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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000718016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900071801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900071801
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- LDP: Zeitungen
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Hierbei handelte es sich noch nicht ein mal um die Wahrung directer englischer Interessen anderen Nationen gegenüber, sondern der Kriegszustand mit den beiden südafrikanischen Republiken gab der englischen Regierung der neutralen Staaten gegenüber die Handhabe, tagespolitische wie handelspolitische Jnieressen empfindlich zu schäbigen. Es unterliegt aber gar keinem Zweifel, daß im Kriegsfälle mit europäischen Staaten England dieses Monopol der unter seeischen Kabel-Verbindungen in einer Art und Weise ausnutzen würde, di« ihm vom Hause aus auf seestrategischem Gebiete einen ungeheuren Vortheil zuwenden müßten. Das Nachrichten wesen spielt beim modernen Seekriege, wo es sich um rechtzeitige Versammlung räumlich weitgetrennter Geschwader, um recht zeitige Warnung einzelner Schiffe, um Schutz und Schirm der Handelsflotte, wie von Colonien handelt, eine noch größere Nolle, als beim Landkriege. Bei letzterem ist der Feind nicht in der Lage, schon vor Beginn der Feindseligkeiten den telegraphischen Verkehr zu schädigen oder zu verhindern — bei einem drohenden Seekriege dürfte sich England aber keinen Augenblick besinnen, schon vor Beginn der eigentlichen Feindseligkeiten dem Gegner die Lebensader seestrategischer Vorbereitungen und militärischer Anweisungen, d. h. den überseeischen Kabelverkehr, zu unter binden. Heutzutage hat jedoch jede Großmacht einen Theil ihrer Kriegsflotte in fernem Auülandsdienste detachirt, und überall stößt man, wie die Karte der unterseeischen Kabelverbindungcn zeigt, auf die Telegraphenlinien englischer Gesellschaften, die naturgemäß von der englischen Regierung abhängig sind, wenn es auch nicht in den Gesellschaftsstatuten stehen sollte. Außerdem erkennt der internationale Telegraphenvertrag von 1870 aus-' drücklich an, daß die Regierungen das Recht haben, den Tele graphendienst gänzlich oder auf bestimmte Strecken einzustellen. Im Landkriege sind beide Gegner in der Lage, durch Controle der eigenen Telegraphen alle Nachrichten, welche militärisch Schaden stiften könnten, zu verhindern, ebenso vermögen sie aber auch unbehindert vom Gegner den Telegraphen für die eignen Zwecke militärisch nutzbar zu machen, so lange das Landesgebiet nicht occupirt ist. Man sieht, die Chancen im Landkriege sind auf beiden Seiten in Sachen des Nachrichtenwesens die gleichen. Anders in einem Kriege, bei dem England in Action tritt. Die Chancen sind dann hier die denkbar ungleichsten, was den Kabelverkehr angeht. Während England ungehindert den Tele graphen nach allen Weltgegenden in Thätigkeit treten lassen und ihn in vollkommenster Weise für seine Mobilisirungs- wie Operationszwecke nutzbar machen kann, vermag es die gleiche Möglichkeit dem Gegner abzuschneiden. Während die englischen Kabellinien jede Bewegung, jode Maßregel des Gegners sofort melden, bleibt für Letzteren das Kabel stumm. Er vermag ihm keine Nachricht, keine Auskunft abzufragen. Es ist der Kampf eines Sehenden gegen einen Blinden. Im Uebrigen wäre es durchaus ungerecht, England irgend welchen Vorwurf machen zu wollen, wenn es gegebenen Falles von diesem ungeheuren Vortheile, den ihm das Monopol der unterseeischen Kabellinien im Kriegsfälle gewährt, entsprechenden Gebrauch machte. Im Kriege gelten eben alle Mittel, soweit sie nicht durch internationale Abmachungen oder durch allgemein anerkannte Satzungen des Völkerrechts beschränkt sind. Nach diesen Richtungen hin ist aber England vollkommen gedeckt. Die internationale Conferenz vom Jahre 1882, die in Paris in Sachen des internationalen Schutzes unterseeischer Telegraphen linien Beschlüsse faßte, setzte zwar die Unantastbarkeit dieser Verbindungen für Friedenszeiten fest, erklärt aber im Paragraph 16 des Vertrages ausdrücklich, „daß nach Ausbruch deS Krieges die gegnerischen Parteien in keiner Weise beschränkt wären und ihnen voll ständige Actionsfreiheiten zu st ehe." Diese Bestimmung setzte jedoch nicht die internationalen Abmachungen über denselben Gegenstand vom Jahre 1876 außer Kraft, nach denen die unterseeischenKabellinien auch während des Krieges an ihrer schwächsten Stelle, d. h. innerhalb der Küsten zone der Neutralen, die bis auf Kanonen schußweite vom Meeresufer bemessen worden ist, unverletz lich sind. Alle diese Bestimmungen kommen England im Kriegsfälle ganz besonders zu Statten. Seine Uebermacht zur See, vor Allem seine gewaltige Kreuzerflotte, gestattet ihm, von der in keiner Weise beschränkten Actionsfreiheit in Zerstörung nicht englischer Kabellinien im Kriegsfälle ausgiebigsten Gebrauch zu machen, zumal alle englischen Kriegsschiffe hierfür besonders ausgerüstet sind. Dagegen erleichtern ihm dieselben Machtmittel den Schutz der eigenen Kabelverbindungen in ungleich höherem Made, als jedem wilderen Skate, »och da» große Netz vokv züglicher, über alle Welttheile vekbrecteter seestrategischer Stsitz4 puncte hinzutritt. Daß aber England schon im Frieden den „Kabelkrieg" vorbereitet, geht aus einem Vorfälle hervor, üb-r den seiner Zeit französische Blätter voller Entrüstung berichteten. Im Jahre 1896 fischte nach diesen Angaben ein englisches Kriegs schiff das Majunga mit Mozambique verbindende Kabel auf, um es nach Prüfung wieder zu versenken. Auch sonst ist man in England bemüht, schon im Frieden das Kabelwesen militärisch zu überwachen und zu „studiren". Es ist hierfür im englischen Kriegsministerium eine besondere Abtheilung eingerichtet, deren Gutachten beiAnlegung von Kabel linien eingeholt und beachtet werden müssen, weil die englische Negierung mit Recht großen Werth darauf legt, hierbei neben den kommerziellen auch die seestrategischen Interessen gewahrt zu sehen. Bei einer Collision dieser Interessen gehen sogar die letzteren vor. Allerdings zahlt in solchen Fällen die Regierung besonders hohe Subventionen an die Kabelgesellschaften. Aus alledem geht hervor, daß England in umsichtigster Weise bestrebt ist, das unterseeische Kabelwesen wirklich zu einer „Waffe" für den Kriegsfall vorzubereiten und auszugestalten. Man sieht dort dasselbe mit vollem Recht als einen sehr wichtigen Zweig der maritimen Kriegsvorbereitungen an, nicht minder als ein unentbehrliches Hilfsmittel der Scestrategie, von dem man im Ernstfälle große Dienste erwartet. Wie berechtigt diese Auffassung ist, konnte in Vorstehendem nur angedeutet werden. Welche Lehren sich hieraus für andere Staaten ergeben, die be deutende überseeische Interessen auch möglicher Weise im Kriegs fälle zu vertreten haben, liegt auf der Hand. Hier können nur Thatcn helfen, und wenn schon die ganze nichtenglische Handels welt das größte Interesse daran hat, von dem Monopol eng lischer Kabellinien loszukommen, so liegt mindestens dasselbe Interesse vom militärischen Standpunkte aus vor. Die Staaten, die starke Kriegsflotten für einen wichtigen Theil des nationalen Schutzes ansehen, müssen folgerichtiger Weise auch die Be dingungen zu fördern bemüht sein, unter denen die Flotten ihr« seestrategischen Aufgaben zu erfüllen im Stande sind. Auf diesem Gebiete besitzt aber jedenfalls England einen ungeheuren Vorsprung. Es ist der erste Staat gewesen, der in kluger Vor aussicht die große Bedeutung des unterseeischen Kabelwesens für den Seekrieg richtig erkannt und dasselbe schon im Frieden als eine höchst brauchbare „Waffe" für den Kriegsfall organi- sirt hat. Die Wirren in China. Boni ostasiatischen Kriegsschauplätze liegen heute folgende Depeschen vor: * Berkin» 17. Juli. Der Chef de» deutschen Kreuzer geschwader» telegraphirt ab Taku, den 14. Juli: „Dir Ver- htsntzrt«» habrn Besitz ergriffen am 13. von allen Be- sfefltPnngen um Tientsin, außer einer. Wegnahme dieser wird erwartet nach Eintreffen unterwegs befindlicher russischer Geschütze." — Von dem Chef des Kreuzergeschwaders ist nachstehende Meldung eingegangen. Ab Taku den 11. Juli: Die Japaner, Russen, Amerikaner und Engländer haben am 9. das Arsenal west lich von Tientsin gestürmt und besetzt, von wo die Stadt unter Feuer gehalten wurde. Die verwundeten Seesoldaten außer zwei in Tientsin gebliebenen sind heute nach Tsingtau geschickt worden; ihr Zustand ist gut. — Der Chef Les Kreuzergeschwaders meldet über Chesoo, daß er am 11. ds. die abgelösten entbehrlichen Ingenieure und Teckosficiere, sowie Kranke nnd Verwundete zur Heimkehr mit Dampfer „Stuttgart" nach Shanghai geschickt habe. Transport, führcr ist Marine-Stabsingenieur Gchrmann. * Kapcuhagcn, 17. Juli. Die dänische MisstonSgcsellschast er hielt telegraphische Nachrichten vom 17. d. M-, nach denen die dänische Miisionsstation in Jung-Kwantung auf der Halbinsel Liaorong zerstört worden ist. Die Missionare sind gerettet und be finden sich jetzt in Chemulpo. * London, 17. Juli. Dem „Reuter'jchen Bureau" wird ouS Tientsin vom 13. Juli gemeldet: Heute wurde von den Verbün deten ein combinirter Angriff auf die Eingeborenen stadt unternommen. Die chinesischen Stellungen wurden von mehr als 40 Kanonen beschossen. Die Verbündeten erlitten sehr schwere Verluste. Acht chinesische Geschütze wurden er- obert. Der Feind wurde nach einem heftigen Geschützfeuer au» dem Westarsenal Vertrieben, doch hielt man es für unmöglich, heute in die Stadt einzudringen. Eine starke gemischte Truppenmacht liegt jetzt dicht vor den Mauern der Chinesenstadt. Morgen wird wahr scheinlich ein Sturmangriff unternommen. * Loudon, 17. Juli. „Daily Mail" meldet von heute au» Shanghai: Die Verbündeten nahmen am 14. d. M. den Angriff auf die ummauerte Stadt von Tientsin wieder auf, und es gelang ihnen, eine Bresche in die Mauer zu schießen und alle Forts zu nehmen. Die Chinesen waren in voller Auf lösung. Die Verbündeten ergriffen Besitz von der Eingeborenen- stadt und deren Befestigungen. Die Gesammtverluste der Verbündeten in den Gefechten am Donnerstag, Freitag und Sonnabend betrage» 800 Todt« und Verwundete. Die größten Verluste hatten die Russen und die Japaner. * Petersburg, 17. Juli. Der „Nowoje Wreinja" wird au» Kiew gemeldet: Am 14., 15. und 16. ds. MtS. gingen von hier Eisenbahnzügr und Truppen ab, die durch Sibirien nach Wladiwostok befördert werden. Es sind dies das 7. Sappeur- Bataillon, eine Telegraphen-Lompagnir und rin« Compagnie des 4. Pionier-Bataillons. — Der „Nowoje Wremja" wird aus Wladiwostok gemeldet: Von dort geht ein Th«il der gegenwärtig noch China zu sendende«? Truppen auf zwei SchG-» der Frei- willigen-Flotte, ferner aus zwei japanischen, vier rusj.,^» /rnd drei deutschen Transportschiffen ab. — Vor der Abfahrt der au» Chabarowsk abgesandten Truppen hielt der Generalgouverneur Grodekow an diese eine Abschieds-Ansprache, in der er sie unter Hinweis auf den dem Kaiser geleisteten Eid ermahnte, ihre volle Pflicht zn thun. * Petersburg, 17. Juli. Ein Telegramm d,S Chefs der zweiten Station der chinesischen Lsteisenbahn, Ingenieurs Ryschow, meldet: Am 13. Juli nm 10 Uhr kam auf der Station Chailar ein Dragoman des Generals Tschuen, des Commandanten einer aus 1000 Mann bestehenden gut bewaffneten chinesischen Truppe zu mir und «rklärte, daß er infolge eine» von dem Commandanten in Tsie-tsi-khar erhaltenen Befehl» militärische Ralhschliige für Bergsteiger. Ein Mahnwort von vr. maä. Kurt Rudolf Krtu Sn er. Nachdruck virboler Die Sommerferien sind da, und mit ihnen ist der Zeitpunct gekommen, wo ungezählte Tausende hinausziehen in die Ferne, um nach Monaten angestrengtester Berufsarbeit wenige Wochen im intimsten Verkehr mit Mutter Natur zu verbringen. Für wen nicht die leichte Erreichbarkeit des Strandes oder eine be sondere Vorliebe für diesen ausschlaggebend ist, um seine Schritte nach den Meeresküsten zu lenken, der sucht, wenn irgend möglich, das Bergrevier zu erreichen. Mag ein Plätzchen im Walde der Ebene noch so idyllisch gelegen sein, so hat es doch einen eigenen, unwiderstehlichen Reiz, auf der Bergmatte eine andere Vegetation wachsen, über den Steinsturz den krystallenen Bergquell Hüpfen zu sehen und in der reineren Höhenluft die kranke Brust gesund baden zu können, und. die blauen Berggipfel zu unseren Häupten winken un» v«rheißungs- voll zu, al» wollten sie sagen: „Komm herauf zu un» und sieh Dir die Welt einmal von oben an". Wer principiell dem Grundsätze huldigt, daß man die Kirchen von außen, die Berge von unten und die Wirthshäuser von innen betrachten soll, hat freilich keine Ahnung, welche neue entzückende Welt sich bei einer Bergwanderung den Sinnen auf- thut; er mag getrost, seinem Bequemlichkeitsstandpuncte Rech nung tragend, unten bleiben; denn er verdient den auserlesenen Naturgenuß einer Bergwanderung gar nicht. Aber Hundert tausende, dse den beschwerlichen Aufstieg zu den lichten Höhen nicht scheuen, sind klüger al» er, und ihnen, soweit sie noch nicht durch eigene Erfahrung kundig geworden sind, gelten nach folgende Zeilen, ob nun da» Ziel ihrer Reise die firnbedeckten hohen Alpengipfel sind, oder dte bescheidenen Bergzüge de» Riesengebirges, de» Harze», de» Schwarzwalde» oder der anderen deutschen Mittelgebirge. Zwei Jrrthllmer, oder besser gesagt, Vorurtheile, sind nun hinsichtlich der Bergwanderungen weit verbreitet; erstens, daß nur muskrlstarke Personen für Bergbesteigungen befähigt seien, und zweiten», daß e» nur bei wirklichen Hochtouren und Kletter- Partien besonderer Vorsichtsmaßregeln bedürfe. Beide» ist grundfalsch. Gesundheit und rin ven Willensimpulsen genau gehorchender Körper ist natürlich die erste Vorbedingung, und e» ist ein bedauerliche» Unterfangen, wenn ein an vorgeschrittener Lungentuberkulose Leidender oder ein Asthmatiker oder ein mit einem Herzfehler oder einer Arterienverkalkung Behafteter einen auch nur mäßigen Berg ersteigen will; derartige Personen ge fährden direkt ihr Leben und thun besser daran, unten zu bleiben. Im Uebrigen aber ist hervorragende Muskelkraft durchaus keine Bürgschaft für den Erfolg. Wer viel in den Bergen gewesen ist, wird gewiß schon oft beobachtet haben, daß der fleischmassige Herkule», der wie August der Starke ein Hufeisen mit leichter Mühe durch den Druck seiner Hand zerbricht, mit geröthetem Ge sicht und fliegenden Pulsen, überhaupt mit allen Zeichen der Athemnoth und Herzschwäche Zurückbleiben muß, während ein hagerer, unansehnlicher und schwächlich aussehendcr Tourist ihm einfach davonläuft und ohne Anstrengung den Gipfel erklimmt. Wer also mit einem zarten, schlanken Körper durchs Leben wandelt, braucht deswegen, falls er sonst nur gesunde Organe hat, keineswegs auf das Vergnügen einer Bergpartie zu ver zichten; denn es ist der Geist, der sich den Körper baut und diesen durch die Willenskraft zu Leistungen befähigt, die man von ihm beim ersten Anblick oft nicht erwarten zu dürfen glaubt. Andererseits sind es nicht nur die schneebedeckten Häupter der gletschergepanzerten Alpenkette, bei deren Besteigung ein unzweckmäßiges Verhalten des Touristen Gefahren für die Ge sundheit heraufbeschwören kann; nach einer durchkneipten Nacht kann auch eine Tour auf die Schneekoppe, den Brocken, ja sogar auf die doch recht zahme Bastei den begangenen Exceß in dacado durch Nasenbluten, Ohnmächten, Anfälle von Sonnenstich und Hitzschlag, ja sogar durch einen lebenzerstören den Schlagfluß rächen, und eS ist unverantwortlich, wenn man nach einer weit über Mitternacht bei obligatem Münchener Bier eukgedebnten Scetvartie den nicht ordentlich ansgeruhien, ein große Menge Wasserbalast in den Säften mit sich schleppenden Körper zu Anstrengungen zwingt, welche er nicht gewöhnt ist, zu ertragen. Der Körper muß vielmehr — um es mit wenigen Worten zu sagen — sich in denkbar kräftigster Beschaffenheit befinden. Dazu gehört nun keineswegs, daß man auf einer Vergreise ungeheure Quantitäten eiweißhaltiger Nahrung verschlingt und diese mit Cognac und literweise getrunkenem Weine hinunter spült. Aber sckwn vor Beginn der Reise muß der Körpcr in« so crn gut ernährt sein, als er über ein Quantum Krait- referven verfügen muß, damit die Maschine nicht, sobald die erste größere Leistung von ihr gefordert wird, mangels des er forderlichen Heizmaterials versagt. Es ist also gänzlich ver fehlt, wenn man, nachdem man das ganze Jahr in der Großstadt eine wenig substanzielle Küche geführt hat, welche gerade dazu auSreicht, den bei andauernd sitzender Lebensweise ziemlich be- dürfnißlosen Körper im Gleichgewicht zu halten, in die Berge geht, in der Hoffnung, daß sich in Folge der Bergpartien ein so mächtiger Appetit einstellen werde, daß der abgemagertc Körper sich in wenigen Wochen durch einen bedeutenden Fleischansatz bereichern werde. Denn die Kraftleistungen deS Organismus werden zum allergeringsten Theil« unmittelbar aus der zu geführten Nahrung bestritten, sondern in der Hauptsache aus den assimilirten Körprrbestandtheilen, wie Fett und Zucker, gedeckt, die der Organismus schon lange vorder aufgtspcichert hat. Im Uebrigen sei man aber auf Bergwanderungen bedacht, außer dem knoblanchduftenden „Schunken" und den wie Blei im Magen liegenden barten Eiern, wie sie namentlich in Tirol und den anderen deutschen Alpenländern zur obligaten Tou ristenkost gehören, dem Körper da» kräftespendende Fett, Zucker und andere Kohlehydrate in größeren Mengen al» üblich zu- zusühren. Besonder» verdienen in dieser Beziehung die leicht verdaulichen Mehlspeisen, wie Eierkuchen, Schmarrn, Omelette u. s. w. besondere Beachtung; auch eine Tafel guter Chocolade sollte in der Tasche de» Touristen nie fehlen. Eine leidige Angewohnheit des deutschen Touristen ist ferner der durch nichts gerechtfertigte Consum starker Alkohole. Gegen ein Gläschen guten Rums oder Cognacs zur rechten Zeit wird man füglich nichts einwenden können; wenn man aber schon in früher Morgenstunde der Marke kins osinnapLxne mit den drei Sternen über Gebühr zuspricht, so wird dem anfänglichen trügerischen Kraftgefühl bald die Erschlaffung folgen, da das Reizgefühl, das zuerst nach dem Alkoholgenuß eintritt, schnell in Ermüdung übergeht. Weitaus zweckmäßiger ist es, in einer mindestens einen halben Liter fassenden Feld flasche einen an Ertract streifenden, starken, sehr gesüßten kalten Kaffee oder, noch besser — Thee, mit sich zu führen, von welchem man am ersten besten Quell eine kleine Menge mit dem vier- bis fünffachen Quantum Wasser verdünnt, um ein Getränk herzustellen, das ganz vorzüglich den Durst stillt, ohne zu er müden. Befindet sich der Tourist in einer wasserarmen Region, so ist auch die erfrischende Kraft einer Citrone nicht zu ver achten, von welcher man ein Stück abschneidet und, so wie cs ist, im Munde aussaugt. Den Cognac aber sollte man als Medicin aufsparen, wenn es gilt, einen erheblichen Schwäche anfall zu überwinden. Wer schon zu Hause in der Stadt den dritten oder vierten Stock eines Hauses nicht ohne sichtliche Ermüdung und Schmerz gefühl in den Beinen ersteigen kann, darf nicht erwarten, daß er die Berge wie eine Gemse erstürmen wird. Er muß daher mindestens etliche Wochen vor Beginn der Reise durch anfangs kürzere, später aber ausgedehntere Fußtouren den Körper auf das Ertragen größere Anstrengungen trainiren und wird einen um so größeren Genuß haben, je weniger ihn ein Marsch von etlichen Stunden anstrengt. Unbedingt erforderlich ist auch eine angemessene Kleidung. Eine große Anzahl von Bergsteigern unternimmt die Partien in der gewöhnlichen städtischen Kleidung und brüstet sich damit, eine Hochtour in diesem Kostüm ausgeführt zu haben. Wenn aber Jemand, wie eS schon mehrfach geschehen, den Ortler im Kammgarnanzug und mit dem Regenschirm bewaffnet erklimmt, so ist dies viel weniger sein eigenes Verdienst, als das seines Führers und Sache deS Wetterglücks. Man wird auch nicht gleich in den Verdacht eines Salontirolers, wie ihn uns Defregger in seinem prächtigen Bilde auf die Leinwand ge zaubert hat, kommen, wenn man sich in wollene oder seidene Tricotunterkleider steckt und darüber einen lockeren, aber wasser dichten Lodenanzug zieht, und die Füße in doppelt gesohlte, mit Randnägeln beschlagene rindslederne Schuhe steckt; wenn man sich aber auf einer Tour von schlechtem Wetter überrascht sieht, wird man die Wohlthaten dieser Kleidung erst schätzen lernen, besonders wenn man daneben in einem mit seiner städ tischen Kleidung bei Negenwetter total Fiasco machenden Tou risten daS abschreckende Beispiel vor Augen hat. Auch eine kleine Reiseapotheke kann oft unschätzbare Dienste leisten; man muß sich hier natürlich mit dem allernöthigsten behelfen; aber im Raume einer Cigarrentasche lassen sich immer hin eine Mullbinde, englisches und Heftpflaster, einige Anti- pyrinpulver, ein Fläschchen Opiumtropfen, eine Schachtel Schweizerpillen, eine Salicylsalbe und eine Büchse Guajacol- carbonat untrrbringrn, mit welchem letzteren man so »temlich jede Erkältung, die auf den Bergreisen nicht zu den Seltenheiten gehört, coupiren kann. Und nun noch ein Wort zur Ausführung der Partien selbst. Es sind goldene Worte, welche in dem bekannten rothen Reise handbüchern von Bädeker dem Text vorgesetzt sind: Wer reisen will, der schweig fein still. Geh, leichten Tritt, nehm' nicht viel mit Brech' auf am frühen Morgen Und lasse heim die Sorgen. Wer dies getreu befolgt, braucht eigentlich kaum weitert Anweisungen. Insbesondere kann die Mahnung, vom Beginn der Partie an ein gleichmäßiges langsames Tempo einzuhalten und sparsam mit seinen Kräften zu wirthschaften, nicht oft genug wiederholt werden. So lange es noch ziemlich eben im Thale dahingeht, wird aber meistens unvernünftig gerannt, um vor den Zurückbleibenden mit einem glänzenden Spurt zu brilliren; ermüdet kommt man an die steileren Stellen, wo die Muskeln erst zeigen sollen, was sie leisten können, und mit Spott und Hohn sieht sich der Prahlhans von dem anfangs weit zurückgebliebenen, erfahrenen Touristen überholt; denn es ist so, wie der Italiener sagt:„tl>i vu, piano, va sano; otii va sauo, va lonlauozu Deutsch: Wer langsam geht, geht gesund; wer gesund geht, geht lange. Für das Bergsteigen muß man sich überhaupt eine besondere Art zu gehen angewöhnen. Wenn der gestrenge Herr Unter- officier oder Sergeant in der Einbildung lebt, daß der ihm ver fallene junge Civilist unter seiner Leitung überhaupt erst gehen lernt, so mag dieser schmerzliche Drill der Knochen und Gelenke für den Paradeplatz ja ganz angemessen sein; aber beim Berg steigen ist der sogenannte stramme Gang mit durchgedrückten Knien keineswegs am Platze. Im Gegentheil sollen die Gelenke nie bis an die Grenze ihrer Streckfähigkeit in Anspruch ge nommen, sondern stets leicht gekrümmt gehalten werden, so daß der Körper niemals Stößen ausgesetzt ist, sondern, gewisser maßen leicht federnd, wie der Turner, der beim Sprunge in den Knien nachgiebt, sich allen Unebenheiten de» Terrain- an schmiegt. Je stärker die Steigung, desto langsamer und kürzer müssen natürlich auch die Schritte sein, und der beste Maßstab dafür, ob man richtig geht, ist, daß dabei die Lungen nicht zu keuchen und daS Herz nicht zu klopfen beginnen darf. Im richtigen Tempo wandernd, kann man viele Stunden lang fortmarschiren. Wer I brigcnS lange Touren zu unter nehmen beabsichtigt, thut gut, wenn er nach vier- bis fünf stündigem Morgenmarsch längstens um zehn oder elf Uhr Vor mittags zur längeren Mittagsrast einkehrt und erforderlichen Falls Nachmittags von 4 Uhr an noch einige Stunden fort wandert. Kann man im Nachtquartier, wie es jetzt auch im Hoch gebirge bereits häufig der Fall ist, ein laue» Bad haben, so ver schmähe man es nicht, davon so oft wie möglich Gebrauch zu machen. Man befreit dadurch nicht nur den Körper von Staub und Schmutz, sondern beugt damit auch am besten dem Steif werden der Glieder vor, welche» da» lästigste Gefühl nach an strengenden Partien ist.
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