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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.06.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000608014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900060801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900060801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Anzeigen-Pröi- die 6 gespaltene Petitzeit, 80 Pf-, Reclamea unter dem Redactionsstrich (4am spalten) ül)^, vor den Aamilteunachricht«, <8 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Pr»iS- verzeichnih. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarts. Krtra-Vcilaqen (gefalzt), nur mit de« Piorgen-Ausgabe, ohne Postb»förd«ru»g 60.—, Mit Postbesürderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uh«. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. V«t den Filialen und Annahmestelle» je ei» halbe Stund« früher. Anreise» sind stets an die Erpediti«» zu richte«. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig - ' 94. Jahrgang. Oie Natioisten und die „deutsche Gefahr" in Lrafilien. Aus Ioinville (Sta. Catharina), 22. April, schreibt man der „Welt-Correspondenz": Die Reise, die der d e u t s ch e G e - sandte in Brasilien, Graf Arco Valley, in die großen deutschen Coloniegebiete im Norden des Staates Sta. Catharina, nach Blumenau, Joinville und Sao Bento, unternommen hat, hat, wie vorauszusehen war, der Presse in der Bundeshauptstadt Rio de Janeiro Stoff ge liefert, um ihrem sensationslüsternen Lesepublicum wieder ein mal das Schreckgespenst von der „deutschen Ge fahr" aufzutischen, welches fast regelmäßig alle Jahre einmal aus der journalistischen Rumpelkammer geholt wird. Daran konnte selbst der Umstand nichts ändern, daß Graf Arco als ein facher Tourist reiste und auf seinen Wunsch alle Empfänge und Festlichkeiten, bei denen sich das deutsche Nationalgefühl auf den Colonien hätte öffentlich zum Ausdruck bringen können, unter blieben waren. Zwar hatte eine der bedeutendsten Rio- Zeitungen, die „Gazeta de Noticias", anfangs gerade dies Moment an der Reise des deutschen Gesandten lobend hervor gehoben, um damit, wie sie betonte, allen etwaigen Verdächti gungen des Zwecks der Reise vorzubeugen, aber wenige Tage später, veränderlich, wie der Brasilianer in seinen Stimmungen ist, ließ auch die „Gazeta", welche sonst allen ncrtivistischen Ten denzen abgeneigt ist, den Alarmruf von der „deutschen Gefahr" ertönen, und dies aus keinem anderen Grunde, als weil zufällig New Zorker Zeitungen in Rio eingetrofsen waren, die, so besonders der „New Aork Herald", in Anlehnung an den Londoner „Spectator", lang und breit auseinander setzten, wie der deutsche Kaiser nach der Occupa- tion der brasilianischen Südstaaten Sta. Catharina und Rio Grande doSul trachte, und als Beweis für die deutschen Annexionsgelüste anführten, daß von der deutschen Regierung Karten herausgegeben werden, auf welchen diese Staaten als Theile des reichsdeut schen Colonialbesitzes bezeichnet sind. Secundirt in diesen Verdächtigungen wurde die „Gazeta" von dem „Journal do Commerciö", dem einflußreichsten und meist gelesenen Blatte Brasiliens. Die landessprachliche Presse Sta. Catharinas hat sich bisher den Alarmrufen der Rio Blätter gegenüber still schweigend verhalten, nur der „Estado", das Organ der Oppo sition im Staat, brachte die kurze Notiz über die in den New Aorker Zeitungen ausgesprochenen Verdächtigungen, aber ohne alle redactionelle Bemerkung. Der „Estado" wich in dieser Zu- . rückhaltung von seinem früheren Vorgehen ab; noch im ver gangenen Jahre, als von Buenos Aires her das berüchtigte Bremer Telegramm des Inhalts, daß auf der Landconcession der Hanseatischen Colonisations-Gesellschaft im Staate Sta. Catharina die deutsche Flagge gehißt sei, die Runde durch die brasilianische Presse machte, war das genannte Blatt in allen Tonarten über das hiesige Deutsch thum her gefallen und hatte es landesverrätherischer Tendenzen im Bunde mit der deutschen Rcichsregierung verdächtigt, ja sogar einen Artikel ausgenommen, in welchem ein unreifer Nioer Student sich zu dem kühnen Ausspruch aufschwang, man müsse diese Deutschen wie räudige Hunde aus dem Lande vertreiben. Wer weiß, daß der Brasilianer sich leicht an seinem eigenen Wortschwall berauscht, legt allerdings derartigen Paroxismen nicht viel Gewicht bei; es ist eben „viel Geschrei und wenig Wolle". Wenn die Oppositionspresse des Staates diesmal die Rioer Verdächtigungsartikel gegen das Deutschthum nicht abdruckte und commentirte, so war es sicherlich die Rücksicht auf die deutsche Wählerschaft im Staate; hatte doch bei der letzten Bundes- congreßwahl die „Joinvillenser Zeitung", welche im Allgemeinen der Opposition angehört, ausdrücklich betont, daß die im „Estado" gegen die Deutschen gerichteten gehässigen Angriffe es einer deutschen Zeitung unmöglich machen, für die Candidaten der Opposition als Parteicandidaten einzutreten. Die brasilianische Regierung, sowohl die des Bundes als die des Staates Sta. Catharina, steht den Alarmartikeln der landessprachlichen Presse völlig fern und legt den New Docker Verdächtigungen nicht die geringste Bedeutung bei, wie überhaupt in einsichtsvollen, politischen Kreisen Brasiliens immer mehr erkannt wird, daß der letzte Grund für die nordamerika nischen Warnungen die Befürchtung ist, Deutschland könne den politischen, wie kommerziellen Expansionsgelüsten der Ver einigten Staaten in Südamerika einen Strich durch die Rechnung machen. Allerdings muß man sich in Deutschland hüten, aus dem ur deutschen Namen „Schmidt" des gegenwärtigen Governadors des Staates Sta. Catharina falsche Schlüsse zu ziehen. Herr Felippe Schmidt, Major im brasilianischen Heere, dessen Eltern aus Deutschland hier eingewandert sind, ist Brasilianer reinsten Wassers und nicht einmal mehr der Sprache seiner Väter mächtig. Immerhin hat sich in ihm kein Deutschenhaß ent wickelt; doch verlangt er von den Deutschen, daß sie Sprache und Sitten ihrer alten Heimath ablegen und in das Brasilianerthum aufgehen. Es ist das im Grunde genommen das Verlangen aller Brasilianer; die Erfahrung, daß der Deutsche diesem Verlangen nicht nachkommt und mit ganz verschwindenden Ausnahmen auch in den hier geborenen Generationen Deutscher bleibt, ist die Ur sache des Mißtrauens und einer gewissen Abneigung gegen das deutsche Element, welche nicht selten zum Deutschenhaß bei den Brasilianern führt. Generalkonsul vr. Focke in Capstadt. Nachdem der bisherige deutsche Generalconsul in Capstadt, vr. Focke, in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden ist, wird der folgende Brief eines Mitarbeiters der „Münch. N. N." aus Capstadt vom 12. Mai 1900 von besonderem Interesse sein: „Die officiö'se Mittheilung der „Nordd. Allgem. Ztg.", der deutsche Generalconsul in Capstadt, Herr Or. Focke, habe die in verschiedenen Blättern gegen ihn erhobenen Beschuldigungen als unbegründet bezeichnet, hat in den hiesigen deutschen Kreisen großes Befremden hervorgerusen. Damit ist aber auch dec dringende Wunsch rege geworden, die Angelegenheit möge durch amtliche Untersuchung klargestcllt werden. Das Ergeüniß einer solchen würde für den Herrn Generalconsul ein recht klägliches sein. Denn jene Aeußerung, die der Vertreter des deutschen Reiches sich erlaubt hatte, es sei für die hiesigen Deutschen das Beste, so schnell als möglich im Engländerthum aufzugehen, ist von einer mehr als hinreichenden Anzahl durchaus zuver lässiger und glaubwürdiger Zeugen vernommen worden und hat jenem Herrn auch sofort eine sehr energische Entgegnung eingetragen. Trotzdem aber hat es Dr. Focke in seinem officiellen Berichte ganz ausdrücklich abgestritten, diese oder eine ähnliche Aeußerung jemals gethan zu haben! Was die weitere Erklärung des Herrn vr. Focke betrifft, er sei stets pflicht mäßig bemüht gewesen, darauf hinzuwirken, daß die Deutschen in seinem Amtsbezirk sich ihre Staatsangehörigkeit, Sprache und nationale Gesinnung erhalten, so ist dabei nur das Eine sonderbar, daß von derartigen „pflichtmäßigen Bemühungen" des Herrn Generalconsuls bis zum heutigen Tage noch Niemand von uns auch nur das Allergeringste wahrgenommen hat. Wohl aber hat der Generalconsul der Beweise mehr als genug geliefert, daß es ihm mit jener obigen, trotz aller Ableugnung von ihm dennoch gethanen Aeußerung vollkommener Ernst ist. Nur ein paar Beispiele mögen hiermit erwähnt sein. Daß der Herr Generalconsul vr. Focke in seinen amt lichen Mi tth e i lu ng e n sich der englischen Sprache bedient, hat hier überall Anstoß und Aergerniß erregt. Aber obwohl man solches dem Herrn Generalconsul aufs Deutlichste hat zu verstehen gegeben — so hatte z. B. der Verein „Amicitia" ein an ihn gerichtetes englisches Schriftstück unter scharfem Protest an den Herrn Generalconsul zurück geschickt —, so «wird trotzdem flott weiter in englischer Sprache correspondirt. Noch unlängst hat Herr vr. Focke die Mit theilungen betreffs Verlegung des Konsulats in ein anderes Gebäude an die Deutschen in englischer Sprach« versandt. Doch dies sind immerhin noch Dinge Don nicht gerade ein schneidender Bedeutung. Schlimmer als dies ist schon die Stellungnahme de- Herrn Generalconsuls zu unserer Kirche und Schule. Unsere stattliche deutsche Kirche, unsere große und vorzüglich organisirte deutsche Schule, die der Stolz eines Jeden von uns sind, haben nach Herrn vr. Focke's Ansicht nur «ine „zeit weilige, vorübergehende Aufgabe zu er füllen", wie er sich zu äußern gleichfalls für gut befunden hat, nämlich bis sein Herzenswunsch, die Verenglischung des hiesigen Deutschthums, in Erfüllung gegangen ist. Während unser voriger Generalconsul, Herr v. Schuckmann, ein warmes Herz für unsere Kirche und Schule hatte, über alle Ver hältnisse jener beiden Anstalten stets sich unterrichtet hielt und dm Leitern derselben bei ihrer schweren und ost recht undankbaren Aufgabe mit Rath und That zur Seite stand, scheinen für seinen Herrn Nachfolger jene Anstalten einfach nicht vorhanden zu sein! Die üblichen officiellen Einladungen, die der Herr General consul zu Kaisers Geburtstag hatte ergehen lassen, waren, d. h. nur soweit sie die deutschen Kreise betrafen, derartig ge halten, daß sie die größt« Entrüstung erregt hatten. Viele Deutsche hatten infolge dessen jene Einladungen ignorirt, andere hatten dieselben unter Protest an den Versender zuvückgeschickt. Dies betraf aber, wie gesagt, nur die Deutschen, während die geladenen englischen Gäste sich wahrlich nicht über Mangel an Höflichkeit und Zuvorkommen zu beklagen hatten! Unter den bei Capstadt internirten republikanischen Kriegsgefangenen befinden sich bekanntlich viele Aus länder. Die Lage der Gefangenen ist infolge der höchst i n - humanen Behandlung seitens der englischen Militär behörden eine sehr traurige. Darum bemüht sich Alles, ja sogar englische Kreise, die Leiden jener Unglücklichen nach Kräften zu lindern. Sämmtliche fremdländische Consuln thun, was sie irgend vermögen, um ihren gefangenen Landsleuten beizustehen, nur der Generalconsul des deutschen Reiches bildet hiervon ein« Ausnahme! Daß jene Deutschen, welche im Boerenheer« gekämpft haben, keinen An spruch auf Schutz des deutschen Reiches geltend machen könnm, d. h. soweit die Gesetze solchen gewährleisten, ist ja richtig, aber daß die „Neutralität" sich sogar bis auf die einfachsten Gebote der Nächstenliebe zu erstrecken hat, dürfte wohl lediglich eine Specialansicht unseres Herrn Generalconsuls sein! Daß Herr Or. Focke voller Bewunderung zu dem staats männischen Genie eines Cecil Rhodes emporbkickt, aber voller Verachtung auf Präsident Krsiger und seine Boeren als auf ein „zusa-mmengelaufenes Räuber- und Diebesgesindel" (sie!) herabsieht, ist ja reine Geschmackssache. Ebenso mag es ja seine aufrichtige Ueberzeugung sein, daß die „Zer trümmerung und gänzliche Vernichtung der bei den Boerenftaaten eine Nothwendigkeit ist" (wörtliche Aeußerung «des Herrn Dr. Focke!). Die Frage ist nur, ob ein Mann mit derartigen Anschauungen die geeignete Persönlich keit ist, gerade die Interessen des deutschen Reiches in Süd afrika zu vertreten. Jedermann weiß, daß nächst England keine ander« Macht der Erde so gewaltige coloniale und handels politische Interessen in Südafrika besitzt, als Deutschland, daß aber diesen Interessen durch eine etwaige „Zertrümmerung und gänzliche Vernichtung" der Boerenstaaten die schwersten Ge fahren drohen würden. Darüber besteht auch in unseren Regierungskreisen kein Zweifel, und dementsprechend ist die Haltung des konsularischen Vertreters des deutschen Reiches Hierselbst bestimmt vorgezeichnet. Da aber die Anschauungen des Generalconsuls Dr. Focke in dieser assevwichtigsten Frage sowohl, als auch in allen anderen das Deutschthum betreffenden Richtungen mit den Interessen des deutschen Reiches in keiner Weise übereinstimmen, so wäre die möglichst baldige Ab berufung jenes Herrn in höchstem Grade wünschenswerth." Der Krieg in Südafrika. -<> Unser Londoner Correspondent recapitulirt über die Einnahme Pretorias folgende Einzelheiten: Am Sonnabend Abend befand sich Lord Roberts bei Oranjegrove^zehn oder zwölf Meilen von Johannesburg. Am Montag Morgen stand er 30 km vor Pretoria, so daß er am Sonntag von Oranjegrovc 30 km gemacht haben muß. Am Montag brach die Armee mit Tagesanbruch auf und marschirte in breiter Front vor. Nach drei Stunden stieß sie auf die Boeren, die bei SixmiloSspruit (HennopS-Niver) eine Reihe hintereinander liegender KopjcS besetzt hielten. Die Boeren gingen vor der Avantgarde von den ersten Kopjes zurück auf die dahinterliegende Reihe, auf der sie Artillerie aufgefahren hatten. Hierauf griff daS Eentrum unter Lord Roberts an und die Boeren gingen vor dem schweren Artillerie-Feuer seitwärts auS den KopjeS heraus. Sie ver suchten eine Flankenbewegung nach Westen, hier aber stand Jan Hamilton, der bereits einige Kilometer näher an Pretoria herangekommen war, und hemmte die Bewegung der Boeren westwärts. Inzwischen war die Cavallerie unter French und Hutton nördlich von Pretoria eingetroffen und die Garden näherten sich bereits den südlichen Außensort». Die dritte Cavallerie-Brigade hielt außerdem die Eisenbahn in der Nähe von Jrene-Station. So waren die Boeren von drei Seiten einzeschlossen und nur der Weg nach Osten stand ihnen noch offen. (Direct westlich von Pretoria scheint sich zu der Zeit Broadwood befunden zu haben.) Die Dunkelheit machte den Operationen am Montag eia Ende, eS scheint aber, als ob zu der Zeit bereits die Boeren entschlossen waren, der Cernirunas-Armee nicht weiter zu begezneu, denn noch in derselben Nacht sandte, wie gemeldet, Eommandant Botha zu Roberts und ersuchte um einen Waffenstillstand, nachdem Roberts durch einen Parlamentär zur Uebergabe der Stadt aufgesordert hatte. Robert» er widerte, daß die Uebergabe sofort und bedingungslos zu er folgen habe, oder die Feindseligkeiten würben bei Tagesanbruch wieder ausgenommen werden. Darauf machte Botha in seinem zweiten Briefe die Mittbeilnng, daß er sich entschlossen habe, Pretoria nicht zu vertheidigen und eS wurde beschlossen, daß die englischen Truppen um zwei Uhr in der Hauptstadt ein ziehen sollten. Dies ist geschehen. Von neueren Meldungen ist nur die Folgende zu ver zeichnen: * Lourcnyo MarqneS, 7. Juni. (Telegramm.) ES verlautet, die Boeren wollten in Hatherley, 12 Meilen von Pretoria, an der Bahnlinie nach der Telagoa-Bai Stand halten, um Zeit zu gewinnen. Die Boeren brächten die englischen Gesang e»en nach Novit» gedacht im Elandsthale, daS sehr ungesund ist. 1000 Befangen« seien bereit» angelangt und würden von 250 Boereu bi- wacht. (Reutermeldung.) Wie weit die Nachricht zutreffend ist, entzieht sich noch jeder Beurtheiluna. Das ElandSthal liegt zwischen Macbadedorp und Lydenburg. Ralal. DaS Bureau Laffan berichtet aus Pretoria vom Sonn abend: Auf Buller'S Ersuchen wurde ein dreitägiger Waffen stillstand beschlossen. Der Eommandant Christian Botha und Buller trafen sich bei LaingS Nek und hatten eine Unterredung. Utrecht ist wieder von Engländern geräumt, die sich auf ihr Gros bei Mount Prospekt zurückziehen. DaS „Bureau Reuter" telegraphirte gestern au» New castle: Historische Erinnerungen binden die Boeren an Laings Nek. Sie haben sich noch nicht völlig entschließen können, es auszugeben. Für sieben Kanonen sind Verschanzungen aufgeworfen. Es ist aber unmöglich, zu sagen, wie viele Kanonen die Boeren haben. Tie Sorglosigkeit, mit der die englischen Officiere sich in Feindesland bewegen, ist wirklich verblüffend. Heute liegt eine Anzahl Meldungen über die Art, in der englische Truppen und Patrouillen von den Boeren einfach aufgehoben, oder doch vollständig über rumpelt werden, vor. So wird aus DouglaS unter dem 3l. Mai über das Engagement Warren'S (über da» wir schon berichteten) folgendes Nähere telegraphirt: Am Dienstag kam General Warren mit seiner Colonne nach Fabrrspruit, ungefähr 19 km von DouglaS. In der mondscheinlosen Nacht kamen die Boeren an da» englische Lager bis direct an die Vorpostenlinie; gleichzeitig schlich sich eine größere Abtheilung, die sich der Schuhe entledigt hatte, zwischen den Wachen bindurch in einen Farmgarten, der nur eine ganz kurze Strecke von der Hauplwache der Imperial Jeomanry entfernt war. Eine andere Abtheilung rückte auf freiem Felde geradenwegs auf daS kleine FarmbauS zu, in dem General Warren mit dem Duke of Edinbourg-Volunteer» Quartier bezogen hatte. Etwa eine halbe Stunde vor Tagesanbruch eröffneten die Boeren von allen Seiten aus die verschiedenen Theile des F-uillstsir. — » — 4» o — Die Erbtante. Novellette von LarS Vilmar. Aus dem Norwegischen von E. Vilmar. Nachdruck verboten. Van Twist war todt, doch seine Wittwe lebte noch. Van Twist war nun ein Engel. So hatte wenigstens der Pfarrer in der Leichenrede gesagt; daher mußte es wohl wahr sein. Aber seine Mttwe war durchaus kein Engel; die Frau des Hauswirthes behauptete sogar just das Gegentheil, aber daS wollen wir dahingestellt sein lassen. Es kommt ja häufiger vor, daß Frauen einander Böses nachsagen, zumal, wenn sie Freun dinnen sind. Van Twist hatte in der Hauptstadt ein Colonialwaaren- geschäft en grog betrieben und aus Nächstenliebe wohl auch kleine Geldsummen gegen 50 Procent ausgeliehen. Nach seinem Tode führte seine Frau daS Geschäft noch einig« Zeit fort und verkaufte es dann plötzlich. In einem kleinen Städtchen, nicht weit von der Hauptstadt, wohnte eine Schwester der Wittwe van Twist, die dort mit dem Procurator Bergmann verheirathet war. Seltsamer Weise er innerte sie sich dieser Schwester gerade zu einer Zeit, als in der Hauptstadt eine Epidemie ausgebrochen war. Bi» dahin schien sie Frau Bergmann'» Adresse total vergessen zu haben, denn zwei Briefe, worin diese sie um ein kleines Darlehen gebeten, waren unbeantwortet geblieben. Procurator Bergmann hatte eine große Familie und ein kleine» Einkommen, da» vollständig im Haushalt draufging. Seine Frau war eine jener wirthschaftlichen Frauen, die ihren Mann dadurch ruiniren, daß sie zu viel Zeit in der Küche ver bringen, und das ist oft ebenso schlimm, als wenn der Mann zu viel ins Wirthshaus geht. Man sah Frau Bergmann fast nie mals anders, al» in einer Wolke von Küchendampf. Im Uebrigen war sie eine sehr gutherzige Frau, die keinen Armen hungrig von ihrer Schwelle wie». An einem dunklen Herbstabend stürmte der Procurator plötz lich mit den Worten in die Küche: „Deine Schwester Thea ist in der Stadt, wir werden sie wohl gleich hier haben." Seine Frau schlug verzweifelt die Hände zusammen. „All mächtiger!" jammerte sie. „Uns Unglücksmenschen trifft doch nichts als Verdruß und Mißgeschick!" Eine Viertelstunde später zog Frau van Twist die Glocke an der Bergmann'schen Wohnung und stand auf einmal in der Küche, ohne daß ihre Schwester ihr Kommen bemerkt hatte. Sie hatte bereits Hut und Mantel abgelegt. Ein altes schwarze- Seiden kleid umhüllte ihre hagere, eckige Gestalt. Ihr Gesicht zeigte scharfe Züge, die kleinen, dunklen Augen lagen tief im Kopfe, und da» graue Haar war mit Pomade am Schädel festgrklebt. „Himmel, Thea, wie kommst Du her?" rief Frau Berg mann betroffen. „Ich habe da» Leben in der Großstadt satt und kann nun, meines Erachten», nicht» Bessere» thun, al» den Rest meiner Tage still und ruhig in Eurer Mitte zu beschließen." Frau Bergmann erschrak sichtlich. „Wir — aber wir haben so wenig Raum." „DaS thut nicht». Du weißt, ich bin nicht anspruchsvoll. Wenn Du im großen Vorderzimmer ein Bott aufstellen läßt, will ich mich mit diesem einen Zimmer behelfen." „In meiner guten Stube? Aber wenn dann einmal Besuch kommt?" „Besuch? Menschen in Euren Verhältnissen erhalten doch keine Besuche? Ich habe zwar Geld genug, um mir Gäste leisten zu können, habe mich aber niemals darauf eingelassen." „Kinder, kommt einmal her und sagt Tante Thea guten Tag!" „Sind daS Alles Deine Kinder? Dann ist's allerdings kein Wunder, daß Schmalhans hier Küchenmeister ist. Meine Mittel hätten mir zwar gestattet, Kinder zu haben, doch glücklicher Weise bin ich damit verschont geblieben." „Dies hier ist meine älteste Tochter Andrea. Es ist ein gutes Mädel, das weder Musik noch schöne Künste oder sonstigen Firlefanz gelernt hat, sondern von mir zu einer tüchtigen Haus frau erzogen wird." „Das freut mich zu hören", versetzte die Tante. „Nun sorge nur dafür, daß ich stets zufriedn mit ihr sein kann. Ich besitze noch ein nettes Sümmchen, und Ihr seid meine nächsten Erben." Frau Bergmann's Gesicht klärte sich merklich auf. „Nun wir so unerwartet einen willkommenen Gast bekommen haben, muß ich noch schnell einen kleinen Rumpudding machen", sagte sie. Als sehr angenehmer Gast erwies Tante Thea sich in der Folge gerade nicht. Die arme Andrea, die allgemein für ihre glückliche Erbin galt, betrachtete sie gewissermaßen al» ihre Sclavin und nahm sie so vollständig für sich in Anspruch, daß Frau Bergmann nicht mehr daran denken konnte, ihren ältesten Liebling in die Geheimnisse der Kochkunst einzuweihen. Die Tante war gegen Jedermann, namentlich aber gegen ihre Schwester, äußerst mißtrauisch, und kaum ein Tag verging, ohne daß Frau Bergmann beschuldigt wurde, ihr Handschuhe, Nähmaterial oder andere Kleinigkeiten fortgenommen zu haben, die sich hinterher stet» in Frau van Twist'» Koffern und Kisten wiederfanden. Sie ging niemals aus und empfing selten Besuch. Da» schöne Vorderzimmer, auf welches Frau Bergmann immer so stolz ge wesen, hatte sie in «ine Rumpelkammer voll alter Koffer und Kisten verwandelt. Es war indeß augenfällig, daß alle Leute im Städtchen äußerst zuvorkommend gegen die Familie Bergmann geworden waren, seit die Tante in ihr Haus gekommen. Sowohl Bäcker als Schlächter gewährten mehr Kredit, der Krämer erbot sich freiwillig, die Maaren anzuschreiben, und verschiedene Freund« des Procurator» machten ihm au» freien Stücken das Anerbieten, ihm auf unbestimmte Zeit Geld zu leihen. Und Andrea, „das reiche Fräulein Bergmann, die Erbin der Frau van Twist", wie sie allgemein hieß, sie, die früher keine Beachtung gefunden, hatte jetzt eine ganze Reihe von An betern. Doch je mehr Freier auftauchten, desto mehr hatten die Damen — namentlich die Mütter heirath»fähiger Töchter — an ihr ausznschen. Ahnungslos, daß sie der Gegenstand so vielfachen Interesses war, saß Andrea bei ihrer Tante und hörte geduldig die Straf predigten an, womit diese sie reichlich bedachte. Ueber ihre Arbeit geneigt, suchte das liebe Kind Trost in der Welt ihrer Träume. Sie liebte. Aber ihre Liebe war hoffnungslos. Ihr Aul- erkorener, der ihrem Hause gegenüber wohnte, hieß Oskar Ruling und war Commissionär in Colonialwaaren. Herr Ruling war ein sehr hübscher junger Mann mit schwarzem Lockenkopf, der von sämmtlichen jungen Damen de» Städtchens angebetet wurde. Vor einigen Wochen hatte man im Hause de» Cantonrichters „Axel und Waldburg" aufgeführt. Der mit farbigem Tuch und Tannengrün prächtig decorirte Saal stellte die Domkirchr von Drontheim vor. Die Tochter de» Cantonrichters war als Wald burg im Nationalcostüm ausgetreten, während Ruling den Axel
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