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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.07.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000703015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900070301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900070301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-07
- Tag1900-07-03
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Di« Morgen-AuSgabe erscheint um Ur, Li« Abeud-AuSgabe Wochentag» um S Uhr. Ne-ariion «n- Lrveditto«: JohauntsgaGe 8. Di« Ex-editioa ist Wochentag« uunnterbroche» geöffnet von früh 8 bt» Abend« 1 Uhr. Filiale»: Alfred Hahn norm. v. Menen,'« SarttM. Uutversität-ftraß, 8 (Paulinmn), Laut« Lösche, Ketharinenstr. 14, »art. und SöuigSplatz Id Bezug-Preis A der Hauptexpeditio« oder de« t« Stadt, beiirk und den Vororten errichteten «u»- aavrstellen abgeholt: vierteljährlich4^C ort zweimaliger täglicher Zustellung in« Lau« -S b.SO. Durch dl« Post bezogen für Lenlschland und Oesterreich: vierteliährlich 6.—. Direkte täglich« Kreuzbandsenduag in« »»«land: monatlich 7.Ü0. Morgen-Artsgabe. MpMtr.TllMM Anzeiger. Aitttsblatk -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rnthes un- Nolizei-Ämtes -er Lindt Leipzig. Nnzeigen-PrdiS die 6 gespaltene Pelitzeile 20 Pfg. Reclamen anter dem RedactionSstrich (4ge- spalten) LO/iZ, vor den Familirnnachrichtr» (6 gespalten) 40 >4- Größere Schriften laut unserem Preis« derzrichniß. Tabellarischer und Ztsfrrnsatz nach höherem Laris. Extra-veilaoen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au«-abe, ohne Postbeförderuug 60.—, m,t Postbeförderung 70.—. Funahmeschluß fir Fryeige»: Ab end-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Vet den Filialen und Annahmestelle« je eine halbe Stuud« früher. Anzeige« find stets an die Expedition z» richten. Druck und Verlag von E, Polz in Leipzig 332. Dienstag den 3. Juli 1900. 81. Jahrgang. ' Vie Thronfolge in Ungarn. rs. Pest, 30. Juni. Al» am letzten Montag hier bekannt wurde, daß der Monarch endlich seine Einwilligung zu dem Ehebunde des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand mit der Gräfin Sophie Chotek ertheilt, traten nach althergebrachter Sitte sofort bei allen Zeitungen der österreichisch-ungarischen Monarchie die Redrc- tionSlyriker in Arbeit und sangen ihr üblich Preislied auf die Macht der Liebe. Aber schon am nächsten Tage wurden — in Ungarn wenigstens — die Lyriker von den Politikern abgelöst, denn mit dem hier scharf entwickelten politischen Empfinden hatte man es bald heraus, daß bei dieser Heirath die staats rechtliche Frage beinahe noch wichtiger ist, als die gusstion ä'amvur. Thatsächlich waren auch, bevor die Schließung dieses Ehebundes möglich geworden, nicht blos die bekannten Standes- vorurtheile gegen nicht ebenbürtige Ehen, sondern auch mehrfach schwierige, die Thronfolge berührende Hindernisse zu über wältigen. Diese entstanden auS gewissen Unterschieden zwischen dem österreichischen und dem ungarischen Thronfolgerechte, aus welche hier kurz hinzuweisen wohl nicht ganz ohne Interesse sein dürfte. In Oesterreich wird das Thronfolgerecht durch die sogenannte pragmatische Sanktion und das bisher noch nie veröffentlichte und in seiner Totalität auch unbekannte Hausgesetz der Habsburger geregelt. Diese Gesetze schließen dort eine unebenbürtige Frau, sowie auch die aus einer morganatischen Ehe stammenden Nach kommen von der Thronfolge einfach aus und gewähren auch den verfassungsmäßigen Volksvertretungen keinerlei wie immer ge arteten Einfluß auf die Gestaltung des Thronfolgerechtes. Anders in Ungarn. Dort hat das Hausgesetz der Habsburger keinerlei unmittelbareRechtskraft, sondern einzig und allein die pragmatische Sanktion. Und auch diese ist in mancher Beziehung ander» lautend für Ungarn, al» für Oesterreich. Während in diesem Lande die Erfolge auf daS ganze ErzhauS ohne Ein schränkung sich erstreckt, gilt sie bei uns nur für die Nachkommen Karl'« IÜ., Josef« I. und Leopold'« I., nach deren AuSsterben gemäß Bestimmung der pragmatischen Sanktion Ungarn wieder daS Recht der freien Königswahl hat. Auch spricht die prag matische Sanktion nicht von morganatischen Ehen und deren Rechtsfolgen, sowie auch das ungarische Eherecht überhaupt diese Art der Ehen nicht kennt, weshalb es auch wiederholt geschah, daß nicht ebenbürtige Gattinnen ungarischer Könige in aller Form zu ungarischen Königinnen gekrönt wurden. Der letzte und wichtigste Unterschied aber ist, daß in Ungarn die prag matische Sanktion dem Reichstage 1722/23 vorgelegt, von dem selben angenommen und vollständig verfassungSgemäß den Landesgesetzen einverleibt worden ist. Hieraus folgt nun, was auch im Gesetzartikel III vom Jahre 1867 nochmals ausdrücklich anerkannt ist, daß jede, die Thronfolge in welcher Weise immer berührende Frage auch dem Reichstage zur verfassungsmäßigen Behandlung vorgelegt werden muß. Darüber also, daß, wenn der Thronfolger irgend eine seine Ehe betreffende feierliche Erklärung abgiebt, dieselbe in Ungarn vor den Reichstag gehört, besteht keinerlei Meinungsverschieden heit. Ministerpräsident Szell, der auf die gesetzlichen Formen mit peinlichster Genauigkeit achtet, hat denn auch gefordert, daß die Erklärung des Thronfolgers in gesonderter Weise für Oester reich und Ungarn ausgestellt und unterfertigt und überdies in Form einer Gesetzesvorlage dem Reichstage unter breitet werde; der Monarch hqt hierzu seine Einwilligung gegeben. Trotzdem aber herrschen hier über die der zukünftigen Gemahlin des Thronfolgers und ihren etwaigen Nachkommen zustehende Rechte zwei grundverschiedene Ansichten. Die Regierung, und mit ihr die hervorragendsten Politiker des Landes, meinen, daß die Gemahlin des Thron folgers und ihre Nachkommen auch ohne jede Declaration und jeden gesetzgeberischen Act vom Throne ausgeschlossen seien, weil die pragmatische Sanktion nur Erzherzogen die Erbfolge zugesteht, Nachkommen aus morgantischen Ehen aber keine Erz herzoge seien. Die radikalen Mitglieder der Unabhängigkeits und Kossuthpartei hingegen behaupten, Gräfin Sophie Chotek werde, wenn einst ihr Gemahl König von Ungarn ist, selber Königin von Ungarn und ihre Kinder gesetzlich thronberechtigt sein. Daran könne weder eine Erklärung des Thronfolgers, daß seine Ehe eine morganatische ist, etwas ändern, noch auch eine etwaige formelle Verzichtleistung auf die Thronfolge. Die Herren argumentiren folgendermaßen: Das ungarische Gesetz kennt keine morganatische Ehe und deshalb müssen die legitimen und katholischen Kinder der Erzherzöge des Hauses Habsburg für Ungarn unbedingt auch als Erzherzöge gelten. Daß das Hausgesetz der Habsburger sie nicht als solche anerkennt, sei für uns ohne Bedeutung, da ja jenes Gesetz für uns keine Giltigkeit hat, weil es weder je von unserem Reichstage an genommen worden, noch auch unseren Gesetzessammlungen ein verleibt ist. Ferner könne wohl mit Zustimmung des Reichs tage» jedes Mitglied der Dynastie für seine Person auf die Thronfolge verzichten, doch könne er nicht gleich auch für seine ganze Nachkommenschaft Verzicht leisten. Eine Mittelstellung nehmen die gemäßigten Elemente der Unabhängigkeitspartei rin. Dieselben geben sich wohl damit zu frieden, daß die etwaigen Kinder, welche der Ehe de» Erzherzogs Franz Ferdinand mit der Gräfin Sophie Chotek entstammen werden, von der Thronfolge ausgeschlossen sein sollen, fordern aber unter Berufung auf Präcedenzfälle, daß, wenn einst Franz Ferdinand zum Könige von Ungarn gekrönt werden sollte, un bedingt auch seine Gattin als Königin von Ungarn anzuerkennen sei. Die Vertreter dieser Ansicht stützen sich nicht nur darauf, daß in keinem ungarischen Gesetze auch nur die geringste An deutung auf den Ausschluß einer nicht ebenbürtigen Gattin vom Throne zu entdecken, sondern daß auch in der eidlichen Erklärung des Thronfolgers hiervon keine Rede sei. Einige temperamentvolle Mitglieder der Kossuthpartei, deren demokratischem Gefühle der Begriff der „nicht ebenbürtigen Ehe" wider den Strich geht und denen es überdies noch schmeicheln würde, sich, wenn auch ungebeten, so doch ritterlich, als Be schützer der Gemahlin und der Kinder deS zukünftigen Königs von Ungarn aufspielen zu können, wollen mit der parlamentarischen Verhandlung der Frage nicht einmal bis zur Wiedereröffnung des Reichstages im Herbste warten, sondern sofort eine außer ordentliche Session einberufrn. Die gemäßigteren Elemente sträuben sich jedoch dagegen und auch die Majorität will hiervon nichts wissen. Daß die Unabhängigkeitspartei mit ihren Ansichten irgend welchen Erfolg in der Sache selbst haben könnte, ist unbedingt ausgeschlossen, da ja die Regierung in dieser Frage den einzig möglichen, nämlich den gesetzmäßigen, Stand punkt vertritt. Wohl aber könnte ein solches Hineinzerren der pragmatischen Sanktion und des Thronfolgerechtes in den Streit der Presse und des Parlamentes den ohnehin schon gelockerten Zusammenhalt zwischen Oesterreich und Ungarn noch mehr 'er schüttern und in späteren Jahren auch noch Anlaß bieten zu etwaigen Thronstreitigkeiten. Die Wirren in China) DaS sind trübe Nachrichten, die aus Ostasien vor liegen, und wenn auch noch keine Meldungen über neue Blutvergießen dabei sind, so läßt sich doch die ganze Lage so schlimm an, daß wir uns auf weitere Verluste an Mannschaften gefaßt machen müssen. Man weiß nicht mebr, wer in China regiert und wenn die Nachricht auf Wahrheit beruht, daß Prinz Tuan seinen Sohn als Kaiser und sich als Regent eingesetzt und daß er den Kaiser und die Kaiserin-Wittwe in der Gewalt bat, ist daS Schlimmste zu befürchten, nämlich, daß kein Ausländer dem Henkerbeil der Chinesen ent rinnt. Wie verzweifelt schon die Lage Mitte vorigen Monats war, das zeigt ein Hilfsschrei, der in Gestalt eines Briefchens durch die Mauern Pekings erklang. Der einfache Brief wirkt durch seine Kürze ergreifend. CS wird nämlich berichtet: Der kaiserliche Consul tu Tientsin meldet unter "dem 29. Juni: „Dnrch einen chinesischen Voten ist soeben s-lnende schrift liche, mit „Robert Hart" unterzeichnete Nachricht aus Petins etngetrosfen: „Herr »Bergen, zweiter deutscher LegattonSsekretar (Anmerkung des W. T. B ), an den Eommandeur der europäischen Truppen. Die Aremdencolonte wird in den Gesandtschaften belagert. Die Situation ist verzweifelt. Eilt Such. Souutag Nachmittag 4 Uhr." Dem Datum nach ist daS Billet am 17. Juni geschrieben. Am 18. Juni wurde unser Gesandter v. Ketteler ermordet und hierauf bezieht sich eine andere Meldung des ConsulS, die lautet: Ein angeblich von einem Missionar aus Peking abgeschickter Bote berichtet soeben, daß Gesandter v. Ketteler auf dem Wege zum Tsung li Namen ermordet sei, die Mehrzahl der Gesandt schaften sei verbrannt, die Schutzwachen litten au MunitionSmangel. Zwölf bis dreizehn Tage haben ^die Boten ge braucht, um bis nach Tientsin zu gelangen, eine Strecke, die sonst auf üblichem Wege in nicht so viel Stunden zurückgelegt wird. E» gewährt einen schwachen Trost, wenn englische Blätter aus Shanghai daS Gerücht verzeichnen, daß große Abteilungen der Verbündeten die vereinigte Armee der kaiserlichen Truppen und der Boxer besiegt hätten und in Peking eingetroffeq wären. DaS Gerücht sieht vorläufig einem Wunsche ähnlicher als einer Thatsache. Dabei gehen ' die ziemlich selbstständigen Bice- Könige mit der fremdenfeindlichen Regierung, mit wenig Ausnahmen, Hand in Hand. So berichtet die „Voss. Zeitung" auS London, daß der Gouverneur von SHäutung sich weigerte, deutsche Truppen nach Weihsien zum Schutz der amerikanischen Mission gehen zu lassen. Zugleich wird ein ernster Angriff auf deutsche Eisenbahningenieure in der Nachbarschaft von Kaumi gemeldet. Die Europäer entkamen, aber viele Chinesen wurden getödtet und viel Eigentum zerstört. Die deutsche Gedenkkirche in Uehtschausu wurde niedergebrannt und die Missionare in Tsining von den Mandarinen ausgewiesen. Liuchanlin, der fremdenfeindliche Gouverneur von Sutschau, wurde nach Peking berufen. Die französischen Priester in Nanking empfingen Meldungen, wonach öffentlicheHinrichrungen von Ausländern in Peking seit dem 20. Juni im Gange gewesen seien. Einer Shanghaier „TimeS"-Drahtung zufolge empfing der Viceköniz Liu ein vom 20. Juni datirteS Edikt, worin er nach Hinweis auf die Schwierigkeit, daS Problem der fremdenfeindlichen Bewegung zu lösen und auf die düsteren Aussichten auf die Zukunft aufgefvrdert wird, seine eigenen Grenzen zu schützen; gutinformirte Chinesen seien über zeugt, daß die Kaiserin und der Kaiser westwärts geflüchtet seien, Prinz Tuan seinen Sohn auf den Thron gesetzt und sich zum Regenten gemacht habe, ferner verlautet, Li-Hung«Tschang empfing rin« Depesche Aunglu'S, datirt ,Peking, 21. Juni, die ihn auffordert, irgend welche kk'.ftighi» zu erlassenden Decrete zu ignoriren, Li-Hung-Tschang theilt» die» den Vicekönigeu in Nanking und Wuchang mit, dir sich seitdem über eine gemeinsame Politik der Unabhängigkeit von Peking in der gegenwärtigen Krisis verständigt haben. Prinz Tuan'S Anhänger seien 15 000 Mann stark. In Canton und Umgebung ist die sremdenfeinvliche Stimmung im Wachsen begriffen, sie wird jedoch durch strenge Maßregeln deS ViceköuigS niedergehalten, der bedeutende Truppenmaffen aushebt. Ob gegenüber dieser geradezu elementaren Bewegung eines großen TheileS deS chinesischen Volke« die Streitkräfte der Mächte, selbst wenn sie vermehrt, verdoppelt, verdrei facht werden, auSreichen, ist bei der theilweise guten Be waffnung der Cbinesen noch fraglich. Man versteht deshalb, daß die Consuln auf ein Mittel verfallen, daS sich auf Feuilleton. Die Punkah! Eine Skizze von Rudolf Zabel. „. . . ^.oud uo . . . » langaiä!" seufzte sie und schlug daS rechte Bein über da» linke Kni«. Sie lag im Lehnstuhl . , . lang auSgestreckt. „Dann wollen wir doch «ine Parti« machen!" „Tennis zu Zweien ... brr! usverl" „Singen Sie, ich will Sie begleiten." „No, singe nicht mit vollem Magen." „Oder wollen wir Croquet spielen?" „Aber ich bitte Sie, lieber Charles, it !» nnuckuzc toänyi" Sie richtet« sich auf und sah ihn vorwurfsvoll an. „Herr« Gott", brauste er auf, „Sie mit 'Ihrem englischen Sonittagl Langweilig! Die haben ganz Recht! In den drei Jahren, in denen Sie in England waren, find Sie di« reine Engländerin geworden; Sie schämen sich wahrhaftig schon, glaube ich, daß Sie al» Deutsche zur Welt gekommen sind! Außerdem heiße ich Karl, nicht Chan«»!" Sie lachte hell auf. „I dog ztour xnräou, mzf äsar .,» Karl! . .. Nein, wie da« klingt! Ich finde, Charles klinat viel netter, nicht wahr, mein theuerster Charles, ha —ha — ha!" Sie lachte aus vollem Halse. „Bitte, lachen Sie nicht so, da» verstößt gegen Vie Sonn- lagSheNkgung." Sie wurde plötzlich «rckst. „Sie haben Recht, Karl, e« ist Sonntag." Sie griff nach dem „Lomowa krazcor üymaa" di« neben ihr auf einem stummen Diener lagen, und blätterte darin. „Der englische Sonntag gefällt mir nun einmal Lesser, al» der deutsch«. Der deutsche Sonntag ist eigentlich gar Ain rechter Sonntag. In England ruht ein fach Alle« am Sonntag, da hat man denn auch Wittlich etwa» von der Feiertagsstimmung, wenn man so ab solut gar nicht» »u thun, ja, nicht einmal an etwa» zu denken hat. Dann überkommt Einem so eine Sttmmung, die ist so süß, weißt Du, so weltfremd, s, heilig. V, da» ist dann so keine «hmnml^ Ar prosaisch.« Lentschm ja gar St, sah ihn herausfordernd a» und legte da« link« Vein über da» rechte Knie. Der jmP« Man« ih» gegenüber antwortete zunächst nicht: dann fragte er ganz mwmnttwltr Klagen Str «al, wisse« Sie, »a» etne Punkah ist?" „Aach he«l Da» Ving, da» in Indien an allen Degen baumelt, and da« di« Kalt hin- und heqiehen müssen, um Sind zu machen, nicht wahr?" Fta ja, di« Definition ist originell, aber richtig; ans Englisch wirs st« sicher Lesser gelnngen." Sie warf die Lippen auf und schwippte mit dem linken Bein, daS sie über das rechte Knie geschlagen hatte. . Ich wurde im vergangenen Frühjahr telegraphisch nach Bombay beordert und mußte noleue volens im Mai fahren. Ich fuhr mit dem Oesterreichifchen Lloyd. Von Trieft bis Port Said waren drei österreichische Geschäftsreisende die einzigen Passagier« außer mir. In Port Said kamen aber etwa ein Dutzend Engländer an Bord, die nach Bombay und Kalkutta fuhren, meistens Officiere und Beamt«. Im mittelländischen Meere war die Temperatur herrlich, aber schon im Suezcanal ging das Leiden los, und hinter Suez, im Rothen Meer«, wurde «s «infach fürchterlich. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was es heißt, im Mai durchs Rothe Meer fahren? Das ist di« Zeit der Windstille, in der der Monsun wechselt .... «ine Hitze .... zum Wahnsinnig werden! 41 Grad Celsius im Schatten! 'Im Seewasser zu baden, ist kein« Erfrischung mehr. Die Luft zittert und flimmert über der egyptischen Küste, wi« über dem Schornstein rin«r Locomotive. Wir lagen auf Deck in unseren langen ge flochtenen Stühlen wi« todt, Keiner mochte rin Wort r»den, Alle waren mundfaul geworden. Unsere Tropenanzüg« waren durch geschwitzt, beinahe schon «he wir sie anzogen; und dabei konnten wir doch eigentlich nicht richtig transpiriren .... die Luft ent hielt selbst zu viel Feuchtigkeit, als daß sie noch auch unserem Körper hatte Feuchtigkeit entziehen können. Aber unsere Haut wurde ganz anfgeweicht und vollgesogen, wie em feuchter Schwamm. Wo man hinfaßte, klebte man vor Feuchtigkeit fest. Wir aßen Ei», um nur noch mehr zu schwitzen. D«r «ine österreichische Kaufmann, der mit uns fuhr und die Reise in die Tropen zum ersten Male machte, hatte in einem Buche gelesen, daß di« Japaner bei der größten Hitze heiße Bäder nehmen, die noch um einige Grade heißer sind, al» die Lüft, um dann beim HerauSsteigen ein« angenehme Abkühlung zu erleben. Er machte also di« Probe, hatte aber vergessen, daß di« Japaner gleich nach dem heißen Bade einen kalten Ueberguß machen, und wurde in Folge dessen nach dem heißen Bade so jämmerlich marode, daß er ein paar Lage lang sich überhaupt nicht auf den Beinen halten konnte. Natürlich hatten wir in unserem Speisesalon auch eine Punkah. Da» Essen ist in der Tropenhitze «in« fürchterlich« Körperanstrenaung, daß man dazu nothwendiger Weise «ine Punkah braucht. Niemals schien un» die Wahrsagung au» dem alten Testamente: „Im Schweiße Deine» Angesicht» sollst Du Dein Brod essen", in so wuchtiger Wahrheit in Erfüllung ge- gangen zu sein, denn damal», al» wir den Berg der Verheißung, den Sinai im Rücken, rechter Hand Re arabische Wüste, linker Hand die lydische Wüste, nach Süden steuerten, aüf Aden lo», da« in einem ausgebrannten Krater «rbaut ist, und wo e» nur alle paar Jahr« einmal regnet. Di, Punkah mußten abwechselnd di, Leiden Schiffsjungen ziehen; sie waren damals unsere größten Wchltbättr. Versteckt standen sie in einer Ecke de» Speisesaalr», und wahrend wir alle vi« guten Sachen da aßen, zogen sie die Punkah ... bei 41 Srad Hitz«! Arm« Jungen! St, waren am End, ihrer Ar beit immer wie aus dem Wasser gezogen. Zwar ist die Arbeit nicht gerade schwer, aber bei der Bratosenhitze läßt Einem schon die geringste Bewegung, das Nichtsthun sogar, in Schweiß ge- rathen. Nun st«ll«n Sie sich vor, der arme Junge, an dem die Reihe war, stand eine ausgefchlagene halbe Stunde in seiner Ecke und zog immer gleichmäßig in langweiligem Tacte di« Punkah. Sie pendelte über der Tafel, an der wir den langen Küchen zettel programmmäßig herunttrschluckten, und wedelte ihm den Geruch von Maccaroni und Risotto und Polenta in die Nase . . . oh Maccaroni! .... oh Risotto! ... oh Polenta! . . . Dem kleinen Italien«! aus Triest lief das Wasser im Munde zu sammen. Zwar hat noch kein Schiffsjung« beim östernichischrn Lloyd Hunger gelitten, aber trotzdem dauerte mich der klein« Kerl, namentlich der jüngste ... er machte sein« erste Reis«, Giuseppe hieß er. Ja, liebe Cousine, «s gi«bt auch moderne Tantaluss«! Aber auch im Rothen Meere wird es einmal Sonntag. Na türlich mußten die Engländer den Sonntag feiern. Am Mor gen fand sich denn auch im Rauchzimmer ein Anschlag, wo nach Morgens um ein halb elf Uhr und Abends um acht Uhr „äivino svrvice" abgehalten werden sollte. Zwei Mal am Tag«! Ich bekam «inen mordsmäßigen Respekt vor meinen ver- ehrlichen englischen Mitreisenden. Fromme Leute, sagte ich mir. Zwei Mal am Tage Gottesdienst . . . und das bei 41 Grad Hitze! WaS müssen das für gute Menschen sein! Die Gesichter glänzten von Wasser und Hitze, als die gottes fürchtigen Kinder Albions sich um ein halb elf im Sprisesaal versammeln. Die schwarzen Kleider der Damen und die frisch« gestärkte weiße Wäsche und di« schwarzen Fracks der Herren contrastiren mettwürdig mit der Faulheit und der halbnackten Ungenirtheit der Kleidung, mit der die Engländer Morgens zum Frühstück erscheinen. Der Gottesdienst hatte auch noch nicht be gonnen, da waren die schönen Chemisettes und die frischgestärkten Kragen auch schon durchgeschwitzt. Ein englischer Colonel, der einmal fückfzig Inder, von denen einer einen englischen Soldaten «rmordet haben sollte, im ab gekürzten Verfahren hatte niederschießen lassen, las die Agende. . . . ^onk ui heiß, dachte er ... da begann plötzlich die Punkah über ihm zu schwingen. Alles athmete auf. Der kleine Giuseppe stand in der Ecke und zog au» Leibeskräften. Wie der Herr Christus die Sünde aller Menschen, so nahm er die Hitze aller anwesenden Gottesfürchtigen auf sich und . , . schwitzte für Zwölf. Eigentlich für vierzehn, denn auch der alte Commandant hatte sich eingefundrn, ob^eich er englisch nur hilflos radebrechte und al» Katholik von der Sache kein Wort verstaiw. Er war nur so au» Höflichkeit da. Da» soll ja übrigen» auch bei un» vor komm«», daß Leute nur aus Höflichkeit gegenüber anderen Leuten in die Kirche gehen. Der Vierzehnt« war ich, obgleich mehr au» Interesse an der Art und weise, wi« man da »nt,n fromm sein würde, al» au» seelischem Drange. Zuerst la» der Colonel die «ibelstelle vor, und der klein« Giuseppe zog die Punkab. Dann wurde gesungen; aber da man kein Harmonium hatte, so summte man die Melodie nur so vor sich hin. Aus den kleinen Giuseppe, dir ,L«n ,rst gefirmt worden war, machte die fremdtönettde Feierlichkeit Eindruck und er, summte auch mit, obgleich er weder vom Text« noch von der Melodie ein« Ahnung hatte. Seine Mutter war ein« bigotte Katholikin und er ihr guter Sohn. Er vergaß aber seine Pflicht nicht, sondern zog im Schweiße seines Angesichts die Punkah und wedelte den Frommen Kühlung zu, damit sie bei dieser Thätig- keit nicht so sehr schwitzen sollten, und machte ihnen die Frömmig keit auf diese Weise etwas bequemer. Der Colonel war am Ende angelangt. Er kam zum Vater unser, und nach dem Ritus der anglikanischen Hochkirche mußten sich Alle niederknien. Der katholisch« Commandant kniete auch hin, als er die Anderen knien sah; das war er ja von den Tire- monien seiner Kirche her schon gewohnt, und außerdem machte er die Sache nicht zum ersten Male mit. Und ich. . . nun ich kniete mich auch hin, weil ich «s für taktvoll hielt, nicht durch mein Stehenbleiben die Andacht der Frommen abzulenkrn, und ich schließlich auch keine Schande darin s«he, mich hinzukmen, wenn ich es dadurch vermeiden kann, die heiligen Gefühle anderer Menschen zu verletzen, wenn ich diese Gefühle auch nicht thrklei Giuseppe sah das Alles sich historisch entwickeln. Er zog zum ersten Male bei einem anglikanischen Gottesdienste die Punkah. Aber er war ein frommer Junge. Und darum kam es ihm so unheilig vor, daß er die Punkah zog, während di« Anderen in heiliger Andacht vor ihrem Herrgott auf den Knien lagen. Er fürchtete die Andacht zu stören, wenn «r die Punkah weiter zog, ja, er kam sich selbst schon als ein ganz schlimmer Sünder vor, weil er allein noch stand, während alle Anderen auf den Knien lagen. Selbst sein Commandant kniet« ja, uttd der ist doch auf dem Schiffe nach dem lieben Gott der Höchste! Also schnell nieder aus die Knie! Er sank dahin und betete sein Pater noster. Der Punkahstrick entglitt seinen Händen. „Our Httier . . . ." Die Punkah hörte auf zu schwingen. Da stberkam die Knieenden ein Gefühl, wie wenn der Herr ungnädig auf ihr Gebet herabsähe und ihnen schon einen Vorgeschmack geben wollte von der Höllenhitze, in der er sie einmal braten lassen wollte. Der Schweiß brach au» allen Poren. Da nun aber der Colonel/ den das Todesstöhnen von fünfzig Indern, uniter denen min destens neunundvierzig unschuldig waren, nicht gerührt hatt«, sich auch durch einen Feind, wie die Hitz«, nicht rühren ließ, son dern voller Andacht und mit Todesverachtung weiter betete, . . . langsam, Wort für Wort, so singen schon kleine Bächlein sich auf Stirn und Wangen zu bilden an und rieselten warm herunter; und während ihre Lippen den Herrn priesen, stöhnte ihr Herz: „Die Punkah ... oh, die Punkah! . . Endlich ertönte da» Amen! Tief «rleichtert erhoben sich Alle ... im Schweiße gebadet. Jeder ging in seine Cablne, um sich umzuziehen. Nur der Commandant Llieb zurück; und al» sämmtlichei Passagiere au» dem Salon verschwunden war«,, utng er auf den kleinrn Giuseppe, der gerad« die Punkahlttne zusammenwickelte, lo», schrie ihn mit einem Donnerwetter an und gab ihm ein paar Ohrfeigen. Da» war auch rin, englisch, Gonaiag»f«terl''
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