DIE ANZEIGE Nachdem um die Jahrhunderwende das Plakat die künstlerische Erneuerung der angewandten Graphik eingeleitet hatte, begann man nun im Zuge dieses unaufhaltsam vorwärtsdrängenden Evo lutionsprozesses auch wieder den übrigen vernachlässigten Aufga bengebieten der Gebrauchsgraphik eine erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Werbemittel kleineren Formates wie vornehmlich Prospekte und Kataloge zogen erfolgreichen Nutzen aus den neuen Erkenntnissen und Grundsätzen plakativen Gestaltens, und die ganze Formgebung jener Vielzahl vom werbungtreibenden Kauf mann benötigter Drucksachen, wie etwa seiner Geschäftspapiere, hob sich allmählich auf ein immer höheres graphisches Niveau. Am offensichtlichsten und radikalsten wirkten sich aber diese neuen künstlerischen Triebkräfte auf dem Gebiet des Anzeigenwesens aus, das freilich in jenen Tagen einen unüberbietbaren Tiefstand aufwies und mehr als reformbedürftig war. Wenn man heute die Anzeigen seiten von Zeitschriften aus den Anfängen der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts betrachtet, so kann man sich eines leisen Lächelns über diese völlig unübersichtlichen und mit den kurio sesten Ankündigungen überladenen Seiten kaum erwehren. Die »Annonce«, wie man damals noch sagte, war geradezu ein Tummel feld des schlechten Geschmacks und illustriert uns heute noch mit drastischer Deutlichkeit die ganze Formlosigkeit und kulturelle Gesinnungslosigkeit jener Zeit. Wie rasch indes und mit welcher Gewaltsamkeit nun auch die Anzeige von neuen künstlerischen Impulsen erfüllt wurde, veranschaulichen uns sehr instruktiv die Inseratenseiten des im Jahre 1896 gegründe ten »Simplizissimus«, der neben der im gleichen Jahre entstandenen