Suche löschen...
Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 01.12.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-12-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189412017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18941201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18941201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-12
- Tag1894-12-01
- Monat1894-12
- Jahr1894
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 01.12.1894
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
190 kommen. Ich bin recht böse ans Euch und habe schon mit Eurem Mann gescholten, daß er's gelitten hat." .Aber gnüdigeS Fräulein, ich mußte doch endlich wieder etwas verdienen, nachdem ich so lange krank gelegen." .Nichts mußtet Ihr verdienen, gesund solltet Ihr werden? Aber was bedeutet denn das?" unterbrach sie sich plötzlich. Sie wurde erst jetzt Steinerts ansichtig, der den Knaben sanft auf den Boden niedergleiten ließ und die Riemen des Tragekorbes löste. »Ich konnte nicht weiter," entgegnete Frau Schurre mit einer Thräne im Auge, .da traf mich der gute Herr. Er hat mir den Korb und das Kind getragen, damit ich noch zur rechten Zeit hierher kommen sollte, um dem Friedrich den Korb mit nach Wei den ha gen gebe» zu können." Hätte Steinert wirklich die größte Mühe und Qual von der für ihn kleinen Last gehabt, der Blick, der ihn aus Ida s großem, ernsten Auge traf, würde ihn belohnt haben. Er war zugleich bewundernd, dankbar und liebevoll. .Das ist edel, das ist schön," sagte sie, und ihm unbe fangen die Hand bietend, fügte sie hinzu: .Sie haben vielleicht meiner armen Frau Schurre das Leben gerettet, denn jede Ueberanstrengung kann der kranken Frau einen tödtlichen Rück fall zuziehen. Ich danke Ihnen recht von Herzen!" Sie drückte ihm bei diesen Worten die Hand, wie einem alten Bekannten, dann aber wandte sie sich, ohne eine Ant wort abzuwarten, an Frau Schurre. .Ihr geht nun ins Haus, Frau, Ihr legt Euch gleich auss Bett und bleibt mindestens eine Stunde liegen, wenn Ihr mich nicht ernstlich böse machen wollt." .Aber der Korb mit den Pilzen, gnädiges Fräulein." .Um den kümmert Ihr Euch gar nicht mehr, den wird Friedrich schon mit nach Weidenhagen nehmen und dort bestens verkaufe». Richt wahr, Friedrich?" Ter Alte winkte vom Kutscherbock mit einem unbeschreiblich freundlichen Grinse» herab. .Zu befehlen, gnädiges Fräulein, soll besorgt werden. Ich will handln, wie der beste Jude. Schurre, gebt mir mal den Korb herauf." Der Arbeiter, der Mann der Frau Schurre, hob den Korb in den Wagen, Friedrich band ihn fest, dann fragte er noch edunal: .Roch etwas zu besorgen in Weidenhagen, gnädiges Fräulein?," .Nichts weiter. Bergiß nur die Medizin für den Schäfer nicht." .Werde schon daran denken!" .Dann magst Du fahren. Bleib' aber nicht zu lange, Du weißt, dann ist der Vater bös." .Werd« schon nicht." Er grüßte das Fräulein mit einem so freundlichen, liebe vollen und doch respektvollen Grinsen, daß Steinert saft mit dem Alten, der auch ihm halb vertraglich zugenickt hatte, aus- geföhnt wurde; dann fuhr er im langsamen Trabe fort auf der Straße nach dem Sternkrug zu. Ida, welche den kleinen Jungen auf den Arm genommen hatte, begleitete Frau Schurre iuS Haus, um sich zu über zeugen, daß ihre Patientin auch ihre Befehle befolge, der Mann folgte ihr, Steinert blieb allein. Er setzte sich aus die neben der HmSthür angebrachte Bank und überließ sich einem keines wegs angenehmen Rachfinne». Wie viel l,a.:c »r an diesem Tage erlebt! Er war der Lösiti ni.tr schweren, übernommenen Verpflichtung näher ge treten; nicht drin Zufall, nur dem elgeuen Scharfsinn verdankte er rS, daß das Gehehmnß der dunklen That, welche vor wenigen Tagen im Schatten dieses Waldes begangen worden war, vor ihm sich zu lichten begann, und doch konnte er über den errungenen Erfolg keine Freude fühlen. Die schönen, träumerischen Augen, j» die er nur einen Augenblick geschaut hatte, blickten ihn vorwurfsvoll an, als wollten sie ihm sogen: „Du bist der Mörder dessen, den ich am meisten in der Welt liebe, des Vaters!" Aber was gingen ihn diese Augen an ? Was kümmerte er sich um ein junges, schöne? Mädchen? War sie doch die Tochter eines Verbrechers. Durste ihn wohl die Rücksicht auf Weiberthränen, auch wenn sie aus den schönsten Augen stossen, zurückhaltcn, wo es galt, der Gerechtigkeit ein ihr verfallenes Opfer zuzuführen ? — Nein, das durste er nicht, er mußte fest, ohne je zu wanken, ohne irgend eine Rücksicht zu nehme», auf dem einmal beschrittenen Wege vor wärts gehen. Für ihn gab cs keine Umkehr, nicht einmal einen Stillstand, seine Pflicht lag ihm klar vorgezeichnet. Nur bedauern konnte er sein Opfer. Sie war so wunderbar schön! Was auch geschehen sein mochte, sie trug an den dunklen Thaten, deren Verdacht auf ihrem Vater ruhte, sicherlich keine Schuld. Wie freundlich und herzlich hatte sie ihm, dem Un bekannten, jür den einer armen, kranken Frau erwiesenen Liebesdienst gedankt, wie sorglich war sie mit der Kranken um gegangen! Sie war sicher der Liebe werth, welche selbst der alte mürrische Friedrich für sie fühlte. Aber was kümmerte das alles ihn, der der Fee von Groniberg so fern stand? Hatte er sie doch zum ersten Male gesehen, war sie ihm doch gänzlich gleichgiltig! War sie das wirklich? Wie oft hatte er gelacht über das Märchen von.einer plötzlich bei der ersten Begegnung das Herz ergreifenden Liebe. „Nur ein Thor oder ein unreifer Knabe kann sich verlieben; die wahre Liebe erwächst nicht aus einem flüchtigen blendenden Anschauen der äußeren körperlichen Schönheit, sie entspringt aus der Erkenntniß, daß die Geliebte uns innig geistes- und herzensverwandt ist, sie kann daher auch nur das Resultat einer langen und vertrauten Bekanntschaft sein," so hatte er sich mit voller Ucberzeugung noch vor wenigen Tagen erst in einem Freundeskreise geäußert, und heute schon fühlte er nur zu klar, daß er selbst den. Bann der von ihm verdammten und lächerlich gemachten Liebe verfallen sei, der Liebe bei der ersten, flüchtigen Begegnung! Ja, er liebte Ida von Heiwald, die Tochter des Mannes, den er für einen Mörder hielt, und den er der Strafe des Gesetzes zu überliefern entschlossen war. Er liebte sie, das sagte er sich mit Schmerz, ja fast mit Erbitterung selbst, aber er war entschloßen, sich auch durch diese Liebe nicht von der Erfüllung einer schweren Pflicht zurückhalten zu lassen. 5. Die Fee von Gromberg. Steinert war so tief in das wogende Meer seiner er regten, trüben Gedanken versunken, daß er die Außenwelt ganz vergeßen hatte; er bemerkte es nicht, daß Ida von Heiwald aus dem Hause trat, daß Sie neben ihm stehen blieb, daß sie ihn mit theilnahmvollcr Aufmerksamkeit be trachtete. Er erwachte erst aus seinen Träumen, als sie ihn freundlich ai redete. „Frau Schurre hat sich zu Bett gelegt, ich hoffe, daß ihr die Anstrengung nichts schaden wird. Nochmals dan.c ich Ihnen, daß Sie sich meiner armen Kranken mit so Wanner Menschenfreundlichkeit angenommen haben." Fast verstört fuhr er auf; aber er faßte sich schnell, war er doch gewöhnt, sich zu beherrschen! Jedenfalls durste das junge Mädchen nicht ahne», welch' seltsame Gedanken ihn beschäftigt hatten; ihr und ihrem Vater gegenüber mußte er der leichtfertige, flache und wenig nachdenkende Geschäfts reisende Cornelius Steinert für das Haus W. Oldecott u. Co. 191 in Berlin sein; sie durfte nicht ahnen, daß der heitere Lebe- mann auch tiefere, wärmere Gefühle hege; niemals durfte er ihr zeigen, welchen wunderbar schnellen Eindruck sie auf sein Herz gemacht habe. Mit der ihm eigenen kraftvollen Selbst beherrschung zwang er sich zu einem heiteren Lachen, zu einem leichten Ton der Antwort, der ihm gerade in diesem Augen blick nicht leicht wurde. „Geht's der anncn Frau besser ? Nu« das ist mir lieb, dann habe ich wenigstens nicht vergeblich den schmutzigen Korb und den nicht ganz appetitlichen dicken Jungen geschleppt! Es Ivar eine »änischc Idee von mir; als ich aber die Frau im Giasc sitzen sah, konnte ich deni lustigen Einfall nicht wider stehen. Cornelius Steinert mit einer Kiepe auf dem Rücken und einem dicken Bacchus auf dem Arm! Ich wünschte nur, meine Berliner Freunde hätten mich gesehen, ich muß eine prächtig lächerliche Figur gespielt haben. Nicht wahr, mein gnädiges Fräulein? Ich habe nämlich die Ehre, mich Ihnen vorznsülleu als Cornelius Steinert aus Berlin. Ich reise für das Haus W. Oldecott u. Co. und bin im Begriff, Ihrem Herrn Vater, mit welchem ich in Geschäftsverbindung zu trete« hoffe, meine Auswartung zu machen. Herr von Heiwald, den ich gestern zufällig im Sternkrug traf, hat nur gütigst erlaubt, ihn zu besuchen." Er hatte mit großer Zi ngengeläusigkcit und jener un fehlbaren Selbstgechlligteit, durch welche die Berliner Hand- lnngsreisenden sich auszuzeichnen pflegen, gesprochen, aber zu seinem Staunen bemerkte er, daß seine Worte keineswegs den von ihm erwarteten und gewünschten Eindruck machten. Einen Augenblick schaute ihn wohl Ida halb verwundert und halb erschreckt an, dann aber, als er immer weiter schwatzte, umspielte ein gar liebliches, fast schelmisches Lächeln ihren schönen Mund; sie schüttelte den Lockenkopf und sagte ruhig: „Geben Sie sich keine Mühe, Herr Steinert! Sie werden mich nicht zu dem Glauben bringen, daß Sie meiner armen Frau Schurre nur einer lustigen Grille wegen geholfen haben! Ich kenne Sie besser, als Sie glauben!" „Sie kennen mich, gnädiges Fräulein?" „Ja! Frau Schurre hat mir treulich jedes Wort be richtet, welches Sie zu ihr und zu dem Keinen Fritz gesprochen haben; sie hat mir auch erzählt, daß Sie im ersten Augen blick nach der Börse gegriffen hätten, nm ihr ein Almosen zu geben, daß Sie aber dann sich eines Beßercn besonnen, ihr den Korb und den Knaben getragen haben. Ich danke Ihnen dafür. Sie würden die arme Frau durch ein Geld geschenk tief gekränkt haben, während sie Sie jetzt wie einen Gott verehrt." Jdä sprach so einfach und natürlich, so offen und ehrlich, daß Steinert sich saßt des Versuch?, sie zu täuschen, schämte. Ihr gegenüber konnte er den frivolen Ton, den er angenommen batte, nicht durchführen, es war ganz unmöglich; er brach deshalb lieber das Gespräch über diesen Gegenstand ab und fragte nur einfach, ob er wohl die Ehre haben dürfe, das gnädige Fräulein auf dem Wege nach Gromberg zu begleiten. Er sprach zugleich seine Verwunderung aus, daß die junge Dame es wage, so allein durch die viel verrufene und viel gefürchtete Diebshaide zu wanden:. Ein düsterer Schatten flog bei diesen Worten Steinerts über Idas schönes Gesicht. „Haben Sie auch von den furchtbaren Geschichten gehört, welche man sich von unserer armen Gegend erzählt?" Als er bejahte, fuhr sie fort: „Es ist mir lieb, Herr Steinen, daß Sie selbst das Gespräch auf diesen Gegenstand bringen. Ich kann jetzt wohl eine Bitte wagen, die ich gegen einen Fremden nicht aussprechen würde, gegen Sie aber ausspreche, weil ich weiß, daß Sie ein tiefes Gefühl für daS Unglück haben." „Gnädiges Fräulein, Sie beurtheilen mich zu schnell, zu günstig!" enviderte Steinert ernst. „Glauben Sie mir, der Schein trügt ost. Sie dürfen nicht einem fremden Manne Ihr Vertrauen schenken, den sie für edel und menschenfreund lich halten, weil er vielleicht durch einen Zufall, oder, wie ich schon sagte, durch eine seltsame Laune sich zu einer Handlung hat bewegen laßen, die Ihnen als der Ausfluß eines tiefen Gefühls für das Unglück erscheint. Solch' — nehmen Sie mir den Ausdruck nicht übel — leichtfertig gespendetes Ver trauen wird stets getäuscht!" „Würden Sie mich täuschen?" fragte sie mit einem so lieblichen Lächeln, nut einem so gütigen, vertrauensvollen Ton der Stimme, daß Steinert ihr am liebsten zu Füßen gefallen wäre, aber er bezwang sich zu der kühlen und trockenen Ant wort: „Vielleicht, wenn rS nicin Vorthcil erheischt!" Sie ging eine kurze Zeit neben ihm, dann blickte sic zu ihm auf. „Ich weiß nicht," sagte sie, „ans welchem Grunde Sie mir weniger gut und menschenfreundlich erscheinen wollen, als Sie wirklich sind. Ter armen Fran Schurre gegenüber hatten Sic keine Veranlassung, sich zu verstellen, ihr zeigten Sie Ihr wahres Gesicht. Weshalb suchen Sie mir wehe zu thun indem Sie meine Freude über Ihre Herzcnsgüte trüben? Welchen Grund Sie aber auch haben mögen, ich muß dennoch zu Ihnen sprechen meines Vaters wegen. Sie kenne» die Gerüchte, welche über meinen Vater von abscheulichen Ver leumdern verbreitet und von gedankenlosen Menschen nacher zählt werden?" „Ja." „Ich frage Sic nicht, ob Sie auch nur ein Wort von diesen wahnsinnigen Märchen glauben. Ich weiß ja, daß dies nicht möglich ist; Sie würden sonst nicht, wie mein Vater mir erzählt hat, gestern in der Nacht mit des Vaters Wagen allein durch die Diebshaide nach Bcutlingrn gefahren sein. Sic würden heut nicht allein und unbewaffnet durch den Wald nach Gromberg zu Fuß gehen. Sie verachten das schändliche Gerede, aber nicin Vater verachtet es nicht, er ist durch diese sich inimer erneuernden Verleumdungen bis ins tiefste Herz hinein getroffen. Er leidet furchtbar. De? Nachts hat er keinen Schlaf, er grübelt die Nächte hindurch darüber nach, wie er sich schützen soll gegen die abscheulichen Lügen, mit denen man ihn umgarnt hat, auf welche Art er seine Unschuld darthun kann. Gegen Fremde ist er mißtrauisch, oft hart und absprechend, mitunter selbst beleidigend hochmüthig, weil er von jedem Besucher glaubt, er komme nur aus freventlicher Neu gier, um zu spüre» und um dann später neue Klatschgeschichten in die Welt hinauszutragen. Seit vierzehn Tagen, seit der Herr von Scharnan abgereist ist, hat sich die unglückliche Laune des Vaters noch mehr gesteigert; er ist schroffer und menschenfeindlicher als je. Ich mußte Ihnen dies sagen, Herr Steinert, damit Sie vorbereitet aus manches scharfe Wo:t sind. Der Vater meint es nicht böse, aber er ist sehr, sehr un glücklich. Zürnen Sie ihm nicht und ich bitte Sie recht von Herzen, schonen Sie ihn. Vermeiden Sie es, das Gespräch auf die abscheulichen Gerüchte zu bringen." Steinert befand sich bei der Bitte Idas in einer pein lichen Verlegenheit. Mit jedem Augenblick fühlte er sich mehr und mehr zu dem lieblichen Mädchen hingezogen, und doch verstärkten ihre Worte wieder den Verdacht, den er gegen den Herrn von Heiwald hegte. Es war gewiß bedeutsam, daß dieser Nachts auf feinem Lager keine Ruhe finden konnte, daß seine finstere Menschenfeindlichkeit sich seit Scharnaus Abreise noch schärfer als früher zeigte. Die Tochter wurde durch ihre
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Nächste Seite
10 Seiten weiter
Letzte Seite