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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.06.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000606010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900060601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900060601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Passarge»Berlin begründet zunächst den Folgenden: „Die Hauptversammlung Wolle beschließen: die Regierung zu ersuchen, für Deutsch-Skdwestafrika Gesetze zu erlaßen, welche die Verheimlichung des Vorhandensein- von Diamanten unmöglich machen und die Diamantminen besitzenden Gesellschaften in derselben Weise zwingen, deren Abbau zu betreiben, wie der Oranje-Freistaat die De-Beers-Company zum Abbau der Minen von Cossyfontein und Jagersfontein gezwungen hat". Hierzu liegt ein Abänderungs antrag des Ausschusses vor. Der Referent, dessen Stellung zu den Land- und Minen- concessionen an die South-West-Afrika-Company u. a. englisch deutsche Gesellschaften auS seinen Aufsätzen in den colonialen Zeit- fchristen her bekannt ist, wandte sich in schärfster Weise gegen die Art und Weise, wie da- Colonialamt unter Herrn v. Buchka große deutsche Gebietstheile sozusagen verschleudert habe. Man könnte wohl sagen, daß Deutsch-Südwestasrika zu zwei Dritteln an die De-Beers-Company verschenkt sei. Die Ausrede, daß man ja politisch Herr über daS Land bleibe, daß man das Verkauf-recht besitze und daß überhaupt das verschleuderte Land keinen besonderen Werth habe, zeige, wie unsicher man sich im Colonialamt fühle. Man wisse doch ganz genau, welche große politische Pläne Cecil Rhodes mit Süd-Afrika verfolge, und man müsse ihm nach dieser Richtung hin leider einen größeren Patriotismus nach- rühmen, als ihn deutsche Großcapitalisten von der Art des Herrn von Hansemann u. A. an den Tag legten. (Beifall.) Eine überaus traurige Rolle spielten bei den Minen-Concessionen die an geblich deutschen Mitglieder der betreffenden Gesellschaften, die in Wahrheit ganz im Solde Englands ständen. Redner greift schließ, lich den als Vertreter der Abtheilung Hamburg im Saale anwesenden Rechtsanwalt Or. Scharlach-Hamburg, der bekanntlich einer drr Directoren der in London residirenden South-West-Africa- Company ist, in sehr heftiger Weise an und ruft ihm schließlich zu: Sehen Sie mich mal an, Herr vr. Scharlach, wenn Sie den Muth haben! Or. Scharlach (in höchster Erregung): DaS werde ich nicht thunl Das ist ja eine Frechheit, eine Unverschämtheit! (Allgemeine Ohorufe und große Be wegung.) Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg: Ich ersuche dringend, alle Zwischenrufe und beleidigenden Bemerkungen zu unterlassen! vr. Passarge erklärt, er habe nichts mehr hinzu- zufügen. Zn demselben Puncte begründen dann noch die Abteilungen Danzig und Sachsen-Anhalt folgende Anträge: 1) „Die Hauptversammlung wolle beschließen: Es ist bei der Reichsregierung aufs Dringendste vorstellig zu werden, daß alle Gerecht same zur bergmännischen Ausbeutung in unseren Schutzgebieten ausschließlich deutschen Gesellschaften und deutscher Capitalskraft Vorbehalten bleiben sollen, und die Regierung aufzufordern, Cautelen zu schaffen, welche da» "Vorwiegen des deutschen Einflusses gewährleisten." 2) „Die Hauptversammlung wolle beschließen: Der Vorstand möge seinen Einfluß bei der ReichSregierung dahin geltend zu machen suchen, daß fernerhin an auSläodische Gesellschaften deutscher Colonialbesitz in keiner Form überlassen werde." Auch zu diesen beiden Anträgen liegen Abänderungsanträge de- Ausschusses vor, die der Referent Geh. Regierungsrath Simon- Verlin eingehend damit begründet, daß man der Regierung nicht zu weitgehende Anträge unterbreiten dürfe. Was man Im Allge meinen wünsche, sei da», daß Landconcessionen und dergleichen vor ihrem Abschluß der öffentlichen Kritik bereitgestellt werden müßten. (Beifall.) Es erhält dann Rechtsanwalt vr. Scharlach-Hamburg das Wort. In fast «instündiger Rede vertheidigt er seine Stellung al» Director der South.West-Asrica-Company und versucht eingehend nachzuweisen, daß diese Gesellschaft wohl ein au» eng- lischen Capitalisten zusammengesetzte» Consortium sei, daß aber die Leitung deutschen Tendenzen huldige. Im Vorstand« säßen nicht weniger als sieben Deutsche, darunter Frh. von Norden flycht, Exc. von Brandt, Woermaun, Wichmann und er, Redner. Lediglich die Unlust de» deutschen Capital-, sich an colonialen Unternehmungen zu brthriligen, habe ihn al» den Gründer der Gesellschaft im Jahre 1892 gezwungen, da» englische Capital in Anspruch zu nehmen. Erst im Jahre 1897 hab« er in Deutsch, land 40 Millionen für da- Unternehmen flüssig zu machen ver mocht. Den weitern Vorwurf vr. Passarge-, daß man drr letzten bergmännischen Expedition nur einen einzigen deutschen Ingenieur und sonst lauter Engländer brigegeben habe, sucht er mit dem Hinweise daraus zu «utkrästeo, daß di« deutschen Ingenieure viel zu hohe Honorare verlangt hätten, während di« englischen zu genau denselben Preisen wie iu der Hrimath zu arbeiten pflegte«. E» genüge wohl, wen» er die Erklärung abgrbr, daß er, wie bi-h«r, so auch fernerhin, da» Wohl der Coloni« und de» Vaterland«» in seiner Stellung wahrzunehmen gedenk«. Im All- gemeine» müße er de« deutschen Stawmrsgen offen den Vorwurf machen, daß fi« viel zu viel Furcht vor de« Engländern und zu wenig Zuversicht zu ihre» nationale» Eigenschaften hätten. Ander- laste es sich kaum erklären, daß man ihm derartig« Vorwürfe zu machen wage. E» sei sehr zu wünschen, daß man di« Colonial- Politik mehr von grfchäftlichen al» von politisch«» Gesicht-puncten au» betracht« und, statt zweimal in der »och« politisch« Vorträge zu halten, lieber an «tu« praktisch« nutz d««tza»s g«sch»ft»m»ßig« Ausnutzung der Colonien denke. Er sei sich bewußt, daß alle einsichtigen Leute, die in den Colonien nicht eine Ver- sorgungsanstalt für Osficiere und Beamte, sondern ein geschäftliches Unternehmen erblickten, das ausgenützt werden müßte, hinter ihm ständen. Vor Allem billige auch die Colonial verwaltung seine Anschauungen nach dieser Richtung hin vollkommen, wie er denn auch seit Jahren in colonialen Kreisen, besonder» bei den Colonialdirectoren von Kayser, von Richthofen und von Buchka, als coloniale Autorität gelte und s. Zt. bei der Frage der Landconcessionen um sein Gutachten befragt worden sei. Man solle doch nichts Anderes hinter seinen Erklärungen suchen, al» dahinter zu finden sei. Er nehme das Recht für sich in An spruch, ein ebenso guter Patriot und Colonialpolitiker zu sein wie die anwesenden Mitglieder der Colonialgesellschaft. (Beifall und starkes Zischen.) Hierauf nahm der Vertreter des Auswärtigen Amtes daS Wort zu der Erklärung, daß die deutsche Regierung nicht nur den besten Willen habe, sondern auch die Mittel und Wege finden werde, um die deutsch-nationalen Interessen in der Frage der Landconcessionen nach allen Richtungen hin zu wahren. Die Angebote seien stets vorsichtig geprüft worden und die bestehenden Verträge müßten doch unter allen Umständen geachtet werden. (Schwacher Beifall.) Staatsminister v. Hofmann: Er müsse Namens der ganzen Gesellschaft gegen den Vorwurf protcstiren, als ob irgend ein Mit- glied weniger Patriotismus und weniger Muth besitze als vr. Scharlach. (Lebhafter Beifall.) Trotz der langen Rede des Herrn vr. Scharlach bleibe doch im Allgemeinen die Ansicht be- stehen, daß durch die Co.ncessionen an die South-West-Africa-Com- Pany eine erhebliche Beunruhigung in den interessirtcn colonialen Kreisen hervorgerufen sei und trotz der Erklärungen Scharlach's be- stehen bleiben werde. (Beifall.) Bei aller Hochachtung vor dem Colonialamt und seinen Leistungen müsse man doch sagen, daß diese Concefsionen Muster von solchen seien, wie keine Regierung sie je ertheilen sollte. (Stürmischer Beifall.) Wenn die South-West-Africa-Company einen angeblich ganz harm losen Vertrag mit der De-Beers-Company über die Ausbeutung der Minen abgeschloffen habe, so solle sie ihn doch einsach ver- öffentlichen. (Sehr richtig!) vr. Scharlach-Hamburg: Dem stehe Herr Woermann entgegen, weil er nicht wolle, Laß die Gesell schaft in eine VertheidigungSstellung gerathen solle. (!) v. Hofmann: Dann möge Herr Woermann aber auch den Zeitungen verbieten, die Deutsche Colonialgesellschaft anzugreifen, weil sie an- geblich nicht Klarbeit zu schaffen bemüht sei. (Beifall.) vr. Pasfarge-Berlin erklärt, daß für 600 Mark jeder deutsche Ingenieur gern mit der Expedition gegangen wäre;man habe sie abereinfach nicht gefragt. Damitschließt dirDebatte. Die Antragsteller ziehen sämmtlichihreAnträgezuGunsten desAusschnß-Antrages zurück,der hierauf in folgenderFassung einstimmig zur Annahme gelangt: „Die Hauptversammlung wolle beschließen: den Herrn Reichs kanzler zu ersuchen, nur solche Gesellschaften auf Grund von Land oder sonstigen Concefsionen zur wirthschaftlichen Erschließung unserer Colonien zuzulassen, in deren Verwaltung der deutsche Einfluß aus schlaggebend gesichert ist und auch dauernd gesichert bleibt. Bei Ertheilung von Concefsionen für bergbauliche Betriebe, insbesondere auf Edelmetalle und Edelsteine, soweit solche Concefsionen nach der kaiserlichen Verordnung vom 15. August 1889 überhaupt noch zulässig sind, wolle die Regierung außerdem Vorsorge treffen, daß mit dem Bergbaubetriebe binnen einer bestimmten Frist begonnen und die Gewinnung abbauwürdiger Lagerstätten bei Verlust der Genehmigung mit ausreichendem Capital nach technisch bewährten Grundsätzen gesichert werde." Der Verteter des rheinisch-westfälischen Gauverbandcs constatirt, daß die Gesellschaft wohl in der Ueberzeugung einig sei, daß man auch jfernerhin den englischen Gesellschaften in den deutschen Colonien mißtrauisch gegenüberstehen müsse. (Lebhafter Beifall.) Wie man sieht, erkennen nicht einmal die kühlen rheinisch westfälischen Geschäftsleute und selbst nicht einmal der greise, bedächtige Staatsminister a. D. von Hofmann die Scharlach - Buchka'sche Lehre an, daß eS ganz gleich sei, wer deutsche Colonien auSbeute, Deutsche oder Werkzeuge des Herrn Cecil Rhode». Den schönen Vergleich zwischen den deutschen Besitzungen in Afrika und den vor vielen Jahr- zehnten von Engländern in Deutschland errichteten Gas anstalten und Pferdebahnen hat selbst Herr Scharlach nicht zu wiederholen gewagt, aber dieser Herr hat noch immer Erklecklicheres riskirt, indem er Erwachsene glauben zu machen versuchte, englische» Capital suche oder dulde bei seinen Unternehmungen Leitungen mit „deutschen Tendenzen". Wenn eS wahr sein sollte, daß englische Ingenieure in Süd westafrika für dasselbe Gehalt, für daS sie in der Heimath zu arbeiten pflegen, sich verpflichtet hätten, so gäbe eS dafür nur eine Erklärung: Herr Rhodes honorirt sie heimlick höher, um den deutschen Wettbewerb fern zu halten. Für die europäischen Preise ist in Afrika ein europäischer Ingenieur nur in AuSnahmcfällen zu haben. Die „Unlust des deutschen Capital«, sich an colonialen Unternehmungen zu betheiligen", ist, ganz abgesehen von ihrer Entstehung-Ursache, der Zanzibar- und Wltupolitik, recht begreiflich, so lange Herren wie Rechts anwalt Scharlach Vertrauensmänner der Colonialverwaltung bleiben. Der Krieg in Südafrika. —l». Noch rascher al« wir vermutheten, hat Feldmarschall Robert« den Fuß auf den Boden der Tran«vaalhauptstadt grsetzt: Pretoria «ft geräumt, und die Engländer sind in die Stadt eingezogen. Schon durch Extrablatt verbreiteten wir gestern folgende Meldung: »London, ü. Juni. (relegrumm.) Eine Depesche de» -eldmarscholls Eodevts ««» Pretoria »o» ». Juni 11 Mir 4V Min. Vormittags lautet: Wir sind im Be sitz Pretorias, der osfictelle Einzug erfolgt S Uhr Nachmittags. Damit ist unsere Erwartung, daß die Boeren die Stadt nicht zu halten gedächten, rasch bestätigt worden, nur daß wir geglaubt hatten, sie würden die Uebergabe der Stadt aus den mehrfach erörterten Gründen noch eine Weile hin zögern. Was maßgebend für die nach unserem Dafürhalten verfrühte Preisgabe gewesen, läßt sich im Augenblick nicht sagen. Ueber Brüssel wird lediglich auS Pretoria gemeldet: Krüger beschloß die Räumung der Hauptstadt in Folge eines KriegsratbeS, dem alle Boerengenerale beiwohnten. Das Ende de» Krieges ist damit noch nicht gekommen. Krüger hat bekanntlich „Kampf bis zum Tode" procla- mirt und „Daily Expreß" meldet aus Lourentzo Marques: Am letzten Dienstag fand in Pretoria eine Versammlung von 10 000 Bürgern statt. General Botha hielt an dieselben vom Balcon des NegierungSgebäudeS aus eine leidenschaftliche Ansprache, die den Erfolg hatte, daß in einer Resolution be schlossen wurde, den Kampf bis zum bitteren Ende fortzu setzen. Lukas Meyer und Andere redeten ebenfalls zu der Versammlung. Ueberall wird daS Gras verbrannt. Dem selben Correspondenten zufolge wird auS Pretoria gemeldet, daß die Boeren, ehe sie Johannesburg verließen, den größten Theil des Proviants mit sich nahmen. Bei Elands- sontein sollen 700 Engländer zeitweilig gefangen ge nommen sein; da man sie aber nicht nach Pretoria milnebmen konnte, wurden sie freigelassen. — Einer Meldung der „Central News" aus Louren^o Marques zufolge kam daselbst Frau Reitz mit Familie in einem Salonwagen an, der dem Extrazuge angehängt war, auf welchen auf ein Telegramm von Pretoria hin der Dampfer „Bundesrath" zehn Stunden warten mußte. Im Wagen des Zugführers desselben Zuges waren zwei große Geldschränke an den Fußboden angeschraubt, die von bewaffneten Holländern bewacht waren. Der Zug wurde bis zum äußersten Ende des portugiesischen PierS gefahren. Dann wurden 36 Kisten Barrengold in einen kleinen portugiesischen Regierungsdampfer hinabgelassen, der dann gleich zum „BundeSrath" hindampfte. — Aus Dover wird gemeldet, daß sich unter der indischen Post, welche Sonnabend in Dover gelandet wurde, ein weg genommener Sack Depeschen auS Pretoria befand, der an das englische Auswärtige Amt weilergeschickt wurde. Der Sack war nach Neapel adressirt und in Aden gelandet, um von dort durch einen deutschen Dampfer befördert zu werden. AuS Versehen wurde er aber mit der indischen Post verschifft und mit dieser nach Brindisi gebracht, wo die englischen Behörden ihn in Besitz nabmen. Der Sack soll wichtige Depeschen der Transvaal-Regierung, auch solche an die in Amerika weilenden Delegirtcn enthalten. Geflissentlich heben die englischen Meldungen hervor, daß es deutsche Dampfer waren, welche sich angeblich den Boeren gefällig erwiesen; man kann sich also wieder auf beleidigende Jnvectiven gegen Deutschland gefaßt machen. Telegramme von Lasfan's Bureau „bestätigen", baß seit der Abreise Krüger's Anarchie in Pretoria herrschte. Die Boerenregierung gab Papiergeld in Höhe von einer Million Pfund Sterling und beabsichtigte, alle Goldbestände der Banken zu beschlagnahmen. Als dies bekannt wurde, beschlossen die Bankleiter, einer solchen Maßregel bewaffneten Widerstand zu leisten. Die Bürger plünderten in Pretoria die Staatsmagazine. Ebenso „zuverlässig" will „Morning Leader" erfahren haben, daß die Londoner Botschafter von drei Großmäckten sich von der britischen Regierung eine Erklärung darüber erbaten, welche Zugeständisse Transvaals England befriedigen würden. Die Antwort lautete, nach der Unterwerfung Trans vaals müsse Alles dem Edelmuth der britischen Regierung überlassen werden. Der „Edelmuth" Englands! Welche eovtrrräietio in ackjecto! Der Krieg und Vie Friedensgrsellschaften. Man schreibt uns aus London, 3. Juni. Daß Friedenskongresse, Vereine zur Förderung der Ab rüstung und ähnlich wohlwollende Veranstaltungen wenig mehr als platonischen oder allenfalls noch conversationellen Werth haben, ist den praktischen Politikern niemals rin Geheimniß ge blieben, und thatsächlich haben alle Versuche, da Frieden zu machen, wo Krieg in der Luft lag, bis jetzt immer noch FiaSco gemacht und werden das voraussichtlich auch weiterhin. Ein recht drastisches Beispiel, dem es übrigens an einem ge wissen humoristischen Anstrich nicht gebricht, giebt das Verhalten der englischen und der holländischen Fnedensgesellschaft jetzt. Diese beiden Gesellschaften, die „Niederländische Liga für inter nationale Abrüstung" und die „vritisb nnä koreipm ^rdi- trutiou X88ocistion", die bis jetzt, wie man es von Friedens vereinen nicht anders erwarten kann, in innigster Harmonie ge arbeitet haben, find sich auf einmal spinnefeind geworden, und da- kam so: Die niederländische Gesellschaft sandte der englischen einen Bericht über den Empfang der boerischen Friedensmiffion im Haag. Das DocumeNt enthielt die Ansprachen der Herren Fischer, Molmaran und Wessels über den Zweck ihrer Reise, und es scheint, als ob die Dosis ein wenig zu stark für das gute und patriotische Gemüth der englischen Idealisten gewesen sei. Als Antwort ging der niederländischen Brudergemeinschaft mit wendender Post eine Kopie des Protestes zu, den die englischen Frieden-leute im vorigen October an Präsident Krüger gesandt hatten. Diese Botschaft sprach bekanntlich in nicht gerade sehr schmeichelhaften Au-driicken von der Politik Krüger'-. Die niederländische Liga wurde daraufhin unangenehm und schrieb zurück, daß ihre Mitglieder ihre Ansichten über die Ursachen des Kriege» „voll und ganz" aufrecht erhielten; es sei ja richtig, daß die Regierung und Verwaltung in Pretoria vielleicht nicht die allerbeste sei, aber trotzdem seien die Beschwerden der Uitlandrr nicht der Rede Werth gewesen. Ziemlich energisch und kampfes- muthig ging e» in dem Schreiben dann weitrr: „Dagegen ist be wiesen, daß die Bande jüdischer und sogar auch englischer Capi talisten mit Mr. Rhode» an der Spitze den Krieg um jeden Prei» haben wollte, und sie haben Alle- gethan, um sowohl die englische als auch die Boerenregierung zu verbittern und auf- zuhehen. Sowie e» schien, daß di« Verhandlungen zu einem friedlichen Ende führen würden, streuten sie durch die von ihrem Golde gekaufte Presse die schamlosesten Lügen aus." Dai war zu viel für die friedlichen Gemüther der „Vritisll nvcl koroign ^rbitrution ^88oointion", und so ging denn ein geharnischter Brief an die niederländischen Freunde ab, in dem diese von ihren Brüdern jenseits des Canals erfuhren, daß Krüger ebenso, wie sein Ultimatum, „frech und unverschämt sei, und daß die Nieder länder offenbar die ganze Sache nicht recht verstanden hätten". Wer stiftet jetzt Frieden zwischen den Frtedensgesellschaften? Deutsches Reich« — Leipzig, 5. Juni. Die nationalliberale Partei im Königreich Sachsen wird im Herbst d. I. einen Parteitag für die Lausitz in Zittau unter Antheil- nahme hervorragender Abgeordneter der Partei veranstalten. -7- Berlin, 5. Juni. (Zweierlei Maß.) Die neunte Strafkammer des Landgerichts I Berlin hat am 2. Juni dieses Jahres einen Glasermeister, dessen Frau, einen Schlosser, einen Kellner, einen Tapezierer und einen Hand lungsgehilfen wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels resp. wegen Beihilfe dazu mit Gefängnißstrasen belegt, die von 2 Wochen bis zu 1 Jahre aufstiegen. „Als besonders gemein- gesäbrlick wurde eS vom Gerichtshöfe bezeicknet, daß durch das Treiben der Angeklagten die Spielsucht der unteren Classen, wie kleiner Handwerker, Hausdiener u. s. w. gefördert worden sei." So bericktet der „Vorwärts"; trotzdem begnügt er sich mit dem Abdruck eines objectiven Berichts und verzichtet darauf, über die gewerbsmäßigen Glücksspieler und ihre Kundschaft ein kritisches Wort zu sagen. Wie anders verhielt sich daS socialSemokratische Centralorgan und — mit einer einzigen Ausnahme — die gesammte Socialdemokratie gegenüber dem Harmlosen-Proceß! Da wurden die „Harm losen" als Vertreter der bürgerlichen Classen im Allgemeinen auSgegeben und „Genosse" Liebkneckt sagte auf dem Han noverschen Parteitage: „Ist die Classe, deren Vertreter jetzt auf der Anklagebank im Harmlosen-Proceß sitzen, besser ge eignet, den Staat zu regieren, als das Proletariat, wie e« heute ist?" Worauf „Genosse" Bebel entzückt ausrief: „DaS hast Du gut gemacht, Alter!" Die socialdemokratische Sittlichkeit gr- stattet eben, die Augen vor der Thatsache zu verschließen, daß die Spielsucht in allen Schichten der Bevölkerung ver breitet ist. Nicht weniger heuchlerisch zeigt sich auch jetzt wieder der „Vorwärts" in Bezug auf die geschlechtliche Sittlichkeit. Ein Münchener Kuppelei-Proceß, in dem Mitglieder der Münckener Aristokratie als Zeugen auf traten, wird in der Pfingstnummer de« „Vorwärts" nicht nur gegen die „Stützen von Thron und Altar" moralisch und politisch ausgenützt, sondern eS wird anck dem Gerichtshöfe der Aus schluß der Oeffentlichkeit zum Vorwurf gemacht. Al» aber am 19. Mai d. I. in Berlin ebensalls unter Ausschluß der Oeffentlichkeit gegen einen Laternenanzünder und Schul diener verhandelt wurde, der die eigene Tochter und andere kaum der Schule entwachsene Mädchen an Handwerksgeselle», Bierkutscher», a. verkuppelt hatte, da fand der „Borw." — vergleiche feine Nummern vom 30. März und 20. Mai d. I. — weder über die Zeugen noch über den Ausschluß drr Oeffentlichkeit ein Wort deS Tadels. Der Grund für diese Enthaltsamkeit ist derselbe wie für daS Schweigen über den Spielerproceß vom 2. Juni: Kritik darf nur an An gehörigen der besitzenden Classen geübt werden, damit die Massen, an der Selbsteinkehr verhin- dert, um so williger dem Wahne von der regierungsfähigen Reife des Proletariat- fick ergeben, dem Wahne, dessen die socialdcmokratischen Agitatoren so sehr bedürfen. Als Leute, die „daS ganze Culturgepäck auf der Schulter tragen", feiern sich Letztere bescheiden selbst im Pfingstartikel deS „Vorw." Sollten diese Culturgepäckträger in einer schwachen Stunde nicht das Bedürfniß empfinden, vom Culturballast der Heuchelei wenigsten ein Quentchen abzuwerfen? ss Berlin, 5. Juni. Der NeickStagSwahlkreiS Rinteln-HofgeiSmar-Wolfbagenist durch dir MandatS- nicderlegung deS antisemitischen ReichstagSabgeordneten vr. Vielhaben aus Hamburg vor die Nothwendigkeit einer Neuwahl gestellt. DaS ist eine herbe Zumuthung für den Wahlkreis. Bis zum Jahre 1890 sicherer nationalliberaler Besitz — MandatSinhaber waren 1867—1880 und 1887 bis 1890vr. Oetker, 1881—1887 Vr. Schlasger — hatte er im Jahre 1890 Haupt- und Stichwahl zu vollziehen. AuS letzterer ging Herr Werner (Antisemit) hervor, der aber für HerSfeld annabm, woselbst er gleichfalls in der Stich wahl gewählt war. Der Wahlkreis Rinteln-Hofgeismar hatte in Folge dessen Nachwahl und Stichwahl zu vollziehen, durch die der Wittener Antisemitenführer vr. Kön i g zum Mandat gelangte. Als Las Mandat desselben auS äußeren Gründen für ungiltiq erklärt wurde, benutzte vr. König die Gelegenheit, den Reichstags-Antisemiten den Rücken zu kehren. Es mußte im Frühjahr 1895 abermals neu gewählt werden und als domo novus kam vr. Bielhaben inS Parlament. Der Wahlkreis hatte somit in der Zeit von 1890 bis 1895 nicht weniger als sieben Mal einen Wahlakt zu vollziehen. Es konnte nickt Wunder nehmen, daß infolge dieses UeberflusseS an Wahlen im Frühjahr 1898 nur noch 43 Proc. der Wahlberechtigten an der Urne erschienen. Damit der vielgeplagte Kreis nicht auS der Gewohnheit kommt, darf er nunmehr nach 2>/,jäbriger, wohltbätig empfundener Ruhe ein mal wieder wählen. Wenn eine Wahlagitation schon an und für sich nicht gerade zu den begehrenswerthen Dingen im Leben gehört^ so hat sie in diesem geographisch getrennten Kreise noch mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen. Der Rintelner Bezirk, der wirthschaftlich und politisch völlig nach Hannover gravitirt, hat so gut wie gar keine Beziehungen zu dem Bezirke Host geismar-Wolfhagen, der durchaus hessischen Charakter tragt. Da in diesem Bezirkt di« Mehrzahl der Stimmen abgegeben wird, so liegt in >bm die Entscheidung, die ganz wesentlich mit vom Bund« der Landtvirthe bestimmt werde» dürste. Je nach der Stellung, di« diese politische Interessenorgaaisation «ianimmt, dürste» di« Aussichte» em«» antisemitisch«». dd«r ein«»
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