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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.06.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000618029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900061802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900061802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Die „Kölnische Ztg." meldet aus Berlin, daß weder bei den dortigen amtlichen Stellen noch bei den auswärtigen Cabineten irgend eine zuver lässige Nachricht vorliege, welche die Meldungen von der Ermor- düng des deutschen Gesandten bestätige oder wahrscheinlich mache. Richtig sei, daß die Lage aller in Peking befindlichen Europäer unsicher sei; auch sei das deutsche Gesandtschaftshaus, weil unmittelbar an der Gesandtschastsstraße liegend, den An- griffen besonders leicht ausgesetzt, indessen dürften die zum Schutze der Gesandtschaften in Peking befindlichen 600 Mann internationaler Truppen auSreichen, um selbst große Waffen von Chinesen zurückzuweisen. Dieser Meldung folgt indessen die andere höchst alarmirende auf dem Fuße: * Berlin, 18. Juni. (Telegramm.) Von dem kaiserlichen Consulat in Tschisu ist heute Morgen nachstehendes Telegramm cingcgangcn: Kin japanisches Torpedoboot meldet: Die vt e s a n d t s ch a f t e n in Peking sind (von den Chinesen natürlich. D.Red.) ge nommen. Auch diese Nachricht weiß nichts von der Ermordung unseres Gesandten, aber sie rückt den furchtbaren Ernst der Lage plötzlich in die grellste Beleuchtung. Allerdings ist auch sie noch nicht ganz sicher, da nach wie vor der Telegraph zwischen Peking und der Küste abgeschnitten ist, aber dem japanischen Torpedoboot wird es gelungen sein, de» Pciho hinaufzufahren und dort Erkundigungen einzuzichen. Darauf, ob diese authentisch sind oder nur aus von Chinesen aus gesprengten Gerüchten beruhen, kommt es an. Unwahrscheinlich klingt die Meldung leider nicht und es kann sehr leicht kommen, daß ihr noch schlimmere folgen. Die Detachements der Mächte, die zum Schutze der Gesandtschaften von der Küste her nach Peking vorrücken, sind in ihrem Marsche gehemmt durch die Zerstörung der Eisenbahn und auch durch chinesische Truppen, die sich ihnen direct entgegenstellen. An der Unterstützung der Boxers durch die einheimischen Behörden kann ja nicht mehr gezweifelt werden. Ob diese geheime Unterstützung bis zur offenen kriegerischen Betheiligung an dem Thun der nationalistischen Mordbanden gediehen ist, läßt sich zwar mit Gewißheit noch nicht feststellen, wird aber von verschiedenen Seiten glaubhaft behauptet. Die Gesandtschaften sind genommen, eine Situation, wie sie in der Geschichte der civilisirten Völker noch nicht dagewesen ist. Wenn zwischen zwei Mächten ein Krieg ausbricht, erhalten die Gesandten zuvor ihre Pässe, die der Nichtbetheiligten aber sind auf ihrem Gebiete gegen jede Antastung durch ihre Exterritorialität geschützt. Von auf rührerischen Banden, wie es die Boxers sind, die der auf gestachelte Rassenhaß leitet, kann freilich Respect vor den Gepflogenheiten des Völkerrechtes nicht erwartet werden, auch nicht die Erwägung der unausbleiblichen Folgen einer Ver letzung dieses Völkerrechtes, destomehr von der chinesischen Regierung. Dieser wird cs sehr schwer halten, ihre Mitschuld in Abrede zu stellen. Die Gesandtschaftsgebäude sind gut verwahrt, sind kleine Festungen und waren ohne grobes Geschütz kaum zu nehmen. Kanonen aber können die Boxers nur vonden regulären Truppen erhalten haben, die wiederum ohne höheren Befehl den Aufrührcn werklhätige Hilfe nicht leisten würden. Moralisch mitschuldig an allen Ausschreitungen ist die Regierung unbedingt. Die Excesse sind nur die letzten Consequenzen einer lange geduldeten und geförderten Agitation. Der Glaube, daß die christlichen Missionäre Chinefenkinder schlachten, ist nickt von den Kulis erfunden, sondern von den Mandarinen geflissent lich verbreitet worden, um den Haß gegen die Fremdlinge, der sowohl nationale als wirthschaftliche Ursachen hat, bis zur sinnlosen Wuth zu steigern. Bezeichnend genug ist es Wohl auch, daß keine der vielen an Missionären verübten Mordthaten bisher eine ausreichende Sühne gefunden hat. Das Alt-Chinesenthum wehrt sich mit allen Mitteln gegen die Invasion der „fremden Teufel", und wo die ehrlichen nicht ausreichen, scheut es auch vor der Benützung der infamsten nicht zurück. Eile tbut auf alle Fälle dringend Noth. Die Mächte müssen ihre Anstrengungen verdoppeln, ausreichend starke Mannschaften in die bedrohten Städte zu werfen, um die Polizeigewalt, die der chinesischen Negierung entweder aus den Händen geglitten ist oder von ihr nicht gehandhabt wird, zu übernehmen. Es ist schon constatirt worden, daß unter Beiseitesetzung aller Eifersüchteleien die Vertreter der Mächte sich geeinigt haben, gemeinsam zum Schutze ihrer Unterthanen vorzugehen. Nun hat sich auch Japan den Europäern und Amerikanern angeschlossen. Die Hilfe Japans ist von nickt zu unterschätzender Tragweite. Ob später der Eintritt Japans in das „Concert der Mächte" auch späterhin von Allen gern gesehen wird, ist eine andere Frage. Heute kann keine europäische Macht so rasch und so nachdrücklich in die chinesischen Dinge eingreifcn wie Japan, und da viele Tausende von Menschenleben auf dem Spiele stehen, muß die Unterstützung des Nächsten und relativ Mächtigsten nur willkommen sein. Hoffentlich kommt die Hilfe nicht zu spät. So groß auch die Genugtbuuug darüber sein mag, daß die Vorgänge in China eine» Conflict der nichtchinesischen Mächte vorläufig nicht veranlaßt haben und vielleicht auch nicht veranlassen werden, so betrübend ist doch die Aussicht auf einen Krieg gegen China, der mit dem heutigen Tage in den Bereich der Möglichkeit gerückt ist. Tie Haltung Ser Vereinigten Staaten ist noch zweifelhaft. Sie scheinen eine Sonderpolitik zu be treiben. Die Regierung von Washington will zwar „während der Krise" mit den Mächten gemeinsam vorgehen, sonst aber eine „vollständig unabhängige Stellung" einnehmen. Welche Ziele man im Weißen Hause mit dieser Politik verfolgt, ist noch nicht klar zu erkennen, doch liegt die Vermuthung nahe, daß durch ein separates Vorgehen auch separate Vortheile angestrebt werden. Eine solche Politik ist höchst bedauerlich, denn sie erschüttert die auf den Pekinger Hof berechnete Wirkung eines eiumüthigen Auftretens aller Mächte. Die Kaiserin-Wittwe und das nach ihrem Geschmack in seiner Zusammensetzung umgeände.te Tsung li Damen werden nur allzu geneigt sein, die Drohung mit dem einheitlichen Vorgehen der Mächte für diplomatisches Geflunker zu halten. Unter solchen Verhältnissen ist es begreiflich, daß die chinesischen Militär-Mandarinen mit ihren Horden eine herausfordernde Stellung einnehmen und fick den Anschein geben, als ob sie den Anmarsch der inter nationalen Truppen gegen Peking nicht dulden wollten. Am 15. hieß es, die Europäer hätten sich der Taku-FortS bemächtigt. Damit hätte man aber beginnen sollen, um die Einfahrt in den Peiho in die Hände zu bekommen; dann hätte man leichteres Vorrücken gegen Peking gehabt. Tie ehemaligen Mud- (Schlamm-) Forts von Taku sind aller dings in letzter Zeit von den in chinesischen Diensten stehenden deutschen Osficieren neu aufgebaut und mit modernen Krupp'schen Geschützen armirt worden. Sowohl Fortificationen als auch Geschütze sollen sich aber wieder in einem sehr vernachlässigten Zustande befinden. Wenn eS übrigens den Japanern gelang, durch daS Geschützfeuer ihrer Kriegsschiffe die Befestigungen von Wei-Hai-Wei, Tschifu, Port Arthur u. s. w. zu erobern, so sollte man glauben, daß es den vereinigten Flotten der Welt ebenfalls gelingen werde, die Werke von Taku zu bezwingen. Vorläufig scheint es nur dem japanischen Torpedoboot gelungen zu sein, sich durch die Forts hindurch in den Peiho zu schleichen. Folgende thatsächlicke Meldungen, aus denen u. A. hervor geht, daß die Boxererhebung sich auch nach dem Süden hin auSdehnt, sind noch anzuführen: * Hongkong, 16. Juni. (Telegramm des Reuterschen Bureaus.) Eine Depesche aus Wutsch ou, Provinz Kwangsi, berichtet: Am Westflusse nach Südwesten zu drohen Unruhen auszubrechen. In Buntschou kamen Kämpfe vor und über 100 Flüchtlinge aus dieser Stadt trafen am 12. d. M. in Wutschou ein. Etwa 5000 Aufrührer versammelten sich in Kweibsien. Mehrere Ab- theilungen der in Canton stehenden Truppen kamen am 11. d. M. auf dem Wege nach Kweihsien durch Canton. * Shanghai, 17. Juni. 10 Uhr Abends. (Meldung des Reuter'schen Bureaus.) Die telegraphische Verbindung mit Tientsin ist immer noch unterbrochen. Es sind jetzt alle Telegraphenlinien nach Peking und Tientsin unter brochen. Das Consularcorps in Shanghai hatte heute eine Be- rathung über die zum Schutz der europäischen Niederlassung etwa zu treffenden Maßnahmen. Die Spitzen der französischen und der allgemeinen Fremdenniederlassung, sowie der Zollcoinniissar waren dabei zugegen. Ta festgestellt wurde, daß keine Gefahr vorliege und daß der Vicekönig den Schutz der Fremden verbürge, wurden keine Schutzmaßregeln beschlossen. * Washington, 17. Juni. Da weitere 24 Stunden verflossen sind, ohne daß Nachrichten vom Admiral Kempsf ein getroffen wären, werden amerikanische Truppen von Manila nach Taku geschickt werden. * Tsingtau, 17. Juni. Der Ablösungstransport für das deutsche Kreuzergeschwader ist gestern hier angekommen und heute nach Taku weiter. Peking. Von großem Interesse sind bei den gegenwärtigen Vorgängen in China die Ausführungen des Geheimraths Prof. vr. von Richt hofen, Präsidenten der Geographischen Gesellschaft, über Peking und dessen Umgebung im 2. Baude seines classischen Werkes über China (Verlag von Dietrich Reimer, Ernst Vohfen), wie auch seine Schil derung der Provinz Schantung in Verbindung mit seiner Karte des nordöstlichen Chinas von hohem Werth für die Brurtheilung der Verhältnisse ist. Wir entnehmen dem Abschnitt über Peking mit Genehmigung der Verlagshandlung das Folgende: „Gewaltige Umfassungsmauern schließen in einer Gesammtlänge von 24 üm den älteren Theil, die Mandschu-Stadt, in Form eines von Ost nach West ausgedehnten, breiten und nicht ganz vollkommenen Rechtecks ein. An der Südseite schließt sich die später gebaute Chinesenstadt an, ebensalls oblong. Wie die meisten Städte von China, gewährt auch Peking den Eindruck des Unvermittelten und Unmotivirten durch die jeder normalen Entwickelung fremde Willkür, mit welcher der landschaftliche Wechsel der Gegend unharmonisch durch mathematisch abgezirkelte Linien unterbrochen wird. Fährt man nicht nach einem der wenigen Thore, vor denen eine schmale Vorstadt sich ausbreitet, so währt der arme ländliche Charakter bis zur Mauer selbst, die unvermittelt aus dem Boden aussteigt. Kein Standpunct ist geeigneter zur Umschau über die gigantische Stadt als die Krone dieser Umfassungsmauer, seit Jahren der Lieblingsspazierweg der in Peking wohnenden Europäer. Stellen wir uns auf denjenigen Theil der Umwallung, welcher di« beiden Städte trennt, so blicken wir hinab in das Ge wimmel der Straßen und in rin doppeltes Meer von Häusern. Letztere werden von den Bäumen der zahllosen Gärten überragt, die sich in der Ferne zu einem dichten Wald zu vereinigen scheinen. Hoch darüber erheben sich in der Mandschu-Stadt die barocken, mit gelb- glasirten Ziegeln gedeckten Schnörkeldücher der weitläufigen Baulichkeiten des kaiserlichen Palastes, die gelben und grünen Dächer der Tempel, die Moscheen der Mohamedaner, der Thurm der Katholischen Kathedrale und andere Bauwerke, während im Süden der in seinem Stil einzig dastehende Tempel der Sonne und Tempel der Erbe den Blick fesseln. Man ahnt von unserem Aussichtspunkt nicht den Verfall im Innern, die Entvölkerung, welche sich in der Menschenleere ganzer Stadtthcile und der Herrenlosigkeit mancher ehemaliger fürstlicher Residenzen kennzeichnet, die Unreinlichkcit der Straßen, deren früheres System gut gemauerter Abzugscanäle seinen Dienst nicht mehr versieht, noch auch die Unzahl der Bettler, welche in ihrer Bekleidung durch wenige Lumpen den ästhetischen Sinn des Europäers verletzen." Von der geschichtlichen Entwickelung Pekings sagt Richthofen: „Schon im Jahre 1409 fanden es die Kaiser zweckmäßig, die Hauptstadt nach Peking zu verlegen. Der Anfang dieses Zeitalters wird durch die Macht gekennzeichnet, welche die katholischen Missionen in Peking hatten, wenige Schritte, führen uns von :u>sirc"n Stand- punct nach den kostbaren Reliquietr, welch« die Jesuiten in den astronomischen Instrumenten ihrer Sternwarte aus der Stadtmauer selbst hinterlassen haben, während ein Tempelhof in der inneren Stadt die kunstreichen älteren Instrumente arabischer Astro nomen aus dem 13. Jahrhundert umschließt. Zur Zeit der Blüthe der Jesuiten - Mission unter Kaiser Kang-Shi und dann noch einmal unter Kien-jung stand Peking in Glanz da. Jetzt ist dieser vorüber; denn er hängt wegen der willkürlich festgesetzten Lage nicht vom Gewerbfleiß, Handel und den Fluktuationen der Bevölkerung des Reichs, sondern allein von dem Grad der Macht der Herrscher ab." Ten Grund zur Wahl dieser Lage entwickelt Richthofen sodann aus der geographischen Anord nung: „Ein Kranz herrlich geformter Berge zieht sich in weitem Halbkreis von Westen über Norden nach Osten. Bis zu ihrem Fuß ist ebenes Land. Durch 10 Breitengrade dehnt sich die große Ebene mit ihren Verzweigungen aus und einzelne ihrer südlichen Buchten reichen noch 1'/., Grad weiter. Im Norden verhältniß- mäßig schmal beginnend, erreicht sie ihre größte Breite im Süden, wo King-po an der Küste und J-tschang-fu am Jangtse 10 Längen grade von einander entfernt sind. Peking liegt daher an der Spitze eines nahezu gleichschenkligen Dreiecks und sendet seine Straßenzüge, von denen einer ein Wasserweg ist, in Radien nach der Basis. Diese wird im Wesentlichen von dem Unterlauf des Iangtße gebildet, während der Hwang-Ho in halber Höhe des Dreiecks verläuft. Da durch beherrscht Peking die Unterläufe der beiden Hauptströme nebst zwei ausgedehnteren Tributären des Jangtse. Unter den 18 Pro- vinzen des Reichs sind 9 im Besitz von Theilen der Ebene und bilden ein physikalisch zusammengehöriges Ganze, das von dem Scheitelpunkt aus beherrscht werden kann, während der Rest des Reiches in isolirte Theile gegliedert ist. Wir nennen diese die große Ebene umfassende Gruppe die innere, ein Gegensatz zur äußerrn Gruppe, Fenilleton. Diana. Roman von Marian Comyn. Äiachdnxk verboten. „O, gnädiges Fräulein, entschuldigen Sie, aber das würde nicht klug gehandelt sein. Die Julinächte sind oft so kühl, gleich- viiel, wie heiß der Tag auch gewesen sein mag, und eine Er kältung hat man sich leichter zugezogen als wieder abge- streift." Diana blickt« ein wenig überrascht auf die Dienerin. Die Besorgniß um ihr Wohlbefinden von Seite des Mädchens kam ihr ganz unerwartet, sie fühlte, daß sie ihr eigentlich dankbar dafür sein müsse, und machte sich Vorwürfe darüber, daß dies nicht der Fall war, ja, sie vermochte sogar ein Gefühl leisen Aergers nicht zu unterdrücken. „Ich bin nicht so leicht zu Erkältungen geneigt", sagte sie in etwas abweisenden Tone, „und ist meiner Meinung nach über haupt kein« Gefahr damit verbunden, wenn man zu dieser Jahreszeit bei offenem Fenster schläft!" Ein Ausdruck großer Bestürzung lag auf Keziah's Antlitz, als sie jetzt aufbkickte. Sie hatte während des ganzen vorher gehenden Gespräches mit gesenkten Augen vor Diana gestanden. „Wenn Sie so denken, gnädiges Fräulein, fürchte ich, daß ich mir ein großes Unrecht habe zu Schulden kommen lassen. Denn da ich es für ausgeschlossen hielt, daß Sie unter diesen Um ständen in Ihrem Zimmer schlafen würden, glaubte ich, di« gute Gelegenheit wahrnehmen zu dürfen, um das Zimmer gründlich zu reinigen. So habe ich den Teppich aufnehmen lassen, die Gardinen und Portttzren abgonommen und alle Sachen be gnadigen Fräuleins nach dem blauen Zimmer geschafft. Es thut mir sehr leid, und ich hofft, Li« werden mir darum nicht zürnen!" Die Bestürzung Keziah's über Das, was sie gethan hatte, war augenscheinlich so groß, daß Diana es für Unrecht hielt, ihr noch weitere Vorwürfe darüber zu machen. Freilich erschien es ihr auffallend, daß daS bescheidene sanft« Mädchen so eigen mächtig gehandelt hatte. Wie durfte dasselbe wagen, die Sachen seiner Herrin so ohne Weitere» in ein anderes Zimmer zu schaffen! „Da» gnädige Fräulein wissen", sagte Keztah in flehendem Ton«, „baß da» alt« eichmr Zimmer, welch«» Si« zu Ihrem Schlafzimmer gewählt haben, von dem verstorbenen Squire be wohnt wurde und seit dessen Tode noch keiner gründlichen Reinigung unterzogen worden ist. Wir haben gar nicht daran gedacht, daß Sie dasselbe zu Ihrem Schlafzimmer wählen könnten und zuerst die anderen Zimmer, die wir für wichtiger hielten, in Ordnung gebracht. Es blieb uns, bevor Sie kamen, nur wenig Zeit dafür übrig. Ich werde Sorgen tragen, daß das Zimmer morgen in aller Frühe wieder für Sie bereit ist; es thut mir sehr leid, daß ich gegen Ihren Wunsch ge handelt habe." Alles Das, was Keziah sagte, wollte Diana durchaus nicht behagen. Sie wendete sich jetzt von ihr ab und sagte im Weiter schreiten: „Es ist gut. Da Sie mit der Reinigung des Zimmers ein mal begonnen haben, mag es nun auch dabei bleiben. Aber ein anderes Mal fragen Si« mich, bitte, erst um Erlaubniß, ehe Sie mich aus meinem Zimmer verbannen!" Das Mädchen verneigte sich und kehrte nach dem Hause zurück; seine dünnen Lippen umspielte ein leises Lächeln. „Pah — welche vornehme Miene wir uns zu geben ver stehen!" murmelte sie verächtlich. „Man könnte fast glauben, sie sei ihr ganzes Leben lang gewohnt gewesen, Herrin eines so großartigen Besitzes zu sein. Ja, wenn man das nicht besser wüßte!" Der klein« Vorfall hatte Diana mehr erregt, als nöthig zu sein schien, ihre frohe Laune von vorhin war vorüber und sie kehrte inS Haus zurück, um nach Nancy zu sehen. Ms si« Nancy heute Morgen verlassen, war dieselbe be schäftigt gewesen, mit Hilft' einer Dienerin eine soeben von London angelangte Kiste auszupackcn. Nancy waren die beiden hübschesten Zimmer des Hauses zur Verfügung gestellt worden, ein Wohn- und ein Schlafzimmer, welch' ersteres auf einen Altan hinausführte, von dem man eine wundervoll« Aussicht hatte. Beide Zimmer waren nach orientalischer Art eingerichtet, freilich etwas prunkend, doch darum der Behaglichkeit nicht ent- behvevd. Merkwürdiger Weise hatte Nancy darauf bestanden, überall an den Wänden Spiegel cmzubringen, und zwar in einer Weis«, welch« ihr gestattete, ihr Gesicht und ihr« Gestalt nach jeder Seite hin bewundern zu können. Im gegenwärtigen AugenLKck war jedes Platz des geräumigen Zimmers, in dem Nancy sich befand, mit Seiden stoffen, Tüll. Spitzen, Modezeichnungen und dergleichen mehr be legt. Erich hatte seinen Schwestern reichlich Geld zur Ver fügung gestellt, welches Nancy bis auf den letzten Pfennig ver braucht hatte, indem sie au» einem großen Londoner Mode- waarengeschäfte die verschiedensten zur Toilette einer Dame er forderlichen Dinge dafür entnahm. Die vorhandenen Stoffe beabsichtigte sie von ihrem Mädchen unter ihrer Leitung ver arbeiten zu lassen, von welcher Beschäftigung sie sich für die nächste Zeit das größte Vergnügen versprach. „Wie — bist Du noch immer nicht fertig?" fragte Diana gut gelaunt, als sie auf der Schwelle stand und nicht wagte, ein zutreten, da sie fürchten mußte, beim ersten Schritt, den sie that, auf irgend einen dieser kostbaren Stoffe zu treten. „Wie lange gedenkst Du denn in dieser Weise noch Dein Wesen zu treiben?" „O, noch sehr lange!" antwortete Nancy zerstreut, ohne auch nur von ihrer Beschäftigung aufzublicken. „Dann willst Du mich auch wohl nicht auf einem Spazier gang« begleiten?" „Nein, gewiß nicht. Wenn ich mich überhaupt dazu ent schließe, das Haus zu verlassen, so fahre ich Nachmittags eine Stunde spazieren. Ich sehe nicht ein, warum ich laufen soll, wenn ich Pferde und Wagen zur Verfügung habe." Nancy kehrte wieder zu ihren Modezeitungen zurück, und Diana nahm Hut und Sonnenschirm und verließ das Haus. Bald hatte sie Crowhurst weit hinter sich gelassen. Obgleich sie niemals versäumte, Nancy zum Mitgehen aufzufordern, hatte sie doch von einem Spaziergang« viel mehr Genuß, wenn sie allein war, da ihre Schwester gegen alle landschaftlichen Reize höchst gleichgiltig war. Ihr Weg führte si«. an dem Hause vorüber, welches heute Morgen ihve Aufmerksamkeit erregt hatt«, und ein Gefühl von Neugier veranlaßte sie, vor der schweren eisern«» Gitt«rthür stehen zu bleiben. Das Hauk stand am Ende einer All«e von Ulmen, alten, herrlichen Bäumen, deren Zweige sich weit über den Weg auSdehnten, ein« prächtige grün« Laube über demselben bildend, zu gleicher Zeit aber auch jedem Sonnenstrahl den Ein gang wehreick. Vielleicht war an d«r Düsterkeit, welch« an diesem Ort« vor herrschend zu sein schien, hauptsächlich diese Allee Schuld, diese und dir Vernachlässigung, welche sich überall geltend machte. Das HauS selbst war ein altes, aus grauen Steinen auf geführtes Gebäude mit Thürmen und Zinnen, mit langen gothkschen Fenstern, die theilweise bunt« Scheiben aufwiesen, und einer schweren, eichenen, vollständig mit Nägeln beschlagen«» Thür. Thür«» und Fenster sowohl, wie d«r größte Theil der Baulichkeiten hatten ein gewisser klösterlich«- Gepräge, und man konnte sich wohl vorstrllen, daß in diesem Hause und dem sich daran schließenden Garten einst Mönch« ihr Wesen getrieben hatten. Doch eine größer« Ruh« könnt« selbst damals nicht hier geherrscht haben, als die frommen Männer friedlich durch Haus und Garten schritten. Der Garkn war vollständig verwahrlost, seit Jahren war hier keine ordnende Hand angelegt worden, man hatte ber Natur vollkommen freien Spielraum gelassen, den sich dieselbe auch zu Nutze gemacht hatte, denn das Unkraut wucherte üppig empor, und die Wege waren mit hochaufgeschossenem Gras bedeckt. Alles trug den Stempel der Verlassenheit, der Düsterkeit, ja, man konnte beinahe sagen: des Unheimlichen. Diana konnte sich eines Gefühls abergläubischer Furcht nicht erivehren, als sie auf dieses Bild der Verwüstung blickte, doch diese Empfindung machte sich jetzt einer heftigen Erregung Platz, denn das tiefe Schweigen wurde plötzlich durch ein dumpfes Ge bell unterbrach«», und im nächsten Augenblick brach sich ein mächtiger Neufundländer durch eine Oeffnung in der Hecke zur Linken des Eingangsthores Bahn und stand dann plötzlich still, den Eindringling mit sehr unfreundlichen Augen betrachtend. Ehe das junge Mädchen noch Zeit gehabt hatte, sich klar zu machen, was sie thun sollte, ob davonlauftn oder versuchen, an dem eisernen Gitter emporzuklimmen — denn daß vermittelnde Vorschläge vollständig nutzlos gewesen sein würden, sah sie beim ersten Blick auf ihren Gegner —, erzwang sich ein Mann einen Weg durch die Hecke, und ein ernstes, befehlendes Wort aus seinem Munde veranlaßt« den Hund, sofort seine drohende Stellung aufzugeben. Der Ankömmling, ein großer, breitschulteriger Mann in einer dunkelgraucn Tuchjoppe und einem weichen, großen Filz hut auf dem Kopf bot ein« etwas malerische Erscheinung dar. Al» er sich jetzt zu dem jungen Mädchen wendete, lüftet« er ein wenig den Hut. „Ich hoffe, daß mein Hund sie nicht zu sehr erschreckt hat, er ist ein ungesellige» Thier und duldet nicht, daß Fremde seinem Gebiet zu nahe kommen!" Diana, welche beim ersten Anblick de» Mannes auf» Höchste erstaunt gewesen war, trat ihm jetzt, einem augenblicklichen An triebe folgend, mit au-gestreckter Hand entgegen. Doch ein Ausdruck der Enttäuschung überflog ihr Antlitz, als si« seinem gleichgiltigen Blick begegnete, und langsam ließ sie di« Hand wieder sinken. „Ach", sagte sie, „Sie haben mich vergessen!" „Sie vergessen?" wiederholte er verwirrt. Doch im nächsten Augenblick fügte er in verändertem Tone hinzu: „Sie sind die junge Dame, welch« ich davor bewahrte, in Bayswater Road überfahren zu werden?" „Ja —" ertönte die leise Antwort.
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