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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.06.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000627015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900062701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900062701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-06
- Tag1900-06-27
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Li« Morgen-AuSgab« erscheint «i '/,7 Uh^ di« Abend-Au-gab« Wochentag« am 6 Uhr. Fitttle«: Alfred -ahn vorm. v. Klemm'» EsrR». UviversitütSstraß» 8 (Paulinum). Loni« Lösch«. Kacharinenfir. 14, »art. «ad Königsplatz7. Ne-action ««- Lrpe-itto«: Johan ntsgaff« 8. Di« Expedition ist Wochentag« nnuuterbrochel geösfnet von früh 8 bi» -ldeud» 7 Uhr. BezugS-PreiS Ed d«r Hauptexpedition oder de» i» Stabs» seztrk «ad den Vororten errichtete« Aos- aabrstellen ab geholt: vierteljährlich ^l4^L oei zweimaliger täglicher Zustellung in» Lau« hchg. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich S.—. Dir«cte täglich« Kreujbaudsendun» in» Ausland: monatlich ^l 7.50. 321. Morgen-Ansgabe. WpIger. TlUMaü Anzeiger. Amlsblaü deS Königlichen Land- und Amtsgerichtes. Leipzig, des Mathes und Nolizei-Nmtes der LM Leipzig. Mittwoch den 27. Juni 1900. Anzeigen-PreiS die S gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reclamen unter dem RrdactlonLstrich (4ge- spalten) LO/H. vor den Familiennachrichteu (8 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz «ach höherem Tarif. M. I 0«»0 < 1. Extra »Veilagen (gefalzt), nur mit der Morgen «Ausgabe, ohne Postbeförderung S0.—, nnt Postbesürderung 70.—. o»c» > Innahmeschluß für Anzeigen: Ab end «Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Margen-Au-gabe: Nachmittags «Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anreisen stad stet« an die Ex-edition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 84. Jahrgang. Nußland beim Tode des Grafen Murawjew. V. 8.' Wenn beim Tode eine» Staatsmannes da» Facit seiner Wirksamkeit gezogen und das PluS und das Minu» seiner Leistungen abgewogen wird, so stellt sich für den Grafen Michael Murawjew ein ungemein günstiges Ergebniß heraus. In weniger als 3^, Jahren hat er Rußland« Ansehen in Europa und Asien zu einer Höhe erhoben, wie man e» kaum für möglich hielt. Ohne einen Krieg, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen, wurden großartige politische Erfolge errungen und die Machtstellung des Zarenreiches nach allen Setten gefestigt. Die kurze Aera Michael Murawjew'- bedeutet ein« glänzende Epoche der russischen Geschichte, in der man mit Geschick und zäher Ausdauer Hindernisse überwunden und die vorliegenden Verhält nisse zum Vorthetl de» Zarenreiches ausgenutzt hat. Die treibende Kraft bei allen diesen Actionen — die Friedens konferenz vielleicht autgenommen — war allein der jetzt ver storbene Minister de» Auswärtigen. In einem großen Theile Asien» steht Rußland heute al» ausschlaggebender Factor dar. Centralasien ist fast völlig feinem Einfluß unterworfen. Der Eisenbahnvertrag mit der persischen Regierung und die Bewilligung eine» Darlehn» be siegelten die Abhängigkeit de» Schah vom Zaren und die ein leitenden Schritte sind gethan, um die Abtretung eine» Kriegs- Hafen» am Persischen Golfe oder am Indischen Ocean zur Thatsache zu machen. In Kleinasien hat Rußland wichtige Eisenbahnconcessionen erworben und wird dadurch dieses weite Gebiet, ebenso wie Persien, allmählich seiner Botmäßigkeit unterwerfen. Wenn die Anlage von Verkehrsmitteln ausschließ lich von der Erlaubnitz des Zaren abhängt, so muß die Fußfassung anderer Staaten sehr erschwert werden. Rußland wird jeden- I falls an den Grenzen Kleinasiens einmal die entscheidende Rolle I spielen. In China und Korea hat das Zarenreich endlich unter der Leitung Murawjew'S Erwerbungen gemacht, deren Werth eine völlige Umgestaltung der Lage und eine bemerkenswerthe Verschiebung der Machtsphären zur Folge haben muß. Der Besitz Port Arthurs und Talienwans wurde freilich durch Eng land in Folge der „Pachtung" Wei-Hai-Wei^einigermaßen paralysirt. Dieser letztere Hafen bildet immerhii^m bemerkens- werthes Gegengewicht gegen den Stützpunkt der Ruffen am Golfe von Petschilli. Aber weder die Engländer noch die Japaner konnten Masampo, an der Straße von Korea, das Geringste ent- gegenstellen, und es ist nicht wahrscheinlich, daß in absehbarer Zeit etwas Derartiges geschieht. Diese letzte Eroberung ledig lich durch die Mittel der Diplomatie war Murawjew'S größter Sieg, dessen weittragende Folgen erst später vollkommen hervor treten werden. Rußlands Ansehen hat selbst durch den Mißerfolg der Friedenskonferenz im Haag durchaus nicht gelitten. Ein so nüchterner und klar denkender Politiker, wie Murawjew, hat sich schwerlich jemals irgendwelchen Illusionen hingegeben, als könnte in der That der Weltfriede durch Beschlüsse einer Diplo matenversammlung gesichert werden. Er ist darum von Anfang an bedacht gewesen, die zarische Regierung nicht zu fest an die Haager Verhandlungen und die theoretischen Anschauungen der Friedensfreunde zu ketten. Die ganze Angelegenheit hatte für den Leiter der russischen Politik schwerlich eine andere Be deutung, als die, einen Krieg mit England hinauszuschieben, um dem Reiche sodann die Möglichkeit zu bieten, seine Kräfte zu sammeln und die wirthschaftliche Krisis zu überwinden. Letzteres ist freilich nur zum Theil gelungen; sollte es indeß mit Groß britannien im fernen Osten wirklich bald zum Schlagen kommen, so kann die russische Regierung als Veranstalterin deS Friedens kongresses das Odium deS Friedensstörers bequem von sich auf seinen Gegner abwälzen. Die FriedenSaction ist durch die Um sicht und daS Geschick des verstorbenen Staatsmannes zu einer wirksamen Waffe in den Händen deS Zarenreiches geworden. Vielleicht waren es weniger hervorragende Talente, als eine außerordentliche Schulung, die lange Tradition und eine ins Blut übergegangene sichere Beurtheilung politischer Verhältnisse, die den verstorbenen Grafen immer daS Richtige treffen ließen und Rußland von Erfolg zu Erfolg führten. Nirgend» in der Welt verfügt die Diplomatie über eine ähnliche Erfahrung und nirgends — vielleicht ausgenommen in den Jesuitencollegien — erhalten ihre Angehörigen eine so sorgfältig« Ausbildung für ihren Beruf, wie gerade in Rußland. Dazu kommt die Klar heit und Bestimmtheit ihrer Ziele, die bereits von Peter dem Großen, ja eigentlich schon früher, fefigelegt sind und mit be« wunderungswerther Folgerichtigkeit verfolgt werden. Der Zar und die Leitung seiner auswärtigen Politik vermeiden jede» un« nöthige Geräusch. Sie versenden keine Telegramme, die für die Orffentlichkeit bestimmt sind, und vermeiden auch die ohnehin seltenen Gelegenheiten zu öffentlichen Reden, deren Inhalt durch die Thatsachen drmrntirt werden könnte; aber sie handeln um so mehr und überraschen dadurch häufig die Welt mit ihren Erfolaen. Die Klarheit der Ziele und die Folgerichtigkeit km Handeln, welche die russischen Diplomaten immer auszeichneten, läßt di« Frage, wer berufen sein sollte, die Erbschaft de» Grafen Muraw jew zu übernehmen, al» weniger bedeutungsvoll, wie in West europa, erscheinen. Man nennt natürlich die verschiedensten Namen r die Botschafter Graf Kapnist und Fürst Urussow, den Pekinger Gesandten von Gier», den Vertreter de» Zaren am Goldenen Horne, Geheim rath Sinowjew, und außerdem einige Petersburger Diplomaten. Die Entscheidung wird vorauSsichllich nicht gleich fallen; dafür spricht die Ernennung de» Grafen Lamsdorf zum interimistischen Verweser de» Mini sterium». Der Zar hat sicher mit der Möglichkeit de» plötzlichen Tode» Murawjew'S nicht gerechnet und wird erst dann seine Wahl treffen, wenn alle Möglichkeiten erwogen sind. Aber für die Politik, die Rußland seit Jahrhunderten befolgt, ist e» gleich- giltig, wer vom Kaiser berufen wird. Der neue Minister wird jedenfalls mit unbedeutenden Abweichungen in den bewährten Bahnen seiner Vorgänger wandeln. In Asien wird man ent schlossen und agrrssiv Vorgehen, da» Bündniß mit der französi schen Republik erhalten und daneben herzliche Bestehungen zum deutschen Reiche pflegen. Wir haben keine Ursache, un» irgend welchen Besorgnissen für die Zukunft hinzugrben. Die Wirren in China. H -p. Wenn e» wahr ist! Diesen Vorbehalt muß man hinter alle au» China kommenden Meldungen machen, leider auch hinter die folgenden, die Lage in Pekin, und da« Schicksal der Gesandten betreffenden: * Vertin, SS. Juni. (Telegramm.) Ein Telegramm -es katferl.Gonverne«r» -es »tautschau-Gebtete» »om gestrigen Tage meldet, nach chinesischen vnelen seien die Entsatztruppe» unter Admiral Seymour in Peking angekammen. (Wiederholt.) - . Da« wäre ja hocherfreulich. Nach weiteren Meldungen sollen die Gesandten bereit« außerhalb Peking« sein. E« wird berichtet: * New York, 26. Juni. (Teeegramm.) Nach einer Depesche au« Tschtsu hat dorthin Admiral Kempfs berichtet: Ich erhielt durch ein japanische« Torpedo boot die Nachricht, die »eretnte Streitmacht der Mächte sei nach einem Kampfe tnTtentstn etngerückt, wobei die Verluste der Europäer leicht gewesen sein sollen. Die Streitmacht fei dann zur Unterstützung de» Admiral» Seymour abgerückt. Nach vertchten au» japanischer Duelle ist Admiral Seymour gefangen. Die fremden Gesandten hätten Peking unter dem Schutze einer Gelettmannschaft von chinesische» Soldaten verlassen, man wisse aber nicht, wo sie sich befinden. Nach einem schon mitgetheilten Telegramm de« deutschen Consul« in Tschifu soll Admiral Seymour 20 Kilometer von Tientsin mit den Gesandten sein, bedrängt von Boxer« und Soldaten. Man muß also annehmen, daß er, nachdem er Peking erreicht bat, wieder umgekehrt ist, die Gesandten von der chinesischen Geleitsmannschaft in seine Obhut genommen jat und bis in die Nähe von Tientsin gekommen ist, wo er auf neuen Widerstand stieß und in Gefangenschaft gerieth. Hierauf würde die in Tientsin eingerückte combinirte Streit macht der Europäer ihm zu Hilfe gekommen sein und der Kampf mit den Boxern und den kaiserlichen Soldaten müßte noch fortdauern — vorausgesetzt eben, daß die Nachrichten den Thatsachen entsprechen. Folgende Meldungen greifen auf frühere Stadien deS Kampfe« zurück oder sind überholt: * Shanghai, 25. Juni. (Telegramm.) In Taka sind 8000 europäische Truppen, darunter 1200 deutsche, gelandet. Wie verlautet, sind die Russen bei Tientsin am 22. Juni mit einem Verluste von 120 Tobten und 300 Verwundeten zurückgeschlagea worden. 300 Walliser Füsiliere und SM Mann indische Truppen, die au« Hongkong nach Taku gekommen sind, sind zum Entsätze nach Tientsin abgegangen. — Au» guter Quelle verlautet, die britische Re gierung habe der chinesischen zugesichert, sie werde im Pangtse- Thale keine Mannschaften landen, außer zu dem Zweck«, di« chinesische Regierung bei der Unterdrückung der Ruhestörung zu unterstützen. (Wiederholt.) * Pari», 26. Juni. (Telegramm.) Im heutigen Minister- rathe theilte der Minister des Auswärtigen DelcassS mit, daß noch einer Depesche des französischen ConsulS in Shanghai vom 24. Juni Abend» im Süden am Vangtse-Kiang und in der Provinz Szetschwan Alle« ruhig sei. In Tientsin sei die Lage noch immer bedenklich. Aus Peking sei keinerlei neue Nachricht eingetroffen. In Shanghai befänden sich elf chine« fische Kriegsschiffe. Der Dampfer „Dordogne", der mit 600 Mann Ablösungstruppen in Saigon angekommen sei, habe Befehl erhalten, nach Taku sich zu begeben. Sonst wird noch berichtet: * Berlin, 26. Juni. (Telegramm.) Die deutsche Colonie in Hongkong hat telegraphisch um die Erlaubniß des Kaiser» nachgesucht, iu Anbetracht der gegenwärtigen Lage in Ehina der dortigen englischen Regierung ihre Dienste zur Aufrecht erhaltung der Ordnung anzubirten. Der Kaiser hat di« erbetene Erlaubniß ertheilt. (Wiederholt.) * Stuttgart, 86. Juni. (Telegramm.) Wie der „Schwäb. Merkur" mittheilt, stellt das württembergische ArmeecorpS drei Unteroffictere und 57 Mann für di« mobilen See bataillone. Di« Abreise der Mannschaften nach Wilhelmshaven erfolgt Mittwoch. Der König wird sich in Anwesenhrit der Generale und Regtmrntscommandeur« der Garnison von den Mannschaften verabschieden. * Lon-on, 26. Juni. (Telegramm.) Der Kreuzer „Lerrible" ist io Tschifu «iugetroffiu. * Lo«-on, 26. Juni. (Telegramm.) „Morning Post" berichtet aus Washington »uter dem 25. Juni: Im Hinblick auf di« Lag« in Ehina hat di« Regierung beschlossen, die Hälft« der regulären Truppe« von Euba zurückzuziehen, um di» von den Philtpptneu nach Taku eutsandten Truppen zu ersetzen. — Das Blatt hört ferner, daß dos Eabiuet so gut wie beschlossen habe, der Präsident solle «in« außerordentlich« Tagung des Eongrefsrs «inb,rufen, sowie daß Marlnesekretär Long geheim» Befehle an di« Schiffswerften in Portsmouth und Virginia, auf der Insel Mare in der Bat von San Francisco, erlassen hab». Die Diplomatie -er Srotzmüchte «n- -le Wirren, überschreibt der frühere deutsche Gesandte <n China, Herr von Brandt, «Inen Aufsatz, den er im Juli-Hefte der „Deutschen Revue' veröffentlicht. Er geht davon au», daß 1870—18S4 die Diplomatie der Großmächte in China im Allgemeinen als di« gemeinsame Dertretuna gemeinsamer Interessen sich bezeichnen läßt: so sei die chinesisch« Regierung an einen langsamen Fort- schritt gewöhnt worden, die Vertrag-Mächte aber wären auf jene Weise vor gegenseitiger Eifersüchtelei und Hetzerei bewahrt ge blieben. „Nach dem chinesisch-japanischen Kriege änderten sich diese Verhältnisse. Das Bestreben der einzelnen Mächte, sich be sondere Vortheile zu sichern, wozu Frankreich das Beispiel gegeben hatte, mußt« zu Eifersüchteleien und gegenseitigen Ver dächtigungen bei der chinesischen Regierung führen, die in diesen Vorfällen nur die Bestätigung ihrer Auffassung sehen konnte, daß die Eifersucht der fremden Mächte gegen öinander der beste Schutz Chinas s«i. ... Die als Aufstand der Box«r bezeichneten Un ruhen — in Wirklichkeit heißt die Gesellschaft I ho chuan, d. h. der Bund der vereinigten Patrioten) chuan, gleich ausgesprochen, wenn auch anders geschrieben, kann aber ebenfalls „Faust" bedeuten, und so haben wir «S entweder mit einem lebersetzungsfehler oder mit einem chinesischen Wort- piel zu thun — sind daS natürliche Ergebniß deS Vorgehens >er fremden Regierungen, die bei den verschiedenen seit 1895 an China gerichteten Forderungen übersehen haben, daß auch der Chinese «ine natürlich« und nicht ganz unberechtigte Abneigung dagegen haben kann, finanziell und industriell depossedirt und >ur Ausheilung verurtheilt zu weiden.. . . Der Aufstand der Boxer ist also, wenn auch nicht entschuldbar, so ') och v «rständlich, und man braucht durchaus nicht an eine Mitschuld der chinesischen Regierung zu glauben, um zu ver stehen, daß sie Siner Bewegung nicht feindselig gegenübergestan den habe, die den Fremden beweisen konnte, daß die Aufteilung Chinas nicht so leicht vor sich gehen wüvde, wie dieselben sich vor zustellen schienen. ...DerAufstandistbiSjetzteinlo- caler . . ., und «» liegt kein Grund vor, anzunehmen, daß rS nicht gelingen sollte, ihn auch ferner zu localisiren und dann zu unterdrücken, es sei denn, daß von den fremden Mächten erheb- liche Fehler begangen würden. Der schlimmste dieser Fehler würde der sein, zu versuchen, aus den jetzigen Vorfällen Capital für eigene selbst- süchtige Zwecke zu schlagen. China hat schlecht gerech net 350 Millionen Einwohner; wenn man auf jede Million, um sie in Ruhe zu halten, mir 1000 Mann rechnet . . ., so würde Europa, um die Ruhe im Reiche der Mitte aufrecht zu erhalten, einer Armee von 350 000 Mann bedürfen." Herr von Brandt erörtert sodann die koreanische Frage, die nach der bri tisch-tendenziösen Meinung der „Times" binnen einem Jahre zum Kriege zwischen Rußland und Japan führen muß. Hiergegen macht von Brandt geltend: „Die «Convention, durch die Rußland in Japan schon früher Land in dem geöff neten Hafen von Masampho erworben hat, enthält vielleicht man ches, was Japans Interessen, nichts, war sein Recht verletzt, und es ist nicht wahrscheinlich, daß Rußland, welches für den Augen blick mit der Fertigstellung der Verbindungen zwischen der west lichen und östlichen Hakst« deS Reichs beschäftigt ist, di« Vorsicht, die seine Rogierung bisher beobachtet hat, jetzt aus dem Auge lassen wird. Ein ernster Eonslict zwischen Japan und Korea würde allerdings auch Rußland zum Eingreifen zwingen, aber es ist nicht anzunehmen, daß die Hinrichtung von seinerzeit an d«r Ermordung der Königin von Korea betheikigten Koreanern einen solchen Hervorrufen wird." — 'Herr von Brandt schließt sein« Betrachtung mit den nicht eben tröstlichen Worten: man werde der weiteren Entwickelung der Dinge in Ostasien „mit der Ruhe «ntgegensehen können, zu der der Ausspruch des alten Oxen- stierna leider nur in sehr beschränkter Weise berechtigt." Der Krieg in Südafrika. -p. In England kann man noch lange auf da« Ende de« KrieaeS, da« man schon hundertmal — mit Druckerschwärze — proclamirt hat, warten. Im Freistaat gebt die „Pacificirung" höchst langsam vorwärts, wenn sie nicht gar Rückschritte macht. Eigentliche Erfolge haben die Engländer bier in der letzten Zeit nicht erreicht, wobl aber bekommen sie bald bier bald dort, sie wissen selbst nicht immer woher, ein« auf die Mütze und, wa« da« Fatalste ist, kaum haben sie die Eisenbahn ausgebessert, so kommt ein Haufen Boerenkobolde und reißt unversehen- die Schienen wieder auf. Heute meldet man un«: * Eapftadt, 25. Juni. (Telegramm.) Dewet's Eom- mando ist noch sehr rührig. Am Sonnabend schnitt es die Vorposten der Canadier aus der Eisenbahn strecke Kroonstad-Honingspruit ob, griff das ver schanzte Lager de« Shropshire-Regiments und d«S kanadischen Toatingents bei der Bahnstation Honingspruit an, fing ferner einen nach Süden fahrenden Militärzug ab und riß die nach Norden und Süden führenden Schienen wege ans. Die befreiten britischen Gefangenen au» Waterval kamen dem Militärzüge zu Hilfe; eS entspann sich ein mehr stündiger verzweifelter Kampf. Als Verstärkungen au« Kroonstad eintrafen, zogen sich die Boeren zurück. Di» briti- schen Verlust» betragen: 1 Osficier und 3 Mana todt, 1 Officier und 16 Mann verwundet. (Reutermeldung.) Die voeren-eleiirten. Au» New Park, 25. Juni, wird berichtet: Die Boeren- deleairten sind von ihrer Rundreise iu Amerika nach New Jork zuriickgrkehrt und werden am 28. Juni nach Frank reich abfahren. Sie theilten mit, daß sie niemals ihre Beglaubigungsschreiben in Washington vorgelegt haben, weil sie ersabren haben, baß sie keine Hoff nung hätten, bei der Regierung Unterstützung zu finden; jedoch hätten sie die Unterstützung de» amerikanischen Volke» erlangt. Sie seien noch der Ansicht, daß dir Stimme de» amerikanischen Volke» die Regierung zwingen sollte, «in- zugrrifen; denn der Borrenkrieg sei noch nicht zu Ende. All« Mächte sollten ferner gegen die Confiscirung und die Zer störung von Privatrisienthum, wie sie jetzt von dem englischen Barbarismus gepredigt werden, Einspruch erheben. Et« Ausruf fitr -te voeren. In Pari» hat sich «in EomitS gebildet, da» in weitesten Kreisen Propaganda für die Aufrechterhaltung der Unab hängigkeit der südafrikanischen Republiken machen will. In dem Ausrufe heißt r»: Wir können e» nicht Über uns gewinnen, die Idee ruhig hinzu- nehmen, daß das von etuiaen Wenige« gegen Transvaal »ad den Oranje-Freistaat geplant« verbrechen ohne Störung znr Aus führung und Vollendung gelangen soll. Es erscheint uns nicht möglich, daß di« große amerikanisch« Republik, un- eingedenk ihres Ursprungs, bis zum End» gleichgiltig bleibt an- gesicht« eine» Eonstiet», der ähnlich demjenigen ist, welchem st» ihren Ursprung verdankt und au« dem sie nicht ohne die Sym- pathien und die Unterstützung Europa« hätte entstehen können. Wir können nicht glauben, daß Rußland, dessen edle Bestrebungen unter dem Beifalle der ganzen civiltsirten Welt durch die Ein- berufung der Haager FrieoenSconfrrrnz bekräftigt worden sind, ent schlossen gegen jeden Gedanken sei, dem Blutvergießen in Südafrika ein Ende zu machen. Es scheint un» unzulässig zu sein, daß Deutschland, dessen Souverän durch seine Worte im Jahre 1896 so viel dazu beigetragen hat, die Boeren glauben zu machen, daß sie auf Europa rechnen können, durch di« Ereignisse da unten gar nicht in Erregung geletzt werden sollte. Bor Allem aber halten wir es für unmöglich, daß das England Gladstone'-, das England der gerechten Sache, des unterdrückten Volke-, der Schieds gerichte und der Billigkeit, nicht zu sich kommen und die Leitung vou Männern zurückweilen sollte, welche dir Ehre ihre- großen Volkes und ihre Fahne beflecken. DaS Comitü wird sich mit den gleiche Zwecke verfolgenden deutschen, österreichischen, russischen, holländischen und selbst eng lischen ComitSS in Verbindung setzen. Unter den ersten Unter zeichnern findet man die Namen der ehemaligen Minister Ernest Boulanger, Guörin, Rambaud, Barbey, Boucher, Chautemps und Krantz, der Abgeordneten Pauliat, Garran de Balsan, Gervillr-R«ache,Fleury-Ravarin, vieler Gelehrten und Schrift steller. Deutsches Reich. -r- Berlin, 26. Juni. (Oeffentlicher Gottesdienst und HauSandacht.) Die klerikale Presse bat durch ihr Geschrei über die Thatsache, daß Graf Schönburg auf Schloß Wechselburg i. S. entsprechend der ihm ertheilten Ermächtigung, wohl HauSandachten für seine Familie und seine Angestellten, aber nicht öffentlichen Gottesdienst abhalten lassen darf, selbst nationalliberale Blätter irregeführt. So äußert z. B. die „Nationalztg." ihr Befremden über da- Vorgehen der sächsischen Behörden, indem sie hinzufügt: „Eine jede Religionsgesellschaft in Deutschland hat ein Recht auf öffentlichen Gottesdienst, und wenn in Sachsen noch alte formale Bestimmungen diesem natürlichen Rechte entgegen stehen, so müssen sie eben aufgehoben werden." — Selbstver ständlich ist da« Recht der katholischen Kirche auf öffentlichen Gottesdienst auch in Sachsen anerkannt und selbstver ständlich wird von unterrichteter katboliscker Seite diese Tbat- sachc keineswegs in Abrede gestellt. So schreibt das katholische „StaatSlexikon": „Die (sächsische) Verfassungsurkunde vom 4. September 1831 gewährte den aufgenommenen christ lichen Confessionen freie öffentliche Religionsübung." — Wenn aber jeder Religionsgesellschaft das Recht auf öffent lichen Gottesdienst zugebilligt wird, so ist damit nicht gesagt, daß der einzelne Angehörige einer Religionszesellschaft da- Recht aus öffentlichen Gottesdienst in Bezug auf private Hauscapellen habe, die im Besitz Einzelner sich befinden. Speciell für Sachsen ist die individuelle Bekenntniß- freibeit und die HauSandacht durch ß 32 der sächsischen Verfassung garantirt. WaS aber bedeutet „HauSandacht?" Nach Richter'« „Kirchenrecht" (bearbeitet von Dove und Kahl 1886) ist HauSandacht, ckevotla äomestio», die Freiheit häuslicher Erbauung im Familienkreise. Mithin haben die sächsischen Be hörden dem Grafen Schönburg streng genommen noch mehr gewährt, als zu gewähren sie rechtlich gehalten waren, denn die Leipziger KreiShauptmannsckaft hat in ihrer Verordnung vom 6. Juni d. I. ausdrücklich auch den zum Hau-stande deS Grafen gehörenden Personen die Theilnahme am Gottesdienst in der gräflichen Schloß capelle gestattet. Vergleicht man die Rechtslage in Sachsen mit den einschlägigen preußischen Bestimmungen, dann er zieht sich, daß die einschlägigen preußischen Rechts verhältnisse dieselben sind wie in Sachsen. Nach tz 7 de« zweiten Theil« des preußischen Landrechts kann „jeder Hausvater seinen häuslichen Gottesdienst nach Gutbefinden anordnen". Koch be merkt in seinem Commentar zum preußischen Landrecht betreffs diese« Paragraphen: ,/u8 äevotioms ckomestieaö.. Hiernach hat der preußische Hau-vater, gemäß der unbestrittenen Auslegung der äovotio äowesttcu, lediglich daS Recht, Familien angehörige r» seinem häuslichen Gottesdienste hinzuzuziehen. In Betracht käme für die Beurtheilung de- in Rede siebenden HauSvater-RechtS noch tz 18 auS dem zweiten Tbcile des Preußischen Landrechtes, der bestimmt, daß nur die gottes dienstlichen Gebäude Kirchen genannt und al« solche die Vor rechte der öffentlichen Gebäude de« Staat- gewinnen, die den im Staat öffentlich aufgenommenen Kirchengellschaften gehören. Angesicht«dieser Sachlage müße« al« eine konfessionelle Hetzerei bezeichnet werden, wenn die „Köln. BolkSztg." schreibt: „Wird der katholischeKönialAlbert) seine Glaubensgenossen gegen eine ebenso rohe wie kleinliche Verfolgung schützen? Oder sind die Zustände in Dachsen schon derartig geworden, daß er seine Glaubensgenossen mißhandeln lassen muß?" Der treffendste Eommentar zu diesem Versuche,König und Negierung in Sachsen wider einander aufzubringen, ist der Umstand, daß Graf Schönburg an kompetenter Stelle ein Gesuch um Er weiterung der gottesdienstlichen Befugnisse seine« Privatcaplanö eingrbracht hat. Daß er inzwischen den Inhalt der Ver ordnung der Kreishauptmannschaft in italienischer und polnischer Sprache und nicht ausschließlich in deutscher oekannt gemacht hat, kennzeichnet ihn zur Genüge. * Verltn, 26. Juni. In Bezug auf die Bildung kauf männischer Schiedsgerichte zur Entscheidung von Streitigkeiten aus dem kaufmännischen AnstellungSverhältniß hatte der Centralausschuß hiesiger kaufmännischer, gewerblicher und industrieller Vereine dem Bundesrath ein umfangreiches Gutachten unmittelbar im Anschluß an die vom Reichstage seiner Zeit angenommene Resolution erstattet, in der die verbündeten Regierungen um baldige Einbringung einer Vorlage zur Ein richtung kaufmännischer Schiedsgerichte ersucht worden sind. In dem betreffenden Gutachten wurde zunächst die Bedürfniß- frage erörtert und sodann Stellung zu den einzelnen Möglich keiten genommen, kaufmännische Schiedsgerichte einzurichten. Behandelt wurden hierbei unter Berücksichtigung ihrer Vorzüge und Nachtheile für di« Praxis 1) kaufmännische Schiedsgerichte nach Analogie der Gewerbegerichte, 2) solche im Anschluß an die Handelskammern, 3) di, Ernennung der Beisitzer durch dir
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