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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000621020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900062102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900062102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-06
- Tag1900-06-21
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Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klcnim's Gortt». Universitätsstrahe 3 (Pauliuum^ «aut» Lösche, Raltzartnenftr. ta, Part, und KönigSplo» 7. tledaction und Erve-ition: JohanniSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. VezngS'PrefA < der Hauptexprdition oder den i« GtNdt» ße»trk nud den Vororten errichteten Aus» rpbestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, oei zweimaliger täglicher Zustellung ins hauS ^tl 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich »i 6.—. Directe tägliche Kreuzbandienduag iuS Ausland: monatlich 7.50. Abend-Ansgabe. Mix)igcr TagtbiM Anzeiger. Amlsvkalt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Natizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclamen unter dem RedactionSstrich (4g«> spalten) 50^j, vor den Familieunachrichten (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis verzeichnis Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Vellage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mrt Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Änzeigear Abend-AuSgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je et» halbe Stunde früher. Anreisen sind stets an die Expedtttos zu richten. Druck und Verlag von L. PolzL» Leipzig AI. Donnerstag den 21. Juni 1900. 91. Jahrgang. Die Wirren in China. -k». Wir stehen nach wie vor auf demselben Fleck. Neber das Schicksal der Gesandtschaften in Peking weiß man weder in London, noch in Petersburg, noch in Jokohama noch in Paris oder in Berlin etwas Positives aus Peking selbst. Der italienische Consul in Shanghai hat zwar seine Regierung in einem gestern in Nom eingetroffenen Telegramm versichert, daß die Gesandtschaften unversehrt seien, aber er sagt nicht, woher er die Nachricht hat. Bon Shanghai gingen zwei Meldungen aus, einmal, die Ge sandtschaften seien genommen und die Entsatzcolonne sei um zingelt, und gleichzeitig die andere, die russischen Entsatztruppen leien bereits in Peking angekommen. Das Eine schließt daö Andere auö. „Daily News" will wissen, Seymour befinde sich mit seiner Colonne in der Mitte einer trockenen Ebene ohne Nahrung und ohne trinkbares Wasser und sei voll ständig von feindlichen Truppen umgeben. Sicher ist blos, daß von Seymour seit den 13. Juni keine Nachricht nach Taku gelangt ist und daß die Boxer bei Tientsin noch ungehindert sengen und brennen. Die fremden Schutzwachen in der Stadt suchen sich der Horden so gut eS geht zu erwehren, vermögen sie aber nicht ru ver treiben und warten sehnlichst aus das Eintreffen weiterer Truppennachschübe von Taku auS, die nun nicht mehr lange auf sich warten lassen werden, da Rußland und Japan fort gesetzt Ausschiffungen vornehmen. Ter Kampf bei Taku. AuS London, 20. Juni, wird der „Frkf. Ztg." telegraphirt: Dem „Daily Expreß" werden auö Shanghai Einzelheiten über den Kampf bei Taku mitgetheilt, welche den Berdacht zu bestätigen scheinen, daß die Chinesen bei der Organi- sirung der Vertheidigung Takuö ausländische Hilfe hatten. Nicht nur geschah der Angriff von den Forts aus mit einer Genauigkeit, welche iu der chinesischen Strategie ohne Gleichen dastcht, sondern der Hafen von Taku war auch nach einem wissenschaftlichen Plane bis auf zwei Meilen von der Küste vielfach unterminirt. Daß das ver einigte Geschwader einen verbältnißmäßig so geringsügigen L-chaden erlitt, ist dem Umstande zuzuschreiben, daß in der Nacht vor dem Bombardement die Boote des englischen Schiffes „Centurion", des russischen Schiffes „Sissoi-Weliki" und des japanischen Kreuzers „IoShino" die Drähte durch schnitten, welche die Minen mit den Forts verbanden. Die großen Schiffe des Geschwaders waren gezwungen außer Action zu bleiben, weil so viele kleine Kanonenboote dicht an der Küste lagen. Hätten die großen Schlachtschiffs am Bombardement Theil genommen, so wäre die Gefahr vor handen gewesen, daß sie ihre eigenen Verbündeten trafen. Das chinesische Torpedogeschwader machte einen verzweifelten Versuch, auszulaufen, wurde aber von den Booten des verbündeten Geschwaders genommen. Die Deutschen und die Russen nahmen den neuen chinesischen, bei Armstrong ge bauten Kreuzer „Hai Yang" weg. Derselbe hatte an Bord eine Anzahl Officiere aus den Provinzen, welche sagten, sie hätten Befehl, einen Vernichtungskrieg gegen die Ausländer und die chinesischen Christen zu unter nehmen. Die britischen Verluste bei dem Kampf mit den Forts von Taku am 17. d. M. sind laut Bekanntmachung der Admiralität: ein Matrose todt, ein Unterzahlmeister und zwöls Mann verwundet. Im Lüde» Chinas schlägt die allgemeine Boxererhebung auch bereits nicht un bedenkliche Wellen. So erhielt der französische Consnl in Mongtse (nahe der Grenze von Touking) vom französischen Consul in Uünnan, Francois, folgende Depesche, datirt vom 15. dieses Monats aus Dünnanfu: Wir wurden am 10. dieses MonalS, als wir Aüunanfu verlassen wollten, angegriffen und gezwungen^ in die Stadt zurückznkehren. Unser ganzes Gepäck wurde geplündert, die M issi o n S a u sta lt e n und Eisenbahnen in Brand gesteckt. Nur mein Haus blieb unverletzt, wo ich meine Landsleute versammelt hatte, und wo wir unS mit unseren Gewehren hielten. Nach Verlauf von 18 Stunden ergriffen die Mandarinen endlich Maßregeln; ich habe sie dringend aufgefordert, u»S an die Grenze zu führen und ich erwarte, daß sie sich sür die Wege verbürgen. Es ist dringend nothwendig, daß die französische Negierung gebieterisch fordere, daß man uns ziehe lasse, da wir geradezu Gefangene sind. Es ist jedoch nothwendig, daß Jn'dochina die Begleit mannschaften nickt über die Grenze lasse. Augenblicklich sind alle Franzosen wohlbehalten. Ter Vicekönig in Mongtse fügt dieser Meldung hinzu, daß die Lage in Mongtse noch immer bedenklich sei. Es kämen häufig Be unruhigungen vor; bis jetzt hätte sich keinerlei ernster Zwischenfall ereignet. Im Uebrigen sind noch folgende Telegramme zu ver zeichnen. * Tschiftt, 19. Juni. Nach Meldungen aus Taku sind dort gestern 3000 Russen, ferner ein englisches und ein deutsches Detachement zum Schutze der Niederlassungen in Tientsin an Land gegangen. Das chinesische Nordge schwader ist nach dem Pangt se abgefahren. * Washington, 20. Juni. Der amerikanische Consnl in Tschisu meldet telegraphisch, Last die Mission iu Santschon geplündert worden sei, der dortige chinesische General habe aber die Missionare »ach einem anderen Orte — man wisse nicht, nach welchem — in Sicher heit gebracht. Die chinesischen Schisse vor Tschifu seien südwärts in See gegangen. Die Russen führen fort, Truppen iu Taku zu landen. * Kronstadt, 20. Juni. In Gegenwart der Behörden wurden heute Seelenmessen für die bei Taku Gefallenen und ein Dankgebet für den Sieg der Flotte abgehalten. Ein Angriff von Chinesen auf britische Officiere. Das Reuter'sche Bureau erhält von einem Correspondenten auS Shanghai einen ausführlichen, vom 16. Mai datirten Bericht über einen Angriff von Chinesen auf britische Officiere in Wei-hai-wei. Der erste ernster- Aus bruch von Feindseligkeiten seitens des chinesischen Mobs sand am 5. Mai statt. Major Penrose von den Pionieren war damit beschäftigt, Messungen vorzunehmen, als sich ein Haufen Volks um ihn herum ansammeltc. Der Ofsicier war so sehr in seine Arbeit vertieft, daß er zuerst gar nickt die feindliche Haltung der Chinesen bemerkte. Erst als dieselben begannen, nach ihm zu Wersen, und ein Klumpen Lehm seinen Helm traf, sah er, um was es sick handelte. Er drohte zunächst mit der Hand und warnte die Leute, was aber nur zur Folge hatte, daß diese auf ihn losstürzten. Darauf riß der Ofsicier seinen Revolver aus der Tascke und feuerte in zwei Minuten sämmtliche Schüsse ab, mit dem Resultate, daß er drei seiner Angreifer tödtete und vier Andere verwundete, dann wehrte er sich, so gut er konnte, wurde aber bald überwältigt und zu Boden geworfen; ebenso erging eö den paar Solvat en, die in der Nähe waren; die Chinesen nahmen ihnen die Bajonette ab und verwun deten den Major verschiedentlich an den Beinen. In diesem Augenblick erschien Capitän Pereira, der auf die Schüsse herbeigekommen, aber leider unbe waffnet war; trotzdem eS ihm gelang mit der Faust einige der Leute unschädlich zu machen, konnte er natürlich auf die Dauer gegen die Menge nichts aus richten; auch er wurde zu Boden geworfen. Ein binzu- kommender Soldat dcö ersten chinesischen Regiments schaffte zuerst mit seinem Bajonett Platz und schoß dann sechs weitere Chinesen über den Haufen. Während dessen kamen die anderen Soldaten der EScorte heran; sie feuerten zunächst eine Salve über die Köpfe der Chinesen hinweg, die aber nicht auseinander liefen, sondern eine immer drohender werdende Haltung annahmcn. Als Alles nichts half, wurde eine wohlgezielte Salve abgegeben, die ungefähr 30 Leute zu Boden streckte. DaS half, obwohl es klar war, daß der Mob, wäre er ordentlich bewaffnet gewesen, es auf einen harten Kampf hätte ankommen lassen. Die Haltung der Soldaten des chinesischen Regiments war aus gezeichnet; sie gehorchten ihren britischen Officieren und zögerten keine» Moment, auf ihre Landsleute zu schießen. Am folgenden Tage wurde ras Lager Capitän Watson's in Tsaomiaotzc angegriffen, da aber die Absichten der Chinesen vorher verrathen waren, wurden die Angreifer „gebührend" empfangen und ungefähr zwanzig derselben gelödtet. Tie Mannschaften sind jetzt so verstärkt worden, daß nickts mehr zu befürchten ist. Kurz vor dem Ausbruch dieser Feindseligkeiten waren, wie sich jetzt herausstelll, in den Dörfern des abgetretenen Territoriums Proclamationen angeschlagen worden, die die Leute ausforderten, den Eng ländern Widerstand zu leisten. Jedes HauS sollte mindestens cmen Mann stellen, widrigenfalls 'das Haus verbrannt und die Einwohner gelödtet werden sollten. Die Kulis wurden aufgcfordcrt, nicht weiter sür die Briten zu arbeiten. Alle Arbeit ist eingestellt. Tic kaiserliche japanische Gesandtschaft in Berlin und die Wirren in China. Ueber die am Dienstag in der Berliner kaiserlich japanischen Gesandtschaft einem Mitarbeiter der „Deutschen Warte" ge währte Unterredung, von welcher wir schon einen Auszug brachten, berichtet der Interviewer ausführlich, wie folgt: Ich eröffnete die Unterhaltung mit der Frage, ob wohl die in China vorhandenen Streitkräfte dec Bewegung gegenüber ge nügend seien. Nach der verneinenden Antwort und einem Hinweis darauf, daß es für die westeuropäischen Staaten wohl sehr schwierig sein würde, eine so große Macht in Ostasien zu entfalten, daß günstiger gestellte Mächte nicht versucht sein würden, einen überwiegenden Einfluß zu erlangen, entgegnete der Staatsmann rasch: „O, was Japan betrifft, wird es stets im Einvernehmen mit den übrigen Mächten handeln; wir wollen Vortheile für alle Culturnationen in China erkämpfen, und immer mit den übrigen Mächten zusammen, nicht für uns allein. Wenn wir darum Truppen in China landen sollten — die Sendung von 2000 Mann ist schon gemeldet, und weitere Sendungen werden folgen, wie auch die Entsendung von weiteren japanischen Kriegsschiffen an die chinesische Küste —, so wird auch das nur nach vorheriger Verständigung mit den Mächten geschehen." Aber gesetzt den Fall, -daß der weitere Verlauf der An gelegenheit zu einer solchen Verstärkung der japanischen Kräfss in China führt, daß es ein entscheidendes Wort bei der Niederschlagung der Unruhen mitspricht, wird dann Japan nicht eine Entschädigung fordern? „Ja gewiß; ein Stück Land werden wir auch für uns fordern, wenn es an die Aufteilung Chinas geht; wir werden aber keine Ansprüche stellen, welche die anderen Mächte nicht gewähren könnten." Die Bieinung in Deutschland geht vielleicht auch dahin, daß Japan, welches von Rußland aus Korea hinausgedrängt wurde, auf dem Festlande von China festen Fuß fasten müsse. Besteht diese Meinung auch in Japan? „Ah, Korea . . . Aber Sie sind im Jrrthum, wenn Sie meinen, daß Japan aus Korea hinausgedrängt wäre; unsere Stellung in Korea ist eine sehr sichere." Ab^: Rußland hat doch an 80 000 Mann Truppen im fernen Osten stehen, und sein großer Gegner England ist in Südafrika festgelegt; besteht da in Japan nicht eine Beunruhigung, daß Ruß land seine starke Stellung in Ostasien jetzt ausnutzen, Korea und Peking besetzen könnte? „Nicht doch, Japan fühlt sich durch Rußland durchaus nicht beunruhigt. DaßRußlandAb- fichten auf Peking und Korea haben sollte, ist gar nicht glaubhaft, später vielleicht, — aber jetzt hat es so viel mit der transsibirischen Bahn noch zu thun, daß ich auch gar nicht einmal an die 80 000 Mann Rusten im fernen Osten glaube. Deshalb giebt es auch noch gar keinen Gegensatz zwischen Japan und Rußland; dieser Gegensatz ist nur für die oberflächliche Beurtheilung, besteht in der That.aber nicht." In einer Zeitung las ich neulich, daß ihrem Redacteur in einem Gespräche mit einem japanischen Diplomaten von diesem gesagt worden sei, Japan suche keine Erwerbungen in China; ein Besitz auf Hem Festlande würde Japans Stellung nur schwächen. „Das ist gewiß nicht die Meinung meiner Regierung; wir werden bei einer Aufteilung sicher unser Stückchen Land fordern." Es hieß auch, daß Japan schon die Provinzen Folien, Tschekiang und Kiangsi für sich als Einflußsphäre gefordert hätte. Man schloß daraus auch auf eine Abmachung mit England. „Eine solche Abmachung besteht gar nicht, und was eine eventuelle Gebietsforderung meiner Regierung betrifft, kann jetzt noch nicht gesagt werden, wo wir uns dieses Gebiet denken." Wir hören aber in Deutschland, daß Japan gegenwärtig in einer finanziellen Krise steckt; die großen Aufwendungen der letzten Jahre haben den Geldmarkt etwas erschöpft. Sollte nicht aus diesem Grunde die japanische Regierung auf ein Vor gehen in größerem Stile verzichten? „Das Geld läuft etwas langsam ein, das gebe ich zu; aber wenn wir gegenwärtig auch nicht die Mittel haben möchten, etwaige Erwerbungen sofort gehörig auszubauen, zu colonisiren, so werden wir doch an die Zukunft denken!" Ich höre, daß die Firma Mitsui nach Beendigung der Un ruhen mit Wünschen nach Bahnconcestionen in China hervor treten will. „Mitsui? . . . Nein, das ist nicht glaubhaft. Mitsui be sitzt Kohlengruben, aber an Eisen haben wir in Japan Mangel; wir müssen sogar Roheisen aus China beziehen. Deshalb wird FeuiHrton. Diana. Roman von Marian Comyn. Nachdruck verboten. Wer NUN auch die Leute sein mochten, sie befanden sich zwischen Diana und dem Hause, und ein Schritt weiter mußte ihnen die Anwesenheit des jungen Mädchens verlachen. Vor sichtig zog sie sich hinter di« Gebüsche zurück, deren Schatten sie es überhaupt verdankte, daß sie nicht längst bemerkt worden war. Einen Augenblick stand sie unschlüssig da. Dicht vor ihr befand sich ein« mächtige Ceder. deren dichte Zweige einen so tiefen Schatten gewährten, daß das Mondlicht kaum hier und La durchdringen konnte. Aber denselben Dienst, den der Baum ihr erwies, erwies er auch den Anderen, sie konnte trotz aller Bemühungen nichts von ihnen sehen; nur das war ihr klar, daß sich die Leute, die dort miteinander flüsterten, dicht hinter dem dicken Stamm, nicht weiter als vielleicht ein halbes Dutzend Schritt« von ihr entfernt, befinden mußten. Ihre Stimmen, obgleich sie dieselben so viel wie möglich dämpften, waren dennoch in der Stille der Nacht vernehmbar. Zu ihrer Ueber- raschung machte Diana die Entdeckung, daß die eine derselben einem weiblichen Wesen angehören mußte. ,-Es hat gar keinen Zweck, heute Nacht daran zu denken", waren di« ersten Worte, die an das Ohr der Lauscherin tönten. „Sie könnten leicht genug hinein gelangen, das bedarf keiner Frage — aber ich würde Ihnen nicht dazu rothen, da es üble Folgen nach sich ziehen dürfte." „Ich begreife nur nicht, was Sie dazu veranlaßt haben kann, etwas zu argwöhnen", war die ärgerliche, in unterdrücktem Ton« gegebene Antwort. „Ich vermuthe, Sie haben irgend eine Dummheit begangen, anders kann ich mir die Sache nicht er klären!" „Das ist ja ein« sehr hübsche Manier, mir für die Mühe, die ich habe, und die Gefahr, der ich mich um Ihretwillen aus setze, zu danken." Nun. nun — laufen Sie nicht fort. Klein«! Sie wissen ganz gut- daß es nicht meine Absicht ist, Sie zu kränken, aber Sie müssen doch selbst zugestehen, daß es sehr ärgerlich ist, seine Pläne in dieser Weise durchkreuzt zu sehen, wenn man glaubt, endlich am Ziele angelangt zu sein." „Gewiß, eS ist ärgerlich für Sie, aber es ist auch ebenso ärgerlich für mich!" „Ich weiß das. Sie sind eine gute, kleine Frau und sollen auch in angemessener Weise belohnt werden. Sind Sie sicher, daß es für heute Nacht wirklich ganz zwecklos ist, einen Versuch zu wagen?" „Ganz sicher, sie hat einen leisen Schlaf und würde beim geringsten Geräusche erwachen!" sagte die weibliche Stimme. Es entstand eine Pause. Der Mann schien über etwas nach zudenken. Dann sagte er mit einem tiefen Seufzer: „Ich glaube, Sie haben Recht. Aber ich denke nicht daran, die Sache aufzugeben. Wissen Sie keinen Ausweg? Was können wir thun?" „Ich fürchte, ich weiß diesmal keinen Rath. Sie werden sich eine Zeit lang gedulden müssen; wir wollen erst sehen, welchen Verlauf das hier nimmt." „Aber das ist gerade Das, wozu ich mich nicht verstehen kann", entgegnete er mit unterdrückter Heftigkeit. „Sehen Sie nicht, daß jeder Tag, der vergeht, die Gefahr, der ich mich aus setze, größer macht? Wenn das, was ich thun will, ebenso gut morgen oder in einem Monate oder noch später geschehen könnte, so würde ich mir aus der Verzögerung nichts machen, aber wie die Sache nun einmal liegt. — Halloh, was ist das?" Er brach plötzlich ab und blickte sich forschend um. Diana hatte unwillkürlich eine Bewegung gemacht, und sich vorgebeugt, um womöglich einen Blick auf die beiden Ver bündeten werfen zu können. Doch das Rauschen der Blätter deS Lorbeergebüsches, hinter welchem sie sich verborgen hielt, hatte sie verrathen. Die Unterhaltung, welche sie mit angehört, hatte sie ebenso überrascht, wie beunruhigt. Es ging zur Genüge aus dem Ge spräch hervor, daß ein Einbruch in Crowhurst geplant wurde; aber jedenfalls hatte sich Diana die Sprache eines Einbrechers anders gedacht, als die, in welcher der Mann dort hinter dem Cedernbaume seine Gedanken offenbarte. Die ganze Sache er schien ihr so räthselhaft, daß sie vor Erstaunen darüber die nöthige Vorsicht außer Acht ließ. Da Diana sah, daß sie ihre Anwesenheit verrathen hatte, und nicht mehr hoffen konnte, den Beiden dort zu entschlüpfen, eilte sie kaltblütig vorwärts, indem sie mit lauter Stimme um Hilfe rief. Im nächsten Augenblick bemerkte sie auf der anderen Seite deS Brunnens zwei Personen, von denen die eine eine Frau war, welche ein schwarzwollenes Tuch über Kopf und Schultern geworfen hatte, die andere, ein Mann mit dunklem Vollbarte, der den großen schwarzen Filzhut mit breiter, nieder hängender Krempe trug, der Philipp Hecrthcote'S Aufmerksam keit heut« Abend erregt hatte. Bei Diana's unvermuthetem Anblicke wandte sich die Frau schleunigst um und eilte, so schnell ihre Füße sie zu tragen ver mochte/», davon. Der Mann war nicht so flink wie sie, und während er noch unentschlossen dastand, nicht wissend, wohin er sich wenden sollte, ergriff Diana seinen Arm und erneuerte ihre Hilferufe. „Lasten Sie mich los!" rief der Mann, außer sich vor Em pörung über den Angriff, mit unterdrückter Stimme. „Lasten Sie mich los, sage ich Ihnen." „Nein, das werde ich nicht!" antwortete das muthige Mädchen furchtlos. „Ich will zuvor wissen, wer und was Sie sind!" Und fester umklammerten ihre Hände seinen Arm. „Sie sind eine Thörin!" murmelte er ärgerlich, indem er von Neuem versuchte, seinen Arm zu befreien. Und als ihm dies nicht gelang — Diana bot all' ihre Kraft auf, um ihn festzuhalten, bis die ersehnte Hilfe aus dem Hause käme —. sagte er empört: „Ich wollte keine Gewalt gegen Sie brauchen, um Ihnen nicht wehe zu thun, wenn Sie mir aber keine Wahl lasten " Er hielt plötzlich inne und lauschte. Irgend Jemand im Hause mußte Diana's um Hilfe rufend: Stimme vernommen haben und eilte mit dem lauten Rufe: „Ich komme! Ich komme!" hastig die Stufen der in den Garten führenden Terrasse hinab. Der Einbrecher, wenn man ihn so nennen durste, ließ jetzt jede Rücksicht schwinden und machte sich mit einem plötzlichen Ruck von den Armen des jungen Mädchens frei. Dies geschah jedoch mit solcher Heftigkeit, daß Diana das Gleichgewicht verlor und auf den Rasen niederfiel, wo sie einige Augenblicke wie betäubt liegen blieb. Als sie 'sich von ihrer Bestürzung erholt hatte, war Robin son, einer der Diener des Hauses, bei ihr und bemühte sich, ihr aufzuhelfen, aber von ihrem Angreifer war keine Spur zu sehen. „Eilen Sie, eilen Sie!" rief sie hastig. ,/Der Mann kann nur die Richtung nach dem Parke «ingeschlagen haben! Kümmern Sie sich nicht um mich, eilen Sie ihm nach. Ich gehe so schnell wie möglich ins Haus und sende sofort einige Leute nach, die Ihnen helfen, den Mann zu suchen." Auf Robinson's Antlitz erschien ein Ausdruck wahrer Be geisterung, als seine junge Herrin so zu ihm sprach. Er selbst war durchaus kein abenteuerlich veranlagter Mensch, und es fiel ihm gar nicht ein. in der Nacht einem Manne nachzulaufen, von dem er nicht wußte, ob er bewaffnet sei, oder nicht. Aber um so mehr bewunderte er den Muth bei einem Anderen, und zumal in diesem Falle, wo ein junges Mädchen mit solcher Kühnheit auftrat. — Er wartete ruhig in einiger Entfernung, bis die er sehnte Unterstützung, die Diana ihm verheißen hatte, eintreffen würde, was auch bald geschah. Nach wenigen Minuten erschien der alte Fergus auf der Bildfläche. Robinson wußte sich den Anschein zu geben, als habe er schon die größten Anstrengungen gemacht, um den Dieb und Räuber, wie er sich ausdrückte, ding fest zu machen. Diana hatte indessen auf eigene Hand Nachsuchung nach der Frau gehalten, welche bei ihrer Erscheinung wie ein Schatten zwischen den Bäumen verschwunden war. Der Gedanke, daß dieselbe zu den Angestellten des Hauses gehöre, war in ihr auf gestiegen, und gleich, nachdem sie ins Haus zurückgekehrt war, beauftragte sie Mrs. Sandmann, die Haushälterin, die sämmt liche weibliche Dienerschaft des Hauses zusammenzuberufen, um cstzüstellen, ob Alle im Hause anwesend seien. Mrs. Sand mann schien geneigt zu sein, sich den Wünschen ihrer jungen Herrin zu widersetzen; sie fühlte sich in ihrer Würde als Oberste des Haushalts durch dieses Verlangen verletzt und versicherte Diana, daß um diese Zeit keine ihrer Untergebenen das Haus verlasse. Doch Diana blieb fest, und demzufolge erschienen bald alle weiblichen Mitglieder des Haushaltes in der großen Halle, wo Diana selbst ihre Namen aufrief. Niemand fehlte. Dann fragte Diana, ob Jemand von ihnen im Garten, in der Nähe der großen Ceder gewesen fei, doch wurde die Frage allgemein verneint, und eines der Mädchen machte in deutlich vernehm barem Tone die Bemerkung zu ihrer Nachbarin, daß sie sich fürchten würde, sich so spät am Abend in den Garten zu be geben, gleichviel, ob Mondschein s«i, oder nicht. Diana wußte nicht, was sie denken sollte. ES war nicht zu verkennen, daß die Leute ihr ihre Nachforschungen übel nahmen. Einige von ihnen waren schon lange Jahre im Dienste des alten Squire gewesen und waren sehr gcneigt, den neuen Herrn und seine Schwestern als Eindringlinge zu betrachten. Inzwischen Ovaren auch Robinson und der alte FerguS zu rückgekehrt, doch ohne eine Spur von dem Eindringling entdeckt zu haben. Robinson gab mit wichtiger Miene den Rath, einige Polizeibeamte kommen zu lassen, um das Haus zu bewachen, aber der alte Fergus lachte über diesen Vorschlag. „Als ob vier Männer nicht genügten, das Haus zu be wachen!" sagte er voller Entrüstung. „Wenn man Dich hört, Robinson, so kann man wahrhaftig aus die Vermuthung kommen, Du seiest ein Kind, daS noch nicht von der Mutter Schürze losgekommen." Diese Aeußerung des alten Gärtners wurde von allen An wesenden mit einem unterdrückten Gelächter begrüßt, ausge nommen von der Person, an die sie gerichtet war; Robinson nahm eine würdevolle Miene an und bewahrte ein trotziges Schweigen.
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