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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.06.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010605024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901060502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901060502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-05
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzelle 25 H. Reklamen unter dem Redaction-strich (-gespalten) 75 H, vor den Jamilirnnach- richten (t> gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme 35 H (excl. Porto). Extra - Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr- Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig .1° 282.' Mittwoch den 5. Juni 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Wieder ein Erfolg der Boercn. —L> Es bat allen Anschein, daß der Krieg abermals in ein neues, vielleicht vaS Endstadium, getreten ist. Dies charakterisirt sich auf der einen Seite durch eine unerwartet energische und erfolgreiche Aktivität der zerstreuten „Boereu- banden", wie sie selbst die Freunde dieser nicht todt zu kriegenden Freiheitshelden kaum für möglich gebalten, auf der anderen Seite durch ein die großsprecherischen Reden englischer Minister direkt widerlegendes Nachlassen der Spannkraft in der englischen Kriegführung, ein allmähliches Erlahmen der Initiative und eine ausgesprochene KriezSmüdigkeit bei Osfi- cieren und Mannschaften. So kommt eS, Laß jetzt wieder, ganz wie zu Beginn des blutigen Krieges, Hiobspost auf Hiobspost nach London gekabelt werden muß, mag man der einen oder der anderen Meldung auch die Lesart Sieg statt Niederlage geben. Heute wird uns wieder berichtet: r. London, 5. Juni. (Privattelegramm.) Ans Kapstadt wird vom 4. Juni gemeldet: Jamestown (im Norden der kapeolonic, Bezirk Aliwal North) wurde durch Kruitzingcr erobert. Tie britische klar- nisou, 300 Mann mit 4 «»cschützcn, capitnlirte. Kitchener übergab General Kreuch den Oberbefehl über die Eapcolouie. * London, 5. Jnui. (Telegramm.) Lord Kitchener meldet unter dem 4. Juni ans Pretoria: Jamestown bat sich am 2. Junt BormittagS an Krnitzingrr's Kommando ergebe«. Nach einem vierstündigen Kampfe wurden die Ltadtwache nnd die städtischen Frei willigen überwältigt, bevor Sie HilfStriippcu cintrcsfcn konnte». Die Berlustc der Briten betragen drei Todte nnd zwei Verwundete (?); die Verluste der Boercn sollen (?) gröher gewesen sei». Tie Vorräthc wurde» von den Boercn erbeutet; die Garnison wurde freigelafle». Ich habe Frcnch mit den Operationen in der kapcolonie betraut. Nun, der schneidige Neitergeneral French bat im Osten Transvaals, wo er die Rebellen zu Paaren treiben sollte, nichts, rein gar nichts ausgerichtet, in der Capcolonie, wo das Terrain für die Boeren. kämpft, diese wieder Gelegenheit haben, sich nach Wunsch zu verpflegen und die Engländer nicht daran denken können, so vandalisch zu Hausen, wie in den Republiken, wird er schwerlich mehr Glück haben. Den obigen Meldungen unmittelbar voraus ging die folgende: * Kapstadt, 4. Juni. Nach der amtlichen Bekanntgabe über die Lage in der Capcolonie hat Kruitzinger's Commando, durch einige andere Boerencommandos verstärkt, mit im Ganzen etwa 700 Mann, die Bahnlinie nördlich von Stormberg überschritten. Die Boercn wurden bei Molteno zurückgeschlagen (?) und greifen jetzt Jamestown an. Ein andere- Commando steht nördlich von Venterstad (das südlich von Bethulie und östlich von Colcsberg liegt); zu demselben stießen neuerdings 100 vermuthlich von Snyman befehligte Boeren, die den Oranjefluß bei der Bredel- Drift und die Bahnlinie bei Aelstertang überschritten. Außerdem befinden sich kleine Commandos in den Bezirken Fiseurivrr und Muraisburg. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. Juni. Zu den mannigfachen Schwierigkeiten der innerpolitischrn Lage gesellt sich in unerfreulichster Weise «in über weite Kreise unserer LanSwirthschaft hereingebrochener Nothstanv, der in einem an den Reichskanzler und an die preußischen Minister der Finanzen, der Landwirthschaft und des Innern gerichteten um fangreichen Schreiben des Vorsitzeüven der ständigen Commission des königlich preußischen Landes-Oekonomie-Collegiums, Grafen von Schwerin-Löwitz, eine geradezu erschreckende Dar stellung erfährt. Was hier für den Umfang des Königreichs Preußen festgestellt wird, dürfte auch in mehr oder weniger modi- ficirter Weise auf ander« Theile des Reiches zutreffen, worüber die betreffenden Organe der Bundesstaaten sich jedenfalls bald äußern dürften. Nach den Darlegungen des Grafen v. Schwerin- Löwitz ist an der Hand 'der Saatenstands-Schätzungen des königl. preußischen Statistischen Bureaus nahezu die Hälfte der mit Winterweizen bebauten Fläche in Preußen als ver loren anzusehen, was, unter Zugrundelegung eines Preises von 175 c/( pro Tonne, einen Mrlust von 188 750000 e/( für Weizen ergicbt. Der Ernte ausfall an Roggen durch Auswinterung ist auf 713 000 Tomren zu schätzen, so daß sich auch hier, bci 145 Pro Tonne, ein Verlust von 103 000 000 ergiebt; das sind zusammen 286 750 000 -/(. An diesen Verlusten ist an erster Stelle West preußen mit 54 846 000 betheiligt, Posen mit 45 888 000 c)(, Sachsen mit 40 733 000 <-((, Schlesien mit 26 485 000 Pommern mit 23 531000 c/( u. s. w. Entgegen diesen amtlichen Schätzungen berechnet die Landwirthschaftskammer den Verlust an Roggen und Weizen für die Provinz Aestpreußen auf circa 69 Millionen Mark. Am schwersten werden die Landwirthe im Augenblick durch den Verlust des Klees infolge notwendiger Umackerung betroffen; hier sind 153 000 Hectar oder 13,2 Proc. der gesammten mit Klee bebauten Fläche als verloren anzusehen. Es kommt erschwerend hinzu, daß auch die wetterfeste Luzerne und andere Futterkräuter, sowie die Wiesen autßer- ordentlich durch die Ungunst der Witterung gelitten bckben. Der Verlust on Futte.werthen ist auf 42 37^,815 (u sch/tze". Zu diesen directen Verlusten treten indirekte Schädigungen durch die notwendig werdende Einschränkung der Futter- und Stroh rationen, den dadurch bedingten Minderertrag aus der Vieh haltung und durch verminderte Düngerproduction. Trotzdem haben die Preise für landwirtschaftliche Produkte nicht an gezogen, da Amerika eine glänzende Ernte erwartet und den Ausfall in Deutschland leicht decken wird. Das bedeutet aber für die deutsche Landwirtschaft trotz niedrigen Ernteertrags niedrig« Preise für ihre Product-. Ihre Lage wird sich dadurch naturgemäß verschärfen. Zur augenblick ¬ lichen Milderung des Notstandes werden vorgeschlagen: 1) Be willigung wesentlicher Baarmittel zur Beschaffung von Saat getreide, Futtermitteln, Streumaterial u. s. w. an die Land wirtschaftskammern zur Vertheilung an kleine, in ihrer Existenz gefährdete Landwirthe; 2) Gewährung von Nothstandsdarlehen zu billigem Zinsfüße mit längerer Rückzahlungsfrist; 3) wesent liche Herabsetzung der Eisenbahntarife für den Bezug land wirtschaftlicher Bedarfsartikel, wie Futtermittel, Düngemittel, Saatgetreide, Streumaterial und Brennmaterial; 4) Herab setzung der Eisenbahntarife für Vieh; 5) Abgabe von Waldstreu und Waldweide gegen geringes Entgelt; 6) Stundung der Rentenzahlungen für das Jahr 1901, Stundung der Deichlasten u. s. w.; 7) Anweisung an sämmtliche Proviantämter zum An kauf größerer Hafermengen in diesem Jähre und 8) freihändige Hergäbe von Roggen und Kleie seitens der Proviantämter zu Marktpreisen an bedürftige Landwirthe. — Preußen wird zweifellos sofort eine umfassende Hilfsaction einleiten; es ist ja auch in der glücklichen Lage, über reiche finanzielle Mittel zu verfügen. Dem Grafen Schwerin - Löwitz genügt freilich eine solche Hilfsaction nicht; er sagt in seiner Eingabe: ,.Die ganze Lage des GetreiLemarktes und der Umstand, daß ein so ungeheuerer Ernteausfall, wie er gegenwärtig in Deutsch, land bevorsteht, wegen der immer drohender werdenden aus ländischen Concurrenz fast ohne Einfluß auf die Getreide- bewerthung in Deutschland geblieben ist, sprechen sür die Noth- Wendigkeit einer wesentlichen Erhöhung der Getreidezölle so deutlich, daß, wie ich meine, die Kenntniß dieser Verhältnisse für die königliche Staatsregierung und deren Stellungnahme zu dem Entwurf eines neuen Zolltarife- und die in denselben ein zustellenden Getreidezollsätze nicht ohne Einfluß bleiben kann." Nun ist zwar kaum anzunehmen, daß Vie preußische Staats regierung, um einem vielleicht und hoffentlich schon im nächsten Jahre völlig veränderten Zustande abzuhelfen, für die An wendung eines Mittels sich erwärmen sollte, das seine Wirkung auf eine ganze Reihe von Jahren erstrecken und vielleicht sogar dem Abschlüsse langjähriger Handelsverträge tm Wege stehen würde. Immerhin wird man sich auf das Einsetzen einer neuen heftigen Agitation für eine sehr bedeutende Erhöhung der Gc- treivezölle und damit auf eine abermalige Verschärfung der wirthschaftlichen Gegensätze gefaßt machen müssen. Der Berliner Korrespondent des „Figaro" telegraphirt seinem Blatte, Kiener al Bonnal und Oberstleutnant Galtet hätten Berlin, von dem ihnen hier zu Theil gewordenen Empfang entzückt, verlassen, ohne jedoch dessen Tragweite zu überschätzen. Nach Erwähnung einer Preßstimmt, die dem Be suche des französischen Generals große politische Bedeutung bei maß, schreibt der Correspondenr, er würde der gleichen Meinung sein, wenn den Worten entsprechende Thaten folgen sollten. „Wenn nicht", so schließt das Telegramm, „so würden sie (die geschehenen Kundgebungen) nach einer Aeußerung des Generals selbst nur alte Redensarten („viorrx elietrvs") ohne fruchtbringende Kraft bleiben." Welche Thaten von Deutschland erwartet werden, wiüd nicht verrathen. Es läßt sich je-ock o>:muthen, daß zur Befriedigung vcs französischen Be dürfnisses nach Handlungen, die die freundlichen Worte be kräftigen sollen, Vie Preisgebung wichtigster Lebensinteressen des deutschen Volkes erforderlich wäre. Sollte dies der Fall sein, so wären die jüngsten Kundgebungen allerdings oerurtheilt, „alte Redensarten" zu bleiben, wie General Bonnal weniger höflich als für den französischen Standpunck bezeichnend sich ausgedrückt haben soll. Der Umstand, daß Graf Waldersee sich nach Japan begeben hat, rechtfertigt es, kurz auf die Bedeutung dieser intel ligenten und zukunftreichen Nation hinzuweisen. Japan wurde endgiltig erst 1864 dem Verkehr eröffnet. Am 5. September desselben Jahres wurden die Befestigungen an der Straße von Simonoseki durch die verbündeten englischen, französischen, niederländischen und amerikanischen Schiffe beschossen und am nächsten Tage erobert. Der Erfolg dieses Sieges war der Vertrag von Ueddo, welcher Japan für immer den seefahrenden Nationen öffnete. Diese Beschießung gab aber gleichzeitig den Japanern den Anlaß, energisch an die Schaffung einer Kriegs marine zu gehen. Durch Ankauf im Auslande, aber auch durch Bauen auf eigenen, schnell und mit Geschick eingerichteten Werften brachte Japan seine Flotte bis zum Ausbruch des chinesisch japanischen Krieges (1894) auf im Ganzen 35 Schiffe und 41 Torpedoboote. Im Kriege gegen China erhielt die junge japanische Marine dann ihre Feuertaufe. Sie bewies ins besondere, daß sie über ein energisches und tüchtiges Officier- corps und gut ausgebildet tapfere Mannschaften verfügte. Der siegreiche Ausgang des Krieges brachte der japanischen Flotte als Kriegsbeute einen Zuwachs von 1 Linienschiff, 1 KUstenpanzer- schiff, 1 geschützten Kreuzer und mehreren ungepanzerten Fahr zeugen. Außerdem aber wurde unmittelbar nach Beendigung des Krieges eine Vergrößerung der Marine ins Werk gesetzt, es wurden in England zwei große Linienschiffe bestellt und im Lande selbst der Bau von drei geschützten Kreuzern begonnen. Ein weiterer für die Vermehrung der Flotte vorgesehener Bau plan, der sich ursprünglich bis 1906 ausdehnen sollte, nach neueren Entschließungen aber schon 1903 zur vollständigen Aus führung gelangen soll, sah folgende neuen Schiffe vor: 4 große Linienschiffe zu 15 000 Tonnen, 6 große Kreuzer, 5 kleine Kreuzer, 3 Kanonenboote, 11 Torpedobootzerstörer und 89 Tor pedoboote. — Wenn diese Schiffe in die japanische Flotte ein gereiht sein werden, wird diese im Ganzen über folgende Streit kräfte zur See verfügen: 7 Linienschiffe und 6 große Kreuzer zu je über 5000 Tonnen, 33 kleine Kreuzer über 800 Tonnen, 11 Torpedobootzerstörer, 115 Torpedoboote und außerdem 20 Kanonenboote. Die Jnsellage des Landes bürgt für gute seemännische Eigenschaften. Im Jahre 1898 dienten 13124 Mann, von denen 2532 Deckofficiere und Unterofficiere waren. Japan wird in kürzester Frist eine Seemacht besitzen, die den in Ostasien vorhandenen Seestreitkräften aller anderen Nationen zusammengenommen überlegen ist. Die Handelsbezie hungen Japans mit Deutschland im Werthe von etwa 53 Millionen Mark erhalten dadurch Bedeutung, daß vorläufig noch vier Fünftel dieser Summe auf die Einfuhr aus Deutsch land kommen. Man zählt 65 deutsche Handelshäuser mit 24 Millionen Mark Capital und mit 16 Millionen Mark deutschen Crediten, welch' letztere aber nur auf das Importgeschäft kommen, während die Exportgeschäfte von japanischen Banken finanzirt werden. 42 Proc. des von den deutschen Häusern be triebenen Handels kommen aus Deutschland mit einem Umsätze von 100 Millionen Mark, während im Verkehre mit anderen Ländern 140 Millionen Mark umgesetzt werden. Kapital anlagen industrieller Unternehmungen sind sehr unbedeutend und nur der Grundbesitz der Deutschen in der Fremdennieder lassung ist von einiger Wichtigkeit; er hatte 1898 einen Werth von 10 400 000 ckk. Dazu kommt noch das seinem Umfange nach nicht controlirbare, auf japanischem Namen stehende Grundeigenthum deutscher Rcichsangehöriger außerhalb der Fremdenniederlassung, daß auf 6 Millionen Mark anähernd ge schätzt wird. Die Berichte über den festlichen Empfang, der in Spanien dem mit keinerlei amtlicher Mission betrauten, zur Zeit in Europa reisenden Bürgermeister der Hauptstadt Argentiniens Buenos Aires, Herrn Adolfo Bullerich, zu Theil wird, nicht nur in Madrid bei Hof und Regierung, sondern in allen von dem Reisenden besuchten Städten des Mutterlandes, haben hier recht angenehm berührt, obgleich man es nicht billig:, daß der Bürgermeister, der zur Zeit nichts als ein gewöhnlicher Vergnügunasreisender ist, sich als öffentlicher Charakter gerirt. Die auf solche Weise kundgegebenen freundschaftlichen Ge sinnungen Spaniens weiß man hier zu schätzen und stimmt rückhaltlos dem vom Mutterlandc geäußerten Wunsch nach engeren wirthschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Völkern bei. Aber mit Wünschen ist es leider nicht immer gethan, was auch hierbei der Fall ist, und es dürfte sich ereignen, daß die beiderseitig mit dem besten Willen vorgenommenen Vorarbeiten behufs Abschlusses eines neuen Handelsver trags zwischen Argentinien und Spanien fürs Erste nicht zu einem outen Resultate führen. Spanien wünscht lebhaft die Einfuhr seiner schweren Weine erleichtert zu sehen, und wenn auch Argentinien trotz der Meistbegiinftigungsclausel den Normalsatz des Alkoholgehalts der Weine herabsetzen könnte, Feuilleton. Ni Ein Engel der Finsterniß. Roman von Gertrude Warden. Autorisirte deutsche Uebersetzung von A. Brauns. Nachdruck vcrbotcn. „Es klingt das Alles sehr schön und prächtig und fremd ländisch", bemerkte sie sarkastisch; „aber, bitte, Dich zu erinnern, daß Du keine italienische Schauspielerin bist, sondern eine eng lische Adelige, und daß keine Herren zugegen sind, Deine schönen Worte und Attitüden zu bewundern. Du hast mich gröblich betrogen, indem Du mir eine dienende Person als die Wittwe meines Schwagers und als Deines Vaters Frau angegeben hast. Ich werde Dir daS nie vergeben!" „Ich bitte ja nicht um Deine Verzeihung", gab Francesca in voller Ruhe zurück; glaube aber, im Rechte zu sein und mich für gerechtfertigt halten zu dürfen." „Warst Du auch im Rechte", fragte Frau Revelsworth jetzt mit noch mehr hervortretender Rauhheit, als Du im Alter von 16 Jahren den Namen Deines verstorbenen Vaters beschimpftest, indem Du sein Heim verließest und mit einem schlecht beleumundeten italienischen Sänger bei einer herumziehenden Operngesellschaft durchbranntest? Die Schauspielerkniffe, die Du damals als mitwirkendes Mitglied beim Durchstreifen des Landes lerntest, sind Dir gewiß, seit Du in respektable Gesellschaft zurückgekehrt, sehr zu Statten gekommen." „Ich habe nie mitgewirkt", murmelte Francesca leise, „und ich war seine angetraute Frau!" „Seine Frau; und doch hörte ich, daß Du ein paar Jahre später als die Maitresse eines nichtswürdigen Engländers — eines Spielers und Wüstlings — ganz offen in Rom herum- kutschirtest." „Das ist falsch!" rief Francesca unter dunklem Erröthen. „Mein erster Mann war gestorben und ich hatte mich wieder ver- heirathet. Welches Recht steht Dir denn zu, mich vor Dich zu berufen und die todte Vergangenheit mit all' ihrem grausamen Weh und den Demütigungen, die ich erduldet, wstder aufzu- rühren? Wessen Schuld war es, als die Deinige, daß ich beim Tode meine» Vaters kein Heim hatte, in daS ich mich flüchten konnte, und gerade nur so viel Geld besaß, Leib und Seele zu sammenzuhalten? Wessen Schuld war es, als die Deine, daß meine einzige Freundin, meine einzige Ratgeberin in der Welt, jene arme, selbst völlig mittellose, unwissende alt« Amme war, die gestorben wäre, hätte sie mir damit einen Dienst erweisen können? Ich hatte kein Heim, keine Verwandten, kein Geld; ich war schön und verliebte und verheirathete mich, erst an den einen und her nach an den zweiten herzlosen Schurken. Du in Deinem ge schützten Dasein, mit Deinem Gelde und Deiner Stellung, Du solltest ein armes Wesen in meiner Lage, wenn Du es auch nicht zu verstehen und mit ihm zu sympathisiren vermagst, so doch be mitleiden! Aber ich werde mich einem weiteren Kreuzverhör nicht unterwerfen. Du hast nie etwas für mich gethan, nicht einmal Deine bloße Pflicht und Schuldigkeit gegen das verwaiste Kind Deines Schwagers; Du hast im Wohlstände und vollem Behagen dahingelebt, während ich die herbsten Entbehrungen litt. Nach welchem Rechte sitzest Du denn über mich zu Gericht? Du hast mir nie Liebe erzeigt, Du hast mich nie leiden mögen und mich ge kränkt, seit ich nur den Fuß in Dein Haus gesetzt, hast auch ver sucht, Andere gegen mich aufzuhetzen. Du kannst mich und meine Mutter wieder hinaustreiben in die Wogen der Welt, darin zu schwimmen oder unterzusinken! Du kannst den Vcr- mögensantheil, der von Rechts wegen mir zukommen würde, anderweitig vergeben, aber ich streite Dir vollständig alles Recht ab, mich mit Kreuz- und Querfragen zu behelligen, und weigere mich, noch ein Wort über dieses Thema zu äußern!" Frau Revelsworth hatte ihren Sitz wieder eingenommen. Sie beugte sich nach vorn und umspannte mit ihren langen, mageren Fingern die Armlehnen. Die Augen hielt sie fest auf Francrsca's Antlitz geheftet und schien bestrebt, daraus lesen zu wollen, ob Wahrheit oder Lüge darauf geschrieben. Nachdem ihre Nichte ihre Rede geschlossen, verharrt« sie, jene beobachtend, noch eine Weile in Schweigen. „Möglich, daß ich ungerecht gegen Dich bin", sagte si« schließlich nachdenklich, „glaube es aber nicht. Du bist ein« schlaue, verschlagene Person, und, will ich zugeben, schlecht be handelt worden, aber, so Dein Gesicht Dich nicht Lügen straft oder mein Instinkt mich täuscht, was noch niemals der Fall ge wesen ist, so bist Du durch und durch gottlos. Jedenfalls ist dieses Hau» nicht groß genug für uns Beide. Nein — eS ist nicht meine Absicht, Dich und di« alte Frau oben nach nur momentaner Kündigung auf dir Straße zu werfen. Du sollst nie im Stande sein, dies sagen zu dürfen. Heute Abend noch werde ich an meinen Sachwalter schreiben, damit er morgen zu mir kommt und für mich eine Urkunde aufsetzt, kraft deren Du hinreichend« Mittel erhalten sollst, anständig und comfor- tabel, jedoch nicht in Luxus, leben zu können. Dein erstes Johrgehalt wird Dir sofort, sowie Du nur dieses Haus ver läßt, ausgezahlt werden, unter der Bedingung, daß Du ohne auffälligen Lärm gehst, wie auch, daß Du nie wieder — bei Strafe des Verlustes Deines Wechsels — irgend einen Insassen dieses meines Hauses behelligst. Die Theilung des Revels- worth'schen Vermögens im nächsten Jahre wird Dich nicht be rühren. Du wirst nichts mehr und nichts weniger erhalten, als das Jahrgehalt, das ich Dir aussche, sowie ich mein Testament ändere. Du sagtest, daß Du Dich weigerst, meine Fragen zu beantworten — zweifelsohne hast Du Deine triftigen Gründe, über Deine frühere Carriere Schweigen zu beobachten —, eins jedoch mußt Du mir sagen: Da Du nach eigener Einräumung zweimal verheirathet gewesen bist, so hast Du sicher nicht länger mehr das Recht, den Namen „Revelsworth" zu führen. Bitte, was ist denn Dein eigentlicher Name?" Francesca zauderte mit der Antwort. „Francesca Devereux", stieß sie dann hastig hervor. „Vermuthlich würde es vergebliches Hoffen sein, von Deinen Lippen die Wahrheit zu hören; aber doch würde es gut sein, wenn ich erführe, ob Du Frau oder Wittwe bist." „Ich bin Wittwe." „Zum zweiten Male?" „Zum zweiten Male." „Zu erfahren, ob das wahr oder falsch ist, stehen mir nicht die Mittel und Wege zu Gebote. DaS geht mich aber auch nichts an, wie Du sagst. Bitte, triff Deine Vorbereitungen, morgen früh mit der Person oben das Haus zu verlassen. Vor Deinem Weggehen wirst Du mit einer Geldsumme, hinreichend für Dein« gegenwärtigen Bedürfnisse, versorgt werden, und wenn Du Herrn Simpson Deine neue Adresse mittheilst, dann wird er Sorge tragen, daß Dir Dein Wechsel unter den bereits namhaft gemachten Bedingungen jedes Quartal regelmäßig aus- gezahlt wird. Ich halte es nicht für nöthig, daß wir uns nochmals sehen und sprechen, wenigstens nicht heute Abend. Kannst Du es einrichten, in Deinem Zimmer zu diniren?" Mit vollkommener äußerer Ruhe stand Francesca vor ihrer Tante und schaute auf sie hernieder. Ihr Antlitz war kreideweiß und von verschlossener Starrheit, au» ihren Augen aber sprühte ein unheilkündendes Licht. „Dann bin ich nun entlassen, Tante Margaret?" fragte sie und kam einen Schritt näher zu ihr heran. '„Und es soll mir ein elendes Gnadengehalt auSgesetzt' werden, unter der Bedingung, daß ich nie wieder mit einem Verwandten meines Vater» in Verkehr trete?" „Ja." ^Und olle» da» nur deswegen, weil ich meine alte Amme nicht verlassen wollte, und weil ich zweimal unglücklich der- heirathet gewesen? „Weil Du mich auf das Unverschämteste hintergangen und belogen hast, und weil ich Dir nicht traue!" „Warum nicht rund heraussagen", erwiderte Francesca mit derselben unnatürlichen Starrheit de» Wesens, „weil Du mich hassest, weil Du mich gehaßt hast vom ersten Augenblicke an, wo Du mich gesehen und es Dir zum Bewußtsein kam, daß ich ebenso gut Charakterfestigkeit besitze wie Du, und daß ich mich Deinen Beleidigungen und Deiner überhrbenden Herrschsucht nicht zahm unterwerfen würde? Gerade weil Du Geld besitzest und ich keins, glaubtest Du, die Freiheit zu haben, mich an fahren und behandeln zu können, wie die arme, kleine Betty, Dein unbezahltes Aschenpuddel! Du vergißt aber wahrschein lich, daß ich eine Revelsworth bin, so gut wie Du. Nicht eine Stunde würde ich länger unter Deinem Dache weilen, wenn nicht das arme, verkrüppelte, von mir abhängige Wesen oben wäre! Aber so lange Du lebst, schwöre ich Dir feierlich, will ich nicht wieder auf Dein Antlitz schauen. Morgen, so früh wie nur möglich, will ich Dein Haus verlassen, und Du hast nicht zu fürchten, daß ich je einen Versuch machen werde, wieder in Verkehr mit Dir zu treten. Das ist unsere letzte Begegnung auf Erden, Tante Margaret. Von allem Anfang an hast Du mich mit herzloser Ungerechtigkeit behandelt, und ich will mir gar nicht den Anschein geben, als verzeih« ich Dir. Um Eines aber muß ich bitten — bestehe darauf! Obschon ich nicht den leisesten Wunsch habe, mit Betty oder einem meiner Cousins heute noch zu sprechen, so bist Du mir wenigstens so viel Rücksicht schuldig, wenn ich heute Abend nicht wieder zum Vorschein komme und im Zimmer meiner Mutter dinire, meine Darstellung, meine Mutter sei krank und bedürfe meiner, den Anderen gegenüber zu bekräftigen. Wenn wir da» Haus ver lassen haben, dann kannst Du meine Cousin» und Betty von meiner Gottlosigkeit, nach dem Verluste meiner Eltern zweimal unglücklich« Ehen geschloffen zu haben, in Kenntniß sehen; ober bis ich Dein Haus verlassen, muß ich bitten, daß Du über meine Angelegenheiten Schweigen beobachtest, wie ich es selbst thue!" Au» Francesca'» Stimme tönte beim Sprechen ein gebiete rischer, durchaus kein bittender Klang, wie sie mit jenem seltsam lodernden Feuer in den Augen in die ihrer Tante blickte. Und die alte Dame, mochte si« gegen die Empfindung ankämpfen, so viel sie wollte, fühlte sich doch für den Augenblick von diesem Herrscherton eingeschüchtert. „Ich Hobe nicht den Wunsch, von Dir zu sprechen", sagte sie kalt. „Du kannst zur Entschuldigung Deine» Nicht- erscheinen» an der Dinertafel nach unten sagen lassen, wa» Dir beliebt!"
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