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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.06.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010603014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901060301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901060301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-03
- Monat1901-06
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Ämlsbkatt des Königlichen Land- nnd Mnlsgerichtes Leipzig, -es Aathes nnd Volizei-Ämles -er Stadt Leipzig. Montag den 3. Juni 1901. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile S5 Reclamen unter dem RedacrionSftrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme L5 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgeu-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen j« «ine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis NbendS 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Polz iu Leipzig. W. Jahrgang. Amtlicher Theis. Oeffentliche Zustellung. Die Arbeiterin Martha Marie gesch. Petzold geb. Weigang in Glatz i. Schles. — Prozeßbevollmächtigtrr: der NechlSanwalt vr. Schönwald in Leipzig — klagt gegen den Arbeiter Franz Julins Pctzold, srüher in Leipzig-Lindenan, jetzt unbek. Aufent- halt-, wegen Ansprüchen au» außerehelicher Schwängerung mit dem Anträge auf kostenpflichtige, vorläufig vollstreckbare Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung von 216 nebst 4"/, Zinsen seit Klage Zustellung an die Klägerin. Die Klägerin ladet den Beklagten zur mündlichen Verhandlung deS Rechtsstreits vor da- Königliche Amtsgericht zu Leipzig, Zimmer 57, auf den 12. Juli 1SY1, Vormittags s Uhr. Leipzig, den 23. Mai 1901. Der iScrtchtSschreiber des Königlichen Amtsgerichts. Der Krieg in Südafrika. Wachsende Unzufriedenheit in Johannesburg. Aus Johannesburg, 1. Mai, schreibt man uns: Obgleich durch den Zufluß aus Natal und der Capcolonie die Zahl der Einwohner zunrmmt und nach und nach alte Bekannte sich wieder einfinden, muß leider berichtet werden, daß sich die Verhältnisse nicht gebessert haben, man kann sogar eine wachsende Unzufriedenheit wahrnehmen. Die Friedensverhand lungen haben sich leider zerschlagen und damit auch die Hoff nungen so zahlloser Personen, die von Tag zu Tag das Ende dieses unglücklichen Krieges mehr herbeisehnen. Das Verhältniß zwischen den Engländern (oder richtiger gesagt, britischen Unter- thanen) und dem Rest, an Zahl weit größerem Theil der Be völkerung, hat sich bisher nicht gebessert. Die Vortheile, welche die britischen Unterthemen genießen, und die Entbehrungen und Beschränkungen, denen die auslän dische Bevölkerung unterworfen ist, wird auf Seiten der letzteren als eine drückend« Ungerechtigkeit mit wachsender Erbitterung lästig empfunden. Dieser Unterschied in der Behandlung spiegelt sich schon im Straßrnleben ab; äußerlich zufrieden sind nur die Engländer, und von diesen scheinen sich die Herren Officiere ganz besonders wohl zu fühlen. Diese schlendern in solch auf fallend hoher Zahl in den Straßen umher, daß Niemand sich des Eindruckes erwehren kann, daß sie gar nicht sehr daran inter- essirt sind, den Krieg bald beendigt zu sehen, und keine Neigung zeigen, das fröhlich« Leben in Johannesburg durch einen Auf enthalt im Felde kämpfend zu unterbrechen. Man gewinnt den Eindruck, als ob es in Johannesburg mehr Officiere als Sol daten gebe. Wie schon erwähnt, soll vom 4. Mai der Verkauf von Lebensmitteln wieder den Kaufleuten überlassen werden. Für die Kaufleute bedeutet die Neuerung einen großen Schritt vorwärts; durch die Veröffentlichung einer sehr eingehenden Preisliste, deren Preise nicht überschritten werden dürfen, wird die Freude für diese allerdings wesentlich herabgesetzt. Das große Publicum hatte sich eben an das Negierungsverkaufssystem ge wöhnt, di« Preise waren mäßig, die erlaubten Mengen reichlich,: immerhin wird die Neuregelung des Verkaufes von Lebens mitteln deswegen von vielen Käufern sehr willkommen geheißen, weil nicht mehr Alles baar bezahlt zu werden braucht, Eredit wird namentlich auch den Boeren von den Kaufleuten in weit gehendem Maße gewährt. Nichts würde von der gesammten ausländischen Bevölkerung mehr willkommen geheißen werden, als Erleichterungen im P o st- verkehr. Man hat sich nachgerade daran gewöhnt, daß Briefe aus der Heimäth (und Deutschland scheint darin besonders auf merksam behandelt zu werden) durch das Oeffnen und Lesen durch den Censor meist ein« mehrtägige Verspätung erleiden (bis zu vier Tagen). Mit Rücksicht aüf die großen Unannehmlich keiten, welche dem Empfänger hier durch voreilige und ganz nutzlose Kritik englischer Erfolge oder Maßnahmen entstehen, kann nur auf das Dringendste gerathen werden, allen Aeuße« runaen, die zum Nachtheile für den Empfänger von den Militär behörden benutzt werden können, auf das Peinlichste und Sorg fältigste zu vermeiden. Außerordentlich unangenehm wird ferner empfunden, daß Zeitungen gar nicht zur Ausliefe rung gelangen; man sehnt sich danach und begreift auch nicht, welchen Schaden die Lecture der Zeitungen anrichten könnte. Besonders bedauerlich und zu geeigneten Schritten und Vor stellungen der geeigneten Behörden herausfordernd ist es aber, daß auch Drucksachen anderer Art, namentlich Geschäfts berichte und Preisverzeichnisse und alle ähn lichen für den Geschäftsverkehr unerläßlichen Poststucke nicht zur Ablieferung gelangen. Es mag an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, wie sehr der deutsche Handel hierdurch geschädigt wird, zumal wenn man bedenkt, daß Drucksachen aller Art auS England regelmäßig zur Ablieferung gelangen, sowie daS hierdurch und durch den Umstand, Laß seit dem 1. October 1900 die.Transvaal Colony dem Imperial Penny Postage-Verband angeschlossen ist, ein Brief nach England (in deutschem Gelbe) 8^/2 -H, nach Deutschland dagegen 21^ H kostet; es kann gar nicht ausblciben, Laß auch durch diesen Umstand dem deutschen Ausfuhr handelbeträchtliche Verlust« entstehen müssen. Um diesen Verlusten nach Kräften vorzubeugen, sollten , die deutschen Handelsinteressenten nicht versäumen, in Lieser Angelegenheit ernste Vorstellungen zur Ab hilfe zu machen; inzwischen Preislisten , u. s. w. aber entweder als Briefe zum Versandt zu bringen, oder wo solches nicht angängig ist, die betr. Postsachen zunächst nach England zu senden und von dort Lurch die Agentur weiter be fördern zu lassen. Gegenwärtig ruht der Handel hier fast noch ganz; große Mengen von Maaren lagern noch an den ver- verschiedenen Hafenplätzen; 'wenn aber Friede eintritt, dann wird wenigstens vorübergehend «ine große Nachfrage nach Gütern aller Art herrschen. Der Handelsverkehr in Johannesburg ist gegenwärtig noch rechtschwach ; mit der Ausnahme von Eß- waaren kann bisher noch nichts «ingefllhrt werden, ganz und gar lahmgelegt ist hierdurch der Verkehr mit Spirituosen;, die Preise für diese Artikel sind enorm; ebenso für einige andere Artikel, in denen die Vorräthe völlig erschöpft sind, namentlich Beileidungsartikel; fertige Schuhe sind kn den gang baren Nummern überhaupt nicht mehr zu haben, auch Hüte nicht. In fast allen Handelsbranchen ist dasselbe der Fall, die gang baren und besseren Artikel sind ausverkauft und Ersatz befindet sich an der Küste. Tabak kostet gegenwärtig 6 das Pfund; Eiersind un t e r12 —15 d a s D u tzend j e tz t s ch o n seit Monaten nicht mehr zu haben. Wenn einmal Friede herrscht, so kann mit Bestimmtheit darauf gerechnet wer den, daß für Las Baugewerbe, so weit Reparaturen in Frage kommen, eine goldene Zeit anbricht; auch für Möbel und Haus- geräth wird eine große Nachfrage entstehen. Nichts deutet da gegen gegenwärtig darauf hin, daß nach Friedensschluß der „dooru" eintritt, Len Diejenigen jetzt Voraussagen, die ein Inter esse daran haben. In wenigen Tagen werden einstweilen die Goldminen den Betrieb in beschränktem Maße wieder aufnehmen unter höchst seltsamen Bedingungen für die Arbeiter Bedingungen, welche die Theilnahme der Ausländer ausschließen. Die Ar beiter sollen täglich 5 <-/? und freie Station erhalten; die Differenz zwischen dieser Bezahlung und dem Betrage, welcher vor dem Ausbruch des Krieges im Durchschnitt für die gleiche Arbeits leistung bezahlt wurde, soll in Fonds zum Besten der Wittwen und Waisen u. s. w. der jetzt kämpfenden oder gefallenen Minen angestellten fließen. Kein Ausländer kann daran Lenken, den größeren Theil feiner Einnahmen solchen Zwecken zu opfern. Wenn man diese Bedingungen liest und zugleich in der Zeitung Inserate findet: „Angabe der Nationalität verlangt" oder ar beitslose britische Unterthanen finden Arbeit" oder „nur britisch« Unterthanen brauchen sich zu melden", so nimmt die Befürchtung greifbare Form an, daß das „uo Ssrmnug ueeck »ppi)?", „Deutsche brauchen sich nicht zu bewerben" am Ende des Krieges wieder auftauchen wird, wie nach dem Jameson- Einfall. --- Heilquellen und Badeorte in Sachsen. ui. H o h e n st e i n. Steigt man von dem als höchstes sächsisches Bad aufge- fllhrten Einsiedel über Grünthal abwärts und folgt dem Laufe der Flöha über Olbernhau bis zum Einfluß in die Zschopau, so erreicht man den Fuß des Erzgebirges, an welchen sich die industriell so werthvolle Kohlenmulde anlagert. Am nördlichen Rand derselben findet sich nahe der Doppelstadt Hohenstein- Ernstthal im Hüttengrund das Bad Hohenstein. Einer unver bürgten Nachricht zufolge bethätigte dasselbe erstmalig seine Wirksamkeit dadurch, daß im 18. Jahrhundert ein mit Fuß geschwüren behafteter Waldarbeiter in den rothen, sumpfigen Schlamm, bezw. die darin entspringende Quelle seine kranken Füße hinein hielt und dadurch Heilung fand. Im Jahre 1766 nahmen sich zwei Hohensteiner Bürger der Quelle an und ver anlaßten eine Untersuchung derselben durch vr. Fischer in Glauchau. Dieser,wie auch später 1778Dr. Grundmann empfahlen den mineralischen Gesundbrunnen zu Hohenstein, der aber bis 1785 ungefaßt blieb, da erst in diesem Jahre der als Curgast anwesend gewesene Graf v. Schönburg-Wechselburg aus Dank für gewordene Heilung die Quelle in Rochlitzer Stein fassen ließ, ohne daß jedoch noch immer die Heilquelle an Ort und Stelle zu Bädern Verwendung fand; man schaffte das Wasser zu diesem Zwecke vielfach fässerweise nach der Stadt und bereitete dort damit Bäder. Erst im Jahre 1828, nachdem Fürst Otto Victor von Schönburg-Waldenburg als Besitzer deS Areals um die Quelle herum die Benutzung derselben dem Apotheker Beckert in Erbpacht gegeben hatte, errichtete derselbe mit Unterstützung des Fürsten ein Badehaus, auch im Jahre 1830 Wohn- und Wirthschaftsgebäude. Nach einigen Jahren ging jedoch das Bad wieder ein und wurden die Gebäude für Fabrikzwecke eingerichtet, bis im Jahre 1884 das Bad nach Restaurirung und Erweiterung wieder eröffnet wurde. Es sind über 100 Wohnungen vor handen, Mineralbäder werden ebenso wie Moor-, Fichtennadel- und Dampfbäder verabreicht. Da die Quelle an festen Stoffen Kali, Eisenoxyd und Lithion, daneben freie Kohlensäure und Schwefelwasserstoff enthält, so kann man sie als ein mildes Stahlwasser bezeichnen und bei Blutarmuth, Nerven- und Frauenkrankheiten, Lähmungen, Gicht und Rheumatismus, sowie Magen- und Lungenkrankheiten empfehlen. Wie bereits erwähnt wurde, hat man im Vogtland einige Mineralquellen aufgefunden, welche nur wenig oder gar nicht für Heilzwecke angcwendet wurden. Weit größer ist die Zahl der Heilquellen, welche in dem durch das Sammelgebiet der beiden Mulden etwa begrenzten erzgebirgischen District aufgefunden worden sind und eine Zeit lang auch zu Curzwecken Verwendung gefunden haben. Das Wenige, was darüber zu sagen sein dürfte, ist das Folgende: Auf dem Wege von Eibenstock nach Rautenkranz be findet sich eine als Sauerbrunnen bezeichnete Quelle, welche nur wenig Kohlensäure enthält, aber ziemlich eisenhaltig ist. Eine halbe Stunde vom Dorfe Reinsdorf bei Zwickau quillt ein eisenhaltiges, starkschmeckendes Wasser, welches früher in ein Haus bei der Kirche geleitet wurde; auch bei Cainsdorf hat man eine „aluminöse" und zwei „mineralische" Quellen früher beobachtet. Im Jahre 1776 meldet Oesfeld, daß zwischen Hackenstein und Thierfeld eine Quelle aufgefunden wurde, deren laxirende Kraft gerühmt wurde. Ein Bad wurde im Jahre 1808 zu Raschau unweit Schwarzenberg eingerichtet unter Benutzung einer Quelle, in welcher Kohlensäure, Eisenoxydul und Kalkerde nachgewiesen worden war; es fanden sich beim Bergbau in der Nähe dieses Ortes mehrfach mineralische Quellen vor, auch der Fürsten brunnen an dem Fürstenberg, wo Herzog Albrecht aus den Räuberhänden Kunzen's von Kaufungen errettet wurde, soll hierbei mit erwähnt werden. Daß auch in Oberwiesen thal, der höchstgelegenen Stadt Sachsens und Deutschlands, zwei eisenhaltige Quellen gefunden wurden, läßt sich wohl auf früheren Bergbau daselbst zurückführen, ebensolche Veranlassung mag es für die nahe gelegenen Orte Neudorf und Crotten dorf haben, wo Mineralquellen zu Trinkcuren benutzt worden sein sollen. In der Nähe von Grumbach bei Jöhstadt ist nach Lehmann's Schauplatz im Jahre 1646 eine Heilquelle auf gefunden worden, welche sich eine Zeit lang ziemlichen Zuspruches erfreut haben soll, da die aus ihrem Wasser bereiteten warmen Bäder Lahme und Blinde gesund gemacht werden sollen. In Marienberg soll schon im Jahre 1553 eine alaun-, vitriol- und schwefelhaltige Quelle bekannt gewesen sein, welche 1686 untersucht wurde und zur Herstellung von Bädern Verwendung gefunden hat, welche sich heilkräftig gegen Geschwüre und Haut krankheiten, Lähmungen und Geschwülste erwiesen haben sollen. Es ist zweifelhaft, ob die als „frischer Brunnen" benannte, an der alten Stadtmauer noch jetzt fließende Quelle vor langen Jahren mineralhaltig gewesen ist und Heilkraft dadurch besessen haben kann; jetzt ist in derselben ein besonderer Gehalt nicht mehr nachzuweisen. In älteren Schriften wird mehrfach erwähnt, daß in Ehrenfriedersdorf ein Quell vorhanden sei, welcher bald als Sauerbrunnen, bald als Stahlquell bezeichnet wird; auch im Jahre 1824 erscheint er einem Arzte als heilkräftig, doch ist Wohl niemals eine ausgedehntere Wirkung zu beobachten gewesen. Im Osten des Erzgebirges hat der ausgedehnte, ehedem so erträgnißreiche Silberbergbau manche mineralhaltige Quellt in der Tiefe erschlossen und werden besonders hierunter hervor gehoben die im Jahre 1821 in der Grube Kurprinz erschrobene, von Lampadius untersuchte Quelle, welche, als ein schwacher alkalischer Säuerling bezeichnet werden konnte und eine Tempera tur von 20—25 Grad Celsius besaß, sowie die in der großen Ferrrllrton. Der Herr Unterofficier. Skizze von An ton Tschech off »Moskau. Einzig autorisirte Uebersetzung von Wladimir Czumikow - Pari». Nachdruck «erboten. „Unterofficier Prischibejew! Sie sind angeklagt, am 3. Sep tember den Polizeiaufsther Sbigin, den Gemeindeältesten Alja- pow, den Polizeidiener Jefimow, die Zeugen Iwanow und Gawrilow und noch sechs Bauern mit Worten und thätlich be leidigt zu haben, wobei Sie den drei Ersten die Beleidigung bei Ausübung ihres Amtes zugefügt haben. Gestehen Sie Ihr Vergehen ein?" Prischibejew, ein älterer Unterofficier mit bartstoppeligem Gesicht, legt die Hände militärisch an die Hosennähte und ant wortet mit heiserer, gedämpfter Stimme, indem er jedes Wort abhackt, als commandir« er: „Euer Wohlgeboren, Herr Friedensrichter! Es ist nach den Paragraphen des Gesetzes, daß man jeden Umstand beiderseitig attestiren muß. Nicht ich bin schuld, sondern alle Anderen. Die ganze Sache war wegen einer todten Leiche, Gott hab' sie selig! Ich komme also am Dritten mit meiner Frau Ansissa ruhig und wohlanständig einhergegangen, da sehe ich, am Flusse steht ein Haufen verschiedenen Volkes. Was ist das hier für rin Volksauflauf? frage ich. Aus welcher Veranlassung? Steht es vielleicht im Gesetz, daß das Volk sich zusammenrotten söll? Ich schreie also: Auseinander! Ich begann, das Volk ausein anderzupuffen, damit es nach Hause gehe, und befahl dem Polizeidiener, die Leute wegzujagen . . ." „Erlauben Sie, Sie sind doch aber nicht der Polizeiaufsehrr, nicht der Gemeindeälteste; ist denn daS Ihr« Sache, da» Volk auseinander zu treiben?" „Natürlich nicht! Natürlich nicht!" erschallen Stimmen aus allen Ecken des Gerichtssaales. „Es ist nicht zum Aushalten mit ihm, Euer Wohlgeboren! Fünfzehn Jahre schon haben wir unter ihm zu leiden! Seitdem er aus dem Dienste zurückgekehrt ist, ist'S im Dorfe kein Leben mehr. Alle klagen darüber!" „DaS ist richtig. Euer Wohlgeboren!" sagt der Gemeinde älteste. „DaS gange Dorf klagt darüber. EI Ist mit ihm nicht zum Aushalten! Gi«bt «» «ine Procession, eine Hochzeit oder irgend ein Eveiantß, überall schreit und lärmt «r, und will seine Ordnuna elnfühven. Di« Burschen reißt rr an den Obren, auf die Weiber patzt rr auf, daß nicht walt vorkommt, wir so «in Schwiegervater .... Neulich ging er die Häuser ab und befahl, daß keine Lieder gesungen werdon und kein Licht ange zündet wird. Es giebt so ein Gesetz nicht, sagt er, daß man Lieder singen dürfe." „Warten Sie, Sie werden Ihre Aussagen später machen", sagt der Friedensrichter; „jetzt wird Prischibejew fortfahren. Fahren Sie fort, Prischibejew!" „Zu Befehl!" schnauzt der Unterofficier. „Sie belieben zu sagen, Euer Wohlgeboren, daß es nicht meine Sache sei, das Volk auseinander zu treiben . . . Schön. . . Und di« Ordnungs störungen? Darf man eS denn zulassen, daß das Volk scan- dalirt? Wo steht es denn stn Gesetz, daß das Volk seinen Willen haben darf? Ich kann das nicht gefönt den. Wenn ich si« nicht auseinander treiben und zur Verantwortung ziehen werde, wer wird es dann thun? Niemand kennt dort die richtigen Gesetze; im ganzen Dorf, kann man sagen, bin ich allein, der weiß, wie man mit Leuten einfachen Standes umzugehen hat, und ich verstehe Alles, Euer Wohlgeboren. Ich bin kem Bauer, ich bin Unterofficier, Zeughäuswärter außer Dienst, habe in War schau im Stab« gedient, habe dann, wie Sie zu wissen belieben, bei der Feuerwehr gestanden, habe später diese Stellung wegen schwacher Gesundheit aufgegeben und bin zwei Jahre im klassi schen Progymnasium Portier gewesen . . . Ich kenne alle Ver fügungen. So ein einfacher Bauer aber capirt nichts und hat mir zu gehorchen, weil es zu seinem eigenen Nutzen ist. Nehmen wir zum Beispiel dem vorliegenden Fall ... Ich treibe das Volk auseinander, auf dem Ufer aber liegt im Sande die er trunkene Leiche ein«! todten Menschen. Auf Grund welcher Verordnungen liegt sie hier? frage ich. Ist das etwa in der Ordnung? Wo hat der Polizeiaufseher seine Augen? Polizei aufseher, frage ich, warum setzt Du nicht die Obrigkeit davon in Krnntniß? Vielleicht ist dieser Ertrunkene selbst ertrunken, vielleicht riecht aber die Sache nach Sibirien. Vielleicht ist hier rin kriminaler Mord . . . Der Polizeiaufseher Shigin aber kümmert sich überhaupt nicht darum und raucht nur sein« Cigarette. „WaS Ist dal hier bei Euch für «in Vorgesetzter? Wo habt Ihr den her?" sagt rr. „Wir wissen selber, was wir zu thun naben!" Offenbar weißt Du «I nicht, wenn Du hier stehst und zuschaust, Du Schafskopf! sage ich. „Ich", sagt er, „habe schon gestern dem KrriSchef davon Mittheilung gemacht." Wozu denn, frage Ich, dem Attisches? Nach welchen Paragraphen des Gesetzes? Kann denn in solchen Sachen, die Ertrunkene. Er hängte und Aehnliches betreffen, der Kreischef etwas thun? Hier, sage ich, ist ein Criminalverbrechen, eine Civilsache . . . Hier muß man schnell dem Herrn Untersuchungsrichter und dem Gerichtshof ein« Estafette schicken. Und vor Allem, sag« ich, mußt Du ein Protokoll aufsetzen und ei dem Herrn Friedensrichter zu» stellen. Er aber, der Polizeiaufsehrr, hört zu und lacht. Und die Bauern ebenfalls. Alle haben gelacht, Euer Wohlgeboren. Ich kann es beschwören . . . Dieser hier hat gelacht, der.da und Shigin hat gelacht. Was, sage ich, fletscht Ihr die Zähne? Der Polizeiaufseher aber sagt zu mir: „Dem Friedensrichter sind solche Sachen nicht zuständig." Bei diesen Worten wurde es mir ganz heiß. — Polizeiaufseher, Du hast «S doch gesagt?" wendet sich der Unterofficier an den Polizeiaufseher Shigin. .Ja . . „Alle haben es gehört, wie Du das vor dem ganzen ein fachen Volk. . . „Dem Friedensrichter sind solche Sachen wicht zuständig." Alle haben das gehört . . . Mw, Euer Wohl geboren, wurde es ganz heiß, ich verlor die Fassung. Wiederhol', sage ich, wiederhol', daß Dich der . . . was Du gesagt hast! Und er sagt mir wieder dieselben Worte... Da ging ich auf ihn loS. Wie darfst Du so was über den Herrn Friedensrichter äußern? Du, ein Polizeiaufseher, und bist gegen die Obrigkeit? He? Ja, weißt Du denn, sage ich, daß der Herr Friedens richter, wenn er will, Dich für solche Wort« der Gouvernememts- Gendarmerieverwaltung übergeben kann, wegen Deiner unzu verlässigen Aufführung? 'Weißt Du auch, sage ich, wohin Dich der Herr Friedensrichter für solche politischen Äußerungen expediren kann? Da sagt der Gemeindeälteste: „Der Friedens richter", sagt er, „kann über seine Machtbefugnis nicht hinaus. Nur klein« Sachen sind ihm zuständig." So hat er gesagt, Alle haben es gehört . . . Wie, Du wagst, sage ich, die Obrigkeit herwbzusetzen? Na, sage ich, bei mir sind solche Späße nicht angebracht, sonst kann das schlimme Folgen haben. In Warschau zum Beispiel, als ich Portier war im klassischen Progymnasium, wenn ich irgend welche unpassende Worte hört«, so guckte ich gleich auf die Straß« hinaus, ob nicht ein Gendarm vorbeigeht, dann winkte ich ihn herbei, und denuncirtr ihm All«! . . . Hier im Dorfe aber, wem soll man eS da sagen? ... Da Packte mich denn di« Wuth. Es kränkte mich, daß das Volk von heute in Eigenwillen und Ungehorsam verkommt, ich holte aus, und . . . natürlich nicht, daß es zu stark wär«, aber regelrecht, «in wenig, damit er es sich nächstens nicht erlaube, über Euer Wohl geboren in dieser Weis« zu reden . . . Für den Aeltesten trat der Polizriaufseher ein. Ich gab also auch dem Polizeiaufseher eins . . . Und nun ging's lo! . . . Ich hatte mich etwas er regt, Euer Wohlgeboren, aber ohne Prügel kann man auch nicht auskommen. Wenn man einen dummen Menschen nicht prügelt, so nimmt man nur ein« Sünde auf seine eigen« Seel«. Be sonders, wenn er eS verdient hat . . . wenn zum Beispiel Um- 07dNUNg . . ." „Erlauben Si«! ES sind doch Leute g«nug da, um noch der Ordnung zu seben. Da ist der Polizeiaufseher, dir Gemeinde» älteste, der Polizeidientt . 4 »" „Der Polizeiaufseher kann nicht nach Allem sehen, außerdem versteht er auch nicht das, was ich verstehe . . ." „Aber so begreifen Sie doch endlich, daß das nicht Ihre Sach« ist!" „Wie beliebt? Wieso denn nicht meine? Komisch. . . Die Leute scandaliren, und es ist nicht mein« Sache! Soll ich sie denn vielleicht dafür loben? Sie beklagen sich bei Ihnen jetzt zum Beispiel, daß ich ihnen verbiete, Lieder zu singen. Und was ist denn an den Liedern Gutes? Anstatt irgend eine Arbeit vorzunehmen, singen sie ... Da haben sie noch die Mode «ingeführt, des Abends bei Licht zu sitzen. ES ist Zeit, schlafen zu gehen, und anstatt dessen giebt's da Gespräche und Gelächter. Ich habe es mir ausgeschrieben!" „WaS haben Sie sich ausgeschrieben?" „Wer bei Licht sitzt." Prischibejew holt aus der Tasche «inen schmutzigen Zettel hervor, setzt di« Brille auf und Nest: „Bauern, welch« bei Licht sitz«n: Iwan Prochorow, Sawwa Mikiforow, Pjotr Petrow. Die Soldatenwittwe Schustrowa lebt in ungesetzlicher Unsittlichkeit mit Ssemfon Kißlow. Jgnat Swertschkow beschäftigt sich mit der Zauberei, und seine Frau Mawra ist eine Hexe, geht deS Nacht! fremd« Kühe melken." „Genug!" sagt der Friedensrichter und beginnt die Ver nehmung der Zeugen. Der Unterofficier Prischibejew rückt seine Brille *uf die Stirn und blickt den Friedensrichter verwundert an, der offen bar nicht auf seiner Seit« zu sein scheint. Seine hervorstehen den Augen glänzen, und die Nase wird purpurroth. Er blickt den Friedensrichter und di« Zeugen an und kann es durchaus nicht begreifen, warum der Friedensrichter sich so aufregt, und warum au! allen Ecken des Gerichtssaales bald unzufriedenes Gemurmel, bdld unterdrücktes Gelächter ertönt. Auch das Urtheil — drei Monate Arrest — bleibt ihm un verständlich. „Ich? Arrest? Wofür?" fragt er, mit den Händen ein« rathlos« Gest« machend. „Nach welchem Paragraphen d«S Ge- setze»?" ; Und e» wird Ihm klar, daß die Welt sich verändert habe, und daß es jetzt kein Leben mehr sei. Finstere, trübe Gedanken bemächtigen sich seiner. Aber als er auS dem Saale hinausgrht und die Bauern erblickt, die sich drängen und kbhaft sprechen, streckt er, zufolge ein«r Gewohnheit, die er nicht mehr bemeistern kann, die Hände auS und schreit mit heiserer, wüthender Stimm«: »Ihr Leute, auseinander! Macht kein Gedrät«! Marsch, nach Haus«!"
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