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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.06.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000619019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900061901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900061901
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- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-06
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Von diesen Canalprojecten verdienen besondere Beachtung das Project, dasSchwarzeMecrmit der Ostsee zu verbinden, sowie das andere Project der Verbindung des Weißen Meeres mit dem Balti sch e n durch einen tiefen Wasserweg. Der Ostsee - Sch warz- meer-Canal, von Riga bis Cherson gehend, soll die Ströme Düna, Beresina und Dnjepr in seinen Dienst nehmen. An Länge würde dieser russische Wasserweg alle Canalanlagen der Neuzeit weit hinter sich lassen, denn die berechnete Ausdehnung beläuft sich auf 1600 Kilometer, während der Nordostsee-Canal ca. 100 Kilometer, der Suezcanal 161 Kilometer Länge hat, beim Panamacanal 73 Kilometer und beim Nicaraguacanal 270 Kilometer angenommen werden. Von diesen 1600 Kilometern des Canalprojectes entfallen aber nur etwa 200 Kilometer auf die künstlich herzustellende Canalstrecke. Das Project verfolgt, wie alle Canalprojecte, wirthschaftliche und handels politische Zwecke, indem der Waarenverkehr, der jetzt vom Süden nach dem Norden den Weg über das Meer nimmt oder die kostspielige Eisenbahn benutzt, später diesen neuen Wasserweg einschlagen wird. Aber auch die politische Be deutung dieses Canals liegt auf der Hand. Er ermöglicht es den russischen Kriegsschiffen, in sechs Tagen von der Ostsee zum Schwarzen Meer oder umgekehrt zu fahren. Bedenkt man, daß Frankreich einen Canal zwischen dem Meerbusen von Biscaya und dem Mittelländischen Meere projectirh der eine Vev- bindung zwischen Garonne und Rhone in sich schließt, so daß die französische Flotte im Mittelländischen Meer mit Umgehung Gibraltars wird erscheinen können, so können diese beiden Canäle der bisherigen Ueberlegenheit Englands im Mittelländi schen Meere überaus gefährlich werden. Die russisch-französische Allianz kann sich bei Gelegenheit nach dieser Richtung hin be- jhätigcn. Näher der Verwirklichung zu sein scheint das andere Project, daS Weiße Meer mit dem Baltischen Meer durch einen tiefen Wasserweg zu verbinden. Der Fluß Newa hat mit Ausnahme einiger Stellen, wo das Fahrwasser 15 Fuß tief ist, Mecrestiefen. Nur bei seinem Ausfluß aus dem See ist die Tiefe eine geringe. Mit verhältnißmäßig wenig Arbeit kann man demnach die Möglichkeit eines Herabfahrcns der Dampfer, der russischen sowohl als der ausländischen, nach der See von der Newa schaffen. Der Ladoga-See wird alsdann ein Theil des Baltischen Meeres werden. Die Dampfer werden die Möglichkeit haben, unmittelbar an die Mündungen der Wolchow, des Sjas und des Swir heranzu kommen, sowie auch an viele andere Puncte des Ladoga-Sees, an dessen Ufern so viele Mineralreichthümer vorhanden sind. An der Mündung des Swir kann ein Meereshafen errichtet werden, wo die unmittelbare Umladung des Wolgaer Getreides, Holzes u. s. w. aus den Flußfahrzeugen in die Meeresdampfer statt finden wird. Der lange und schwierige Weg der Wolga-Barken über die Ladoga-Canäle wird vermieden werden. Der Zeitgewinn wird dabei in den meisten Fällen über zehn Tage ausmachen, während die allgemein« Ersparniß an dem Werthe des Transports für die Wolga-Ladungen nicht weniger als eine Million Rubel das Jahr betragen wird (und noch mehr, wenn man die bessere Ausnutzung der Flußschiffe in Betracht zieht), waS einem Capital von 25 Millionen Rubel gleichkommt. Man kann annehmen, daß mit der Errichtung eines Umladungshafens in den Mündungen des Swir über den Marianischen Canal solche Transporte gehen werden, welche jetzt den Canal wegen der Theuerung dcS Trans ports nicht passiren können. Zu den erwähnten Ersparnissen in der Volkswirthschaft Ruß lands muß man die großen Summen hinzufllgen, welche für die weitere kapitale Verbesserung und Vertiefung der Ladoga-Canäle zu verwenden wären, um sie mit den wirklichen Bedürfnissen des Mariani'schen Systems in Einklang zu bringen. Diese Summen werden zweifellos die Kosten der Arbeit für die Vertiefung des Ursprungs der Newa, sowie für die Verbesserung ihres Fahr wassers, um den Ladoga-See für die Meeresschiffe zu eröffnen, bedeutend übertreffen. Aber außer diesen unmittelbaren Vortheilen bieten die Ver bindungen des Ladoga-Sees mit dem Baltischen Meere eine Reihe weiterer, viel wichtigerer Vortheil«. Die von Natur äußerst reich ausgcstatteten, jetzt aber ganz unbewohnten Gebiete um den Ladoga- und den Onega-Se« werden zur mächtigen Entwickelung der montanindustricllen Thätigkeit herangezogen werden. Es wird die Möglichkeit entstehen, die zahlreichen Wasserfälle dieses Gebietes, deren Energie jetzt unnütz verloren geht, auSgiebig zu benutzen. Moskau, Petersburg und der Oceanhafen werden einen sie vereinigenden Jndustricrayon erhalten, anstatt der sie jetzt trennenden Wüste. Endlich wird wahrscheinlich im gewissen Grade die Möglichkeit entstehen, den Seeweg noch weiter zu verlängern und ihm den Onega-See ein zuverleiben. Der tiefe Seeweg vom Ladoga-See über die Swir, den Onega-See und alsdann über die Seen und Flüsse de« Baltischen und deS Weißen MeereS wird bis zum Weißen Meer geführt wer den müssen. Indem dieser Weg in seinem bedeutenden Theil über die tiefen Seen und Flüsse geht, kann er für die großen MeereS- fahrzeug« mit einem verhältnißmäßig kleinen Geldaufwande ver wirklicht werden, welcher mit denjenigen, die bei viel weniger wichtigen Zielen von anderen Nationen Europas gemacht wurden, kaum verglichen werden darf. Wenn Rußland einen Wasserweg zwischen dem Baltischen und dem Weißen Meer, welcher für die großen Fahrzeuge der Kriegs flotte geeignet sein wird, herstellt, wird eS den Geschwadern deS Baltischen MeereS die Möglichkeit geben, den Ocean zu erreichen oder vom Ocean auS in da« Weiße Meer zurückzukehren. Der an der Murmanküste längst beschlossene Kriegshafen wird als dann nicht mehr eine isolirte Station sein, wo die Dertheidigung der Geschwader vor dem starken Feind immer erschwert sein wird, sondern wird sich mit Kronstadt, Petersburg und Libau ver einigen. Bei der allgemeinen Länge des inneren Seewegs von einigen Hundert Werst werden einige Tage ausrcichen, um die Geschwader vom Baltischen Meere nach dem Ocean hinüber zuschaffen. Die Seemacht Rußlands wird bedeutend zunehmen. Der projectirte tiefe innere Seeweg wird auch eine hohe Be deutung für die Entwickelung des ganzen Nordens in handels industrieller Beziehung erlangen, sowie für die Handels beziehungen des CentrumS mit dem Petschoragebiete, Sibirien u. s. w. Die Schaffung eines solchen Seeweges ist außerdem eine nothwendige Ergänzung zu der jetzt gebauten sibirischen Eisenbahn. Wenn nun Rußland diese beiden Seewege hergestellt haben wird, wird es einen Wasserverkehr besitzen, um den es wahrlich von jedem anderen Lande wird beneidet werden können. Die Wirren in China. —(>. Wir hatten die sensationellen Meldungen über die Vorgänge in Peking, darunter auch die von der Ueberwältigung der Gesandtschafts gebäude durch chinesische Truppen, BexerS oder Pöbelhaufen, oder durch alle drei einander gleichwerthige Kategorien des fremdenfeindlichen Chinesenthums als der officiellen Be stätigung noch entbehrend bezeichnet. Eine solche war bis gestern Abend nicht eingctroffen. Es wird unS darüber berichtet: * Berlin» 18. Juni. Noch einem hrnte Morgen aus Shanghai hier cingelansenen Telegramm ist seit Src, Tagen die telegraphische Verbindung zwischen Peking und Ticntsiu und zwischen Tientsin und Shanghai unter brochen. Ucbcr Sic Vorgänge in Peking fehlt jede zuverlässige Nachricht. (Wolff'S Bureau.) * Berlin, 18. Juni. (Telegramm.) Die „Nordd. Alig. Ztg." schreibt: Tic Nachricht, Satz die Agentur Lassan eine Meldung über die Ermordung des deutsche» (»esandteu tu Peking verbreite, traf hier am 16. Juni Nachmittag» ein. Unmittelbar daran? wurde der (Ke- schiiststräger in Petersburg z» einem umgehenden Trahtbcrichtc darüber, ob und welche Nachrichten die dortige Negierung an» Peking habe, aufgefordert» und Ser Konsul in Tschisn angewiesen» auf jede mögliche Weise Nachrichten einzuziche» uns hierher zu telegraphireu. Ebenso erhielt Ser Ehef Vcs Kreuzergeschwaders am 16. Juni Sic telegraphische Weisung, zu Vrpcjchircn, Wa rr über die Lage i» Peking in Erfahrung bringen könne. Sowohl aus Petersburg, als aus Tschifu wurSe am 16.-uni zurückgemcldet, datz ketu er lei Bestätigung der Lassan- schrn Mcldnng vorliege. Auch in London war amtlich nicht» Aehnlichcs bekannt Als dann heute, am 18. Juni, früh die Trahtnachricht aus Tschiiu cinlraf, -atz ein japanische» Torpedoboot melde, „(Gesandtschaften tu Peking ge nommen", wurden sofort die kaiserlichen Vertreter in London, Petersburg, Tokio nnd Shanghai telegraphisch angewiesen, sich auf das Schnellste darüber zu erkundigen. Ans der heute hier eiugrtroffcncu Meldung des Konsulats ans Hongkong, das schon gestern znr Einziehung von Ermittelungen beauftragt war, geht hervor, datz dort keine ähnlichen Nachrichten vorliegcn. Die Antworten der oben erwähnten kaiserlichen Vertretungen stehen »och ans nnd werden sofort nach ihrem Eintreffen bekannt ge geben werden. Hiernach sind die weiter unten folgenden Telegramme auS Sbangbai und anderen Plätzen zu beurtheilen. Auch der „Magdeburg. Zeitung" wird auS Berlin, 18. Juni, ge schrieben: Für die Schreckenskunde ans Peking war bis zu dem Augenblicke, wo diese Zeilen niedergeschrieben werden, ke i n e r le i Bestätigung vorhanden. Hoffentlich bandelt eS sich um ein leeres Gerücht, daS nur den Nieder schlag von der leider beglaubigten Niedermetzelung eine» Beamten von der japanischen Gesandtschaft bildet. Frbr. von Ketteler weilt al« Gesandter erst seit dem vorigen Jahre in Peking, aber er kennt Land und Leute auS der Zeit, wo er als LegationSsckretär unter Herrn v. Brandt in Peking arbeitete, zu genau, um durch Unvorsichtigkeiten Ver anlassung zu einer Gewaltthat zu geben. Diese bätte, wenn sie sich wirklich ereignet haben sollte, nicht dem deutschen Gesandten, sondern dem Fremden überhaupt gegolten. Da deutsche Detachement hatte» nachdem in Langfang die Bahnfahrt wegen Zerstörung deS Bahnkörpers batte auf gegeben werden müssen, von dort aus sofort den Weiter- marsch nach Peking auf Wegen abseits von der Bahnlinie angetreten. Mit Rücksicht auf die herrschende Hitze und die Schwierigkeit der Verpflegung hat dieser Marsch nur in kürzeren Etappen zurückgelegt werden können. Immerhin dürfte daS kleine CorpS jetzt vor Peking angelangt sein, und dem Einmarsch in Peking sollten nach den letzten Meldungen keine Schwierigkeiten im Wege stehen. In Paris eiugetroffene Berichte deS französischen Ge sandten in Peking, sowie der französischen Consuln in Cbina melden übereinstimmend, daß der Boxeraufstand hauptsächlich durch daS brutale Auftreten der katholischen Missionare hrrvorgerufen worden sei, die vielfach eine gewaltsame Bekehrung der Chinesen vornehmen wollten. Die Berichte sagen, daß eine allgemeine Gährung gegen die Missionare herrsche. Beschießung »es Takufork». * Berlin, 18. Juni. (Telegramm.) Der deutsche Eansul in Tschifu telegraphtrt: Ein japanische» Tarpedabaat berichtet, datz die Aart» »an Taku am 17. Juni Nacht» sieben Stunden lang Snrch die deutschen,russischen, englischen, französischen und japanischen Schisse beschossen worden find, nachdem die Khinesen da» Ultimatum mit dem Feuer -er Kort» be- aniwartet hatten. Es hettzt, -atz zwei englische Schisse zwischeu den Kart» im Taku Klusse gesunken seien. Nun ist e« keine Frage mehr, daß die chinesischen Truppen gemeinsame Sache mit den Boxer» machen und daß wir im Beginn eine» Kriege» der europäischen Machte und Nordamerika» gegen China stehen, für den chinesischer- seit- schon seit Langem Vorbereitungen in großem Maßstabe getroffen, aber völlig geheim gebalten worben sein müssen. Somit ist dir Sachlage wenigsten» vollkommen klar. Die Bezwingung Chinas wird zweifellos erfolgen, aber wie der Verlust zweier englischer Schiffe vermuthen läßt, nickt ohne erhebliche Opfer und nicht eher als bis größere Truppenmassen dort gelandet sind. Japan und Rußland treten wegen der Nähe ihrer Grenzen dabei naturgemäß in den Vordergrund, was bei der schließlichen Regelung der chinesischen Frage nickt ohne Folge bleiben wird. England tritt vorerst in zweite Linie und wird eS aufS Bitterste empfinden, daß es sich die Hände in Süd afrika gebunden hat. Vielleicht läßt eS nun doch noch die sichere Beule, die beiden Boerenrepubliken, auS den Krallen. Folgende Meldungen sind noch zu verzeichnen: * London, 18. Juni. (Telegramm.) Ein Telegramm des „Daily Expreß" vom 17. Juni auS Shanghai besagt, der dortige chinesische Ches der Telegraphenverwaltung empfing am Freitag eine Mittheilung auS Peking über Tienljin, derzufolge General Tungs Truppen sich dem Angriff der Boxers auf die fremden Gesandtschaften in Peking angcschlossen haben. Im Verlause dieses Angriffes wurden einige GejandtschaftS- gebäude zerstört und ein fremder Gesandter ermordet, angeblich buchstäblich in Stücke gerissen. Die Na tionalität deS Ermordeten sei unbekannt, aber man glaube, es >ei der deutsche Gesandte v. Ketteler. Einer Depesche der „Morning Post" aus Peking zufolge wurde der Gesandte v. Ketteler nur gefangen genommen. Die Boxer halten die Gesandtschaftsstraße besetzt und verhindern jeden Verkehr zwischen den Gebäuden. Depeschen der „Times" von Taku über Shanghai schildern die Lage der auswärtigen Streitkras t unter Seymour bei Peking als ernst, da ihr TungS Truppen und große Boxcrschaaren gegen überstehen, das Wasser knapp und die Verpflegung mangelhaft sei. Ein Shanghaier Telegramm des „Daily Telegraph" meldet aus chinesischer Quelle, zwischen Seymour'« Streitkräften und den chinesischen Truppen fei der Kampf entbrannt. Die Aus länder hätten sich der Takuforts bemächtigt. Anderen Trahtberichten zufolge empfingen die Bicekönige der Südprovinzen die Weisung, alle vorhandenen Truppen schleunigst nach Peking zu entsenden zur Dertheidigung der Hauptstadt gegen den drohenden Einfall der Fremden. (Mgdb. Ztg.) * LonVon, 17. Juni. „Dalziel Bureau" meldet au« Shanghai unter dem 16. Juni: Nach einer Audienz dcS britischen Gesandten beim Tsung li Damen verlangten fünf Gesandte Sicherheitsgeleit für ihre Dienstleutr, nachdem sie vorher erklärt hatten, sie könnten nicht länger die Beziehungen zur chinesischen Regierung aufrecht halten. Die Antwort lautete ablehnend. Dann wurden die chinesischen Truppen vor den Stadtthoren verstärkt, während i» der Nacht viele europäische Gebäude in Brand gesteckt und eine Menge ein geborene Christen und andere Freunde der Ausländer niedergemetzclt wurden. Die fremden Schutztruppen allein retteten viele Ausländer und brachten sie in den Gesandtschaften unter. Eia von den Gesandtschaften nach Tientsin abgejandter Courier wurde aufgehalten. * Berit», 18. Juni. (Telegramm.) DaS deutsche Kanonenboot „Jaguar" ist mit dem zweiten Admiral des Kreuzergeschwaders, Capitän zur See v. Kirchhoff, heute in Tsingtau eingetroffen und nach Taku weitergegaugen. * Lon-on, 18. Juni. (Telegramm.) Die „Times" berichten au« Shanghai vom 17. d. M.: Am 14. d. M. sind 1700Russen nach Peking aufgebrochen. Ter Btcekünig in Nanking (Provinz Kiangsu) hat in einer Petition an den Thron um Unter drückung dec gegen die Fremden gerichteten Unruhen gebeten. * Bern» 18. Juni. (Telegramm.) Nach einer Mittheilung deS „Internationalen Telegraphischen Bureaus" ist eine sibirische Linie, von Tschita nach Blagowestschensk, wieder frei. * Lon-o», 18. Juni. (Telegramm.) Aus Dokohama wird unter dem heutigen Tage berichtet: Ter Ministerpräsident Damagata hat auf Verlangen deS Kaisers eingewilligt, mit Rücksicht auf die Lage in China im Amte zu verbleiben. Ein Theil der hiesigen Presse dringt darauf, daß Japan helfen solle, den Ausstand der Boxers niederzuwerfea. Die Regierung scheint geneigt zu sein, sich auf den Schutz der japanischen Interessen in China zu beschränken. * Köln, 18. Juni. (Privattrlegra mm.) Ter „Köln. Zeitung" zufolge plant die Reichsregierung eine vollständige Neusormation der ostasiatischen Streitkräfte. Die dortigen alten Schiffe sollen durch moderne, die Leistungsfähigkeit der deutschen Flotte beträchtlich erhöhende ersetzt und desgleichen soll die Gesammtbejatzung sowie die Artillerie beträchtlich vermehrt werden. Dasselbe Blatt meldet auS London, die Gesandtschaften« Inspektionen, di« zahlreichen Europäern Schutz gewähren, seien nur knapp mit Leben-Mitteln versehen. D-e Entsatz, truppen zwischen Laagfang und DnudSbau seien in bedrängter Lage. Die Regierung beschloß, eine Division au- Natal, sowie drei ursprünglich nach Pretoria be stimmt« Batterie» Festung-artillrrie »ach Hongkong zu senden. Ser Kremdenhatz -er Chinese«». Emer der besten Kenner China«, Professor vr. Hermann Schumacher in Kiel veröffentlicht in dem „Hamburger Corres pondenten" eine eingehende, sehr interessante Ar beit über „Die Unruhen in Nordchina ", der wir Fol gende« entnehmen: Von jeher lebt im Chinesen «in auf Raffeninstinct und Selbst überschätzung beruhender Fremdenha ß. Stet« hat er sich dumpf geäußert in einer Abneigung g«yen alles Fremde und alle» Neue. Nie hat r« an ein zelnen Ausbrüchen gefehlt. Aber sie waren verstreut und vereinzelt, verstreut und vereinet wie die Reibungs- möglWeiten zwischen Fremden und Chinesen. Noch bis vor Kurzem war eS ja gelungen, da» alte nachbarlose Reich der Mitte, dessen Kaiser sich ai« Sohn deS Himmel» und Herrscher der Welt dünkt«, in seiner alten Abgeschlossenheit und Jsolirtheit im Wesentlichen zu erhallen und die BerührungSpuncte zwischen Chinesen und Fremden durch das System der VertragShäfen aüfs Wirksamste zu beschränken. In diesen VertragShäfen para- lysirte das große wirthschaftliche Interesse, das die Chinesen mit dem Fremdhandel in wachsendem Maße verknüpfte, stark die nationale Abneigung. Als Sammelpunkte nationalen Aerger- nisses dienten daher in China Lis vor Kurzem im Wissentlichen nur die im Lande verstreuten einzelnen Stationen der Missionare. Auch bei diesen war der Anlaß zur eigentlichen Erbitterung nicht groß, so lange sie auf Lohre und Wohlthätig- keit sich beschränkten. Zwar stand manche biblische Erzählung der Missionare in Widerspruch nicht nur mit der nüchternen Denkweise des Chinesen, sondern auch mit seinen Anschauungen von Religion, Sittlichkeit und Recht, die in der von den Christen «bekämpften Ahnenverehrung ihren ethischen Höhepunkt finden; zwar entsprach das Auftreten insbesondere der an Zahl immer wachsenden Missionarinnen nicht den Begriffen von Anstand und Schicklichkeit, die in einem Lande sich entwickelt haben, wo die Ansicht, daß die Frau auf das Haus und die Familie sich be schränken müsse, sogar in einer so brutalen Sitte wie der Ver stümmelung der Füße zum Ausdruck kommt. Sogar der Aber glaube, der in China noch in unverwelkter Blüthe sieht, wie sie in Europa feit dem Mittelalter schwand, verdächtigte vielfach, die uneigennützigste Thätigkeit der Missionar«; immer wieder fand das Märchen Glauben, daß sie lebenden Kindern die Augen, Verstorbenen Herz, Leber und andere Körpertheile raubten, um sie zu Medicinen zu verwenden, daß sie Chinesen in verächtliche „fremde Teufel" verwandelten, und ähnliches. Aber daS Aerger- niß, das dadurch und durch manche Unverständigkeit und Tact- losigkeit der auf ihren schweren Beruf vielfach unzureichend, manchmal gar nicht vorgebildeten Missionare und Missionarinnen erregt wurde, blieb immer beschränkt auf Individuen. Zu einer allgemeinen Erbitterung, die den Charakter einer Volksbewegung anncchm, konnte es erst auswachsen, wenn die MifsionStthätigkeit in wirklichen oder vermeintlichen Gegensatz zu den materiellen Interessen des Chinesenthums trat, wenn sie insbesondere einen politischen Charakter thatsächlich oder auch nur in den Vorstellungen der Chinesen annahm. Das ist nun in immer stärkerem Maße geschehen. Bereit» der Umstand, daß der Taiping-Aufstand, der mehr vl» 20 Millionen Menschen dahinraffte, und über die Hälfte der 18 Provinzen des Landes Verwüstungen brachte, die heute, nach vier Jahrzehnten, zum Theil noch nicht überwunden sind — schon daß dieser, das Land grausig viele Jahre zerfleischende Aufstand, der schließlich nur mit Hilfe der Fremden niederge worfen wurde, aus einer christlichen Bewegung hervorgogangen ist, einen angeblichen Christen zum Führer hatte, die Christiani« sirung des Volkes als eines seiner Ziele ausgab, mußte den zum Argwohn so geneigten Chinesen argwöhnisch stimmen gegen di« Verkünder des christlichen Glaubens. Es lag nahe, daß man in einem Lande, das als ganz besonders fruchtbaren Boden für Ge- heimbündeleien aller Art sich stets bewiesen hat, in weiten Kreisen dazu kam, auch in den Missionaren und ihren einheimischen An hängern, zu denen stets manche zählten, deren Bekehrungseiser in einem Schutzbedürfniß vor der chinesischen Justiz ein« gewisse Er klärung findet, einen Geheimbund zu erblicken, der, wie so mancher andere im Lande, seine Spitze richtete gegen die Re gierung. Gar vielfach sind einheimische Christen identificirt worden mit Anhängern der „Secte der weißen Lilie", die die chinesische Regierung lange Zeit als ihr« ärgste Feindin be trachtete. Diesen allgemeinen Verdacht bestärkten die Thatsachen. Fast immer sind Missionarfragen die Beran- lassunggewesen zu den politischen Conflicten, die in eine Verringerung des Ansehens und Bestandes des chinesi schen Reiches auslirfen. So hatte «S Frankreich, das noch heute ein Protectorat über alle katholischen Christen in China, mit Ausnahme der deutschen, ausübt, gemacht,, als es Tonkirrg und Anam gewaltsam sich aneignete, so hat insbesondere neuerdings Deutschland bekanntlich die Ermordung zweier seiner Missionare zum Anlaß der Besetzung von Kiautschau genommen, die bald diejenige von Port Arthur und Talienwan durch die Russen, von Wcibaiwei durch die Engländer, von Kwangtschau- wan durch die Franzosen nach sich zog. Durch die schnelle Folge der wichtigen Ereignisse, die aus diesem Doppelmord der Missio nare, Chinas Ohnmacht weithin verkündend, erwuchs, ist die Stellung der Chinesen und der chinesischen Regi«rung zu den Fremden von Grund aus umgestaltet worden. „Du hasst die Deutschen gerufen" — sagte der Gouverneur Uuhien von Schantung zum deutschen Bischof Anzer — „wären keine deutschen Missionare und leine von ihnen geleiteten Christen in Schantung, so wäre Kiautschau, Port Arthur u. s. w. nicht in fremde Hände gekommen. Ihr seid Schuld an Allem." Und diese Ansicht, die beim Gouverneur besonders gegen die Deut schen sich zuspitzte, weil sie die Absetzung seines Vorgängers durch gesetzt und gegen seine Ernennung, wenn auch vergeblich, pro- tesiirt hatten; sie ward in weiten Kreisen des Volkes zur herr schenden über die Missionen überhaupt. Ein wohlüberlegtes System war eS, daß die Gewastthaten sich anfangs nur richteten gegen katholische Christen, und zwar gegen die einheimischen katholischen Christen, die nicht dem Schuhe der fremden Mächte an sich unterstehen, so daß nicht unmittelbar ein Einschreiten der verhaßten, aber auch gefürchteten Ausländer zu besorgen war. Erst allmählich griffen die Unruhen auch auf «inheimische pro testantische Christen über, bis sie schließlich den allgemein fremdenfeindlichen Charakter annahmen, den ff« heute aufweisen. Dazu wirkte aber noch ein anderer Umstand mit. Gleichzeitig mit den erwähnten politischen Ereignissen, die daS wider strebende, doch widerstandsunfähige China der wenigen guten Häfen berankten, die es in seiner die Reichshauptstadt bergenden Nordhälfte aufzuweisen hat, begann man mit größeren Eisen bahnunternehmungen. Zahlreiche Concessionen wurden ertheilt, noch mehr erstrebt, und kräftig wurde der Ban der großen Luhan-Eisenbahn, die Peking mit Hongkong verbinden soll, der deutschen Schantung-Eisenbahn, die Kiautschau mit der Provinzhcruptstadt Tsinnan in Schienenverkehr setzen soll, der vielnmstrittenen Niutschwang-Eisenbahn, die di« schon altere chinesische Nordbahn über die Große Mauer hinaus in die Mand- schuri verlängert, in Angriff genommen. Zahlreiche Berg ingenieure durchforschten da» Land nach Schätzen an Mine ralien und Kohlen, die sein Boden birgt. Ueberall wurden die schwierigen Verhandlungen zum Erwerb von Grund und Boden
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