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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000609018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900060901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900060901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-06
- Tag1900-06-09
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Deutscher Reichstag. 88 Verlt«, 8. Juni. Wie vorau-zusehen war, entfalten die Deckung-gesetzt, die den Hauptgrgeuftand der beutrgea Tagesordnung vilvrtrn, eine recht lebhafte Debatte, zumal die Linke versuchte, Abstriche an den »on der Commission vorgeschlagenen Steuern durchzusetzen. Besonder heftig entbrannte der Kampf beim Kuxeastempel, dessen Streichung der Aba. Richter beantragte. Wäbrend Graf Oriola für dir Aufrechterhaltung der Commission»» beschlösse eintrat, stellte sich Bergwerk-director Hilbck im Allgemeinen aus Richter'- Seite. Auch der HandelSmiuister Brrfeld macht« auf die vielen Schwierigkeiten aufmerksam, die dem Kuxenstempel entgegenstehen, und befürwortete den Antrag Richter. Herr Müller-Fulda, sehr erbost darüber, richtete fast eine Drohung an die Regierung; er ging soweit, an» zudruten, daß diese durch Befürwortung der Anträge der Linke» da» Zustandekommen de- Flottrngrsrtze« gefährd«! Mit Mühe gelang «S dem Minister Brefeld und dem Staatssekretär v. Tbielmann, de» Aufgebrachten zu beruhigen, dessen dictatorische» Auftreten der Äbg. Richter nicht ohne Geschick verspottete. Stürmische Heiterkeit brach lo», al- der Redner im Hinblick aus die so hartnäckig verfolgten Steuerpläne de- Centrum- bemerkte: jeder Bauer hält seine Eule eben für «in Täubchen. — Nachdem Graf Oriola noch einmal da» Hau ersucht hatte, vorbehaltlich einer in der dritten Lesung zu treffenden Aenderuug den CommissiouSbeschluß aufrechtzu erhalten, wurde dieser entgegen dem Antrag Richter in nament licher Abstimmung mit 180 gegen 103 Stimmen angenommen. Die Minderheit setzte sich au» der Linken, einem Theil der Nationalliberalen, den wenigen anwesenden Polen und Welsen, sowie dem Prinzen Alexander Hohenlohe zusammen. — Die Commission beantragte die Verdoppelung des EmissionSstempelS auf Obligationen von Communen und TranSpoitgesellschaften. — Der Äbg. Richter stellte den Antrag, die geforderte Ver doppelung zu streichen, weil die Erschwerung namentlich der communalen Anleihen wirthschaftliche und kulturelle Rück schritte im Gefolge haben werde. Die Socialbemokraten Bebel und Singer äußerten sich in ähnlichem Sinne; auch der CentrumSabgeordnete vr. Heim neigte wenigsten» hinsichtlich der Cvmmunalanleihen zu der Ansicht der Linken. Interessant, wenn auch nicht neu, war die Aeußerung, die dem letzt genannten Redner entfloh, daß er und seine näheren bayerischen Parteifreunde nicht» weniger al» flotten freundlich seien. Unter heftigem Widerspruch der Linken trat der Berichterstatter Vr. Paasche für den Vorschlag der Commission eia, der denn auch unter Ablehnung de» Antrag» Richter mit großer Mehrheit an genommen wurde. — Eine weitere lebhafte Debatte entfachte der Antrag Heim, den Umsatzstempel auf in dustrielle und ausländische Actien von »/io aus «/ro vom Tausend zu erhöhen. Die Abgeordneten Büsing und von Siemens bekämpften mit großer Sachkenntniß diesen agrarisch - ultramontanen Vorschlag, ihnen schloß sich der Graf Arnim von der Neichspartei an, auch der Staats sekretär von Tbielmann wie» die völlige Zwecklosigkeit de» Anträge» Heim nach, der keine Vermehrung, sondern wahrscheinlich sogar eine Verminderung der Einnahmen im Gefolge haben werde. Auch Müller-Fulda trat dem Antrag seines FractionSgenossen entgegen, der denn auch mit großer Mehrheit — mit 153 gegen 121 Stimmen — abgelehnt wurde. Die Führer der Rechten und des Centrums, Graf Limburg»Stirum, Graf Arnim, Graf Ballestrem, Lieber u. s. w., sowie Fürst Bismarck stimmten gegen den Antrag Heim. — Nach 7 Uhr erst schloß die lang ausgedehnte Sitzung. Man hofft morgen mit den DeckungSgesetzen fertig zu werden. 206. Sitzung. Freitag, 8. Juni. Am Tische des BundesrathS: Frhr. v. Thielmann, prcuß. Handelsminister Brefeld. Präsident Graf Balle st rem eröffnet die Sitzung um 1 Uhr. Zunächst wird in dritter Lesung ohne Erörterung die De claration zu Artikel 35 der internationalen SanitätL- übereinkunft, betreffend Maßregeln gegen die Ein schleppung und Verbreitung der Pest, erledigt. Es folgt die zweite Berathung der au» Anlaß der Flottenvorlage vorgeschlagenen Aenderungen des Reichs st e m pelgesetzes. Die Berathung beginnt mit den von der Commission be schlossenen Aenderungen des Tarifs, und zwar mit Nr. 1, welche die Erhöhung des Emissionsstempels für inländische Actien auf 2, für ausländische auf 2^ vor schlägt. Dazu beantragt Abg. Bassermann (nat.-lib.) Nr. 1, Spalte: „Berechtigung der Stempelabgabe", wie folgt, zu fassen: „vom Nennwerthe, bei JnterimSscheinen and nicht voll gezahlten NamenLactien vom Betrage der bescheinigten Einzahlungen, uttd zwar: zu la in Abstufungen von 2 <-^, zu Id von 2sH für je 100 eSk, oder «inen Bruchtheil. Bei inländischen Actien erfolgt die Versteuerung zuzüglich deS Betrages, zu welchem sie höher, als der Nennwerth lautet, ausgegeben werden." (Im Uebrigen entspricht die Fassung dem Vorschläge der Commission. Die gesperrt gedruckten Stellen enthalten die Abweichung.) Abg. Bassermann (nat.-lib.) empfiehlt die Annahme der Commissionsbeschlüsse mit der von ihm beantragten Ab änderung, die Lurch das am 1. Januar 1900 in Kraft getretene Handelsgesetzbuch eingetretenen Zweifel oder Jnconsequenzen beseitigen und klarstellen wolle. Abg. Graf Arnim (Rp.) befürwortet den Antrag Bassermann und tritt im Uebrigen für die CommissionS- beschlüsse ein. Er führt dabei aus, daß die CourSsestsetzungen an der Börse oft sehr zweifelhaft seien; kleine Beträge genügten schon, um erhebliche Schwankungen herbeizuführen. Der Schwerpunkt liege heute viel mehr bei den großen Banken, als an der Börse; sie hätten die führende Rolle. Abg. Müller-Fulda (Tentr.) erklärt sich mit dem An trag Bassermann einverstanden. Damit schließt die Besprechung. Der Antrag Bassermann und mit ihm der CommissionSvor- fchlag werden angenommen. E» folgt die Berathung über den Vorschlag der Commission, Kuxe mit ILO -St von jeder einzelnen Urkunde zu besteuern, alle nach dem I. Juli 1900 ausgeschriebenen Einzahlungen mit 2 pro Mille. Ein Antrag des Abg. Richter verlangt die Streichung dieses Stempels. Abg. Graf Oriola (nat.-lib.): Die 1^ bedeuten etwa 30 Procent, und dieser Fixstempel erscheint unt zu hoch, ganz abgesehen davon, daß jeder Fixstempel etwa» Bedenk liche» hat. Man muß auch h»denken, daß die Werthmessun nirgend» schwerer ist, al» gerade bei Bergwerken. Die Be steuerung der späteren Zuschüsse ist bei anderen Actien aut, nicht höher, als sie hier für Kuxe vorgeschlagen wird, un i darum empfiehlt er sich hier. Trotz aller dieser Einwände halte ich e» für unangebracht, gegen den CommiffionSvorschlag zu stimmen. Abg. Richter (freis. VolkLp.): Der Herr Echatzsekretar hat gerade bei der vorliegenden Frage erklärt, «S liege rin vor» Ii<>uet vor; darum sollt« die Regierung eine Erklärung ab geben, wie st« sich zu diesem Puncte stellt. Der Begriff „spätere Zubuße" ist kaum irgendwo unklarer, al» bet den Kuxen. Die Frage ist um so schwieriger, al- wir eben der reich»gesetzlichen Regelung de- Lergbauwesen- entbehren, und ein Finanz techniker, wie Herr Miquel, gerade wegen Lieser Schwierig keiten sich für den Fixstempel entschieden hat. Herr ras Oriola aber hat, damit nicht zufrieden, auch die Nachzählungen be steuern wollen. Wäre e- hier nicht genügend gewesen, sich mi einer Resolution zu begnügen, wie beim Schaumwein? , Abg. Hilbck (natlib.): E» wär« eia Unrecht, wollt« man di, Bergwerke von einer Besteuerung ausschließen, der alle anderen Actienunternehmungen unterworfen find. Bei den anderen lctiengesellschasten zahlt der Actionär nur ganz bestimmte Nach zahlungen, beim Bergbau aber kann man vorher nicht wissen, wie viel Nachzahlungen später zu zahlen sind; die Ausgaben beim Bergbau sind nicht vorher zu übersehen, sondern man muß liaturgewalten besiegen, und wenn ihre Besiegung auch Gott ei Dank meist gelingt, so ist doch da- Bergwerk, welcher die »esten Einrichtungen besitzt, also die Naturgewalten zu besiegen die meisten Aussichten hat, eben wegen der theuren Anlagen meist nicht daS ergiebigste. Die Folge der hier gemachten Borschläge wird sein, daß man, um die Besteuerung der Nachzahlungen zu vermeiden, die Anteilscheine auf Bergwerke erst dann auSgiebt, wenn da» Werk völlig fertig hergestellt ist. Angesicht» dieser Schwierigkeiten empfehle ich Ihnen, diese Position abzulehnen und statt dessen eine Resolution anzunehmen, durch die die Regierung zu Erwägungen über die Heran ziehung der Berggewerkschaften zur Reichs- »esteuerung aufgefordert wird, die er hiermit be antrage. Preußischer Handelsminister Brefeld: Der Umstand, daß nicht viele Gewerkschaften in die Lage kommen werden, den kuxstempel zu entrichten, spricht doch nicht dagegen, diesen Stempel zu erhöhen. Aber andere Gründe sprechen dafür, diese Position ganz fallen zu lassen. (Heiterkeit.) Die großen Ge werkschaften verwandeln sich in Aktiengesellschaften und beschaffen ich so die nöthigen Capitalien, eS werden also nur die kleinen Gewerkschaften getroffen. Dethalb möchte ich auch meinerseits dem hohen Hause empfehlen, den hochherzigen Entschluß zu fassen (Heiterkeit), diese Position fallen zu lassen. (Beifall.) Abg. v. Kardorff (Rp.): Ich möchte im Gegensatz zum Herrn Minister Ihnen empfehlen, diese Position aufrecht zu er halten. Die verbündeten Regierungen haben es in der Hand, da, wo die Vorschläge der Commission nicht daS Richtige treffen, bessere Vorschläge zu machen. Ich halte «S aber für unzulässig, alle anderen Aktiengesellschaften zu besteuern, die Bergwerks gesellschaften aber freizulaffen. Darum empfehle ich Ihnen, wrläufig beim Commissionsvorschlag stehen zu bleiben. Abg. Müller- Fulda (Ctr.): Der Herr Minister hat unt aufgesordert, dem Antrag Richter beizutreten — warum hat er nicht gleich den Antrag Richter, betreffend die Flottenvorlage, empfohlen? (Unruhe.) Ich bitte den Herren RegierungSver- treter, uns hier nicht entgegenzutreten, wenn ihm am Zustande kommen der Flottenvorlage liegt. Wenn man alle anderen Aktiengesellschaften besteuert, so liegt wahrhaftig kein Anlaß vor, die gutstehenden BergwerkSgesellschaften von einer Besteuerung frei zu lassen, die alle anderen Aktiengesellschaften trifft. Ist die Fassung nicht glücklich gewählt, so hat die Regierung eS immer noch in der Hand, bis zur dritten Lesung Abänderungsvor schläge zu machen; thut sie da» nicht, so mag der CommissionS- vorschlag aufrecht erhalten bleiben. (Lebhafter Beifall rechts und in der Mitte.) Staatssekretär Frhr. v. Thielmann: Der auf einen Antrag Oriola gefaßte Beschluß der Commission steht nicht seit 10, sondern etwa seit 3 Monaten zur Berathung. Wir haben sofort Schritte gethan, um daS erforderliche Material zu ver schaffen, dasselbe liegt noch nicht vor. Preußischer HandelSminister Brefeld (schwer verständlich): Ich habe nur auf die Schwierigkeiten der praktischen Hand habung hingewiesen und Ihrer Erwägung anheimgegeben, ob sie denselben nicht Rechnung tragen wollen. Abg. Richter (Freis. Volksp.): Die Situation fängt nachgerade an, komisch zu werden. (Heiterkeit, Beifall links.) Da wird nicht etwa von der Minderheit im Hause, von der Opposition, nein, von der zuständigsten Stelle, der königlich preußischen Bergbauverwaltung, erklärt, die Sache gehr nicht, und gleich platzt Herr Müller-Fulda heraus: sio volo, sie juboo, wenn die Regierung das nicht annimmt, dann giebt e» nicht die Flotte (Hört, hört!). Meine Herren, diScreditiren Sie doch nicht Ihre eigene Stellung zur Flotte, (sehr gut! links), e» nützt Ihnen ja auch nichts; Sie sind auf der Leiter so hoch hinaufgestiegen, daß Sie nicht mehr herunter können, selbst wenn Sie wollen. Im Uebrigen hat Herr Müller-Fulda einen mildernden Um stand. ES giebt ein plattdeutsche» Sprichwort: Jeder meint, seine Eule sei eine Nachtigall. (Heiterkeit.) War ist dar doch für eine parlamentarische Constellation! Der Minister beschwört de Volksvertretung: Seien Sie doch so hochherzig, verschonen Sie uns mit der Steuer, aber nein, sie wird ihm aufgedrängt; alles Anrufen des Mitleides mit dem Volke Hilst nichts, die Ver tretung erzwingt diese Steuer. Herr v. Kardorff erklärt selbst, ihm sei Aller zweifelhaft. Im Zweifel macht man doch kein neues Gesetz. Hier ist er umgekehrt, im Zweifel macht man die neue Steuer. (Sehr richtig!) Der Standpunkt ist so originell, daß ich namentliche Abstimmung darüber beantrage, um zu sehen, wer ihn theilt. (Lebhafter Beifall links.) Abg. Graf Oriola (natlib.) ersucht das HauS, vorläufig der CommissionSfaffung zuzustimmen; bis zur dritten Lesung werde sich eine bessere Fassung finden lassen. Abg. Müller- Fulda (Ctr.): Der Antrag Oriola ist seit 40 Tagen bekannt, in der Zeit hätte die Regierung genügend Material herbeischaffen können. (Sehr richtig im Centrum.) Ich finde eS wunderbar, daß ein Bevollmächtigter zum Bundes rath uni hier den Antrag Richter empfiehlt; mit eben demselben Recht könnte er unS die Stellung Richter'S zur Flottenvorlage empfehlen. (Unruhe.) Wir sprechen kein „sie vc»Io, sie jubeo" au», wir vertheidigen nur die CommissionSbeschliisse. (Beifall im Centrum.) Die Erörterung schließt. Absatz 1, der den Kuxstempel festsetzt, wird gegen die Stimmen der Socialdemokraten, Freisinnigen, der Nationalliberalen Möller« Duisburg, Hilbck, Franken und de» Prinzen Schönaich-Carolath angenommen. Die Abstimmung über die Besteuerung der Einzahlungen nach dem 1. Juli mit 2 pro Mille ist, auf Antrag Richter (Freis. VolkSp.), namentlich. Der Commissionsvorschlag wird mit 180 gegen 103 Stimmen angenommen. Die von der Commission vorgeschlagene Erhöhung des Stempels für Obligationen von Communen und von Transportgesellschaften von 1 auf 2 -sk beantragt Abg. Richter (Freis. VolkSp.) abzulehnen. Abg. Richter (Freis. Volksp.): Es ist ungerecht, die Com- munalobligationen höher zu besteuern. Die Steuererhöhung würde auch nur 300 000 höchstens einbringen. Ebenso ist e» unbillig, die Transportgesellschaften härter zu treffen; besonders gilt da» für die WaflertranSportgesellschaften. Jüngst ist au- hohem Munde Klage darüber geführt worden, daß für die Dampfschifffahrt keine Reichrsubvention gezahlt wird. Nach dem Vorschläge der Commission würden die Gesellschaften, wenn sie Obligationen auSgeben, sogar noch einen verdoppelten Stempel entrichten müssen; ich empfehle da» besonder» den Herren au» Bayern zur Beachtung. Abg. Singer (Goc.) erklärt, daß seine politischen Freunde für den Antrag Richter stimmen werden, und verweist darauf, daß die zahlreiche Abwesenheit der Bayern hier im Reichstage auf deren Flottrnbegeisterung schließen lasse. Abg. vr. Heim (Ctr.) erwidert, die Bayern seien nicht be geistert für die Flotte, wohl aber dafür, daß die leistungsfähigen Schustern belastet werden. Abg. Bebel (Soc): Wenn man letztere» will, darf man nicht die Communen belasten, die vielfach durchaus nicht leistung». fähig sind, -der die doch ihre Bedürfnisse vielfach von wirthschaft- lich Schwachen tragen lassen müssen; unter diesen Umständen ist der Antrag auf Erhöhung de- Stempel- für Communalobliga- tionen skandalös. vicepräsident v. Frege: Für diesen Au-druck rufe ich den Abg. Bebel zur Ordnung. Utg. Richter (Freis. Doll-p.): Die vom Lbg. Heim in der Commission vorgeschlagen gewesene Erhöhung deS Stempel» auf Communalobligationen gegen Freilaung des Umsatzstempel» ist ein Handelsgeschäft, sogar schon ein Wuchergeschäft. Abg. Vr. Heim (Ctr.): Dieser Ausdruck schmerzt mich sehr; ich hätte e» ertragen, wenn er sagte, wir machen ein gutes Ge schäft; aber Wuchergeschäfte machen wir nicht. Abg. Müller-Fulda (Ctr.) empfiehlt den Commissions vorschlag al» einen Act ausgleichender Gerechtigkeit gegenüber anderen vorgeschlagenen Stempelerhöhungen. ES folgen Bemerkungen der Abgg. Müller- Fulda (Ctr.), Bebel (Soc.), Richter (Freis. Vp.) und Singer (Soc.). Der Antrag Richter wird sodann abgelehnt und die Com missionSfaffung angenommen. Tarif 4 enthält die Stempelsteuern für die Kauf- und sonstigen Anschaffungsgeschäfte. Di« Commission will 1 pro Mille auf die Kaufgeschäfte Uber Kuxe und drei Zehntel Proc. über die Actien, Renten und Schuldverschreibungen. Abg. Heim (Ctr.) beantragt, letzteren Umsatzstempel auf vier Zehntel Proc. zu erhöhen, und führt auS: Die bayerischen CentrumSabgeordneten drücken sich keineswegs von der Ab stimmung, sie sind für den bayerischen Landtag engagirt. Auch die bayerischen Socialbemokraten fehlen. Die bayerischen Socialdemokraten sind freilich aus anderem Holz, sie sind auch blau-weiß, nur mit einem rothen Bändchen darüber. Wenn sich in Folge de» erhöhten Umsatzstempels das kleine Speculations- capital vom Markte zurückzieht, so ist das kein Unglück. Bei gesetzgeberischen Maßnahmen darf man sich nicht durch Baissier- Manöver beeinflussen lassen. Die Flotte kommt dem Handel zu Gute. Darum ist eS recht, wenn die Börse die Lasten trägt Abg. Büsing (natlib.) bittet, die Commissionsbeschlüsse zu belassen. Abg. vr. Siemens (Freis. Vgg.) weist darauf hin, daß er bereits gestern nachgewiesen habe, daß nicht die Börse, sondern das große Publicum die Belastung trage. Die Politik des Cen- trums führe zur Centralifitzion der Börsengeschäfte. Wenn es auf diesem Wege weiter gehe, werde bald das ganze bayerische Geschäft in der Behrenstraße von Berlin concentrirt sein. (Heiterkeit.) Abg. Graf Arnim (Rp.) bedauert, weder den Stand punkt deS Abg. Heim, noch den des Abg. vr. Siemens theilen zu können. Staatssekretär Freiherr von Thielmann bittet, eS bei den Commissionsbeschlllssen zu belassen. Bei der Erhöhung aus <io Pro Mille könne statt der Zunahme möglicher Weise ein Rückgang eintreten. Ziffernmäßig könne allerdings heute Nie mand sagen, wie viele sich wegen der Erhöhung des Stempels vom Kauf und Verkauf der Papiere abhalten lassen. Abg. Richter (freis. Volksp.) beantragt, zunächst nur über den Umsatzstempel auf Actien, Renten und Schuldver schreibungen zu diScutiren. Dies geschieht. Abg. Richter führt auS, es handle sich nicht mehr um die Deckungsfragc, sondern darum, das agrarische Müthchen an dem Verkehr zu kühlen. Da» Centrum sage, lieber zu viel Steuern. So etwas habe man sonst nie gehört! Abg. Singer (soc.) erklärt, seine Partei habe stets die Mißbräuche der Börse auf das Energischste bekämpft. Das hindere aber nicht, di« Unentbehrlichkeit der Börse anzuerkennen. Die Börse sei eine Sumpfpflanze, die auf dem Sumpfboden der heutigen Gesellschaft wuchere. Die Börsensteuer müsse im Verkehr bekämpft werden. Abg. Lucke (Bund der Landwirthe) tritt für den Antrag Heim ein und greift unter Lärm und Heiterkeit des Hauses aufs Heftigste die Börse an. Er beantragt namentliche Ab stimmung. Abg. Müller-Fulda (Centr.) verwahrt das Centrum gegen den Vorwurf der Culturfeindlichkeit. Er befürwortet die Commissionsfassung. Nach weiteren Bemerkungen LeS Abgeordneten Heim folgt die Abstimmung. Der Antrag Lucke (Bund der Landwirthe) auf namentliche Abstimmung findet auf der Rechten nur Unter stützung bei den keiner Fraktion angehörenden Vertretern des Bundes der Landwirthe, dagegen unter größter Heiterkeit deS Hauses bei den Freisinnigen und Socialdemokraten. Der An trag auf Erhöhung auf «/ia Pro Mille wird mit 153 gegen 121 Stimmen obgelehnt. Die Commissionsfassung, die auf '/io pro Mille lautet, wird angenommen. Hierauf vertagt sich daS Haus auf morgen 1 Uhr. Tages ordnung: Rechnungssachen, Fortsetzung der heutigen Berathung, Seuchen-Gesetz, Rechtsverhältnisse in Len Schutzgebieten und Handel-Provisorium mit England. Schluß der Sitzung 7^4 Uhr. * Berlin, 8. Juni. Die beiden Sträflinge, dir am >. Juni aus dem Zuchthause in Graudrnz entsprungen ind, nachdem sie den Ausseher erschlagen hatten, sind der kellner Rudolf Robert Wierczock und der Arbeiter franz Kuß. Wierczock ist au» Rehdorf (Kreis Schwetz) ebürtig, 30 Jahre alt, 1,58 m groß, bat schwarze» Haar, «ine äuge Nase, braune Augen und ist untersetzt. Kuß stammt au» Lhyman (Kreis Marienwerder), ist 29 Jahre alt, 1,72 m ;roß, hat dunkle» Haar, blaue Augen und eine große Nase md ist schlank. Am linken Fuß fehlt ihm die kleine Zehe. I-. Kiel, 8. Juni. (P ri v a t t e l e g r a m m.) Die Schul schiffe „Charlotte" und „Nixe" erhielten Befehl, eine neunmonatige Reise ins Mittelmeer zu machen; „Stof ch" soll nach Südamerika, „Moltke" und „Gneisenau" sollen nach Westindien abgehen. * Cronberg, 8. Juni. Das griechische Kron prinzenpaar ist heute Vormittag au» Berlin i» FriedrichShof wieder eingetroffen. * München, 8. Juni. Ein heute auSgegcbene» Bulletin Iber da» Befinden de» Königs Otto lautet: »Da» illlgemeinbefinden Seiner Majestät ist befriedigend. Der furunkel ist nahezu geheilt. Gehen und Stehen sind fast ivrmal. Wenn keine Aenderung de« Befinden» rintritt, rnterbleibt die Ausgabe weiterer Bulletin». Schloß Fürsten- :ird, 8. Juni. Gezeichnet von Ziemssen, von Lauer, )on Angerer, GraShey." Nach Schluß -er Nedactlon et«rrga»-e«. du t» »Her n»»ri! «irgktkiltni, »«tzn,» »« Dk»a«I Umelaaf«»« »ad«, sch-a an« der Nednschrt» «r-chUich. »er nicht »MMW» dich» tß «UHU» ksr 0«rft>l»mUun,en «ui» mi»«rftivi»«ch» »«Mam« Mch» »» -NNN-rUi» M «KO«. * Berlin, 8. Juni. Der Chef de» Kreuzergefchwadsr« egab sich gestern von Chefoo mit der „Hertha" und ^Hanfa" ach Taku. Da» deutsche Detachement für Tientsin ist um 0 Mann verstärkt worden. * Berlin, 8. Juni. In der heutigen Berathung der Schul-Conferenz wurde besprochen, wa» zur Hebung de» lnterricht» in den einzelnen Lebrgegenständen, «ameatlich den eueren Sprachen, den Naturwissenschaften, der Mathematik md der Geschichte, geschehen soll, ferner, wie di« körperübungen, die Jugeudspiele, der Wassersport und a» Turnen mehr zu fordern sind. Demnächst wurde» ie Bedenken erörtert, die sich in der Praxi- gegen üe Abschlußprüfung ver neunstufigen Lehranstalten heran-- «stellt haben. Schließlich wurde über die Besoldung«- rrhältnisse berathen, über die Pflichtstunden, die wirthschaft- iche Bewegungsfreiheit de» höheren Lehrerstande» und die rchulhygieine. Allseitig wurde di« Nothwendigkeit betont, mch auf den Gymnasien für den Unterricht im Eng» ischen nach Vorgang der hannoverschen Gymnasien «ach- >rücklichst zu sorgen. CultuSminister vr. Studt schloß äe Sitzung mit dem Dank für die Opferwilligkrit und die eiche Anregung ihrer Theilnehmer. Mommsen al» Senior ankte der sachkundigen Leitung und sprach die Hoffnung >u», daß die den Verhandlungen entsprießenden Ent- chließungen dem preußischen Schulwesen zum wahre» Wohle Reise und Verkehr. 8 Durch das Schenker'scheReis ebureauinMün- chen ist Gelegenheit geboten, unter fach- und sprachkundiger Führung die Welrausstellung in Paris zu besuchen. Die zu diesem Zwecke veranstalteten Gesellschaftsreisen, welche jeden Sonnabend in München abgehen, erfreuen sich großer Beliebtheit, ebenso auch die an solche Reisende, welche sich einer Gesellschaftsreise nicht anschlicßen wollen, zur Aus gabe gelangenden Coupon hefte. Dieselben enthalten außer den Coupons für Wohnung, Bedienung, Beleuchtung, fünfmaligen freien Eintritt in die Weltausstellung, Wagen- lahrten in Paris, Ausflug nach Versailles, freie Unfallversiche rung u. f. w., getrennte Anweisungen für die Mahlzeiten, die in allen Theilen der Stadt und Ausstellung in vornehmen Re staurants an Zahlungsstatt angenommen werden und dadurch vollständige Unabhängigkeit und Freiheit der Bewegung ge währen. Eine ganz besondere Annehmlichkeit hat aber die Firma SchenkerL Co. für ihre Reisenden dadurch ge schaffen, Laß sie in nächster Nähe des AuSstellungsplatzcs ein eigenes, große», deutsches Hotel eingerichtet hat. DaS Bureau ist übrigen» stet» gern bereit, Jedermann ausführliche Pro spekte kostenfrei zuzusenden. Äus Ladern, Lurorten und Sommerfrischen. 8 Luftkurort 8»a» im Oberengadiu, Canton Grau bünden» Schweiz. Im Gegensatz zu vielen Curorten ist da» 1712 m über vem Meere gelegene Zuoz ein ruhiger Auf. enthalt, kein Luxurbad. ES ist in 1'/, Stunden Fahr- zeit von St. Moritz, Pontresina aus zu erreichen. DoS Dorf selbst liegt aus lonulgem, vor Nordwinden geschützten Plateau. Da» „Curb au» Concordia" ist ein solides, speciell zu Curzwecken bestimmtes Gebäude, mit den besten hygieiiiischen Einrichtungen ver- sehen. Terrassen mit Fernblick, Säle, Coss, Billard, alle Räume brizbar, Spielplätze im Freien, nabe Waldungen, da» Alle» macht Zuoz zu einem verlockenden Aufenthalt in der reinen Hoch- gebirg»Iust. Diätkuren, Bäder, Einrichtungen für «ine mild« Wasser behandlung, Gymnastik und Massage, Lust- und Sonnenbäder, eine eilen« baltigr Vyprquell», Alle» ist im Hause unter Leitung eine« deutschen Arzte» zu haben. Wer Ruhe oder Nachkur gebraucht, wer über arbeitet, blutarm, schwächlich ist, wer gern die Toiletten- und Lnxusbäder meidet, der suche den schönen HochgedirgSort auf, Zuoz im Oberengadiu. Anfragen sind zu richten an den Besitzer de« Surhause» Hermann Gill« oder den llurarzt vr. Max Hof mann daselbst. Äus dem Geschäftsverkehr. r Der Sommer nabt und wachsender Durst ist ein« Begleit erscheinung desselben. Man geht gern dahin, wo man einen guten Stoss erholten kann, wir z. B. nnsrr» heimischen Riebrck-Biere. Und man dars sich dieser Thatsach« freuen, den» in steigendem Maße haben speciell di« noch böhmischer und bayerischer Art gebrauten Viere von Rieteck Sd Ta. der Loncurrenz „echter" Bräu» »u be gegnen verstanden durch Würdigkeit und vor Allem Wohibekümm- lichtest, und di« Rirbecksschen Viere haben denn anch weit über die deutschen Grenzen hinan« Anerkennung überall da gesunden, wo sie im Wettstreit mit den Erzeugnissen anderer Vrauereien gestanden haben. „Rein Hopfen und Malz!" dieser Devise nach folgen Ri «deck L Co., und dieser Thatsache verdanken die Bier« unserer erste« heimischen Großbrauerei auch ihre Beliebtheit und wachsend« AbsatzfShigkeit. Wien, 8. Juni. (Privattelegramm.) Der »Neue« :eien Presse" zufolge beschloß die Conferenz der Ob- Lnner bei dem Ministerpräsidenten, daß Tag- und Nacht sitzungen zur Ermüdung der Obstruction abgebalten werde« i. Die Vertreter der Parteien verpflichteten sich, Beschlußfähigkeit deS Hause» zu organistren. Die Abgeordneten haben sich ihre Anwesenheit bei de» Sitzungen zur Ehrenpflicht gemacht. Sollte sich eia Erfolg der Taktil zeigen, so vertagt die Regierung da» HauS «ich! am 1. Juli, sondern wird bi» zur Bewilligung de» Budget- Provisoriums einige Tage hindurch den vx-Isx-Zustaud ein- treten lassen. Die Feudalen, die Südslawen und daS klerikale Centrum bildeten heute eine Coalition, die den Tschechen zur Seite stehen soll. Dipauli wohnte der Coofereaz bei, Ministerpräsident vr. v. Körber nicht. * Wien, 8. Juni. Nach Meldungen der Blätter schloß die heutige ConferenzderarbeitSwilligenParteien mit der Einsetzung eines AuSfchusfeS von 10 Mitgliedern, dem die Aufgabe übertragen wurde, eine die Herstellung der Ar beitsfähigkeit deS Abgeordnetenhauses ermöglichende TaUit fest zusetzen. * Pari», 8. Juni. Im Ministerraih theilte der Minister des Aeußeren DelcassS di« Telegramme über die Lage in China mit, aus denen hervorgeht, daß der franzö sische Gesandte in Peking, Pichon, fortdauernd im Einver nehmen mit den übrigen diplomatischen Vertretern handelt. Admiral Courrej olles, der gegenwärtig mit seiner Division in Taku ist, ist angewiesen, sich mit den fremden Admiralen inS Einvernehmen über die Ausführung der Schutz maßregeln zu setzen, die die Lage erforderlich machen könnte. — Admiral Gervais wurde bestimmt, während der diesjährigen Manöver die Kriegsflotte zu befehligen, die durch die Vereinigung des Nordgeschwaders und deS Mtttelmeer-Geschwader» gebildet werden soll, und aus Anlaß der Weltausstellung Seefestlich- keiten veranstalten wird. bl. Pari», 8. Juni. (Schachturnier.) Gestern i» der elften Runde gewann ferner: LaSker gegen Brodh. Remis: Mason-Showalter, Sterling-Rosen. In der heutige» zwölften Runde siegte: Pillsburh über Marco, Tschigori» über Mortimer, Brody über Sterlmg, Burn über Didier, RemiS: Mason-Rosen, Maroczy-Schlechter. * Nam, 8. Juni. Um dem Papste Ruhe zu lassen, wird der morgige Empfang der Pilger verschoben. Der Papst wird nächsten Sonntag nicht zur Seligsprechung erscheinen, sondern fortfahren, vorsichtshalber daS Bett zu hüten. * Landon, 8. Juni. „Reuter s Bureau" meldet au» Leribe vom 5. d. M.: General Rundle führte mit einer starken Abtheilung eine RecognoScirung nordöstlich von Ham- monia aus. Dabei wurde die Lage eines Boerenlager» au»- gekundschaftet. Nach der RecognoScirung kehrte Rundle in da» Lager zurück. * Tientsin, 8. Juni. („Reuter» Bureau".) Lu» amt licher chinesischer Quelle verlautet, daß 4000 Boxers zwischen Doagtsun und Lofa gestern Nacht 1500 Mana chinesische Truppen eingrschlossen haben. De« letzten Nach richten zufolge dauerte der Kampf heute früh noch an. Wie die Beamten sagen, sind 500 Boxer» gefallen. Uebrr de» Verlust von chinesischen Truppe» verlautet nicht».
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