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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.06.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010603021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901060302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901060302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-03
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Anzeigen «Preis die 6 gespaltene Petitzeile LS Lj. Reklamen unter dem RedactiouSstrich (4gespallrn) 75 H, vor den Familiennach- richten («gespalten) 50 Lj. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen uud Offertenannahme L5 Lj (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Anuahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz ia Leipziz. 278. Montag den 3. Juni 1901. 93. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Kitchener sagt kein Wort darüber, welchen Zweck der ganze Kampf bei Vlakfontein gehabt hat. Es ist zweifellos, daß Delarey ein ganz bestimmtes Ziel bei feinem Angriff auf die englische Colonne im Auge hatte. Die Boeren kämpfen längst nicht mehr um einzelne Positionen, und gerade Delarey ist der Letzte, der mit seinen verhältnißmäßig schwachen Streitkräften riscante Angriffe auf die Engländer ausführen würde, nur um den zwanzigfach überlegenen Legionen derselben Verluste von ein paar hundert Mann zuzufügen. Ob er 'bezweckte, neue Vorräthe an Lebensmitteln, Kriegsmaterial u. 's. w. zu erobern, oder sich den Weg nach Süden zu erzwingen, bleibt einstweilen dahingestellt, aber zweifellos hat er mit seinem Angriff, der den Boeren ebenfalls verhältnißmäßig schwere Ver luste gekostet hat, das erwünschte Resultat erzielt, da sonst Kitchener oder das Londoner Kriegsamt sicherlich triumphirend festgestellt hätte, daß diese oder jene Absicht des Boerengenerals vereitelt worden sei. Der Haupterfolg der fortgesetzten englischen Schlappen ist in der Wiederaufnahme der Ariedeusverhandlungen durch die Engländer zu erblicken, worüber uns gemeldet wird: r. London, 8. 2«ni. (Privattelcaramm.) Aus Durban wird vom 1. Juni gemeldet: Eine in Staudcrtou zwischen Kitcheuer'S und Botha's Vertreter» stattfindeudc Unterredung betrifft den euglischen Vorschlag eines 14tägi- aen Waffenstillstandes behufs weiterer umfassenderer Fricdcusvcrhandluttgen. (Wie gemeldet, sind die Vertreter Botha s bereits am 1. Lunt tu Staudcrtou etngctroffeu. Die Red.) vr. LehdS über die Sendung Frau Botha». Aus Brüssel, 30. Mai, wird der „Rheinisch-Westf. Ztg." oerichtet: vr. Leyds ist heute Morgen auf zehn Tage nach Holland abgereist, um wichtige Geschäfte, die im Zusammen hang« stehe n mit der Reise von Frau Botha nach Europa, mit dem Staatspräsidenten zu verhandeln. Beim Abschied hatten wir das Vergnügen, uns eine Weil« mit dem Gesandten der südafrikanischen Republik zu unterhalten. Frau Botha wird Sonnabend über acht Tag« in Southampton er wartet, von wo aus sie sich in Begleitung eines Vertrauensmannes an Paul Krüger nach Holland begeben wird. Ob sic längere Zeit in Europa zu bleiben gedenkt, steht noch nicht fest; ebenso unbestimmt ist noch, ob sie dauernd in der Nähe des Präsidenten verweilen oder einige Zeit hier in Brüssel Wohnung nehmen wird, wo viel« ihrer näheren Bekannten sich für die Dauer des Krieges niedergelassen haben. Or. Leyds fand «s geradezu er götzlich, wie die Engländer mit dem Namen der tapferen Frau, die sie offenbar nicht kennen oder in ihrem gewöhnlichen Dünkel verkennen, nun seit vierzehn Tagen Schwindel treiben. Es würde für diese edel« vaterländisch gesinnte Frau wohl das Letzte sein, sich dem festen Willen ihres Mann«s und dem ihm durch sich selbst dorgeschriebenen Plan zu widersetzen; nein, für Die jenigen, die sie besser kennen, steht es viel eher außer Zweifel, daß sie im geheimen Auftrag« ihres Gatten und der trans- vaalischen Regierung nach Europa kommt, um dem Staatspräsi denten wichtige Mittheilungen zu machen, die cs sonst unmöglich wäre zu übermitteln. Sin englischer Lsficier über Sie Lage in Transvaal. Ein seit etwa 15 Monaten in Südafrika weilender englischer Vfficier, der während der letzten 10 Monate im Verwaltungs dienste in Pretoria angestellt ist, schreibt aus letzterer Stadt unterm 9. April 1901 einem Freunde in Montreal: Die Lage in Pretoria ist, seitdem Sie im September vorigen Jahres von hier abzogen, um nichts besser ge worden, ich möchte sie sogar als eine weit ernstere bezeichnen — wir befinden uns allerdings in einer verhältnißmäßig größeren Sicherheit in der Stadt selbst, aber die Umgebung bleibt nach wie vor für uns eine gefährliche; hier wird immer von Neuem versichert, daß das Ende des Krieges sehr nahe bevorstehe, aber diese Geschichte haben wir so oft gehört, niemals ist sie wahr gewesen, daß wir keinen Glauben haben, ebensowenig glauben war, daß De Wet verrückt geworden ist oder daß Botha, Delarey und andere Boerenführer des Kampfes müde geworden sind! Jedenfalls deuten alle Anordnungen im Derwaltungs- und Ver kehrsdienste darauf hin, daß noch mancher ernstliche Kampf zu bestehen sein wird, bevor von einem wirklichen Frieden gesprochen werden kann — wir kennen ja jetzt die Boeren zur Genüge, an ihren Mienen hier kann man es ihnen ansehen, daß sie uns nach wie vor hassen, uns alles Böse von Herzen wünschen, wir sind ihnen noch keinen Schritt näher getreten. Gefangene werden regelmäßig hereingebracht, aber diese Leute in ihrer arm seligen Bekleidung sind wohl kaum Mitglieder jener Corps, die uns unter den genannten Führern das Leben so sauer machen, es sind meist Farmer, die man von ihrem Eigenthum fort geholt hat, um sie an sicherem Orte festzuhalten; und wie sehen unsere eigenen Begleitmannschaften in der Regel aus? Ueber die Maßen traurig, man sollte kaum glauben, daß cs dieselben frischen, strammen Jungens sind, welche vor Jahresfrist und mehr nach hier kamen. In Pretoria selbst geht es uns ja in körperlicher Beziehung ganz gut und wir können für den äußeren Menschen sorgen, aber trotzdem zählt wohl jeder meiner Leute die Minuten, bis seine Zeit um ist und er wieder heimgesandt wird, und ich kann es ihnen nicht einmal verdenken, sind wir doch Alle des Krieges überdrüssig, obgleich unsere Ehre cs natürlich verlangt, ihn nun auch zu Ende zu führen. Pferde, Maulesel und Ochsen fallen noch immer in erschrecklicher Anzahl, und die Nachschübe, die uns auch von Canada zugehen sollen, können gar nicht groß genug sein, wir gebrauchen hier dringend jeden Huf. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. Juni. Während wirDeutschen durch die „Nordd.Allgem.Ztg." nur erfahren haben, daß der Bericht des „Bert. Loc.-Anz." über den Trtukfpruch ScS Kaisers im Officierscasino des zweiten Garderegiments z. F. „im Ganzen richtig" sei und nur „einige Ungenauigkciten" enthalte, versichert der Berliner Berichterstatter des Pariser „Figaro" den französischen Lesern dieses Blattes, daß er ihnen den „amtlichen Text" des TrinksprucheS mittheilen könne. Tiefer angebliche amtliche Text weicbt in der Form durchweg von dem ab, den der „Loc.-Anz." gebracht hat, stimmt aber inhaltlich so ziemlich mit ihm überein. So sollte nach dem „Loc.-Anz." der Kaiser gesagt haben: „Es freut mick, gerade beute mittbeilen zu können, daß eS im fernen Osten zu Friedensabschlüssen gekommen ist." Nach dem „Figaro" da gegen hat der Kaiser gesagt: „Man ist zu einem Einvernehmen gelangt, das den Friedensschluß ermöglicht." Nach dem „Loc.-Anz." sollte die Depesche des Zaren an Kaiser Wilhelm lauten: „Für die Dienste in China sage icb Eurer Majestät meinen herzlichsten Dank. Graf Walderjee hat eine schwere, undankbare Sache mit Würde und Geschick geführt; ich bezeuge meine volle Sympa thie." Nach dem «Figaro" lautet die Kundgebung des Zaren: „Ich danke Ew. Majestät sür die großen Dienste, die Sie in der chinesischen Frage geleistet haben. Graf Waldersee hat seine schwierige und undankbare Aufgabe mit großer Geschicklichkeit und großem Takt gelöst, und ich versichere ihm meine Sympathie". Nach dem „Loc.-Anz." lautete der Hinweis auf General Bonnal und seinen Adjutanten wie folgt: „Mit dem heutigen Tage ist der Brigade eine ganz besondere Ehre schon zu Thril geworden, indem sie zwei Osficiere der franzö sischen Armee in ihrer Mitte willkommen heißt; cs ist dies das erste Mal, ebenso wie deutsche und französische Truppen zum ersten Mal Schulter an Schulter gegen einen gemeinsamen Feind in guter Waffenbrüderschaft und treuer Kameradschaft gekämpft haben. Die beiden Herren Osficiere und ihre gesammte Arme Hurrah! Hurrah! Hurrah!" Nach dem „Figaro" hat der Kaiser dem „amtlichen Texte" zufolge gesagt: „Die Gardebrigade muß noch auf eine andere Ehre stolz sein. Zwei wacker« französische Osficiere befinden sich unter uns, zum ersten Male seit vielen Jahren, wie auch zum ersten Male fran zösische und deutsche Soldaten Schulter an Schulter gekämpft haben sür die Civilisation gegen einen gemeinsamen Feind, im Geiste treuer uud aufrichtiger Waffenbrüderschaft. Ich begrüße dieses Ereigniß mit großer Genugthuung und trinke auf das Wohl der beiden wackeren Osficiere und ihrer ruhmreichen Armee." Die „Boss. Ztg." wirft nun die Frage auf: „Wer hat jenen ersten Text, dem die Regierung „einige Ungenauigkeit" nacksagt, und wer den „amtlichen" Text in die Oeffentlich- leit gebracht?" Statt aber eine Beantwortung dieser Frage zu versuchen, fährt die „Boss. Ztg." fort: „Es ist in jedem Falle deschLmend für die hiesigen Zustände, daß die deutsche Presse den „amtlichen" Wortlaut einer vom deutschen Kaiser in Berlin gehaltenen Rede erst au- dem Pariser „Figaro" kennen lernt." Die „Boss.Ztg." nimmt also an, der Bericht des „Figaro" sei wirklich der „amtliche", denn nur in diesem Falle könnte sein« Veröffentlichung durch ein französisches Blatt für uns beschämend sein. Für diese Annahme fehlt aber jeder An halt. Viel wahrscheinlicher ist es jedenfalls, daß die beiden Berichterstatter sich nur ganz flüchtige Notizen gemacht und diese dann aus dem G-dächtniß ergänzt haben. Gerade weil ein kaiserlicher Befehl vorlag, derartige Ansprachen nicht zu veröffentlichen, ist es nicht denkbar, daß die kaiserlichen Worte stenographisch nachgeschrieben worden seien; denn daS hätte nicht geschehen können, ohne bemerkt zu werden. Und wenn der Berichterstatter deS „Figaro" sür seinen Bericht die Bezeichnung „amtlich" gewählt hat, so ist das schlechterdings kein Beweis für die Richtigkeit seiner Behauptung. Liegt aber auch kein Anlaß für unS vor, uns wegen der Veröffentlichung des „amtlichen Textes" in einem französischen Blatte zu schämen, so beweist diese Veröffent lichung, daß die Anordnung, bei militärischen Anlässen und in kameradschaftlichen Kreisen gehaltene Ansprachen des Kaisers nicht mitzutheilen unvurchsührbar ist. Vielleicht hat der Berichterstatter des „Figaro" von dieser Anordnung gar nichts gewußt. Und vielleicht hat sein „Vertrauens mißbrauch" eine gute Folge. Durch seine Mittheilung werden die vom Kaiser gefeierten französischen Osficiere genöthigt, daheim bei ihren Berichten nicht allzuweit von der Wahrheit abzuweichen, was sonst vielleicht geschehen sein würde. Eben deshalb sollte auch mit der Gepflogenheit, kaiserliche Reden mit dem Schleier des Geheimnisses zu um geben, gebrochen und dafür gesorgt werden, daß alle diese Reden in authentischer Form im „Reichsanzeiger" veröffent licht würden. Wirken sollen sie ja doch, sonst würden sie nicht gehalten, und in der gewollten Weise können sie nur wirken, wenn sie vor den Entstellungen sicher sind, die nie ausbleiben werden, wenn sie nur mündlich von den Hörern überliefert werden. Daß dem GewährSmanne des „Berliner Loc.-Auz." ernstlich uachgeforscht und sein „VertrauenSmiß- brauch" streng bestraft wird, ist nur in der Ordnung, denn e r hat jedenfalls wissentlich gegen einen kaiserlichen Befehl gehandelt; diesen selbst aber noch länger aufrecht zu erhalten, widerräth die Veröffentlichung des „Figaro" und die Er wägung, daß Aeußerungcn des Kaisers, die in internationalen Kreisen fallen, vor Entstellungen im Auslande nur dann sicher sind, wenn ihr Wortlaut festgestellt ist. Die Meldung, daß (Kencral Roberts als Gast des Kaisers an den großen Herbstmanövern theilnehmen wird, giebt einigen Blättern Anlaß zu dem Hinweise, daß der General schon einmal diesen Manöver» deigewohnt hat und zwar in^ Sep tember 188 l, als er nach seinen Erfolgen in Asien in den Jahren 1879 und 1880 nach England zurückkehrte. Der „Hann. Cour." gräbt sogar eine Tischrede wieder aus, die der damalige Oberst Roberts am 9. September jenes Jahres in Hannover in Rudolph'S Hotel bei einem für die dem Manöver beiwohnenden fremdherrlichen Osficiere veranstalteten großen Mahle gehalten hat. In dieser Tischrede gab der englische Gast daS nachstehende Urtheil über die deutsche Armee ab: „Es ist daS erste Mal, daß ich Gelegenheit hatte, preußische Truppen im Manöver zu sehen, uud in der That, ihr Anblick hat mich überrascht. Schon die Kaiserparade dcS X. Armeecorps war ein Meisterstück und für ein britisches militärische- Ange etwa- ganz ungewohntes. Diese Haltung, diese Gleichmäßigkeit und Sauberkeit im Ajustement, daS ganze brillante Aussehen der einzelnen Individuen spottet jeder Beschreibung. Zwar sehen unsere Soldaten martialischer ouS, al- die preußischen es thun, weil erstere Männer im reiferen Alter sind; daß aber^äoch diese jungen Soldaten im Ernstfälle etwas Tüchtige» leisten können, haben sie in den drei Feldzügen der beiden Decennien gezeigt. Der Vorbei marsch war großartig und bewunderungswürdig; «inen solchen Parademarsch kann die englische Armee nicht ausweisen. Selbst redend war ich nach der Parade auf das Höchste gespannt, zu sehen, wie diese in schnurgeraden Linien und im eisernen Gleich schritt marschirenden Truppen im Feldmanöver sich bewegen würden und, wie ich von vornherein bestätigen will, ist meine hochgehende Erwartung noch durch die Wirklichkeit übertroffen worden. Die Infanterie bewegt sich mit einer Leichtigkeit im Terrain, die ihres Gleichen sucht; jede Terrainfalte, jede noch so kleine Deckung wird benutzt, um ihre Bewegungen zu cachiren und sich selbst zu decken. Die Führer der Truppenabtheilungen vom Höchstcommandirenden an bis aus den Unterosficier herab, zeigen ein Berstäudniß sür das ganze Manöver, sowie eine Selbstständigkeit in der Leitung ihrer A'otheilungen, die in unserer Armee unbekannt sind. Jeder Führer ist ein kleiner Stratege. Dabei greifen sie Alle in einander, wie ein gut construirteS Räderwerk, nirgends eine Stockung oder ein Stillstand. Wenn mir nicht die über jeden Zweifel erhabene Tapferkeit der englischen Soldaten bekannt wäre, jo würde ich, offen gestanden, bei einem Kriege Feuilleton. 2ij Ein Engel -er ^insterniß. Roman von Gertrude Warden. Autoristrte deutsche Uebersetzung von A. Brauns. Nachdruck verboten. „Dann gieb alle Hoffnung auf, mich je zu besitzen", sagte sic eifrig; „denn ich werde Dich nur nehmen, wenn Du jenen Be dingungen nachkommst." „Wenigstens erlaube mir", bat er, „meinem Bruder sagen zu dürfen, daß Du mir Dein Wort gegeben, die Meine zu werden." „Wenn Du nur eine Silbe zu Deinem Bruder laut werden läfsest", rief sie, mit zornsprühenden Augen sich jäh nach ihm umdrehend, „dann ist es zwischen unS auS für alle Zeiten! Nie wieder würde ich ein freundliches Wort zu Dir sprechen, schwöre ich Dir zu!" „Darf ich e» in meinen Briefen meiner Mutter unter dem Tiegel der Verschwiegenheit anvertrauen?" „Wenn Du das thust, dann betrachte ich mein Dir gegebenes Versprechen als gelöst. Um meiner Mutter willen muß unsere Verlobung ein Geheimniß bleiben, bis sie wenigstens für ihr LebenSdasein versorgt ist. Ich mag nie wieder in die Lage kommen, sie langsam Hungers sterben zu sehen, wie eS vor noch nicht sechs Monaten der Fall war." Ihre Stimme bebte, und Thränen verschleierten ihre herr lichen Augen. Bei deren Anblick gab Viktor nach. „Ich verspreche eS Dir, mein Liebling", flüsterte er, — „ich verspreche Alles! Nicht eine Silbe von alledem will ich zu meinem Bruder sagen —" „Mehr noch als das! Du mußt ihm sagen, ich habe Dir einen Korb gegeben." „DaS wäre ja aber eine Lüge!" „Keineswegs. Ich hab« Dir einen Korb gegeben, und will eS nochmals thun, wenn Du es wünschest. Du mußt ihm mit- theilen, ich habe „nein" gesagt, daß er eS seinerseits unserer Tante, die ihn liebt, und ihm vertraut, hinterbringen kann." „Aber wenn er nicht weiß, daß Du meine verlobte Braut bist, dann wird er Dir selbst den Hof machen!" Francesca zuckte mit den Achseln. „Was thut's denn?", meinte sie. „Ich verstehe schon, ihn fern zu halten." „Schwöre mir, daß Du ihn nicht ermuthigen willst!" „Ich werde noch mehr thun", erklärte sie ruhig, „ich werde Dir bei meiner Ehre schwören, nie, unter keinen Umständen Dudley's Gattin zu werden, es sei denn, ich brächte in Er fahrung, Du habest Dein Wort gebrochen und ihm Dein Ver trauen geschenkt — das würde ich, auS Rücksicht auf meine Mutter, niemals vergeben!" Mit dieser Abmachung mußte Viktor sich Wohl oder übel be friedigen. Nun geruhte Francesca auch, ihm noch zu erlauben, fünfundzwanzig Guineen für einen Diamantring zu veraus gaben, den sie als ein nur ihnen bekanntes Zeichen ihrer heim lichen Verlobung zu tragen, huldvoll einwilligte. Nachdem er ihn ihr an den Finger geschoben und hernach noch einen großen Strauß dunkclrother Rosen gekauft, die in der Farbe mit dem Kranze auf ihrer Toque harmonirten, da fühlte sich Viktor glücklicher und zufriedener, wie seit lange, war er selbst mit einigem Gleichmuth die langen Blicke der Bewunderung zu er tragen fähig, die Francesca's Schönheit, wie sic langsam auf dem Fahrwege durch den Park führen, von den männlichen Spaziergängern zugeworfen wurden. Als sich die Bänke zu füllen begannen, da fuhr eS FranceSca in den Sinn, daß sie in noch größerem Vortheil gesehen werden würde, wenn sie die Row entlang promenirte. Es schien ihr so lange her zu sein, seit sie nicht mehr Gelegenheit gehabt, ihre Schönheit und wundervolle Anmuth der Bewegungen an einem öffentlichen Orte zur Schau zu tragen, daß sie jetzt von dem nicht unnatürlichen Wunsche durchdrungen ward, die gegen wärtige Gelegenheit bestens auszunutzen. Sie gab daher Viktor ihren Wunsch zu erkennen; dieser ließ den Wagen sofort halten und begleitete sie auf ihrem Triumphzuge den Promenadenweg entlang. Mittlerweile war eS einhalb fünf Uhr, und der Park füllte sich mit Equipagen und mit mehr oder weniger gut gekleideten Fuß gängern. Unter der geringen Anzahl wirklich elegant und kost bar costümtrter Damen, die eben erst auf der Bildfläche er schienen, behauptete FranceSca mit Leichtigkeit den ersten Platz, jede Andere ihres Geschlechts durch ihre superbe Figur, ihren elastisch-graziösen Gang, ihre feingeschnittenen, regelmäßigen Züge und herrlichen Farben ausstechend. „Wer ist sie?" fragten die Herren unter einander, und mehr als eine für ihren Ruf nicht eben günstig lautende Antwort folgte den Erkundigungen. „Wenn sie von gutem Herkommen wäre, dann kennten wir sie auch! Und wer ist der kleine, fremdländisch auSsehende Bursch«, der sie die ganze Zeit über bewacht, wie die Katze die Maul?" „Sie ist zu hübsch, um ehrbar zu sein." „In dem Falle wird Devereux sie wahrscheinlich kennen. Hierher, Bertie, wir wollen Nutzen schlagen aus Ihren Kennt nissen! Sehen Sie da das auffallend schöne Weib in der mehr als chicen Toilette, das mit dem Ausländer in der Row herum- stolzirt? Keiner weiß, wer sie ist, aber sie sticht alle Anderen aus. Sie sprechen zusammen französisch und scheinen keine Menschenseele zu kennen. Aber, beim Jupiter, alle ihre Reize sind echt, nichts von Kunst an ihr! Ganz unstreitig, sie ist das schönste Weib in London!" Der junge Mann, den seine Freunde „Bertie" anriefcn, war hoch und schlank gewachsen, mit ausgesuchter Sorgfalt gekleidet, Alles nach dem neuesten Schnitt und der neuesten Mode und persönlich außerordentlich sckwn; doch schon zeigte sein feines, glattrasirtes Gesicht leise Spuren von durchschwärmten Tagen und Nächten an Spieltischen und in wüsten Gelagen. Er war eben erst in den Park einqetreten und hatte die Dame, deren Schönheit der Gegenstand so vieler Bemerkungen war, noch nicht gesehen. „Sie muß höllisch hübsch sein, wenn sie die kleine Nichals in den Schatten stellt", näselte er. „Ihr Burschen seid aber gleich so überschwänglich mit Euren Lobeserhebungen, wenn etwas Neues in Weiberröcken erscheint. Nun, ich darf mir wohl schmei cheln, ein Kenner der Frauenschönheit zu sein, und eS auch bcur- theilen zu können, wenn ich was Gutes sehe —" Die weiteren Worte erstorben ihm auf den Lippen. Auf ihn zuscgrlnd, ihren rosa Sonnenschirm in den Nacken haltend, kam Francesca daher, die holden Lippen beim Anhören einer be lustigenden Bemerkung Diktor'S zu einem Lächeln gewölbt, und mitten in seiner Rede begegnete Devereux' Auge dem ihrigen. Im vollen, warmen Sonnenschein überrieselte eS den jungen Mann eiskalt vom Scheitel bis zur Sohle, und aschfarbene Blässe überzog sein Antlitz. Die heutige Begegnung war so völlig ver schieden von jener letzten in der Musikhalle vor kaum drei Mo naten. Damals war FranceSca in dürftigen Verhältnissen und schüchtern gewesen — eine schlecht gekleidete, unbeschützte Bittende! Jetzt bewegte sie sich unter dem spielenden Blätterschatten auf ihn zu, strahlend in Jugend, Gesundheit und triumphirendem Liebreiz, in prachtvoller Toilette, die Zielscheibe aller Augen, ihre Equipage außerhalb der Parkthore wartend und ein sie an betender Mann an ihrer Seite schreitend. FranceSca kam die Verschiedenheit der Verhältnisse ebenfalls zum Bewußtsein. Es würde vielleicht weiser gewesen sein, an Devereux vorüber zu gehen und ihn nicht zu beachten, aber die Menschennatur kann eben nicht zu jeder Stund« weise sein, und Francesca hatte in der Vergangenheit zu viele De- müthigungen unter den Händen des jungen Mannes erfahren. Die Versuchung, ihm zu zeigen, daß sie unabhängig von seiner Unterstützung, die er ihr jüngst in solch' höhnischer Weise ver sagte, war zu verlockend! Durch Neigen ihres Kopfes gab sie ihm kund und zu wissen, daß sie ihn erkenne. „Wie geht's Ihnen, Herr Devereux?" fragte sie und blieb einen Moment dicht vor ihm stehen, während alle Umstehenden das Paar mit Interesse musterten. Und jetzt machte der junZe Mann sich einer groben Ungeschliffcnheit schuldig. Ohne nur den Hut zu lüften, stieß er eine vernehmbare Verwünschung aus, drehte ihr den Rücken zu und raste in der entgegengesetzten Richtung davon. Unter den Zuschauern erhob sich ein Murmeln der Miß billigung, ein Wirrwarr von erstaunten und empörten Bemer kungen. Francesca wurde ein wenig, ein ganz klein wenig bleicher, und Thränen traten ihr in die Augen. Aber Viktor war, empört über die dem geliebten Mädchen angethane Kränkung, ehe seine Cousine ihn hindern konnte, wie ein Pfeil hinter Devereux her geschossen, hatte ihn bald erreicht und klopfte ihm derb auf die Schultern. „Mein Herr", rief er, ganz blaß vor Zorn, „jene Dame, die ich begleitete, redete sie an. Wenn Sie nicht zurückkommen und sie um Verzeihung bitten, daß Sie d«n Hut nicht abgenommen haben, dann werde ich ihn Ihnen vor Jedermann mit meinem Rohrstocke vom Kopfe schlagen! Ich bin Franzose und werde Ihre englische Unverschämtheit nicht dulden!" „Wissen Sie denn, wer die Person ist?" fragte der Andere mit kurzem Lachen. „Gewiß!" erwiderte Viktor, „sie ist meine Cousine und wird bald meine Gattin sein!" „Ihre Cousine — Ihre Gattin! Sind Sie verrückt oder be trunken? Sie besitzt ja auf der ganzen Welt keine Verwandte — sie ist kein Weib, gehört nicht dem Menschengeschlechte an, ist eine der Hölle entstammte Teufelin! Und Sie sagen, Sie wollen sie heirathen! Großer Gott! Mensch, wenn Sie des Lebens über drüssig sind, giebt es denn keinen Fluß, oder haben Sie keinen Strick zur Hand? Können Sie sich auf keine andere Weise um» Leben bringen? Wenn Sie die Person kennten, wie ich sie kenne, dann würden Sie sie fliehen wie die Pest — würden nicht dieselbe Luft mit ihr athmen! Wenn Sie nur noch mit einer Faser am Leben hängen, dann schenken Sie meiner Warnung Gebär — fliehen Sie sie, so lange Sie es noch vermögen, und lassen Sie sie nie wissen, wo Sie sind!"
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