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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000622015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900062201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900062201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-06
- Tag1900-06-22
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Stemm'» Gorki«. Universitätsstrabe 3 (Paulinum), Lout» Lösche, Katharinenstr 14, hart, und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. MMr MMatt Anzeiger. Ämlsölatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Nottzei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PretS die 6 gespaltene Petitzeile LO Pfg. Reklamen unter dem Redaction-strich (4ga» spalten) 50/H, vor den Familiranachrichtea (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unsere« Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ztffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Moraen-Au-gabe, ohne Postbefördrruug vO.—, mit Postbeförderuag ^tz 70.—. Rnnahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: vormittag» 10 Uh». Morgen-Ausgab«: Nachmittag» »Uhr. Lei den Filialen und Annahmestelle» je eia» halbe Stund« früher. Anzeige» find stet» an di, Expedition zu richten. Druck und Verlag von Bolz in Leipzig Freitag den 22. Juni 1900. S4. Jahrgang. Samoa. Aus Apia, 16. Mai, wird der „Welt-Corr." geschrieben: Es darf nicht verschwiegen werden, daß die 13 Häuptlinge der Mataafa-Partei mit ihren nicht zuzugestehenden Anforderungen und Wünschen dem Gouverneur schwere Arbeit und Kopfzerbrechen ver ursachen. Ein Hauptgrund hierfür scheint eine irrige Auffassung der Eingeborenen über den Begriff „Pro tektorat" zu fein, im Gegensatz zu Annexion oder der englischen crovvu-eolou^. Mataafa hat in einer seiner öffentlichen Reden ungefähr Folgendes gesagt: „Der Herrscher des großen deutschen Reiches ist der Kaiser, hier in Samoa bin ich der Herrscher; der mächtige Kaiser ist uns wohlgesinnt, er wird mich schützen." Man. hat dieser Aeußerung damals wenig Beachtung geschenkt; daß sie aber nicht bloße Redensart, sondern ernst gemeint war, beweist der Umstand, daß in den Verhandlungen mit dem Gou verneur über die einzurichtende Eingeborenen-Verwaltung von einigen Häuptlingen der Antrag gestellt wurde, Mataafa zum König zu ernennen. Mataafa selbst theilie dem Gouverneur mit, daß er diesen Vorschlag für das Richtigste halte. Der Gouver neur erklärte hingegen den Häuptlingen, daß Mataafa, Tanu und Tamasese vor der hohen Commission ein Dokument unter zeichnet hätten, in welchem sie übereinstimmend eingewilligt hätten, daß die KönigSwürbe für Samoa für immer abgeschafft würde. Einige der Häuptlinge erwiderten, daß sie dieses Ab kommen auch aufrecht erhalten haben würden, wenn die Ver waltung Samoas von den drei Vertragsmächten weiter geführt worden wäre, denn an den während der letzten 25 Jahre sich so oft wiederholt habenden Friedensstörungen wäre nur die Ein mischung der Fremden Schuld gewesen. Jetzt aber, wo nur eine Macht auf Upolu und Savaii etwas zu sagen habe, sei dies anders: Deshalb hier der König von Samoa, über dem Wasser der Kaiser von Deutschland, der Samoa beschütze. Der Gou verneur entschied nun: Da der deutsche Commissar die Ab machungen ver hohen Commission im Namen der kaiserlichen Regierung unterzeichnet hätte, sei es seine — des Gouverneurs — Pflicht, diesen Punkt der Abmachungen der hohen Com mission bis auf Weiteres aufrecht zu erhalten. Der Gouverneur sah sich jedoch veranlaßt, um ernsten Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, Mataafa die Genehmigung zu geben, den Titel ^.lioxa Kili (höchster Häuptling königlichen Geblütes) zu führen. Der Gouverneur hat sich ferner mit den Häuptlingen folgendermaßen geeinigt: Die Eingeborenen-Verwaltung soll unter Führung Mataafa's aus Distrikt-Häuptlingen und Distrikt-Richtern, sowie aus Dorfschafts-Häuptlingen bestehen, welchen je eine Anzahl Polizisten zur Verfügung steht. Die Ernennung von Distrikt-Häuptlingen und -Richtern bedarf der Bestätigung des Gouverneurs. Ich kann nicht umhin, auf die bereits früher gemachte Anregung zurückzukommen, Mataafa von Seiten der deutschen Regierung eine Pension zu gewähren. Mataafa ist schon hoch an Jahren und würde daher die Aus gabe voraussichtlich keine langwährende sein, aber man würde ihn dadurch zu einem sorgenfreien, friedensliebenden und regierungsfreundlichen Privatmann machen und brauchte auf seine 13 Häuptlinge keine besonderen Rücksichten mehr zu nehmen. Bei seinem Ableben würden sich die Eingeborenen an die neuen Verhältnisse gewöhnt und die Königsfrage vergessen haben. Es ist erfreulich, zu sehen, wie unsere neue Verwaltung immer festeren >Fuß faßt und weitere Ausdehnung gewinnt, sowie sich auch der Anerkennung und Unterstützung aller weißen Elemente erfreut. Ein Hauptfactor hierzu ist die rege und energische Thätigkeit des Gouverneurs, welcher, allem übertriebenen Bureaukratismus abhold, sich in regem Verkehr zu allen Schichten der Bevölkerung hält und berechtigten Wünschen und Vorschlägen derselben sich zugänglich und, wenn irgend möglich, entgegen kommend zeigt. Einen für Jeden überzeugenden Beweis hierfür giebt ein kürzlich unter der Bürgerschaft cursirendes Rund schreiben des Gouverneurs. Dasselbe besagt, daß durch die neue Administration die selbstständige Municipalvevwaltung zwar aufgehört habe und den Bürgern kein administrativer Antheil an der Regierung zustehe, daß cs aber dem Gouverneur fern liege, auf die Erfahrung der für so lange Zeit an der Ver waltung des Stadtbezirkes von Apia betherligt gewesenen Bürger und deren Rathschläge zu verzichten. Er habe daher beschlossen, ein Comitß von sieben der ansässigen leitenden Kauf leute und Pflanzer zu ernennen, mit dem er von Zeit zu Zeit und je nachdem es die Umstände wünschenswerth machten, über Handels- und Agriculturfragen berathen würde. Es ist selbst verständlich, daß die allgemeine Beliebtheit des Gouverneurs durch diesen Schritt weitere Stärkung erfährt. Auch die Vortheile des einen Apia-Gerichte» für Weiße, im Gegensatz zu den früher bestehenden fünf verschiedenen Ge richten, müssen für einen Jeden einleuchtend sein, wenn auch die drei hier noch ansässigen englischen Advocaten sich in ihren früher recht lukrativen Stellungen sehr beeinträchtigt fühlen. Herr Richter Knipping hat es von allem Anfang an verstanden, sowohl seiner Person, als seinem Gerichte die nöthige Achtung zu ver schaffen. Wenn einige Missethäter, welche der strafende Arm der Gerechtigkeit etiwa» unsanft berührt«, über hohe Strafen für unvernünftig rasches Reiten auf den Straßen und Störung der öffentlichen Ruh« durch Prügelei u. s. w. jammern, so kann dies gar nichts schaden, denn eS war hohe Zeit, daß dem oft parteiischen Gerichtswesen, welche» je nach den Umständen bald allzu scharf, bald allzu milde verfuhr, Einhalt gethan wurde und daß nun mit der Zeit allgemein mehr Ruh« und Ordnung herrschen wird. Ein erst vorige Woche verhandelter Fall ernsterer Art wird voraussichtlich noch ein Nachspiel haben, ent weder Berufung an da» Gericht zweiter Instanz, oder Gnaden gesuch an den Kaiser. ES handelte sich um ein« Anklage des Staatsanwalt» wegen Meineide». gegen den Polizeisergeanten der Apia-Polizei, einen HaWblut-Amerikaner. Der Berurtheilte ist ein anerkannter Wühler und Deutschenfeind, aber dennoch war e» der nichtdeutschen Partei gelung«», ihn für eine lange Reihe von Jahren trotz häufiger Beschwerden in dem Poltzeidienst zu erhalten. Dieser Umstand ist aber von dem Gerichtshöfe im vorliegenden Falle selbstverständlich nicht in Berücksichtigung ge zogen worden, sondern der Angeklagte auf Grund de» erwiesenen Strafvevgchen» zu dem nach dem Strafgesetzbuch zulässig ge ¬ ringsten Strafmaß, nämlich ein Jahr Zuchthaus, veruriheilt worden, welches hier in Gefängniß mit schwerer Arbeit besteht. Voraussichtlich wird dieser Fall von segensreichem Einfluß auf unsere Zustände sein, denn vorher waren Meineide sozusagen an der Tagesordnung, da die Gerichte sich nicht veranlaßt fühlten, Anklage auf begangenen Meineid aus eigener Initiative zu erhoben. Die Wirren in Ehina. -p. ES mehren sich die Meldungen, nach denen die Pekinger Gesandtschaften entsetzt sein sollen. Wir verzeichnen die folgenden: * Tokio, 21. Jnni. (Telegramm.) Ter japanische Consnl in Shanghai meldet: Admiral Seymour ist in Peking cingctroffcn. Tas diplomatische tz'orps ist unversehrt. Laut amtlicher japanischer Meldung ans Tschifu wurde die Fremdenniederlassung in Tientsin am 18. Juni eingeäschert. (Wiederholt.) * London, 21. Juni. (Telegramm.) vineShang- haier Depesche des „Bureau Talzicl" meldet: Nach be schwerlichem Marsche und häufigen Kämpfen mit den Chinesen langte Seymour s internationale Streit kraft Sonntag Nachmittag bei Peking an. Tie Colonne wurde fünfmal von den Chinesen, die in großer Stärke waren, angegriffen. Unter ihnen waren viele Berittene. Tie meiste» waren schlecht bewaffnet. Tic Berlnste der Chinesen während der Kämpfe ans dem Marsche werden auf 500 Todte geschätzt; die Ber lnste der fremden Truppen sind unerheblich. Die von dem japanischen Consul nach Tokio übermittelte Nachricht sucht „Daily Expreß" dadurch glaubhafter zu machen, daß er berichtet, sie sei mittels Boten des chinesischen Telegraphenamtes aus Peking nach Tschifu gebracht und von dort nach Shanghai telegraphirt worden. Wir wollen die Glaubwürdigkeit der Meldung, da sie so bestimmt austritt und von verschiedenen Seiten verbreitet wird, nicht verdächtigen, aber auffallend muß es doch erscheinen, daß sie von den Vertretern der Mächte in Tschifu nickt direkt an ihre Regierungen weitergegeben, sondern zu diesen erst auf dem weiten Umweg über Shanghai gelangt ist. Von Berlin hatte doch osficiös verlautet, daß das Aus wärtige Amt alle in Tschifu zu erlangenden positiven Mel dungen sofort bekannt geben werden. Etwas absolut Sicheres läßt sich also immer noch nicht über das Schicksal der Gesandt schaften sagen. Tientsin ist nicht minder gefährdet wie Peking, da es den Boxern, wohl in Gemeinschaft mit kaiserlichen Truppen — denn nur diese haben Geschütze — gelungen ist, die Königen Fremd en - niederlassungen am 18. d. M. ein zuäschern. Ueber die vorhergehenden Kämpfe berichtet ein Shanghaier Telegramm: In der Freitagnacht zerstörten die Insurgenten zunächst die katholische Kathedrale und andere christliche Gottes häuser, plünderten und brannten den größeren Tbeil der Eingeborenenstadt. Während ihrer verzweifelten Au- strengungen, die Bahnstation zu erstürmen, stießen die Boxer auf die russischen Truppen, die aus ihren schweren Geschützen 15 Salven abfeuerten, wodurch über 300 Chinesen getödtet wurden. Die Boxer griffen darauf die Fremdenniederlassung von zwei Seiten an, würden aber von den 2000 Mann Russen und anderen Wachen, die zum Schutz der Eisenbahn nach Hangtaun abgesandt worden waren, zurückgeworfen. Li-Httny-Tschang. Die Möglichkeit, daß die letzte unb entscheidende Kraftprobe den Mächten erspart bleibt, ist auch jetzt noch nicht ausgeschlossen. Im französischen Ministerrathe ist bekanntlich die Meldung des französischen Consuls in Shanghai zur Kenntniß genommen worden, daß Li-Hung-Tschang von der chine sischen Regierung nach Peking berufen wurde und in wenigen Tagen dort eintreffen wird. Ist diese Berufung durch die im Gefechte um die Forts von Taku gemachte Er fahrung bewirkt? Gleichviel, Li-Hung-Tschang, der aus dem Exil geholt wird, ist der einzige chinesische Staatsmann, dessen geistiger und politischer Horizont über die chinesische Mauer hin ausreicht, der einzige, von dem man sich versehen darf, daß er für die Situation, in welcher China sich befindet, das richtige Verständniß besitzt. Er hat an sich alle Gunst und Ungunst des Palastregiments erfahren, durch welches das Reich der Mitte abermals vor eine schwere Katastrophe gestellt ist, und so oft die Ungunst auf ihn niedcrhagelte, um ihn aus der Macht zu stürzen, geschah es, weil ihm sein gerechtes und wohlwollendes Verhalten gegen die Fremden verübelt wurde. Seit 47 Jahren hat sich der jetzt 77jährige Mann als Feldherr und als Staats mann bewährt, bis das Unheil des japanischen Krieges seinen neidischen Widersachern im Rath der Kaiserin-Regentin die Oberhand verschafft«. Da wurde dem „Seniorvormund deS Thronfolger»", dem Vicekönig und Statthalter der haupt städtischen Provinz Petschili, der geschaffen hatte, was China an Telegraphen und Eisenbahnen, an Verkehrsmitteln und Handels-Institutionen besitzt, di« gelbe Weste abgefordert, die da» Zeichen seiner Autorität und Machtstellung war. Ein Riese von Gestalt, war Li-Hung-Tschang aus Europa, das er mit klugen Augen bereist hatte, als ein halb modernrsirter Chinese hcimgekehrt; er hatte dem Fürsten Bismarck persönlich in Fried- richsruh gegenübergestanden, das Leben und Treiben in den großen Binnen- und Seestädten Europas aufmerksam studirt, und das Ergebniß dieses Studiums war gewesen, daß er die Wege einer besonnenen Reformpolitik empfohlen und einge schlagen hatte. Auf diesrn Wegen ist er gestrauchelt, als Ver- räther wegen Begünstigung der Fremden wurde er bei Seite ge schoben. Und jetzt wird er wieder gerufen. Das kann, meint die „N. Fr. Pr.", vorausgesetzt, daß die Meldung des französischen Consuls in Shanghai sich bestätigt, keinen anderen Sinn haben, al» daß im Palaste von Peking ein Umschwung sich vollzogen hat, eine Windung, durch welche man die Mächte zu versöhnen und zu beruhigen wünscht. Li-Hung-Tschang ist der Einzige unter den chinesischen Staatsmännern, der diesen das Vertrauen ein ¬ zuflößen vermöchte, daß die Politik des fanatischen Fremdenhasses verlassen werden soll, welche bis zur jetzigen Herausforderung aller Mächte und bis zur un geheuren Gefahr für sämmtliche Fremden in China gediehen ist. Li-Hung-Tschang, der in klugem Schaukelspiel zwischen Rußland und England und in oft geäußerter Vorliebe für Deutschland die chinesischen Interessen stets durch den Wider streit der fremden Einflüsse unversehrt hindurchzusteuern und wenigstens mit einem Hauch toleranten Reformsinnes zu be leben wußte, kann, wenn ihm die Zügel wieder in die Hand gegeben werden, in elfter Stunde die Welt und China davor bewahren, daß das ostasiatische Problem unter flammenden Zeichen in das schicksalsvolle Stadium seiner Lösung eintrete. Aber nun heißt eS plötzlich: Li-Hung-Tschang gehe nicht nach Peking. Man höre folgende Meldungen: * Hongkong, 21. Juni. (Telegramm.) s„Neuter's Bureau") Nach hier aus Canton eingetroffenen Nachrichten hat Li-Hung-Tschang auf die Vorstellungen der fremden Consuln eingewilligt, in Canton zu bleiben. * London, 2l. Juni. (Telegramm.) Derr „Time-" wird aus Hongkong von gestern telegraphirt: Li-Hung-Tschang hat auf dem Dampfer „Kwanglee", der am Freitag von hier ab geht, einen Platz belegt. Die hiesigen Chinesen sind sehr beunruhigt. Den Consuln wurden sehr ernste Vorstellungen gemacht, sie möchten den Vicekönig bewegen, in Canton zu bleiben, da sonst ein großer Aufstand ausbrechen würde. Daß die Chinesen in Canton den strengen und energischen Li sehr ungern scheiden sehen, ist begreiflich; daß aber seine Abreise allein den Ausbruch eines großen Aufstandes bewirken könnte, ist kaum anzunehmen. Allerdings ist das ganze Hinterland von Canton am Sikiang ein sehr unruhiges und von dem Treiben vieler Geheimgesellschaften durchwühltes Land; aber Canton hat sich gegen die Anarchie doch auch schon gehalten, ehe Li-Hung-Tschang Bicekönig in Kwangtung war, und wird sich wohl auch jetzt bei einigem guten Willen der Chinesen halten lassen. Die Sache bedarf jedenfalls noch näherer Aufklärung. Von den sonst vorliegenden Depeschen ist noch daö Nach stehende zu verzeichnen: * Berlin, 21. Juni. (Telegramm.) Aus einem über Tschifu hier eingetroffenen Telegramme des Chefs des Kreuzergejchwadcrs, der den Zustand der Verwundeten als befriedigend be zeichnet, ist zu schließen, daß ein vorher abgeschicktes Telegramm Les Admirals über den Kampf bet Taku verlöre» ge gangen ist. * Berlin, 21. Juni. (Telegramm.) Der Kreuzer „Gefion" traf am 21. Juni in Tschifu ein und ging an demselben Tage nach Taku Weiler. (Wiederholt.) * Berlin, 21. Juni. (Telegramm.) Als Tag der Aus reise für die beiden zum Transport der Truppen nach China gecharterten Dampfer „Wittekind" und „Frank furt" ist der 3. Juli in Aussicht genommen. Der Kaiser hat be sohlen, daß auch ein Detachement Pioniere nach Maßgabe deS verfügbaren Raumes in Stärke von etwa einer Compagnie ein» geschifft wird. Tas chinesische Problem. Aus London, 17. Juni, wird dem „Schwad. Merc." ge schrieben: Die einzige befriedigende Erscheinung in der hoch ernsten Lage in China ist die bis dahin aufrecht erhaltene Ge meinsamkeit des Vorgehens der Mächte. Mer je mehr man über das chinesische Problem nachdenkt, desto mehr kommt man zu dsm Schluß, daß die Uebereinstimmung, sobald der Aulsstand 'bewältigt ist, sofort aufhörcn wird, und daß diese Mächte bei der Entscheidung über die Zukunft Chinas schier uirülbevwinidliche Hindernisse vor sich anfgethürmt finden werden. Verschiedene Factoren tragen dazu bei, das Problem als ein sehr verwickeltes erscheinen zu lassen und den politischen Beobachter mit Be- sorgniß zu erfüllen. Daß Rußland schließlich, da es eine größere Truppenmacht ganz unmittelbar zur Hand hat, die Hauptarbeit bei der Unterdrückung des Ausstandes thun muß, kann wohl kaum ausbleiben. Eine derartige Arbeit aber führt, ein« Macht nicht aus, ohne hinterher Compensationen (die in diesem Fall wohl in einem Gcbietsantheil bestehen würden) zu beanspruchen und die Entschädigungsfrage eröffnet sogleich die Aussicht auf Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mächten. Aber selbst angenommen, daß dieser Punct in befriedigender Weise abgethan wird, so bleibt immer noch die Frag« betreffs der Zukunft Chinas, und wi« sie zu lösen tst, das ist ein« schwierige Ausgabe. Die Ereignisse der letzten Jahre hoben gezeigt, daß China völlig außer Stande ist, auf eigenen Füßen zu stehen und sich gegen eine mit ncuzeitigen Waffen ausgerüstete Nation aufrecht zu erhalten. Von englischer Seite ist vorgeschlagen worden — und Lord Charles Beresford hat einen auSfühtlichen Plan darüber entwickelt — daß eine der Mächte (Lord Charles hat natürlich England im Auge) es unternehmen sollte, das Heer und di« Flotte Chinas zu reorganisiren und so das Land selbst verihetdigungSfähig zu machen. Würde die Eifersucht der Mächte eS gestatten, einer unter ihnen diese Aufgabe anzuver trauen? Wir bezweifeln eS. Aber viel wichtiger vielleicht ist die Vorfrage, ob eS für Europa überhaupt wünschenswerth ist, eine so gewaltige Kriegsmacht, wie sie sich in China entwickeln ließe, bewußt und absichtlich inS Leben zu rufen? Hieße eS nicht, «ine neue, furchtbare Gefahr heraufbeschwören? Bei einer Be völkerung von 400 Millionen Menschen könnte China leicht 40 Millionen Soldaten in» Feld stellen, und mit einer solchen Macht wären die Chinesen in die Lage gesetzt, auszuziehen, um auf eigene Rechnung die Welt zu er- obern. Aber die militärische Gefahr ist nicht die einzige, die den Völkern droht, wenn an China die Hand deS Reformrr» gelegt wird. Werden in China geordnete fortschritt liche Zustände geschaffen, so werden die Bewohner diese» Reiches auch alsbald wi rt h s ch a f t l i ch mit ihren Lehrern in Wett- bewerb tret«», und die Millionen von Chinesen, die sich 20 von 24 Stunden placken und mühen können und dabei mit wenigen Pfennigen den Tag auSzukommen im Stande sind, werden den Arbeitern de» Westen» Mit Bezug auf Billigkeit der Erzeugnisse den Rang ablaufen und ihnen den jetzt schon harten Kampf ums Dasein noch unendlich erschweren. Chinesische Arbeiter werden überdies mehr als bisher den Arbeitsmavkt anderer Länder überschwemmen. In Amerika wird bereits ein Kampf gegen die chinesische Invasion geführt. Australien und Canada denken an Abwehrmaßnahmen. Mer was würde sich ereignen, wenn eines Tages sich die ganze Rasse emanöipirte und für ihre über zähligen Arbeitskräfte bessere Märkte bei den Völkern bes Westens suchte? Und angenommen, die Völker schlössen die Be wohner des „Himmlischen Reiches" gesetzlich von ihren Grenzen aus, wie können die über solche BeschränkungSmaßnahm«» ent rüsteten Hunderte von Millionen von Chinesen davon zurück gehalten werden, sich en mässe zu erheben und sich Gleich berechtigung unt«r den Völkern zu erkämpfen? Von welchem Gesichtspunkte man auch die weitere Zukunft der chinesischen Verhältnisse betrachten mag, so erscheint der Ausblick düster. Die europäischen Völker haben dem Chinesen gegen seinen Willen ihre Gesellschaft aufgenöthigt, und da er hikfloS war, machte er aus der Noth eine Tugend und nahm sie an. Wir scheinen uns der Zeit zu nähern, wo er daran denken wird, die ihm erwiesene Aufmerksamkeit mit Zinsen zu erwidern, und im Jntersse der Selbsterhaltung werden die Machte nicht dazu bei tragen dürfen, seine völlige Emancipirung herbeizuführen. Der Krieg in Südafrika. -<> Nun soll doch im Osten von Pretoria ein von Louis Botha erbetener Waffenstillstand von fünf Tagen in Wirksamkeit sein. Erst hieß «s, Roberts hätte denselben abgeschlagen and bedingungslose Waffen streckung verlangt, jetzt kommt eine andere Version, nach welcher Roberts, wenn auch nicht officicll so doch still schweigend eingewilligt habe, aber nach Ablauf dieser Woche kräftig vorgehen werde. Zwischen Len Zeilen ist natür lich zu lesen, daß Roberts bis Ende der Woche nicht in der Lage ist, etwas gegen Botha zu unternehmen, wahrscheinlich weil infolge der Demolirung der Eisenbahn die Proviant zufuhr in Unordnung gekommen war. Hat der Boeren- general, was übrigens noch nicht fesisteht, um Waffenstill stand nachgesucht, so hat er es zweifellos nur gethan, um neue Positionen für die Vertheidigung fertig zu machen. Wenig glaubwürdig ist die andere Meldung, nach welcher der amerikanische Hauptmann LooSberg, der in der Boeren- artillerie diente, in Louren^o MarqueS geäußert haben soll. De Wet habe 6000 Mann im Freistaat, Botha 2500 Mann in Transvaal. Außerdem hätten sich 1500 Mann in kleine Abtheilungen getheilt. Wäre dies wahr, so könnten die Boeren allerdings nichts anderes thun, als die Flinte ins Korn zu werfen. Aber ihr Widerstand ist noch keineswegs gebrochen. Die „Daily Mail" sagt, auS der Verlustliste, die der in Capstadt commandirende Officier übermittelt habe, gehe hervor, daß ein weiterer Angriff auf die rückwärtigen Verbindungen stattgefunden haben müsse, da Leute in einem bisher noch nicht erwähnten Gefecht bei Leeuw Spruit gefallen, ver wundet und gefangen worden seien. DaS Blatt meint, das würde Wohl daö Werk deS „vollkommen geschlagenen" De Wet gewesen sei»; auch bei Vredesort scheine ein Gefecht stattgefunden zu haben, von dem man bisher ebenfalls nichts gehört babe. Der Angriff auf Leeuw Spruit müsse an dem selben Tage geschehen sein, als der am Zand-Fluß. Es sei sehr möglich, daß die Telegrapbenverbindung in Lord Roberts Rücken wieder unterbrochen sei, da seit dem 16. kein Tele gramm von ihm mehr vorliege. „Neuter's Bureau" berichtet aus Zandspruit unter dem 20. Juni: (General Buller hat sein Hauptquartier zwei Meilen hinter Zandspruit, einer Station nördlich von Vollsrust, auf^eschlagen und sei» Lager an der westlichen Seite der Eisenbahn »nicht«. 187 Boeren aus diesem Distrirte haben sich gestern er geben. Deutsches Reich. L. Berlin, 21. Juni. (Verbrechen jugendlicher Personen.) Abermals ist in Berlin von einer noch nicht völlig stvafmündigen Person ein Verbrechen begangen worben, das lebhaft an die grausige Ermordüng des Justiz- ratheL Levy erinnert. Wenn im gegenwärtigen Falle das Opfer mit dem Leben davonkommen sollte, so wäre dies wahrlich nicht dem jugendlichen Verbrecher zu danken, der die beste Absicht ge habt hat. seinen Lehrherrn ins Jenseits zu befördern. Dieser Fall verdient besondere Beachtung in einer Zeit, wo man daran denkt, die untere Grenze der bedingten Strafbarkit heraufzurücken, nämlich von 12 auf 14 Jahre. Der Fall Pflaum-Hille zeigt, daß al-dann als Correlat zu dieser Heraufrückung der unteren Altersgrenze unbedingt die fakultative Herabsetzung der oberen Grenz« eingeführt werben muß, d. h., daß Personen nicht erst nach vollendetem 18. Lebensjahr«, sondrrn etwa schon nach volkndeteM 16. Jahre volle Strafmündigkeit erlangen und demg«mäß von der vollen Strenge des Gesetzes getroffen werden könn«n, vorausgrfetzt, daß das Gericht au» der That unid ihren begleitenden Umständen den Eindruck voller Reffe de» jugend lichen Verbrechers erlangt. Bei der That d«» Lehrling» Hille sprechen beispielsweise alle Moment« für di« volle geistige Reife. Hille hat «ine durchaus gute Schulbildung und eine nicht minder gute Erziehung genossen; er ist ein Mensch von großer In telligenz, was durch die Ausführung der Frevelthat bewiesen wird. Er hat die Lebenszewohnheiten feine» Lchrh«rrn sorg fältig ausspionirt, er hat sich nach alter Verbrechermanier unter dem Bette seine» Opfer» versteckt, er hat, al» er ergriffen wurde, eine verblüffende Unverfrorenheit an den Tag gelegt und er hat eine absolute Gefühllosigkeit bewiesen, die ganz mit der skrupel losen Grausamkeit, mit der er die That verübt«, iihrreinstlmint. Wi« kann nun dieser jugendlickn Verbrecher, der ganz die Qualitäten eine» alten, gewiegten Gewohnheitsverbrecher» an
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