren vollkommen! Von einem Opfer meinerseits ist gar keine Rede. Sie beschämen mich durch Ihre allzu gute Meinung." So lieben Sic Mary wirklich so sehr, daß Sie Aller, waS geschehen ist, vergessen könnten?" Sie blickte ihn an, als wolle sie den Grund seiner Seele erforschen. Und was sie in seinen Augen las, beruhigte sie um so weniger, al« er ihr nicht ant wortete. Zu lügen vermochte er nicht. „So ist es die Million, die Sie für meiner Tochter mangelnde Neigung entschädigen soll?" Ein Zug der Verachtung legte sich um ihre Lippen. Ihm stieg da» Roth in die Stirn. „Ich halte Ihnen, der besorgten Mutter, den Argwohn zu Gute", entgegnete er. „UrbrigenS aber erkläre ich Ihnen, daß ich von dem Vertrage, den ich mit Ihrem Herrn Gemahl geschlossen hab«, nicht zurück treten kann. Ich glaube mir ein Anrecht an Miß Mary erworben zu haben. Ihr Gatte hat mich gefragt, auf welch« Weis« er mir seine Erkenntlichkeit beweisen könnte. Meine Forderung war: Legen Sie Miß Mary'» Schicksal bedingungslos in meine Hände. Er hat meine Bitte gewährt, indem er mir sein Ehrenwort gab; und — ich bestehe auf meinem Schein. Daß ich mich verpflichtet habe, Miß Mary so glücklich zu machen, wie r« in meinen Kräften steht, muß Ihnen genügen." In ihren Augen glomm ein leiser verstehen auf. Und al« sie nun seinem lächelnden Blick begegnete, da ward ihr Alle» klar. Dunkle Röthe bedeckt« plötzlich ihre Wangen und pe rief: „So hat mein Mann sich von Ihn«, täusch« lassen?" „Es scheint doch so!" entgegnete Harald. „Ich dachte, er mache nur gute Miene zum bösen Spiel." Sie schüttelte den Kopf. „Der kluge Mann! Ich verstehe nicht —" „Vielleicht rechnet er zu sehr mit dem Eigennutz der Menschen", erwiderte Harald, „und hält mich nicht für fähig, selbstlos zu handeln. Doch nun, theure, gnädige Frau, denken Sie an Ihrer lieben Tochter Glück und helfen Sie mir! Ist Braun noch bei Ihnen?" Sie bejahte. „Erst übermorgen verläßt er un». Sein Nach folger kommt morgen und er will ihn noch einführen. Mein Mann will nicht einmal erlauben, daß er noch von Mary Abschied nimmt." „So lange er Ihr Hauslehrer ist, muß er sich fügen", meinte Harald. „Ist er erst fort, so steht er Ihnen al» freier Mann gegenüber, und Miß Mary'« Schicksal liegt in meinen Händen." Frau Salina» schüttelte unruhig den Kopf. „So lange sie in unserem Hause lebt, muß sie den Anordnungen meine« Mannes folgen, da« ist nicht zu ändern, Herr Baron." „Wollen Sie denn, daß Ihre Tochter nach dem Selbstmord versuch schließlich noch mit dem jungen Manne davon läuft?" fragte er energisch. „So lange sie glaubte, daß Braun sie nicht liebe, konnte sie ihre Sache und sich selbst verloren geben; seitdem sie weiß, daß ihre Neigung erwidert wird, giebt e» gar nicht» auf der Welt, das sie von ihm loszureißen vermöchte. Und Schwur gegen Schwur, Frau Salina»! Hat Ihr Gatte geschworen, daß er sie Braun nicht geben wird — ich schwöre, daß sie den Geliebten heirathen soll. Wenn e» nicht mit Ihnen zu machen ist, geschieht es ohne Sie. Da» sage ich Ihnen. Ich habe mit Gefahr meine« Lebens Ihre Tochter au» dem Wasser geholt und will die Früchte meiner Anstrengungen ernten, indem ich ihr zu ihrem Glücke ver helfe. Wollen Sie Ihrem Gatten verrathen, wa« ich im Schilde führe, so kann ich Sie nicht daran hindern. Aber ich versichere Sir, daß ich mit Hilf« seine» ehrenwörtlichen Versprechen» und der Consuln Deutschlands und Amerika» die Liebenden vereinigen werde, und sollten unüberwindlich« Schwierigkeiten entstehen, — nun, so spielen wir Entführung. Machen Sie sich auf Alle- gefaßt l Uebrigen» aber, Sie gütige Mutter haben doch ein Herz für Ihr Kind, und so begreife «h nicht, daß Sie nicht mit tausend Freuden mir Ihre Hilfe zusagen." " (Fortsetzung folgt.)
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