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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.06.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000605024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900060502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900060502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-06
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KniebeugungSsrage abgegebene Erklärung folgende Mittheilung zugegangen: „Nach einer dem evangelisch-lutherischen Landesconsistorium zu gegangenen amtlichen Mittheilung hat Se. Majestät der König genehmigt, daß die für daS Fronleichnamsfest er- theilten Weisungen in gleicher Weise auch für die dienstliche Theil« nähme evangelischer Pagen an den Oster-Processionen und überhaupt für alle Fälle ihrer dienstlichen Theil- nähme an katholischen Gottesdiensten zu gelten haben. DaS CadettencorpS wird demzufolge Weisung erhalten: I) zu den in der katholischen Hofkirche stattfindcnden Feierlichkeiten, zu denen Pagen gebraucht werden, in erster Linie Pagen katholischer Confessio» heranzuziehen und, wenn solche nicht oder in nicht genügender Zahl vorhanden sein sollten, 2) die dazu verwendeten Pagen evangelischer Confessio» zu instruiren, daß sie während ihre» Dienste» in der katholischen Hofkirche eine Kniebeugung nicht auszuführen haben." — diese Nachricht liefert den erfreulichen Beweis, daß Se. Majestät König Albert, wie wir von vornherein annahmen, dem kriegsministeriellen „Nun erst recht" keine Folge gegeben sehen will. Inwieweit die von Sr. Majestät genehmigten Bestimmungen sich mit dem älteren, den Kirchen dienst in der katholischen Kirche regelnden Commandantur- befehle decken, resp. ihn erweitern, können wir im Augenblicke nicht übersehen, da unS jener Befehl nur theilweise durch die vielbesprochenen und vielbeklagten Auslassungen des „Dresdner Journals" und der „Leipziger Zeitung" bekannt geworden ist. Hierüber, sowie auch darüber, ob die hinsichtlich des Präsentireu» „in Höhe des Baldachin'S" von evangelischer Seite erhobenen Beschwerden Berücksichtigung bereits erfahren haben oder erfahren sollen, wird man wohl von berufener Seite bald Näheres erfahren. Jedenfalls kennt man jetzt die Stelle, an die man sich eventuell zn wenden hat. Nicht immer ist anscheinend der rechte Weg ein geschlagen worden, anscheinend auch nicht in einer An gelegenheit, über welche die „Allgem. Evangel.-Luther. Kirchen zeitung" in ihrer letzten Nummer folgendermaßen Be schwerde führt: „Au« Dresden kommen neue seltsam« Nachrichten. Das „Dresdner Journal", jeue» officielleOrgan,da» in wenig glück- licher Weise die Kniebeugung evangelischer Pagen bei der Fronleichnamsfcier zu rechtfertigen versuchte, hatte über die Meißener Conferenz einen Bericht gebracht und dabei von der Fronleichnamsdebatte nur die Erklärung des Consistocialpräsidenten von Zahn und zwar in ihrer ganzen Ausdenung angeführt, von der übrigens höchst erregten Besprechung und von der gefaßten Resolution aber nichts weiter veröffentlicht, als den kurzen, noch dazu unrichtigen Satz: „Die Debatte ergab die Annahme einer gedruckt vorliegenden Resolution." Der Vorsitzende der Conferenz, Professor v. Nietschel, sandte dem Blatte eine Be richtigung zu, daß die gedruckte Resolution nicht angenommen, sonder» abgeändrrt worden sei, und legte den Wortlaut der Resolution mit der Bitte um Abdruck vor. DaS Blatt schwieg. Auf nochmalige Anfrage kam die Antwort: „Daß der Abdruck der mitgetheilten Resolution im Interesse des konfessionellen Friedens nicht Wünschenswerth erschien, und daß die Redaktion deshalb bedauert, aus dem nämlichen Grunde eine Berichtigung in der gewünschten Form ab« lehnen zu müssen." Das amtlich redigirte Journal hält sich dem nach für berechtigt, über eine Versammlung, deren Beschlüsse es nicht billigt, nicht nur mangelhaft, sondern falsch zu berichten. Es glaubt sich von der ersten Pflicht der Publicistik, der der Wahr haftigkeit, dispensiren zu können. Wir bezweifeln sehr, ob ein solches Verfahren dem „konfessionellen Frieden" dient, noch mehr freilich, ob es für das Ansehen der Regierung nützlich ist. Man hat in Dresden in dieser Sache nachgerade so viele Fehler gemacht, daß es an der Zeit wäre, damit oufzuhören." In diesem Falle wäre doch der allein richtige und allein erfolgreiche Weg der der Klage auf Grund des PreßgesetzeS gewesen. Der Richter würde der Redaktion des „Dresdner Journals" schon klar gemacht haben, daß für sie dieses Gesetz ganz ebenso besteht, wie für die jedes anderen Blattes. Daß statt der Anrufung des Richters die Anstimmung eines Klage liedes beliebt worden ist, hat die unangenehme Folge, daß die „Tägl. Rundsch." über die sächsischen Verhältnisse folgende Be merkungen macht: „Die Sache wird, wie es scheint, invner ärger. Bisher haben wir von dem „Dresdener Journal" nur gewußt, daß seine Redak teur« Beamte sind, die von der Regierung nach Belieben als solche geschützt oder verleugnet werden können. Jetzt erfahren wir daß, abgesehen von der erwähnten sinnreichen Einrichtung, daS officielle sächsische Organ auch außerhalb des PreßgesetzeS steht. Denn bekanntlich besteht für die ganze deutsche Presse laut Reichsgesetz der Berichtigungs zwang. DaS sächsische NegierungSorgan setzt sich einfach darüber hinweg und nimmt rin Privilegium wahrheitSwidrigrr Berichterstattung st: si-*, i i Anspruch. Da, gesagt, ? i Red-- teure deS Blatte» an Gerichtsstelle al» Beamte anerkannt sind, so erscheint die Frage berechtigt: Was sagt die königlich sächsische Regierung zu dieser offenkundigen Verletzung eines ReichSgesetzeS durch königlich sächsische Beamte?" Wir erinnern uns, daß auch anderwärts, selbst in Preußen, amtliche Organe der gesetzlichen Berichtigungspflicht sich zu entziehen gesucht haben. Da hat man aber auch nicht ge zögert, vor die rechte Schmiede zu gehen. Und wäre daS auch m diesem Falle geschehen, so würde daS Berliner Blatt inne geworden sein, daß auch in Sachsen Reichsgesetze nicht un gestraft verletzt werden dürfen. Beinahe wäre die Fraktion der süddeutschen BolkSpartei einmal in einer Frage einig gewesen. In der Fleisch beschaufrage nämlich, und zwar sollte offenbar die Einigkeit in der Weise bervortreten, daß die Fraktion in corpore der Abstimmung fern bliebe. Aber die schlimme deutsche Un tugend deü NichtzusammenhaltenS verpfuschte diesen von Ge wissenhaftigkeit und glühendem Eifer für daS Volköwohl ein gegebenen Plan. ES fand sich ein Verräther, der mit der die „Demokraten" im Reichstag auszeichnenden agrarischen Gesinnung nicht zurückhielt. Wir lesen über diese höchst er bauliche Abstimmungsgeschichte im „Vorw." das Folgende: Die „Frankfurter Zeitung" ist über wichtige Vorkommnisse in ihrer eigenen Partei nicht unterrichtet. In einem „Kraftprobe Nr. 2" überschriebenen Berliner Briese berichtet daS Hauptorgan der süddeutschen Volkspartei über den Schlußverlauf der Reichstags- Verhandlungen über das Fleischbeschau-Gesetz. Dabei schreibt das Blatt: „Gegen das Gesetz haben, weil es Einfuhrverbote und damit eine bewußte Vertheuerung der Flcischnahrung ent- hält, die Socialdemokraten, die Volksparteiler und sämmt- liche Freisinnige gestimmt." An dieser Notiz ist Alles richtig, nur daß die „Volksparteiler" gegen das Gesetz gestimmt haben, ist nicht wahr. Erstens kann von einer Theilnahme von Volkspartei l e r n an der Abstimmung über das Fleischbeschau-Gesetz überhaupt nicht die Rede sein, denn von den sieben Mann, die die Partei im Reichstage zählt, fehlten bei der entscheidenden namentlichen Abstimmung über das Gesetz nicht weniger als sechs. Der einzige Abgeordnete aber, der von der Partei im Hause anwesend war, der Abgeordnete für Gera bronn, Augst, er stimmte nicht gegen, sondern für das Gesetz, wie er für dasselbe auch bereits in der Sitzung vom 21. Mai gesprochen hat. Die Volksporteiler haben also nicht gegen die Fleisch- vertheuerung gestimmt, sondern sich in ihrer Mehrzahl um die Ab- stimmung gedrückt oder gar dafür gestimmt. Diese Thatsache ist durch keine Flunkerei aus der Welt zu schaffen. Allerdings nicht. UebriHens hatte sich die „deutsche Volks partei" auch bei der Abstimmung über daS jetzt geltende Flottengesctz absentirt und in Frankfurt a. M. ein höchst dringliches Parteisest abgehalten. Wie sie sich Wohl zur gegenwärtigen Flottenvorlage verhalten werde? Für daS Endergebniß sind ihre Entschließungen indeß „egal". Am 3. Juni ist in Graz, der Hauptstadt Striermarks, die 20. Hauptversammlung des Wiener deutsche» Lchulvcreins abge^lten worden, wie uns ein Privattelegramm meldete, unter großartiger Betheiligung der deutschen Bevölkerung. Nach der jüngst herauSgegebenen Uebersicht über di« Thätigkeit des Vereins wurden Ende 7899 16 VereinSschulen mit 35 Elasscn la die Schulen zu Bene Ick. misch-Trübau, Drislawitz, Jablonetz, Pilsen (Prager Vorstadt) und Röscha bei Jechnitz, in Mähren die zu Eisenberg und Pawlow, in Schlesien di« zu Königsberg und Troppau (Rati- borer Vorstadt), in Galizien die zu Lipnik, in Steiermark die zu Lichtenwald, St. Egidi und Sauerbrunn, in Krain die zu Laibach und Mainle. Neue Schulen wurden im letzten Jahre nicht errichtet, auch wurde keine Erweiterung einer bestehenden vorgenommen. Dagegen wurden die Schulen zu Michalkowitz in Schlesien und zu Teschemoschna in Böhmen aufgelassen, weil öffentliche deutsche Schulen in diesen Orten errichtet werden mußten. Die fiinfclassige Vereinsschule in Pilsen wurde in eine dreiclassige Anstalt verwandelt. In 17 Orten, in denen einst keine deutschen Volksschulen bestanden, sind durch den Wiener Schulverein zuerst Privatvolksschulen errichtet worden, die man später in öffentliche deutsche Schulen umwandelte. ES ist dies geschehen in Böhmen: in Bösching, Böhmisch-Schumburg, Großgaltein, Jablonetz, Josefstadt, Königinhof, Teschemoschna. Rahlav, Wranova, in Mähren: in Freiberg, Königsfeld und Paulowitz, in Brünn, in Koller«do und Schreibendorf, in Schlesien: in Jarkowitz-Wlastowitz und Michalkowitz. in Steier mark: in Pikerndorf. Von den 31 Vereinskindergärten finden sich in Böhmen, Mähren und Schlesien 2ö, in Steiermark, Krain und Tirol 6. Die Errichtung von drei neuen Kinder gärten in Böhmen und Mähren wurde für 1900 in Aussicht genommen, 12 andere Kindergärten, einst vom Schulverein in Wien ins Leben gerufen, bestehen noch als Gemeinde- oder Privatkindergärten. Im verflossenen Fahre wurden ferner 50 Schulen und 52 Kindergärten mit ansehnlichen Beiträgen unterstützt, Schulbausubvenkion erhielten 10, Bibliotheken 15 Gemeinden. Mit Lehr- und Lernmitteln wurden 41 Schulen bedacht. Theils zur Gewinnung, theils zur Erhaltung tüchtiger Lehrer an Schulen sprachlich bedrohter Orte wurden 96 Ge haltszulagen und Ehrengaben verwilligt. In 73 Schulen wurden Weihnachtsbescheerungen veranstaltet. Die Gesammt- cinnahmen des Vereins im Jahre 1899 betrugen 222 376 fl. gegen 203 431 fl. im Jahr« 1898. Die frühere Höhe der Ein nahmen (1889 302 850 fl.) ist leider noch nicht wieder erreicht worden. Der unantastbare Gründerfonds, von dem nur die Zinsen verwendet werden dürfen, beträgt zur Zeit 193 455 fl. Beklagenswerth ist es, daß die Errichtung vieler höchst nöthiger deutscher Schulen immer wieder hincmsgeschoben werden mußte, weil cs an den Mitteln fehlt. Die Ansicht Derer, die dem französtfchen Ministerium Waldeck noch ein« längere Lebensdauer prophezeiten, scheint sich, trotz deS Zischenfalls, der zur Demission Gallifet'» geführt hat, bewahrheiten zu sollen. Die letzte Kammersihung ist ver- hältnißmäßig ruhig verlaufen und hat mit einem eklatanten Siege des Cabinets über die turbulenten Elemente der anti^ ministeriellen und nationalistischen Parteien geendet. Die Pa role: Keinen Spectakel mehr machen, sondern arbeiten, eine Parole, die von dem Ministerium ausgegeben wurde, hat die Zustimmung von gut zwei Dritteln der Abgeordneten — auch im Senat — gefunden. Der Weg zum Bösen wird zwar auch wohl in diesem Falle mit guten Vorsätzen gepflastert sein, und wir werden noch manche aufgeregte Sitzung erleben, aber eS ist höchst wahrscheinlich, daß die klein«, nicht der Noth als den eigenen Trieben gehorchende Regierungsmehrheit mindestens bis nach Schluß der Ausstellung Zusammenhalten wird. Inzwischen geht, wie dem „Hamb. Corr." geschrieben wird, in der nationalistischen Presse die Hetze gegen den neuen Kriegsminister munter weiter, der sich bereit» al» der energische Mann -rw-.-st, für den er von verschiedenen Seiten aus- rtkg'.or..' seiner ersten Regierung-Handlungen war, wie mitgetheilt, ein VerleumdungSproceß, den er gegen die „Aurore" und auch gegen den „Jntransigeant" anstrengte. Die Auflösung des bisherigen Militärcabinets scheint er auf den Rath seines Vorgängers vorgenommen zu haben. Hat doch Gallifet, allen Traditionen entgegen, es nicht für angezeigt ge halten, sich von den Officieren seines Cabinets und den Beamten seines Ministeriums zu verabschieden. Da» heißt doch, daß General Gallifet die betreffenden Beamten und Officiere seines Dankes nicht für würdig hält. Gallifet hat sich auch wiederholt dahin ausgesprochen, daß er hauptsächlich wegen der in seinem eigenen Cabinet und in seinem eigenen Ministerium gegen ihn gesponnenen Jntriguen gegangen sei. Nach dem „Temps" behält General Andrß vom bisherigen Civilcabinet des Kriegsministers außer dem Direktor Cazelles den Unterchef Morel bei. Der Krieg in Südafrika. -g. In London schon vor einigen Tagen verbreitete Nach* richten, daß Pretoria von den Boeren ausgegeben und daß die britisch« Flagge bereits auf dem von der Statue der Freiheit überragten Eentralthurm deS RegierungSgebäudeS gehißt sei, haben sich nicht bewahrheitet, vielmehr wird über Lourentzo Marques gemeldet, daß die Boeren nach Ankunft starker Eommando« von Gutsbesitzer, aus dem Gouvernement Radom, begegnet, Paul von Kraszinski, welcher, seiner Angabe nach, Geschäfte halber den Winter in Petersburg verlebte und durch seine Familienver bindungen bald in den ersten Häusern und Clubs Zutritt ge funden hatte. Von schöner, schlanker Gestalt, war der dunkel lockige, geschmeidige Pole, mit den blitzenden schwarzen Augen und den von einem feinen, eleganten Schnurrbart leicht beschatteten rothen, jugendfrischen Lippen bald ein Liebling der Salons. Ein unermüdlicher flotter Tänzer, erfreute er sich vor Allem der Gunst der Damen, welche darin übereinstimmten, besonders seine dunklen, im Gespräche oft seltsam aufleuchtenden Augen wunder bar bezaubernd und unwiderstehlich zu finden. Auch Anna fühlte sich bald von Kraszinski's ritterlich vor nehmem Wesen sympathisch angezogen. Immer häufiger be schäftigten sich ihre Gedanken in einsamen Stunden mit dem eleganten Cavalier, der ihr wie eine Jdcalgestalt männlichen Wesens und ritterlicher Tugenden erschien. Je öfter sich ihre schüchternen Blicke mit seinen Augen begegneten, die stets so ver liebt bittend und voll schwärmerischer, glühender Verehrung auf sie gerichtet waren, desto mehr verschwanden die Bedenken und Vorurtheile, die sie als echte Tochter eines Altrussen gegen pol nisches Blut hegte. Als dann ein Tag kam, wo er, die günstige Gelegenheit eines Gartenfestes benutzend, ihr seine Liebe gestand, vermochte sie nicht, ihn abzuweisen, wozu sie noch kurz vorher fest entschlossen gewesen war. Seit jener seligen Stunde, in der sich ihre Herzen gefunden hatten, lebte sie wie in einem Freuden räusche. Alle Bedenken von sich werfend, deuchte es ihr bald sicher und selbstredend, daß sie im Verein mit dem Geliebten leicht alle Hindernisse überwinden würde, die sich ihrer Liebe entgegen stellten. Nur der Gedanke an ihren Vater, dessen Abneigung gegen Polen ihr wohlbekannt war, während seinerseits ihr Er wählter aus seiner feurigen Liebe zu seinem unglücklichen Vater land« und au» seinen Hoffnungen auf dessen Wiederauferstehung von seinem tiefen Fall vor ihr nun kein Hehl mehr machte, drängte sich manchmal störend und beängstigend in ihr junges Liebe»- leben. Um so mehr erkannte sie, daß vorläufig ihr süßeS Ge- heimniß vor Aller Augen sorgsam verborgen bleiben und eine günstige Wendung erwartet werden müsse, ehe sie daran denken konnten, deS Vaters Einwilligung zu erlangen. Gerade diese Heimlichkeit gab jedoch ihrer Lieb« nur einen weiteren neuen Reiz. Bald liebte sie mit der ganzen heißen Leidenschaftlichkeit ihre» Temperament». Ihr eleganter, ritterlicher und treuer Verehrer wurde mehr und mehr der geheime, aber absolute Beherrscher aller Regungen ihre» noch kindlich vertrauenden Herzen». So hegte sie auch keinerlei Bedenken, als er ihr vorschlug, im Ge heimen regelmäßig wenigstens Briefe mit ihm zu wechseln. Sahen sie sich doch oft tagelang nur wenige flüchtige Augenblicke, und immer nur in größeren Gesellschaften, wo es vor Allem galt, ihr Glück vor den scharfen Augen so vieler müßiger und bos hafter Beobachter zu verbergen. Jede andere Gelegenheit, von ihrer Liebe zu sprechen und ihren schwärmerischen Gefühlen Aus druck zu verleihen, fehlte Anna Feodorowna. Die einzige Mög lichkeit hierzu bot eben nur ein verstohlener Briefwechsel, den ein zurichten der listige Scharfsinn des liebenden Mädchens, wie die Weltkenntniß und Geschicklichkeit des schönen Polen bald einen sicheren Weg fanden. In dem Bestreben, dem Geliebten ein ge treues Bild ihres täglichen Lebens zu geben, gestaltete sich be sonders von Seiten Anna Feodorowna's dieser Briefwechsel bald zu einem sehr lebhaften. Auch fand sie Gefallen daran, ihrem Verlobten ausführliche Schilderungen aller Personen ihrer Um gebung zu schreiben, wobei sie in jugendlicher Unbesonnenheit mancherlei spöttisch witzige Bemerkungen nicht scheute. Und Paul von Kraszinski wußte ihr nicht genug zu wiederholen, wie ent zückend er ihre lebhaften Berichte über die Festlichkeiten und andere Vorkommnisse in den intimsten, dem Herrscherpaare nächst stehenden Hofkreisen, zu denen er selbst keinen Zutritt hatte, fände, und mit welchem Vergnügen er ihre scharfen, ungeschminkten Charakterzeichnungen so manches hochvermögenden Staats würdenträgers gelesen habe. Diese Lobsprüche deS geliebten Mannes beglückten sie aufs Höchste. Zugleich schmeichelte es ihrer Eitelkeit, wenn dieser gar nicht genug von ihrem alltäglichen Leben erfahren konnte und sie dann in seiner polnisch enthusiasti schen Weise als eine russische Madame de SLvigne feierte und ihre Briefe mit den Schilderungen verglich, welche diese hoch berühmte Briefschreiberin von dem intimen Leben der Umgebung del großen „Sonnenkönigs", Ludwig'» LIV., und seines Hofes in Versailles entworfen hat. * * * Ungeachtet aller von den Liebenden aufgewrndeten Vorsicht konnte indes ihr geheimes Einverständniß aus die Dauer der scharfen Aufmerksamkeit de» General» von EomienSkij nicht ent gehen. In ernster, doch freundlich milder Weise forderte er eine» Tage» seine völlig überraschte Tochter auf, ihm Alle» zu beichten. Zu Anna Feodorowna'» unaussprechlicher Freude nahm ihr Vater da» Geständniß ihrer Liebe zu Paul von Kra»zin«ki mit mehr Ruhe auf, und erhob weniger Einwände, al» sie bi» dahin gefürchtet hatte. Wohl sprach er e» offen au», wie beunruhigend und selbst schmerzlich es für ihn, den treuen Soldaten und Diener des Zaren, sei, sein einziges Kind gerade einem Mit- gliede des politisch noch immer unzuverlässigen polnischen Adels zur Frau zu geben. Doch diesen seinen Vorurtheilen, die viel leicht betreffs Paul von KraszinSki's thatsächlich unbegründet seien, wolle er, — so sagte er der freudig Erbebenden —, das Glück und den Seelenfrieden der Tochter nicht opfern. Heilige Vaterpflicht sei es ihm freilich, zunächst die eingehendsten Er kundigungen über den jungen Edelmann einzuzichen. Zu diesem Zwecke würde er selbst mit ihr nach Warschau reisen. Dankbar küßte Anna des Vaters Hand, da sie keinen Augen blick daran zweifelte, daß eS keinen edleren und besseren Mann im ganzen weiten Russenreiche geben könne, als eben ihren ein zigen Paul! Für lange Zeit hinaus sollte die» de» Glückes letzter Sonnen strahl sein, der auf ihrem Lebensweg leuchtete! ES wurde dem General leicht, in Warschau Näheres über Paul von KraSzinski zu erfahren. Der junge Pole war in seiner Heimath nur zu bekannt al» frivoler Wüstling, der den größten Theil seines väterlichen Erbe» in rohen Ausschweifungen ver schleudert hatte, so daß ihm von dem einst bedeutenden Familien besitze nur noch ein kleines, verwahrloste» Gut, da» ebenfalls mit Schulden überlastet war, verblieb. Vielleicht hätte der selbst sehr begüterte Graf von SomienSkij über die ungünstige finanzielle Lage und selbst über die stürmische Vergangenheit seine» zu künftigen Schwiegersöhne» sich leicht hinweggesetzt, hätte er nur zugleich irgend welche Gewißheit einer neuerlich eingetretenen Sinnesänderung de» jungen Edelmanne» erhalten. Doch von allen Seiten mußt« er hören, daß Paul von Kra»zin»ki «in leiden schaftlicher Spieler und berüchtigter, schon in manch« häßlich« Skandalaffaire verwickelt gewesener Raufbold sei, dessen Ruf ein so stadtbekannt abscheulicher war, daß jeder Gedankt seiner ehe lichen Verbindung mit der Tochter einer ehrenwerthen Familie völlig ausgeschlossen erschien. Beklommenen Herzen» mußte der General seinem unglück lichen Kind« dies« Nachrichten mittheilrn, welch« di« Ahnungs lose wie ein Blitzstrahl zu Boden zu schmettern drohten. Mit weitgeöffneten, entsetzten Augen starrt« sie auf den Vater. Ein krampfhafte» Zittern ließ ihr« schlanken, schmiegsamen «lieber wie im Fieberschauer erbeben, während tödtlich« Bläff» ihr lieb- licht» und noch so kindliches Gesichtchen bedeckte. Al» sie jedoch di« ganze schreckliche Wahrheit erfahren hatte, zeigt, sich di« kleine Comtesse der energischen, tapferen Soldatennatur ihre» Vater» würdig. Stolz und scheinbar völlig gefaßt, richtete sie sich al»- Feurlletoir. Aus -em Leben einer Russin. 1j Von Th. v. Fabrice. Nachdruck verboten. Nach langer Unterbrechung, die der für Rußland so ver lustreiche Krimkrieg herbeigeführt hatte, entfaltete sich in den höheren Kreisen Petersburgs mit dem Beginn des Winters 1856 wiederum das gesellschaftliche Leben in altgewohntem Glanze. Prachtvolle Feste und Vergnügungen aller Art folgten sich in ununterbrochener bunter Reihe. Bei allen Festen der engsten Hofkreise zählte Anna Feodo rowna, die eben erst die kaiserliche Erziehungsanstalt für adelige Fräulein verlassen hatte und nun von ihrem Vater, dem hoch angesehenen General Grafen von SomienSkij, bei Hofe vorgestellt und damit in die große Welt eingeführt worden war, zu den ge feiertsten und mttst umworbensten Schönheiten. Und in der That sah sie wunderhübsch aus, die kleine Comtesse, wenn sie am Arme ihres VaterS in Gesellschaften erschien, und lustig, ja selbst übermüthig sprühten ihre Augen unter den dunklen Wimpern hervor bei dem ihr noch ungewohnten Anblick all' des Glanzes, der sie hier mit farbenreich blendendem Schimmer verführerisch umfing. Der früh verwittwete General liebte seine Tochter, sein einzige- Kind, innig, war jedoch von einer unbeugsamen Starr heit in allen Principienfragen. Auch von ihr forderte er die völligste Unterordnung und überwachte scharf und genau jeden ihrer Schritte. Die» schien freilich keine allzu schwere Aufgabe zu sein. Mit der in der slawischen Natur liegenden leichten An passung an da» elegante Gesellschaftsleben hatte Anna Feodo- rowna sehr bald die vollendete Sicherheit deS Auftretens ge wonnen, wie sie ihre Stellung in den Salon» der höchsten Kreise der Residenz erforderte. Keck und graziös, wie eine kleine Königin, stand sie al-bald im Kreise zahlreicher Verehrer, und nahm mit entzückendem, kindlich übermiithigem Lächeln die über schwenglichen Huldigungen entgegen, mit denen diese sie von allen Seiten überschütteten. Anscheinend zeichnete sie keinen unter der großen Schaar ihrer Courmacher irgendwie im Besonderen au». Dennoch hotte längst in aller Heimlichkeit ihr leidenschaft liche», heiße» Herzchen sich der Liebe Allgewalt geöffnet. Im Haust einer befreundeten FamUie war fl« einem jungen, polnischen
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