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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.06.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000606025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900060602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900060602
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- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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4V44 Interventions-Möglichkeit nicht nur vom Halse zu halten, sondern sogar eine intim freundschaftliche Stellung zur Union einzunehmen, die nunmehr von der Letzteren au-zunutzen ver sucht wird, um im Kampfe der Interessen und Befürchtungen zu vermitteln und die früheren herzlichen Beziehungen des Süden- zum Norden wieder herzustellen, und wenn möglich zu vermehren. Andererseits stärkt natürlich Mexiko seine eigene Stellung, indem eS unternimmt, sich als lateinische Grenzmacht gegen den englischen Norden die verwandten Nationen und Natiönchen für alle Eventualitäten zu gewinnen; dazu bieten sich Gelegenheiten, wie vor Kurzem, als Mexiko auf die Bitte deS Gesandten der Republik Salvador, des Herr» Rafael Zaldivar, sich mit Vergnügen bereit erklärte, der Schwesterrepublik, die versäumt hatte, sich aus der Aus stellung in Paris ein eigenes Heim zu bauen, in seinem Gebäude Platz zur Ausstellung der Produkte Salvadors an zuweisen. Bei solcher Sachlage wird ein zweiter pan-ameri- kanischer Congreß in Mexiko möglicherweise manche Ueber- raschungen, Abmachungen und Verträge, geheime oder öffentliche, bringen. Der Krieg in Südafrika. »p. Feldmarschall Roberts berichtet unter dem 5. Juni über die Einnahme Pretorias: Kurz vor dem Eintritte der Dunkelheit war gestern der Feind fast aus allen seinen Stellungen geworfen. General Hamilton'» berittene Infanterie verfolgte ihn bis auf 2000 Aardö vor Pretoria, und der Feind zog sich eilig durch die Stadt zurück. Es wurde ein Parlamentär gesandt, der die Uebergabe der Stadt forderte. Botha schlug einen Waffenstillstand vor, um die Bedingungen der Uebergabe festzustellen. Robert- ließ jedoch sagen, die Uebergabe müsse bedingungslos sei», sonst würde er bei Tagesanbruch in die Stadt einrücken. Botha erwiderte, er habe beschlossen, Pretoria nicht zu vertheidigen, er vertraue darauf, daß die Frauen und Kinder, sowie das Eigenthum geschützt werden würden. Drei der höchsten Civilbeamten kamen um 1 Uhr früh zu Roberts und erklärten, sie wünschten die Stadt zu übergeben. Die Gattin des Präsidenten Krüger und die Botha'- befinden sich beide in Pretoria. — Einige britische Gefangene sind weg geschafft worden, die Mehrzahl befindet sich jedoch noch in Waterval. Ueber 100 Ossiciere waren in Pretoria. Wir tragen nun nach Londoner Blättern Einiges über die Zustände in Pretoria vor der Uebergabe nach. Die Nachrichten reichen bis zum 31. Mai Abends- ES war ein feierlicher und beweglicher Auftritt, schreibt der Vertreter der „Agentur Laffan", hier in Pretoria am Bahnhofe, als der Zug am Dienstag Abend denPrä sideuten, den Staatssekretär und andere hohe Beamte nach Osten entführte. Männer, Franen und Kinder waren in Thränen. Der Präsident indessen bewahrte seine gewöhnliche ruhige Haltung. Auch Mittwoch wieder holten sich den ganzen Tag hindurch die Auftritte der Auf regung und Panik, die am Dienstag zu beobachten waren. Die Stadt ist voller Gerüchte. Amtliche Nachrichten fehlen ganz. Zuerst vernahmen wir, daß allenthalben im Lande die Vortruppen britischer Colonnen auftauchten. Es hieß, sie ständen in unmittelbarer Nähe der Stadt, und diese solle am nächsten Morgen übergeben werden. Dann folgte allgemeine Panik und der eilige Auszug der verschiedenen Commandos. Die Stadtbewohner bildeten sofort eine Schutz truppe, um Plünderer abzuwehren, da man von fremden Frei willigen Gewaltthätigkeiten befürchtete. Eben ist ein von Johannesburg gekommener Meldereiter cingetrosfen. Er bringt die Kunde, daß Richter Kock (Koch?) am DienStag versucht hat, die Gruben am Rand in die Luft zu sprenge». Er wurde auf Befehl vr. Krause's verhaftet und befindet sich unter Anklage der Brandstiftung im Gefängniß. Die Regie rung hat heute für eine Million Pfund Sterling Schatznolen, gesichert auf daö Staatseigenthum, «au-gegeben. Sie werden bereitwillig mit fünf Procent Discont genommen. Tele graphische Verbindung mit Johannesburg besteht noch. General Christian De Wet und Herr Steijn sind in südlicher Richtung abgereist. Dann setzt die Berichterstattung am Donnerstag wieder ein: Der heutige Tag (Donnerstag) hat noch keine Erleichte rung der herrschenden gedrückten Stimmung gebracht. Mitt woch Abend theilte die „VolkSstem" in einer Sonderausgabe mit, die Lage bessere sich. Höchst wahrscheinlich würden die Boeren Kroonstad und Bloemfontein ohne Säumen wieder nehmen. General De Wet habe am Mittwoch Abend mit 8000 Mann sich wieder in den Besitz von Viljoens Drift (bei Vereeniging) ge setzt. Sein einziger Zweck gehe dahin, die britische Verbindungslinie mit dem Süden abzuschneiden und die Nachhut zu belästigen. Was wir aber heute Morgen sahen, war nicht ermuthigend: die Abtheilung von Ben Viljoens zog vom Rand her in die Stadt ein. Sie hatte drei Tage nacheinander im Kampfe gelegen und die Pferde waren erschöpft. Auch die Leute machten einen er müdeten, niedergeschlagenen Eindruck. In Einem fort dauert der Rückzug der Commandos durch die Stadt an. Gleich zeitig werden die Geschütze abgefahren, theilS nach Norden, Heils nach Osten, was auf Räumung der Stadt schließen läßt, wen» auch einstweilen das Wort nicht ausgesprochen wird. Bis um Mittag tritt ein allgemeiner Zusammenbruch der RegierungSniaschine al- Folge der Panik nach der Abreise von Präsident und Negierung in die Er- chcinung. Eine weitere Panik war gestern Nachmittag durch das Gerücht veranlaßt worden, der Präsident habe verfügt, alles noch iu den Banken liegende gemünzte und Barrengold solle zu StaatSzweckeu requirirt werden. Ein besonderes Commando sollte um Mitternacht diesen Auftrag ausführen. Als die Kunde ruckbar wurde, thate» sich die Beamten zusammen zu gemeinsamem Handeln und benachrichtigten den Richter GregorvwSki und den Bürgermeister Potgicter, jeder Versuch, Gold zu entnehmen, werde von ihnen mit bewaff neter Hand zurückgewiesen werden. Viele Einwohner ver sprachen, den Banken beizustehe», und rüsteten sich zur Abwehr. Der boerische Oberbefehlshaber Louis Botha, der drei Tage und drei Nächte nicht aus dem Sattel gekommen, weilte an jenem letzten Maitage ein paar Stunden in Pretoria; er berichtete, daß am vorigen Montag, Dienstag und Mittwoch Gefechte nördlich von Johannesburg stattgcfunden hätten, die unglücklich für die Boercn verlausen wären, und er klagte, daß Schrecken und Klcinmuth i>t den Reihen der Boeren immer weiter um sich griffe». Trotzdem standen noch 10 000 Boeren südlich von Pretoria und man erwartete jede» Augen blick, von der Brücke über den Six Mile Spruit au- den Kanonendonner zu Horen. Krüger's Abreise war daS Signal zur allgemeinen Flucht. Seinem Beispiel folgten alsbald die meisten Beamten, und als am Donnerstag Mittag der letzte Eisenbahnzng Pretoria verließ, flüchteten die noch Zurückgebliebenen, die nicht mehr befördert werden konnten, zu Fuß und zu Wagen in wilder Hast auS der Stadt. Die Austritte am Bahnhöfe waren unbeschreiblich. Viele waren tief erschüttert und nahmen mit Thränen von ihren Freunden, die sich zum Bleiben ent schlossen hatten, Abschied. Andere flohen, außer sich vor Schrecke», in dem Glauben, wenn die Engländer kämen, werde Niemand verschont bleiben. Nach diesem Exodus blieben nur zweifelhaftes aus ländisches Gesindel und die Angestellten der fremden Firmen in der Stadt zurück; man erwartete jeden Augenblick einen Sturm an die Banken, die jedoch durch die Beamten, einige entschlossene Bürger und boerische Soldaten besetzt waren, mit dem Entschluß, sie gegen jede Vergewaltigung zu vertheidigen. Schon am 3l. Mai waren, immer nach An gabe deS Berichterstatters Lassans, sämmtiiche Regierungs magazine geplündert. Inzwischen ergossen sich wie ein endloser Strom die Scharen der nach Norden flüchtenden Boercn- kricger durch die Stadt. Aus Tovrr, ü. Juni, wird berichtet: Soeben wird zur Feier der Einnahme Pretorias von Len Wällen der hiesigen Festung Victoria geschossen, die Stadt beflaggt sich und sämmtliche Dampfer im Hafen lassen die Dampfpfeifen ertönen. In besonnenen englischen Kreisen ist man indessen nicht so sanguinisch. So schreibt unser Londoner Corrcspondent nach dem Falle Johannesburgs: Die erste Freudigkeit ist sehr bald gewichen und heute sieht man die Situation schon wieder ernster an. Es wird zugegeben, daß das Ende doch vielleicht noch sehr viel weiter entfernt ist, als man anuahm, und seitdem nun gar im Oranje-Freistaat selbst die Schwierig keiten immer größer werden, Rundle einen Rückzug auf der ganzen Linie antrete» muß, General Colville, der parallel der Eisenbahn von VenterSburg nach Heilbronn marschirr, »überall auf schweren Widerstand stößt" und General Warren im Westen nichts weniger als erfolgreich ist, sängt man an einigen Stellen sogar an, den allzuraschen Vormarsch Lord Roberts' mit ängstlicher Sorge zu verfolgen. „Offenbar", sagt der „Morning Leader", „sind wir nur entlang der Eisenbahnlinien Herren deS Landes. Daö könnte schließlich genügen, wenn eS nur unsere Aufgabe wäre, die Boeren zu schlagen und mit ihrer Negierung zu Ende zu kommen. Aber unsere Aufgabe wird nicht eher vollendet sein, als bis wir daö Land, das wir etwas vorschnell aunectirt haben, auch wirklich occupirt haben. Bei jedem Vorstoß nach Norden muß Lord Roberts einen Theil seiner Truppen als Garnison zurücklassen, und wenn schließlich die Boeren lange Stand halten, wird die Armee, die er ihnen entzegeustellen kann, nicht mehr so überwältigend an Zahl sei», wie zu Anfang, wo sie vor der drohenden Uebermacht allein zurückzugehen schienen. DaS mag vielleicht an dem endgiltigen AuSgange nichts ändern, aber eS wird eS vielleicht um einige Monate hinausschieben." Ganz in demselben Sinne haben wir eS wiederholt ge äußert. — Sollte indessen wieder Erwarten ein weiteres Kriegführen sich als nutzlos erweisen, so werden, wie in Amsterdam verlautet, Krüger, Steijn nnd die übrigen Häupter der Boercnstaaten dort ihren Wohnsitz nehmen. Ihr bewegliches Vermögen sei bereits dorthin befördert worden. Deutsches Reich * Berlin, 5. Juni. Ueber Vorgänge hinter den parlamentarischen Coulissrn weiß ein Berliner Mit arbeiter der Münchener „Allgem. Ztg." allerlei interessante Mittheilungen zu machen. So meldet er: „Graf Ballestrem wollte die lor Heinze nicht wieder aus die Tagesordnung setzen. L» war, wie wir heul« wissen, ein rheinischer CentrumSmann mit einem recht bekannten Namen, der sich auf da- Aeußerst» dafür interessirte, daß die ter noch vor der Berathung des FlottengesetzeS in den Hasen gebracht werde. Herr vr. Lieber, der iu den letzten kritischen Tage» hier anwesend war, hat in wiederholter Zwiesprache mit andere» politischen Persönlichkeiten dem Borgehru seiner Fraktion»- collegen sich abgeneigt gezeigt." Auch über die Vorgänge in der konservativen Fraktion, die durch das Fleischbeschaugesetz hrrvorgerusen wurden, weiß der Berichterstatter zu erzählen: „Wir habe» auf Grund von glaubwürdigen Mittheilungen au» BundeSraths- und ReichStagSkrrisen berichtet, daß «in Theil der Eonservativeu (wir könnte» sogar eine bestimmte Zahl angeben) sich aus den Standpunkt stelle, „wenn nicht da» Fleisch- beschaugesetz nach den Beschlüssen der zweiten Lesung angenommen würde, könnten auch diese Cooservativen nicht für di« Flotte stimmen." Die „Dtsch. Tagesztg." hielt eS für antzktracht, diesen Thatbestand mit dem Hinzusügrn zu leugnen, wir Hütten unS mit dieser Behauptung einer „bewußten Unwahrheit" schuldig gemacht. Naiven Leuten wird daS Blatt damit vielleicht rin L für rin U machen. In den Augen der Eingeweihten macht es sich einfach lächerlich. Wir haben unsererseits von vornherein stets betont, daß die Versuche der bekannten „papiernen Agrarier", die konser vative Partei in ihrer Majorität, oder gar in ihrer Gesammtheit in daS extrem agrarische Fahrwasser hinüberzuziehen, vergeblich sein würden. Es siud unS indessen Aeußerungea von agrarischer Seite, die auf die Nothwendlgkeit einer Bearbeitung der Partei in dem oben gedachten Sinne obzirlten, zur Genüge bekannt, und wenn wir der Anzapfung der „D. T." gegenüber trotzdem rillige Zurückhaltung beobachten, so geschieht das lediglich im Hin blick darauf, daß wir keine Neuauslage de» Falle» Szmula heraufbeschwören möchten." Daraus, daß die „Deutsche TageSztg." diese letztere Ent hüllung dnrch ,hr Lengnen provvcirt bat, darf man wohl schließen, daß die „papiernen Agrarier" jetzt für die Flotten vorlage zu stimmen sich entschlossen haben. * Berlin, 5. Jnni. (Erzbischof v. Stablewski.) Obgleich auS Posen berichtet wird, daS Befinden deS Erz bischofs v. Stablewski habe sich gebessert, so muß doch an gesichts der Thatsache, daß eine Badecur und rin Aufenthalt im Süden dir Entwickelung seines Herzleidens nicht zu hemmen vermcchten, mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß die Neubesetzung deS Posener Bischofstuhlö in naher Zeit in Frage kommt. ES ist für Prenßen und auch für daS Aceich immerhin eine nicht unwichtige politische Angelegenheit, wer in dem erzbischöflichen Palast zu Posen residirt, da gerade dieser erste geistliche Würdenträger im Osten d«S Reichs einen über seinen kirchlichen Bezirk hinauSgehende» Einfluß auSzuüben pflegt. Der Erzbischof von Posen wird als der Primas von Polen betrachtet, und damit fällt ihm eine politische Rolle zu, deren Bedeutung mit der feindseligen Haltung deS Polen- thumS gegen den Staat wächst. Die Erfahrungen, die man mit dem Erzbischof vr. Diuder, einem Deutsche» von Ge burt, in Posen gemacht batte, verlockten nicht dazu, ein zweites Mal den Versuch zu machen, dem ErzbiSthum einen deutschen Oberhirten zu geben. Die Wahl Stablewski's hatte anfänglich in allen deutschen Kreisen Bedenken hcrvorgerufen, da mau ihn au» dem Land tag als einen eifrigen Verfechter polnischer Wünsche und Bestrebungen kennen gelernt hatte. Allein nun wird einem hiesigen Blatte berichtet, daß Stablewski schon vor seiner Erkrankung keinen erheblichen Einfluß auf seine Landsleute mehr besessen habe und daß deS Erzbischofs heftigste Gegner nicht unter den Deutschen zu suchen seien. Man muß an erkennen, daß Stablewski nach seiner Wahl zum Erzbischof nicht alle Befürchtungen gerechtfertigt hat, die man an seine Person geknüpft hat. Er hat sich äußerlich vollkommen correct ver halten, wenn eS ihn» auch sehr verdacht worden ist, daß er sich auf seinen dienstlichen Reisen in der Provinz von einer Schaar polnischer Reiter empfangen und geleiten ließ, so daß hier mehrfach ein Einschreiten der Behörden erforderlich war. Aber im Allgemeinen hat er als Erzbischof von Posen und Gnesen nichts unternommen, was ihn in einen Conflict mit der Regierung hätte bringen können. DaS ist ihm jedoch in den Augen der Polen zum Verhängniß geworden; diese wollen keinen „corrcctcn" Primas von Polen, sondern einen geistlichen Oberhirten, der zugleich für sie eine politische Autorität ist. Weil StablcwSki diesen Wünschen nicht entgegenkam, ist sein Einfluß auf die niedere Geistlichkeit sehr gering gewesen; der Klernv ist in den polnischen LandeStheilen stet» der Träger der „nationalen" Bestrebungen gewesen und er hat sich unter dem Erzbischof von Stablewski so hervorgewagt, daß e» sogar den deutschen Katholiken dort zu arg wurde. Wrun einmal eine Scheidung zwischen den deutschen und polnischen Katho liken «iatreten sollte, so würde sie auf die polnisch« Geist lichkeit zurückzuführrn sein, dir von Stablewski nicht im Zügel gehalten werden konnte. — Die Directioa der deutsch-atlantischen Tele« graphen-Gesellschaft richtete an Kaiser Wilhelm folgende» Telegramm: „Allerunterthänigste Meldung, daß die erst« Hälft« de- deutsch atlantischen Kabel» glücklich aus den Azoren gelandet ist und die ans nahezu 1900 Knoten zwischen Emden und Horta auSgewechsrltrn Signal« vorzüglich sind." Darauf ging folgende telegraphische Antwort ein: „Seine Majestät der Kaiser und König lasten für die erfreuliche Meldung von der Fertigstellung der ersten Hälfte de» deutsch atlantischen Kabel» besten» dackken. v. LucaauS." — Wie die „Berl. Polit. Nachr." mittheilen, ist der Kaiser verhindert, die Absicht, der morgen beginnenden Schulcouferenz persönlich beizuwohnen, durchzusühreo, und hat demzufolge seine Theilnahme an der Conferenz ab sagen lassen. — Der Kronprinz, der au» der Hand des Kronprinzen Konstantin von Griechenland La» ihm vom König Georg der Hellenen verliehene Großkreuz de» Erlöserordens entgegen genommen hat, hat an den Vorstand de» Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller das nach folgende Schreiben gerichtet: Zum Tage meiner GroßjährigkritSerklärung siud mir auch von dem Vorstande deS Verein» Berliner Kaufleute und Industrieller treue Glückwünsche iu Form einer kunstvollen Adresse zugegaogrn. Indem ich hiermit den Vertretern namhafter Thesit de» Berlinischen Handel» und der Berlinischen Industrie für die» schöne Zeichen ihrer Ergebenheit freundlichen Dank sag», versichere ich Sie gleich- zeitig meine» aufrichtigen Interesses an Allem, wa» dem Gedeihen von Handel, Industrie und Gewerbe zu dienen vermag. Potsdam, den 3. Juni 1900. Wilhelm, Kronprinz. — Die Reisedispositionen deS Schah» von Persien, Mussaffer-Eddin, haben unerwartet eia« kleine Abänderung erfahren. Wie nämlich der „Post" gemeldet wird, soll der Schah auf der Reise nach Europa leicht erkrankt sein und deshalb die Weiterfahrt verschoben haben; er konnte daher auch nicht, wir ursprünglich geplant, am 2. d. Mt»., von Warschau kommend, in Breslau eintreffen. Seine An kunft in Warschau erfolgt vielmehr erst am Mitt woch, den 6. MtS. Dementsprechend wird sich auch die Abreise von dort nach Breslau um drei Tage Verzöger». — Hierbei dürfte die Mittheilung von Interesse sein, daß bei dem Einzüge deS Schahs in Warschau längs deS ganzen WegeS, den er vom dortigen Bahnhofe bis nach dem Lustschlosse Belvedere, seinem Absteigequartier, nimmt, nicht weniger als 54 Bataillone, 15 Schwadronen und zehn Batterien, die letzteren beiden Waffengattungen zu Fuß, Spalier bilden werden. Man will dort offenbar dem persischen Herrscher durch daS ungewöhnlich große Aufgebot von Militär die eigene militärische Kraft in impouirender Weise vor Augen führen. — Den „Berl. Polit. Nachr." zufolge sollen Erwägungen darüber schweben, die Canalvorlage im Landtage in einer Sonderlagung im Spätherbste «inzubringen. — Die Lohncommission der Bäckereiarbeiter hat heute den Meistern die Forderungen unterbreiten lassen und verlangt bis morgen Abend 10 Uhr Antwort mit dem Bemerken, daß, falls bis dahin keine Antwort erfolgt sei, dies als Ablehnung betrachtet werden müsse. DaS Schrift stück, welches die Meister unterschrieben zurückstellen sollen, lautet: „Ich Unterzeichner verpflichte mich hierdurch, vom Freitag, 8. Juni 1900 in meinem Betrieb« folgende» ArbeitSverhältniß einzusühren: 1) Wohnung und Beköstigung wird vou mir den Ge sellen nicht mehr gestellt. 2) Al» Entschädigung hierfür zahle ich jedem Gesellen einen wöchentlichen Lohnznschlag von 12 3) Gesellen, deren Lohn dann nicht mindesten» 21 beträgt, wird derselbe aus 21 erhöht. (Bei eventueller Accordarbeit sichere ich auch da den Gesellen einen Miudestlohn von 21 zu.) 4) Die nach dem Gesetz vom 4. März 1896 erlaubten Ueberstundeu bezahle ich mit 50 pro Mann und Stunde. 5) An den drei Festen: Ostern, Pfingsten und Weihnachten gewähre ich jedem meiner Gesellen eine Freinacht. 6) Bei Bedarf von Arbeitskräften verpflichte ich mich, dieselben nur vom Arbeitsnachweis der Lohncommission zu beziehen." — Wegen der Ausschreitungen, die vor vierzehn Tagen aus Anlaß des Straßenbahner-Streik» be gangen worden sind, hat, so berichtet der „Vorwärts", die Staatsanwaltschaft von den etwa 250 Sistirten 19 Personen unter Anklage gestellt. Unter diesen Itz Angeklagten, die sich gemeinschaftlich verantworten sollen, befindet sich ein dreizehn jähriger Schulknabe, ein Handluugslehrling, sowie ein Straßenbahn-Wagenführer, Namens Richarv Adelt, als einziger, gegen den wegen Vergehens gegen tz 153 der Ge werbeordnung Anklage erhoben worden ist. Im Uebrigen lautet die Anklage außer auf Landfriedensbruch auf Beleidi gung und Widerstand gegen die Staatsgewalt. — Verhaftet worden ist der mit HeimathSurlaub in Berlin weilende Polizeimeister Olbrich auS Kamerun. bewahren, um einige höflich-gleichgiltige Worte mit dem Gast geber und dem von ihm Vorgestellten zu wechseln. Sobald Ersterer, der bereits wieder von anderen Haushcrrenpflichten in Anspruch genommen wurde, von dannen eilte, war sie jedoch nicht länger gesonnen, ihre tiefe Empörung über Kraszinski's Frechheit zurückzuhalten. Ohne seine ironischen Complimente über ihr blühendes Aussehen zu beachten, und mit vor mühsam unter drücktem Zorn leicht bebender Stimme sagte sie in russischer Sprach«: „Schweigen Sie, mein Herr! Zwischen uns giebt es nichts Gemeinschaftliches. Ich verlange, daß Sie niemals wieder das Wort an mich zu richten sich erdreisten!" „O, meine Gnädigste", erwiderte er völlig unbefangen, sich ebenfalls des Russischen bedienend, das Keiner der Umstehenden verstand, und indem er sich mit spöttischer Höflichleit dabei aber mals tief vor ihr verneigte, „wie sehr bedauere ich, den ersten Wunsch, den Sie die Gnade haben, nach so langer Zeit gegen mich auszusprechen, nicht wohl erfüllen zu können! Bereits seit einigen Monaten habe ich die Ehre, mit Ihrem Herrn Gemahl im Club der Rue Royale zu verkehren und hat es zu meiner großen Freude ganz den Anschein, als ob in kurzer Zeit auS dieser oberflächlichen Bekanntschaft eine wirkliche Freundschaft zwischen uns sich entwickeln sollte!" „Sie, Herr von Kraszinski, ein Freund meines Mannes? Niemals!" „Und dennoch glaube ich diese Hoffnung hegen zu dürfen", antwortete, er spöttisch lächelnd. „Meine Person und der Um gang mit mir scheinen Dimitri Iwanowitsch nicht unangenehm zu sein, und auch mir ist Ihr hochgeehrter Gatte äußerst sym pathisch. Doch gestatten Sie mir. Gnädigste, Ihnen zu sagen, wie schmerzlich mir die Wahrnehmung ist, daß Sie selbst sich so völlig von mir abgewendet haben, während mir doch das Glück zu Theil ward, al» Erster Ihr Herz zu gewinnen. Und wie aufrichtig hingebend und leidenschaftlich waren sie in dieser ersten Liebe. ... Ich wenigstens habe dies niemals vergessen! Wir oft lese ich mit schmerzlichem und dennoch mir so lieben. Ent zücken jene kostbare Sammlung reizender Briefchen, die Sie mir gesendet, und die so zärtlich, so liebeglühend sind! Welche geist reichen, launischen Schilderungen Sie von vielen hohen Würden trägern de» ZarenhofeS zu entwerfen wußten, intime Porträts, die ganz Europa amüsiren würden, erschienen sie jemals in einer Zeitung. Nach der Gewohnheit vieler junger Damen fehlt bei der Mehrzahl Ihrer Briefe da» Datum", fuhr er dann leiser fort, „da» macht sie mir freilich nur desto lieber, denn sie versenken mich immer von Neuem in schöne Träume, in denen ich oft glaubte, alle diese zärtlichen Liebesworte, die einst mir ja höchstes Glück gewährten, seien mir erst jetzt von Ihnen geschrieben worden!" Kraszinski's Züge blieben unverändert, ja sogar ein wohl wollendes Lächeln schien um seine Lippen zu spielen. Aber spöttischer Triumph und grausame Unbarmherzigkeit klangen aus seiner Stimme, als er, leise und schnell sprechend, der vor ihm sitzenden schönen Frau diese Worte ins Gesicht schleuderte, von denen jedes einzelne einem Dolchstiche glich. Als er geendet, maßen sich Beide einige Sekunden schweigend mit den Blicken. Dann erhob sich NnnmFeodorownaundlschritt mit einer kaum merk lichen stolzen Kopfbewegung an dem sich höflich Verbeugenden vor über. Kraszinski mochte die unendliche Verachtung fühlen, die in dieser Bewegung lag, denn er sandte der sich Entfernenden einen zugleich finsteren wie spöttischen Blick nach, während er haßerfüllt vor sich hinmurmelte: „Für mich giebt es keine Rück sicht mehr: ich muß und werde mich an Dir rächen, Du stolzes Weib, die Du mich so schimpflich verabschiedet hast. Du sollst noch vor mir auf den Knien liegen und um Schonung winseln!" Mit heiterem, unbefangenem Antlitz, hier und da einige Worte mit Bekannten austauschend, durchschritt Anna Feodorowna die Reihe der glänzend erleuchteten Salons. Unter dem Vergeben, einiger Minuten der Ruhe zu bedürfen, betrat sie einen stillen, zeitweilig einsamen Nebenraum, in welchem zwischen herrlichen tropischen Blattpflanzen und Palmen schwebend« bunt« Ampeln ein magisches Dämmerlicht verbreiteten. Hier angekommen, ver schwand ihre bis dahin bewahrte äußerlich ruhige Haltung. Sie mußte still stehen, um endlich tief Athen, zu schöpfen. Der un erwartete Anblick deS verhaßten und verächtlichen ManneS war ihr lähmend in die Glieder gefahren und hatte sie so erschüttert, daß sie umzusinken meinte. Von wirklichen körperlichen wie seelischen Leiden gequält, sank sie taumelnd auf die schwellenden weichen Polster eines der orientalischen Divane nieder, welche in diesem lauschigen, versteckten Winkel die Gäste zum Verweilen aufzufordern schienen. Nur gedämpft schallten die heiteren, lockenden Weisen der Musik aus den Festsälen bis hier herüber. Endlich allein, begrub Anna ihr Gesicht in den Händen, ein leise» Stöhnen klang unter ihnen hervor. Tiefste Entrüstung und unsagbarer Schmerz erfüllten daS Herz der unglücklichen Frau. Je öfter sie sich seine beleidigenden, drohenden Worte wiederholte, desto klarer erkannte sie ihre völlige Ohnmacht gegenüber dieser Schurken, der, wir sie nur zu wohl ahnte, jeder Schandthat fähig war, um sich an ihr und ihren Angehörigen zu rächen. Ihre Frauenehre, ihr makelloser Ruf, ihre GewiffenSruhe gegenüber den eifersüchtigen Anwandlungen ihre» Gatten, der Frieden und daS Glück ihre» Hause», Alle» war in sejner Gewalt! Ebenso bedroht erschien die amtliche Stellung ihres Gemahls, denn welche Feindschaften, auch gegen ihn, würde es erregen, wenn einige der von ihr in ihren Briefen spöttisch geschilderten Persönlichkeiten hiervon Kenntniß erhielten? — Würde man ihren Dimitri nicht für den jugendlichen Uebermuth seiner jetzigen Frau schwer büßen lassen? Und vor Allem mußte sie sich sagen, daß die Zusendung nur eines dieser Billete ohne Datum an ihren Gemahl selbst genügen würde, ihr ganzes ferneres Eheglück auf immer zu zerstören. Bei der eifersüchtigen Charakteranlage desselben mußten ja solche Scheinbeweise ihn jeder kaltblütigen Ueberlegung berauben! Er würde sich be trogen wähnen, und niemals würde er solche Schmach vergeffen und überwinden! Und sie selbst hatte, in ihrer damaligen Un erfahrenheit und Weltunkenntniß, in den verbrecherischen Händen jenes ehrlosen Polen die gefährlichste Waffe gelassen, di« er nun gegen sie und die Ihrigen zu gebrauchen vermochte! Als Herr von KranSkoh seine Gattin aufsuchte, erschrak er bei dem Anblick ihres bleichen, verstörten Gesicht». Sie schützte plötzliches Unwohlsein vor und bat ihn, den Wagen Vorfahren zu lassen, um sie so schnell als möglich nach Hause zu geleiten, da ihr für heute Abend jede weit«« Thrilnahme an der Ge sellschaft unmöglich sei. Seit dieser Begegnung mit KraSzinSki im Hause de» Levantiners genoß Anna Feodorowna keine ruhige Stunde mehr. Sie, dir sich doch keinerlei Schuld gegen ihren Gatten bewußt war, lebte in beständiger ängstlicher Sorge und sah sich gezwungen, alle Künste der Heuchelei und Verstellung aufzubieten, ihre Aufregung vor ihm zu verbergen. Jede» Augenblick glaubte sie die Aus führung der Drohungen de- rachsüchtigen Polen erwarten zu müssen, bei jeder Heimkehr ihres Gemahl» zitterte und bebte sie, weil sie fürchtete, auf seinem Antlitz dal Hereinbrechen der Katastrophe und ihre unwiderrufliche Verurtheilung zu lesen. Wahrhaft übermenschliche Anstrengungen, ihre Selbst beherrschung zu bewahren, muhte sie jedoch machen, als Paul von KraSzinSki, der sein Vorhaben auSgrführt und im Club der intim« Freund Dimitri Iwanowitsch'» geworden war, daraufhin ein regelmäßiger Besucher ihre» Hause» wurde. Di« verächtliche Kälte, mit der sie ihm begegnete, raubte ihm nicht» von seiner unbefangenen Ruhr, und verhinderte ihn nicht, sich in ihren Salon» mit seiner gewöhnlichen Gewandtheit und weltmännisch, eleganten Sicherheit zu bewegen. Da Anna Feodorowna sich de» zerrütteten Zustande» seine» Vermögen» erinnerte, war ihr der Gedanke gekommen, Herrn von KraSzinSki ihre Briefe gegen eine runde Summe, die sie von ihrem Vater zu erbitten gedachte, abkaufen zu lassen. Freilich lebte Kraszinski jetzt wieder auf großem Fuße und, wie eS schien, in guten, gesicherten Verhältnissen. Durch unter der Hand eingezogenen Erkundigungen erfuhr sie bald Genauere- über seine Existenz. AIS KraSzinski nach dem Scheitern seines HeirathsplaneS sich veranlaßt sah, vor der politischen Polizei des Zarenreiches zu flüchten, hatte er sich nach Paris, dem Eldorado seiner schiffbrüchigen Landsleute, gewandt. Hier hatte er anfangs in sehr bescheidener Weise gelebt, wenn er auch stets die größte Eleganz in seinem persönlichen Auftreten zu bewahren gewußt hatte. Hierdurch war es ihm gelungen, freundschaftliche Beziehungen zu einigen reichen und vornehmen Polen zu unterhalten, die entsprechend dem festen, treuen Zu sammenhalten der mehr oder weniger freiwillig aus dem Vater lande Emigrirten, diesen weltgewandten, ansehnlichen Lands mann nicht fallen lassen wollten. Den Mantel christlicher Liebe über sein bewegtes Vorleben in Warschau deckend, öffneten sie ihm bereitwilligst ihre Salons, ihn auch sonst in jeder Weise unter stützend und gesellschaftlich fördernd. KraSzinSki wußte die Popularität, deren sich seine Lands leute in allen französischen Kreisen erfreuten, zu benutzen und geschickt auSzubruten. Bald schwärmte man in den besten Pariser ScrlonS für den schönen und ritterlichen polnischen Edelmann, aus altem Geschlecht, der, ein Märtyrer der Freiheit, Alles für sein Vaterland geopfert hatte. In dieser Weise erschlossen sich ihm auch die vornehmsten Spielclubs. Durch bittere Erfahrungen vorsichtig und berechnend gemacht, verschaffte ihm seine Geschick lichkeit im Spiel wie in allen SportSwrlten genügend« Mittel zu einer eleganten Lebensführung. Unter diesen Umständen erschien Anna Feodorotvna jede Möglichkeit, durch «inen Ankauf die Bries« in ihren Besitz zurück« zubringen, völlig ausgeschlossen zu sein. Sie mußte sich also schweren Herzen» entschließen, den Versuch zu wagen, KraSzinSki durch direkte persönliche Bitten auf den Weg der Ehre zurückzu führen, ihn zu einer freiwilligen Zurückgabe jener Briefe zu be wegen, die sich ihm im festen Vertrauen auf sein« Liebe und Ehrenhaftigkeit geschrieben hatte. Bisher hatte sie e» immer zu vermeiden gewußt, sich mit ihrem ehemaligen Geliebten allein zu befinden. — Allen ihren Muth zusammennehmend, benützte sie nun eine zufällige Abwesenheit ihre» Gemahl», um Kral- zinSki allein in ihrem Boudoir zu empfang«»., Worisetzung folgt.) j
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