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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.06.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000608028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900060802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900060802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-06
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Aber, wie vorausgesehen, schon die gestrige Debatte drehte sich ausschließlich um diese beiden Gesetze, die in der Hauptsache bekanntlich die Erhöhung der Börsen umsatzsteuer und des Lotteriestcmpels, einen Emissions stempel, die Besteuerung der Kuxe und der ConnvffementS, ferner die Erhöhung des Eingangszolles auf Champagner, Branntwein und Bier bezwecken. ES war eine Gcneral- discussion dieser Deckungsgesetze und wenn, was allerdings nicht erzwungen werden kann, heute sofort oder alsbald in die SpecialdiScussion eingctreten wird, so bedeuten die gestrigen Verhandlungen keinen Zeitverlust. Jedenfalls haben sie er geben, daß die auch an dieser Stelle erwähnte Besorgniß, die Mehrheitsparteien könnten unter sich noch über die Einzelheiten der Commissionssteuergesetze in ernsten Conflict gcrathen, nickt begründet ist. Aenderungen bat der Ab geordnete Gröber vom Ccnlrum allerdings die Thore ge öffnet durch die ältere, schroffere Erklärungen mildernde Versicherung, das Centrum verlange nickt, haß die Steuer vorlagen ganz so, wie sie sind, angenommen werden. Seine Partei würde nur, wenn „im Wesentlichen" unter die Com- mijsionsbeschlüsse herabgegangen würde, bei der dritten Lesung die Conseguenzen ziehen. Allgemein nimmt man an, Herr Gröber habe mit dieser Erklärung die Erhöhung des Bierzeltes, den Centrumsmilglieder — warum, weiß man nicht recht — schon in der Commission bekämpft, preisgeben wollen. Was die ausschlaggebende Partei etwa sonst noch als „unwesentlich" ansieht, wird man heute erfahren. Jedenfalls nicht die erhöhte Börsenumsatzsteuer und der Emissionsstempel, auf deren unveränderte Annahme auch die extremen Agrarier bestehen. Der Abg. v. Siemens von der freisinnigen Ber einigung hat diese Steuern in einer langen Rede nachdrück lich angegriffen, aber vorauSgcschickt, er erwarte nicht, mit seinen Darlegungen die Beschlüsse zu beeinflussen. Hierin dürfte der Mann Recht behalten, und die Abag. Richter und Bebel, die in gröberem Tone sich die Gründe des ruhig und vornehm redenden Bankdirectors »»eigneten, konnten bestehende Absichten natürlich noch weniger erschüttern. Ein Zufall wollte, daß, während der Reickstag die Börsensteuer verhandelt, an der Berliner Börse die Course, namentlich der Montan papiere, sehr bedeutend zurückwichen. Ganz ohne Zweifel ein Zufall, denn der Preissturz kam auch an ausländischen großen Csfectenmärktcn zum Durchbruch. Dahingestellt darf aber bleiben, ob der sensationellen Sprache, in der mehrere Berliner Blätter über diesen Börsenlag berichteten, die Absicht derStimmnngSmackerei gegen die Börscnsteuer vollkommen fern lag. Man las AuSvrücke, wie „ein Tag des Schreckens". Ucber- trieben haben ohne Frage die Gegner der Stempclerhöhung im Reichstage, wenn auch nickt verkannt werden darf, daß der Abg. v. Siemens die ohnehin unter Besonnenen herr schende Ansicht bestärkt, daß diese Erhöhung für lange Zeit die letzte sein muß, wenn das deutsche Geldgeschäft nicht erheblich zu Gunsten des ausländischen geschädigt werden soll. Börsenfeindlichkeit kam gestern nur bei dem „für seine Person" redenden Grafen Kanitz zum Vorschein unv zwar in gelindem Grade. Der nationalliberale Abg. Paasche be- F-Willeton. Aus dem Lebe» einer Russm. 4s Von Eh. v. Fabrice. Nachdruck verbot«». Zum ersten Male in der Geschichte Polens betheiligte sich auch das Bürgerthum an der Erhebung, und gerade die todesmuthigen Söhne des Bürgerstandes waren es, die mit der größten Be geisterung und Erbitterung in den Kampf gegen den russischen Riesen zogen, die am heftigsten die Befreiung des Vaterlandes aus den schimpflichen Banden der Knechtschaft forderten. Die große Masse der Bauernschaft jedoch rechtfertigte auch jetzt nicht die von den polnischen Anführern auf sie gesetzten Hoffnungen. Der Bauer war zufrieden, wenn er persönlich frei war und sein politischer Horizont reichte nicht bis zur Freiheit der Nation. Im wohlverstandenen eigenen Interesse hatte Rußland stets die bäuerliche Bevölkerung gegen ihre polnischen Herren unterstützt und mit allen Mitteln auf die Erweiterung der Kluft zwischen derselben und den höheren Clafsen hingewirkt. Die Bauernschaft war sich bewußt, daß sie Alles, was sie an persön licher Freiheit und Wohlstand besaß, von der Hand des Zaren empfangen hatte, und war deshalb wenig geneigt, an die Stelle der strengen, aber geordneten russischen Verwaltung wieder die des polnischen Adels treten zu lassen, unter der ihre Väter so viel Unbill erduldet hatten. In den südöstlichen Provinzen Lithauens, in der Ukraine, Wolhynien und Podolien, standen die hier in der Mehrzahl auch durch ihre griechisch-katholische Reli gion mit Rußland eng vereinten Bauern sogar mit den Waffen gegen ihre polnischen Gutsherren auf und schlugen selbstständig und allein die aufständische Bewegung nieder. Anfang Februar erhielt der Staatsrath Kranskoy den amt lichen Auftrag, diese Provinzen zu bereisen und dort die nöthigen Anordnungen zur Wiederherstellung geordneter Zustände, soweit es eben die Verhältnisse gestatten würden, zu treffen. Während der Abwesenheit ihre» Gemahls zog sich Anna Feodorowna, von ängstlicher Sorge um denselben erfüllt, noch mehr al» bisher von allem gesellschaftlichen Verkehre zurück. Der auch über Warschau verhängte Belagerungszustand be« drückte die Bevölkerung der Hauptstadt auf das Schwerste. Auf allen größeren Plätzen der Stadt lagerten russische Truppen- theile, und sobald der Abend herannaht«, hörte fast aller Ver kehr in den Straßen auf. Flüsternd nur wagt« man sich von kündete vielmehr ausdrücklich, daß keiner seiner Freunde die Beveutung der Börse verkenne oder gar daran denke, sie lahmzulegen. Seine Ausführungen waren vom Standpunkte der Reichsfinanzen wie von dem des Verkehrs derartige, daß sie ruhig angehört wurden. Wenn Herrn Bebel's Plaidoyer nicht das Gleiche widerfuhr und er sogar der Socialdemokratie die Bezeichnung „Schutztruppe der Börse" zuzog, so lag dies an dem Mangel aller Objektivität bei diesem Redner und an den wirthschaftlichen Grund anschauungen seiner Partei, mit denen allerdings die praktische Stellungnahme der Socialdemokratie in dieser Frage unver söhnlich ist. Daffelbe gilt von den Anfeindungen der vor geschlagenen Zollerhöhungen, die durchweg demokratisch sind, in dem sie nur die stärkeren Schultern belasten. Der Abg. Paasche beleuchtete dann die Abneigung der Führer der „Arbeiterpartei" gegen Luxussteuern auf eine diesen Herren offenbar un behagliche Weise. Der nationalliberale Abgeordnete fügte hinzu: „Meine politischen Freunde, die die Flottenvermehrung im nationalen Interesse für durchaus nothwendig erachten, hätten auch ohne eine Deckungsvorlage sür die Verstärkung gestimmt. Wir haben unS aber der Mehrheit gefügt und in der Commission gerne mitgearbeitet zu dem Zwecke, die Mehr belastung der leistungsfähigen BevölkerungStheile zu sichern"'. Der hier gekennzeichnete Standpunct ist der jenige, auf dem die nationalliberale Partei im ganzen Reiche ihre Vertreter im Parlamente mit Genugthuung hat stehen sehen. Er allein ermöglicht die Flottenvermehrung und er ist der gerechte, auch der Börse gegenüber. Wenn die Börse ist, was sie zu sein sich rühmt, nämlich daS Herz des gejammten nationalen WirthschaftSverkehrS, so kann es nicht ausbleiben, daß die Vortheile, die nach der eigenen Anerkennung ihrer berufensten Wortführer der deutschen Industrie und dem deutschen Handel auS einer Besserung der maritimen Machtstellung erwachsen werden, ihr, der Börse, in hervorragendem Maße zu Gute kommen. Die freisinnigen Vorschläge, die das Ziel der Ge rechtigkeit durch directe Rcichssteuern erreichen wollten, waren und sind bei den bundespolitischen und bundesrechtlichen Verhältnissen im Reiche nicht ernst zu nehmen; wir können heute schon auS steuertechnischen Gründen keine directe Reichs steuer einführen, ohne die Steuerzahler der Einzelstaaten „differentiell" zu behandeln. Der Erhöhung des Lotterie stempels hat übrigens selbst der Abgeordnete Richter zugestimmt. Der Annahme des Flottengesetzes folgte gestern diejenige dreier Resolutionen, deren eine dieUebernahme dervollen Schiffs- armirungkosten auf den außerordentlichen Etat (statt bisber zwei Drittel), ferner die Verwendung etwaiger Ucberschüsse aus dem Stempelgesetze zur Vermindung der Reicksjchuld wünscht. Die zweite Willenskundgebung betrifft die Be steuerung des Saccharins, die dritte den Zuzug ausländischer Arbeiter zur Milderung der Leutenoth »n der Landwirlb- schaft. Der letztgenannten Resolution als einer national nicht unbedenklichen, verweigerten, sich ihre endgiltige Stellung nahme vorbehaltend, die Nationalliberalen vorläufig ihre Zustimmung. Während der Reichstag gestern flott auf hoher See segelte, zeigte sich im prruhischen Abgeordnetenhaus«, daß die leidigen Binnenwasserfragen der deutschen Vormacht stocken. AuS Anlaß der Interpellation über die Verschleppung der Angelegenheit des Großschifffahrtsweges Berlin- Stettin kam zum Vorschein, daß die Regierung auf dem Standpuncte „Alles oder nichts" beharrt und daß Vie Mehr heit zu dieser Politik nach wie vor nicht bekehrt den Vorfällen des Tages innerhalb der Hauptstadt und von den Fortschritten der Jnsurrection außerhalb derselben, zu erzählen, denn die allgemeine Furcht vor Polizeispionen hatte die engsten Bande der Freundschaft und selbst der Familie zerrissen. Die Gefängnisse und die Citadelle waren mit Gefangenen überfüllt und Denunciationen, Haussuchungen, Einkerkerungen und stand rechtliche Erschießungen, wie maflenhafte-Deportationen politisch Verdächtiger, lasteten wie ein Alp aus der ganzen Einwohner schaft. Nichtsdestoweniger arbeiteten die geheimen Comitös unter den Augen der russischen Behörden fort und unterhielten mit unglaublichster Kühnheit ihre Verbindung mit den unt:r den Waffen stehenden Insurgenten und der Centralleitung des Auf standes, da sie Anhänger in allen Schichten der Bevölkerung hatten und thatsächlich die ganze Stadt im Geheimen be berrschten. Große Waffentransporte wurden so über die Grenzen und durch die Linien der russischen Truppen selbst ge schmuggelt. Unerschrockene junge Männer und schöne, mit allen Mitteln der Berführungskunst ausgestattete Frauen, drangen bis in die Stadt, verbreiteten die Flugblätter und Proclamationen der in unauffindbaren Kellereien gedruckten geheimen Presse und scheuten selbst vor den tollkühnsten Wagnissen nicht zurück, um die Unentschlossenen zur That, die Entschlossenen zur Begeisterung hinzureiben. Anna Feodorowna, deren sorgende Gedanken sich einzig mit dem abwesenden Gatten beschäftigten, hörte und sah fast nichts von alledem. So waren die letzten Tage des Monats März herangekommen, und seit Wochen hatte sie keine Nachrichten von Herrn von KranSkoy, der nun bald zurückkehren sollte, erhalten, da der Postvrrkehr durch die die Straße beherrschenden Jnsur- gcntenschaaren erschwert, ja häufig ganz unterbrochen wurde. Nur selten verließ Anna Feodorowna daS Hau», um in einer in der Näh« gelegenen russischen Kirch« dem Gottesdienste bei zuwohnen. Stundenlang kniete sie hier am Fuße der Ikonostase, der Bilderwand, welcht mit den in kostbarem Mosaik aus geführten Bildern der Heiligen geschmückt ist, und da» Aller heiligste in den griechisch-orthodoxen Kirchen von dem Kirchen schiff und der Gemeinde trennt. Während der Sängerchor die Litanei sang, mit dem immer wiederkehrenden: tZoopocki pomilui — „Herr, erbarme dich!" —, flehte sie mit schmerzlicher Inbrunst, daß die göttliche Barmherzigkeit sich auch ihrer Noth erbarmen und ihrem Hause Glück und Frieden wieder verleihen möge. Von einem solchen Kirchgang soeben zurllckgekehrt, wurde sie eine» Tage» durch.die Meldung ihrer über derartigen Besuch ist. Der Großschifffahrtsweg und die anderen drmglichen Wasservorlagen werben nach einer vom Minister v. Thielen abgegebenen Erklärung nicht ü la varte, sondern als „Couvert" (piöcw cko rvsistance: Mittellandcanal) servirt werden, diese Generalcanalvorlage soll aber erst in der nächsten, zu diesem Zwecke möglichst früh zeitig anzusetzenden Session dem Landtage zugehen. Mit dieser Erklärung war so ziemlich Alles unzufrieden: die Mittellandleute, weil sie befürchten, daß die Verzögerung um ein ganzes Jahr, die nunmehr amtlich proclamirt ist, weitere Verschleppung nach sich ziehen wird, die Interessenten der Großschifffahrtswege, der Ober und der Spree, weil sie besorgen, das Schwergewicht des Mittellandcanals werde die ihnen am Herzen liegenden Projecte mit sich in die Tiefe ziehen. Für den Schifffahrtsweg Berlin-Stettin erklärten sich sämmtliche Redner mit Ausnahme des Herrn Or.Hahn, aber alle empfanden, baß ihre Empfehlung plato nisch sei, solange die Regierung an ihrem finanziell und technisch ungeheueren Canalganzen festhält. Herr v. Thielen wurde nicht gerade glimpflich behandelt. Ein Mittel landcanalfreund meinte, er, der die Canalpolitik der Regie rung unterstützt, könne der Negierung nur rathen, die ein zelnen Projecte etwas geschickter zu vertreten. Das-War grausam gesprochen, denn die Minister sind in dieser Sache, was sie heute in Preußen überhaupt sind, nämlich nicht sui zuris. Folgende auffallende Zuschrift wird von der „Tägl. Rundsch." veröffentlicht: Am 26. März d. I. fuhr die „Marie Woermann" fahrplanmäßig mit Gütern und Passagieren für Deutsch - Lüdlvcstafrtka bestimmt aus Hamburg ab. Ich lasse hier einen >Theil eines Briefes folgen, der sich auf diese Reise unv deren Erlebnisse bezieht. Der Brief unserer Expedition fängt am 29. Aptil in Swakopmund an, schildert die Aus schiffung eines Theiles der Passagiere dort, die hochbeglückt dort abgeholt werden. Fröhlich erzählt der Brief am 2. Mai weiter von dem Landen an der Walfischbai, aber, o weh! nun kommen statt der in Swakopmund ausgeschifften deutschen Soldaten englische Truppen an Bord. 80 Mann unv 2 Officiere. Dann heißt es unterm Datum des 3. Mai: „Wie soll ich weiter schreiben? — Zwei Stunden trennen uns noch von Lüderitz- bucht, wo wir erwartet werden. Wir sehen genau den Küsten strich, und — wir müssen vorbeifahren, Wir müssen nach Cap stadt. Wir können es kaum glauben: Was ist denn geschehen? fragen wir und erhalten die unbefriedigende Antwort: Es ist besser. Sie wissen es nicht genau. Aber wir merken es doch, der kleine deutsche Kriegskreuzer „Wolfs" hat erfahren, daß die „Marie Woermann" englische Truppen an Bord hat und hat sich in den Hasen von Lüderihbucht gelegt. Nun darf der Capitän nicht landen und muß zuerst nach Capstadt, um seine militärischen englischen Passagiere zu landen. Es ist dies jeden falls sine große Unvorsichtigkeit von Seiten des deutschen Capitäns Schave. Er hatte Mar von Swakopmund aus nach Deutschland telegraphirt, ob er die englischen Truppen auf nehmen dürfte, und hatte bejahende Antwort erhalten, aber die Sache wird nun doch ernster aufgefaßt u. s. w. „Wir werden gebeten, fügt die „T. R." hinzu, die Zuschrift zu veröffent lichen, und thun es gern, da es sehr wllnschenswerth ist, festzu stellen, ob wirklich von der deutschen Dampferlinie ein solcher Neutralitätsbruch begangen worden ist. Unser Ein sender berichtet uns noch, «daß die Schreiberin deS Brieses, die wider Willen erst nach Capstadt fahren mußte, weil die deutsche Dampserkinie die Verpflichtungen gegen die englischen Truppen denen gegen ihre deutschen Passagiere voranstellte, in Liiderih- heftig erschreckten Kammerfrau überrascht, daß ein von Wacht- kosacken umgebener verschlossener Wagen am Hause vorgefahren sei und daß ein höherer Polizeibeamter sie um die Gewährung einer Unterredung bitten lasse. Lächelnd beruhigte Anna Feodo rowna die ängstliche Dienerin und befahl, den Besuch sofort ein treten zu lassen. Mit höflicher Verbeugung stellte sich der Be amte als geheimer Commissar der politischen Polizei vor. „Ich bitte dringendst um Verzeihung, gnädigste Frau, Sie mit einer polizeilichen Angelegenheit zu belästigen. Nur allein der Gedanke, hierdurch vielleicht einen Freund Ihres Herrn Gemahls vor den Unannehmlichkeiten einer in der jetzigen bewegten Zeit immerhin recht peinlichen und selbst bedenklichen Verhaftung durch die politische Polizei, und damit unser Ressort selbst, vor einem bedauerlichen Mißgriff zu bewahren, vermag meinen Besuch M Ihrem Hause zu rechtfertigen." Er erzählte dann, daß vor einigen Tagen in einem der ersten Warschauer Hotels ein Fremder abgestiegen sei, der sich als Charles Lacoste, Bergingenieur aus Paris, in das Fremdenbuch eingetragen und auch dem Wirthe einen regelrechten, auf diesen Namen lautenden Reisepaß zur Hinterlegung auf dem Polizei bureau übergeben habe, so daß eigentlich Niemand ein Arg gegen ihn hegen konnte. „Da ist uns nun plötzlich", fuhr der Commissar fort, „eine Anzeige zugegangen, die den Fremden als einen der gefährlichsten Emissäre der sogenannten polnischen „provisorischen Regierung" bezeichnet. Trotzdem eine zweitägige genaue Ueberwachung nichts Belastendes gegen ihn ergeben hat, wurde ich beauftragt, die Identität des Fremden in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise festzustellen oder ihn dennoch zu verhaften, da die Anzeige uns von einer mit den polnischen Machenschaften sehr gut unter richteten Persönlichkeit zugegangen ist. Der sich Lacoste nennende Herr behauptet, von französischen Kapitalisten mit einer Unter suchung der Kohlenlager in der Gegend von Dombrowa beauf tragt zu sein, und daß ihn nur die Unsicherheit, die jetzt in diesen Landestheilen herrscht, an der Fortsetzung feinet Reise verhindert habe und fürs Erste in Warschau zurückhalte. Da bei der politischen Zeitlage eine derartige Geschäftsreise Be fremden erwecken muß, auch die geheimen Emissäre vorzugsweise mit französischen oder englischen Reisepässen versehen sich hier einfinden, würde ich den Fremden dennoch verhaftet haben, wenn er, als er bemerkte, daß er abgeführt werden sollte, sich nicht ganz unerwartet auf den Staatsrath von Kranskoy berufen hätte, mit dem ihn eine innige Freundschaft verbände. Er gab mir dann so zahlreiche Einzelheiten über seinen ständigen Ver kehr in Ihrem Hause in Pari», gnädige Frau, daß ich in Hin bucht von ihrem Sohne erwartet wurde und daß Letzterer durch das unerhörte Verhalten der Dampferlinie pecuniär nicht un erheblich geschädigt sei. Hoffentlich gelingt es, wenn das nach weisbar ist, Vie Gesellschaft für diesen Schaden haftbar zu machen." — Da der Capitän offenbar an die Woermann'sche Rhederei um Erlaubniß telegraphirt hat, darf man annehmen, daß diese nicht verabsäumen wirb, das sonderbare Vorkommniß klar zu stellen. Die neueren Nachrichten aus Samoa lauten gut; allgemeine Ruhe ist eingetreten, man fängt an, sich an die neue Ordnung zu gewöhnen. Das Gouvernement ist dabei, im Lande eine ein heimische Verwaltung einzurichten. Fußend auf eine uralte Eintheilung, soll sowohl Upolu, als Sawaii in je drei Bezirke eingetheilt werden; auf Upolu heißen diese: Aana, Tuamasaga und Atua. In jedem dieser Bezirke wird ein eingeborener Gouverneur und ein Richter eingesetzt. Die betreffenden Stämme nennen dem Gouverneur ihre Vertrauensmänner und dieser trifft die Auswahl. Diese einheimischen Beamten werden die ganze Verwaltung erleichtern und die Unzufriedenheit, wie Streitigkeiten hintanhalten. Das Gewohnheitsrecht der Samo aner bleibt dabei unangetastet und die Autorität ihrer angesehenen Landsleute bleibt weiter bestehen, das Rechtsgefühl und die Em pfindlichkeit der leicht erregbaren Samoaner wird nicht verletzt. Bei vielen Vergehen würde der europäische Richter Gefängniß- strafe zuerkennen; dagegen würde der samoanische Richter oft nur eine Buße, z. B. in mehreren Schweinen, aussprechen. Das entspricht den hergebrachten Anschauungen der Bevölkerung. Daneben hat die Verwaltung durch die Eingeborenen selbst den Vorzug größter Billigkeit. Selbstverständlich urtheilen die samoanischen Richter nur über Streitigkeiten unter Eingeborenen. Sobald ein Weißer dabei bctheiligt ist, kommt die Sache vor den deutschen Richter. In allen Fällen kann an den Gouverneur appellirt werden. Die Herstellung einer Verwaltung auf Grund der alten samoanischen Gauverbände hat auch den Vortheil, daß die Samoaner von großen politischen Fragen abgelenkt und mit ihren eigenen inneren Angelegenheiten beschäftigt werden. Daran läßt sich die Erwartung knüpfen, daß sich der alte Stammesgegensatz verwischen und eine allgemeine Ver söhnung Platz greifen wird. Der Krieg in Südafrika. Das «efccht bei ElandSfontetn (am 2. Znnt). Elandsfontein ist eine Vorstadt von Johannesburg; ihre kleinen Wellblechhäuser sind fast ausschließlich von den in den Minen beschäftigten Leuten bewohnt, und der freundliche Flecken liegt in einem Thalc unterhalb Elsburgs. Dahinter befinden sich große Haufen weißgebleichter Rückstände aus den Minen. Diese Haufen gaben eine vorzügliche Deckung, und von ihnen aus be herrschten die Boeren den Bahnhof vollständig. Hier tobte der Kampf um die Stadt am ärgsten, als eine Abtheilung von vierzig Victoria Mounted Rifles das Gebäude stürmten. Leutnant Walker hatte vorsichtiger Weise die Schwellen der Linie ausheben lassen, um die Boeren am Rückzüge mit der Bahn zu hindern. Dadurch wurde einer Ab-theilung von 600 Boeren der Rückzug abgeschnitten, die von ihrem Zuge aus ein heftiges Feuer er öffneten. Dann verließen sie die Wagen und erstürmten die Erd haufen. Nun folgte eine furchtbare halbe Stunde; unter unauf hörlichem Feuern nach allen Richtungen zog sich der Kampf nach der Stadt zu. Die aufschlagenden Geschosse wirbelten kleine Staubwolken in den Straßen auf; Frauen und Kinder liefen er ¬ ficht auf die hochangesebene Stellung Ihres Herrn Gemahls nicht umhin konnte, den Verdächtigen hierher zu begleiten. Falls seine Angaben auf Wahrheit beruhen und er Ihnen bekannt ist, würde ja dies völlig genügen, um sofort jeden Verdacht gegen ihn zu zerstreuen." Nachdenklich blickte Anna Feodorowna vor sich hin. Der Name Charles Lacoste war ihr völlig unbekannt. Freilich hatte man ihr in Pariser Gesellschaften so viele Personen vorgestellt, daß deren Namen zum großen Theil ihr bereits längst wieder aus dem Gedächtniß entschwunden waren. Keinesfalls wollte sie dafür einen Unglücklichen, der sich auf ihren Gatten berufen hatte, in einer gefährlichen Lage ihre Hilfe verweigern, ohne ihn wenigstens zuvor zu sehen. Sie erklärte dem Beamten offen die Sachlage, fügte jedoch hinzu, daß die Angaben des Fremden dennoch leicht auf Wahrheit beruhen könnten, wenn er nur zu größeren Gesellschaften in ihrem Hause erschienen sei und etwa nur außerhalb desselben, vor Allem im Club, mit ihrem Gemahl viel verkehrt habe. Der Commissar entsprach ihrem Wunsche, den Verdächtigen sprechen zu dürfen, sofort, indem er, nach der Thür sich wendend, seinen im Nebenraum wartenden Begleitern einen Wink gab. Wenige Augenblicke später betrat ein elegant gekleideter Herr inBe- gleitung eines Polizisten in Civil den Salon. Anna stand an das Kamin gelehnt und blickte ihm ruhig entgegen. Plötzlich aber fuhr sie zusammen und hatte kaum noch die Gewalt über sich, da» Taschentuch an den Mund zu führen, um einen AuSruf zu unterdrücken und ihr Erschrecken zu verheimlichen. Obgleich Haar und Bart gefärbt und ander» geschnitten waren, hatte sie in dem Fremden auf den ersten Blick Paul von KraSzinSki erkannt! Dem erfahrenen Polizisten konnte di« tiefe Bewegung, die sich der jungen Frau beim Eintritte de» Verdächtigen bemächtigt hatte, nicht entgehen. Ihre Ueberraschung zeigte zur Genilge, daß ihr derselbe nicht unbekannt sei. Betroffen und au» seiner ganzen Zuversicht auf «inen guten Fang herauSgeschleudert, wandte sich der Beamte gegen sie. „Vermögen gnädige Frau nun die Frage zu beantworten, ob dieser Herr mit dem Herrn StaatSrath bekannt ist und zu dem Kreise Ihrer Bekannten in Paris gehörte, wie er e» unS angegeben hat?" Vergeblich jedoch versuchte dabei der Commissar in dem Ge sichte Anna Feodorowna'» die Antwort zr^ lesen. Al» voll endete Weltdame wußte dieselbe sich völlig zu beherrschen, und ihre eben noch erregten Gesichtszüae waren alSLald kalt und auSdruckilo» geworden. All« Kraft zusammenfassend, heftet«
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