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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.07.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000721014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900072101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900072101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-07
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Mnzeigett.Prer- dle 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg, -keelame« unter dem RedactionSstrich lila»' spalten) 50^j. vor den Familieanachrichnm (6gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis« verzrichniß. Tabellarischer und giffrrnsatz nach höherem Tarif. » «SXV-I Extra»Vetlaaen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbesördcruug 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß fLr Anzeigen: Sb eud «Ausgabe: Vormittag» 10 Uh«. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» »Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet» an die Gxpeottisn zu richt««. . Druck und Verlag vo« S. Pol» in Leipzig M. Sonnabend den 21. Juli 1900. 81. Jahrgang. live I'snnßv — vive I» rchnbliqiie. Mit jener Bescheidenheit, die sie immer auszeichnet, wenn cs sich um eigene Angelegenheiten und Leistungen handelt, sind die Franzosen höchst befriedigt über den Verlauf des National festes am 14. Juli. Nach den wüsten Kammerverhandlungen der letzten Woche hatte man offenbar besorgt, daß es am 14. Juli zu ähnlichen oder noch schlimmeren Scenen kommen Sinnte, als an demselben Tage des vorigen Jahres, und das wäre doch angesichts der Anwesenheit vieler Zehntausende von Fremden höchst unangenehm gewesen. So wurden zwar bei verschiedenen „Holzereien" zwischen Socialdemokraten und Nationalisten mehrere Personen verwundet und die Social demokraten durchzogen das Bois de Boulogne mit dem wohl wollenden Rufe ImSuL ^lererer". Derartige Kleinig keiten aber zählen nicht und der Präsident der Republik, der offenbar höchst vergnügt war, daß sein Cylinder diesmal glimpf licher davon kam, als im Vorjahre, richtete an den Kriegs minister ein Schreiben, in dem er auf die beifälligen Rufe, mit denen die Truppen bei der Parade begrüßt worden waren, als auf einen Beweis dafür hinwies, daß Frankreich Vertrauen zu seiner nationalen Armee habe. Die meisten Menschen glauben, was sie wünschen, und der Präsident der französischen Republik zählt zu dieser ja höchst erfreulicher Weise so zahlreichen Kategorie der Optimisten. Go ganz spricht es doch aber nicht für das einmüthige Ver trauen des Volkes zu der Armee, wenn auch an diesem natio nalen Tage die Franzosen sich in zwei leicht von einander zu scheidende Gruppen theilten, von denen die eine das „vivo I'nrmöe'', die andere daS „vivo la röpiidliguo'' zum Feld geschrei gemacht hätte, zwei Rufe, die sich ja an sich sehr wohl mit einander vereinen lasten, von denen aber alle Welt weiß, daß sie neben der in den Worten liegenden positiven Be deutung auch eine sehr negative Bedeutung haben: der eine — ü dar, ta r^pub'.iguo, der andere — ä da^ l'armöo. Woher sollten auch die wahren Republikaner Vertrauen zu der Armee oder zu deren Führern haben! Haben nicht die französischen Officiere in den letzten Wochen eine Heraus forderung der Civilgewalt auf die andere gehäuft? Erst ver höhnte der Generalstabschef den Kriegsminister, dann that der Generalissimus der Armee dasselbe und jetzt haben die Officiere eines Kllrassierregiments ihrem von der Regierung wegen seiner Unbotmäßigkeit gemaßregelten Obersten eine Ovation gebracht und ihm ein Ehrengeschenk überreicht, auf dem sich die In schrift befand: „Die politischen Parteien vergehen, aber Frank reich bleibt", was doch nichts Anderes bedeutet, als: „Wir werden eines schönen Tages mit dieser verdammten Civilisten- republik aufräumen und die Militärdictatur aufrichten", denn für das französische Officiercorps bedeutet „Frankreich bleibt" nichts Anderes, als „die Armee bleibt", denn die Armee ist Frankreich und alles Uebrige ist mehr oder minder überflüssiges Anhängsel. Daran kann kein Zweifel sein, daß die Ereignisse der letzten Zeit die Erbitterung des französischen Officiercorps gegen die Präsidentschaft Loubet's und das Mini sterium Waldeck- Rousseau nur noch gesteigert hat. Man hat sich der Energie Andros gebeugt, aber man hofft ihn schon noch ebenso mürbe zu machen, wie man den General Gallifet mürbe bekommen hat. . An dieser Abneigung der Armee, d. h. des Officiercorps, gegen den Präsidenten und sein Ministerium wird auch durch die wohlwollendsten Auslassungen und Handlungen des Staats oberhauptes nichts geändert. Der Vorbeimarsch der Armee bei dem Präsidenten und den Ministern machte mehr den Eindruck, daß die höchsten Männer des Staates der Armee ihre Huldigung erwiesen, als daß die Truppen ihnen huldigten. Das aber dürfte die Officiere ebenso wenig rühren, wie die Stelle in dem Scheiben des Präsidenten an den Kriegsminister: „die Aus bildung und die Manneszucht der Truppen ließen nichts zu wünschen übrig". Boshaft veranlagte Officiere werden viel leicht erörtern, welche hervorragenden militärischen Leistungen es denn dem Präsidenten ermöglichten, ein so bestimmtes Urtheil über die Tüchtigkeit des Heeres abzugeben. Man wird meinen, daß Herr Loubet über die Fähigkeit von Advokatenschreibern vielleicht ein autoritativeres Urtheil abgeben könne, als Uber den Parademarsch einer Artillerieabtheilung oder eines Dra gonerregiments. Das eben erschwert ein ausgeglichenes Verhältniß zwischen Civilgewalt und Officiercorps, daß das letztere das Staatsober haupt gewissermaßen nicht als ganz gleichberechtigt ansieht. Jeder deutsche Officier sieht in seinem Kaiser zwar den hoch über ihm stehenden obersten Kriegsherrn, aber doch zugleich auch den Kameraden, mit dem ihn eine in mancher Hinsicht gleich artige Erziehung verbindet. Wenn der Officier des Königs Rock trägt, so ist das nicht nur der Rock, den er vom König hat, sondern auch der Nock, den auch der König trägt. Den Mangel eines solchen ausgeglichenen Verhältnisses zwischen dem Berufsmilitär und dem Staatsoberhaupt« wird sich in einer bürgerlichen Republik immer fühlbar machen. Die Kühle und das Mißtrauen des Officiercorps werden sich aber bis zur Feindschaft steigern, wenn die Regierung sich auf Parteien stützt, die ihrem ganzen Wesen nach nicht heeres- freundlich sind. Man kann es den französischen Officieren nicht gar zu sehr verargen, wenn sie einer Regierung, deren Haupt stütze die Socialisten sind, wenig Wohlwollen entgegen bringen. Darum werden die Complimente des Präsidenten der Republik an die Armee wenig Wirkung thun und die tiefe Miß stimmung, die sich des französischen Officiercorps bemächtigt hat, nicht beseitigen. Die Wirren in China. Die neuen eingelaufenen Telegramme besagen: * London» 20. Juli. „Daily Mail" meldet aus Shanghai von vorgestern, der Vicekönig von Nanking Liu«kun«vi habe ein Decret erhalten, das ihm befiehlt, nach Peking zu gehen. * London» 20. Juli. Nach einer Depesche des „Daily Expreß" von Shanghai von gestern treffen dort noch fortwährend be waffnete Chinesen von Norden her ein, so Laß die Consuln sich mit einer gemeinsamen Petition gegen die militärischen Vorbereitungen der Chinesen wandten. * London» 20. Juli. „Reuters Bureau" meldet au- Koko- Hama vom 19. d. M.: Obwohl die führenden Blätter noch immer daraus drängen, mehr Truppen nach China zu senden, nimmt die Abneigung dagegen zu, daß sich Japan in ausgedehnte Operationen einläßt. Die Entscheidung der Regierung ist nicht bekannt, indessen ist eine weitere Division von Sendai auf dem Marsch, um sich nach China einzuschiffen. Große Massen von Flüchtlingen aus China treffen ständig in Japan ein. * Rom» 20. Juli. Die „Agenzia Stefani" meldet aus Hong kong vom 17. d. M.: Der hiesige italienische Consul ersuchte den Vicekönig Li-Hung«Tschang, an den italienischen Gesandten in Peking Salvago Raggi einen Brief von ihm zu befördern, worauf Li-Hung-Tschang erklärte, daß ihm dazu die Mittel und Wege fehlen. Man ist hier nach wie vor im Zweifel über das Schicksal der Gesandten in Peking. Li-Hung-Tschang orvnete an, daß die Zolldirectoren seiner Provinzen in Zukunst nicht mehr von Peking, sondern von Canton abhängen sollen. Der Vicekönig von Nanking erließ ähnliche Befehle für die Zollverwaltung in Shanghai. * Paris, 20. Juli. Man erfährt hier mit großer Genug» thuung, daß die Mächte beabsichtigen, französisch zur Dien st spräche der europäischen Heerleitungen in China zu machen. * Ncw Kork, 20. Juli. Einer Meldung der „New Kork World" zufolge verlautet in Tschifu, die Chinesen hätten vor ilrer Flucht aus der Chinesenstadt von Tientsin ihre Frauen grtödtet, damit sie nicht in die Hände der Fremden fielen. * Philadelphia, 20. Juli. Ter Com Mandant des russi schen Kreuzers „Warjag", Capitän Behr, drückte in einem Interview dem Vertreter deS „Herald" gegenüber seinen Unwillen über die amerikanische Presse aus. Die amerikanischen Be richte über die chinesischen Wirren schienen in London siltrirt und Von englischer Seite dahin beeinflußt zu werden, ein unfreund liches Gefühl in Amerika gegen Rußland zu erwecken. Behr er klärte weiter, eine besonderes Drohung j seitens Chinas gegen die Vereinigten Staaten existire nicht, jedoch Rußland müsse den Haupt angriff Chinas aushalten, da eS 1000 Meilen der Grenze von China zu vertheidigen habe. *Ueberden deutschen Feldpostdienst, der in China für unsere Landtruppen eingerichtet wird, schreibt die „Deutsche BcrkehrSzeitung": Zum Feldpostdienste in Ostasien sind solche Beamte, Nnterbeamte und Postillone bestimmt worden, die sich hierzu freiwillig gemeldet hatten und nach ihren persönlichen Verhältnissen geeignet be funden wurden. Hauptbedingung war ihre Tropendienstfähigkeit. Tas Perfonal ist folgendes: Feldoberpostjekretär: Postjekrelär Nigmann, Feldpostsekretäre: Postiekrctäre Barten und Lindenau, Ober - Postajsistent Rott, Postassislcnten Breyther, Lüder, Hagedorn und Körner, Feld - Postschaffner: Postschaffner Etstert, Postboten Woczel und Schattschneider, Feldpostillone: Postillone Drescher und Bergmann. — Die Genannten sind fämmtlich unverheirathet und seither im Berliner Bezirke diensttbäiig gewesen. Postassistent Breyther ist am 10. Juli von Genua mit dem Reichspostdampser nach Shanghai vorausgereist. Mit derselben Befürdcrungsgelcgenhrit ist auch der größte Theil des Feld- geräths und der sonstigen Ausrüstung für die Feldpost expedition, soweit die Gegenstände sich zur Verpackung in Briefbeutel eigneten, nach Shanghai vorauSgesendet worden. Als Bereitstellungsplatz der Feldpostexpedition war der 16. Juli bestimmt. Von diesem Tage ab befindet sich da» Corps mit Ein schluß der Behörden im Kriegszustand, und es kommen auf dasselbe in Bezug auf die Gebühren die Vorschriften für das mobile Heer in Anwendung. Nunmehr steht die Feldpostexpedition in den nicht posttechnischen Beziehungen unter dem Befehle des CorpscommandeurS, Generalleutnants v. Lessel. Die Abreise des Feldoberpostsekretärs, der 6 Feldpostsekretäre und der Feldpost- schassner nach Ostasien erfolgt am 22. Juli von München aus mit dem Truppencommando, welches zur Vorbereitung der Ausschiffung sowie der ersten Unterbringung und Verpflegung des Expeditions corps von Genua am 24. Juli mit dem Reichspostdampser „Preußen" nach Ostasien vorauc-sährt, während die Feldpostillone sich als Be gleiter der Fahrzeuge und der noch hier befindlichen Ausrüstungs gegenstände dem in Bremerhaven am 2. August Nachmittags auf dein Dampfer „Rhein" zur Einschiffung kommenden Commando des Expeditionscorps anschließen werden. Wagenpferde und Reitpferde werden nicht mitgenommen, sondern in Ostasien be schafft. Als Gegenstände der persönlichen Ausrüstung für die Feld postbeamten, die den zu berücksichtigenden eigenartigen Verhält nissen angepasst und besonders reichlich bemessen werden mußte, sind hervorzuheben: Strohhut, Lagerdecke mit Luftkissen am Kopfende, Moskitonetz, Tropenanzüge aus hellbraunem Drillich, weiße Anzüge aus baumwollenem Köper für den Hausgebrauch, Kosferbett, Feld menage, zusammenlegbare Laterne, Feldapotheke. Tas gejammte Personal wird mit Schußwaffen ausgerüstet. Beim Vordringen der Truppen in Lslasicii sollen an den bedeutenderen Orten je nach Bedarf Feldpoststationen unter Leitung von Feldpostjekretären ein gerichtet werden. Für 5 Stationen wird die erforderliche Aus rüstung der Feldpostexpedition mitgegeben. Als Sammelstellen und Stützpuncte des Verkehrs werden zunächst die in Ostasien z. Z. bestehenden i deutschen Pvstaustalten dienen. Der mit der Ober leitung des deutschen Posldienstes in Ostasien betraute Postdirector Schellhorn in Shanghai ist zum Feldpostmeister bestimmt woiden und übernimmt die unmittelbare obere Leitung des technischen Feld postdienstes. Einen Besuch in der einzigen chinesischen Gcschützgieherri schilderte ein vom Londoner „Engineer" 1898 nach China ent sandter Ingenieur, und die große Londoner Wochenschrift druckt jenen Brief jetzt zum zweiten Male ab, da er für die gegen wärtigen Zustände in China von erhöhtem Interesse ist, zumal fitzt eine Wiederholung des Besuches wahrscheinlich ausge schlossen wäre. Damals konnte der englische Fachmann die Erlaubniß der Behörden zur Besichtigung des Arsenals un schwer erhalten, und es wurde nur das Ersuchen daran geknüpft, er möchte bei der Schilderung nicht auf Einzelheiten eingehen. Damals waren beim Arsenal zwei englische Oberaufseher be schäftigt, die auch ihrerseits wenig Auskunft gaben, obgleich sie ihren Landsmann Alles sehen ließen, was zu sehen war. Die Waffenfabrik liegt am Wusung-Flusse, etwa 5 Kilometer ober halb Shanghai und führt den officiellen Namen eines „Ar senals von Kiangnan". Eigentlich ist es das einzige in China, das eine solche Bezeichnung verdient. Es giebt allerdings noch eine kleine Waffenfabrit in Tientsin und eine Negierungs werft in Futschau, die aber beide mit den Kingnan-Werken nicht zu vergleichen sind. Diese stehen unter dem virecten Befehl des Licekönigs in Nanking, während die eigentliche Leitung in den Feuilleton. Kann man den Gang des Wetters beeinflussen? Von vr. Kurt Rudolf Kreusner. Nachdruck verboten. Wer je einmal in stundenlanger Fußwanderung auf staubiger Landstraße bei sengender HundStags- hitze einhermarschirt ist mit einer Verfassung seines äußeren Menschen, welche derjenigen eines Müllers nicht unähnlich ist, die Haut bedeckt von beißendem, schweißdurch- tränktem Staube, mit lechzender, am trocknen Gaumen klebender Zunge, wird ein Verständniß für die lauten Klagen des Land mannes bekommen haben, wenn in einer Periode wochenlanger Trockenheit die vom wolkenlosen Firmament herniederbrennenden Strahlen der erbarmungslosen Sonne die Hoffnung auf eine reiche Ernte zu Schanden machen. Häufiger freilich als der Wunsch nach einem abkühlenden, staublöschenden Regen ist bei dem Städter, für den nach der mühevollen Arbeit eines fast ein jährigen Zeitraumes endlich einige Wochen der Erholung an brechen, in denen er seine Brust im Morgenthau der Hochgebirgs- thäler gesund zu baden gedenkt, und für die Familien, welche beim Anfang der Schulferien in die ländlichen Sommerfrischen und an den Meeresstrand eilen, die Hoffnung auf schönes, sonniges Wetter. Wenn statt dessen ununterbrochen vom blei grauen Himmel überreiches Naß herniederrieselt und.den Reisen den und Sommerfrischler zum dauernden Verweilen in den darauf gar nicht berechneten, wenig comfortablen Miethslogis zwingt, begegnet er sich in seinen Jeremiaden über die Launen des Wettergottes wiederum mit den Klagen des Bauern, der ver zweifelt zusieht, wie das bereits geschnittene Heu auf den Wiesen verfault und das zum Mähen reife Getreide auszuwachsen be ginnt. Jedenfalls gehören die Klagen über daS Wetter zu den ältesten Beschwerden, welche das Menschengeschlecht über den Lauf der Dinge in dieser schlechtesten aller Welten führt; denn schon im Alterthume befaßte man sich mit der Frage der künstlichen Be einflussung des Wetters, und der Glaube, durch allerhand Zauberkram dem widrigen Wetter den jeweilig gewünschten Cha rakter geben zu können, ist heutzutage nicht nur bei sämmtlichen, auf niedriger Kulturstufe stehenden Nationen verbreitet, sondern reicht auch in unseren europäischen Bevölkerungen bis in eine höhere Bildungsschicht hinauf, al» sich mancher auf die kulturelle Entwickelung der Gegenwart stolze Mitteleuropäer träumen lassen dürfte. Wer nun mit den einfachsten Gesehen der Physik und Meteorologie einigermaßen vertraut ist, weiß freilich, welch' ungeheure, die Leistungen sämmtlicher im Dienste der Mensch heit stehenden Maschinen weit übersteigenden Arbeitskräfte die Natur bei einem entscheidenden Wetterumschlag in Thätigkeit setzt, und es klingt fast absurd, wenn man liest, daß seit einigen Jahren ernste, jeder Illusion abgeneigte Männer sich mit der Hoffnung tragen, wenigstens in zwei Richtungen das Wetter unseren Zielen und Wünschen ein wenig anpasseu zu können. Nichtsdestoweniger haben in der jüngsten Vergangenheit der artige Versuche stattgefunden» und werden in diesem Sommer in so großartigem Maßstabe fortgesetzt werden, daß es sich wohl ver lohnt, denselben einige Aufmerksamkeit zu schenken. Es handelt sich nämlich um nicht mehr und nicht weniger, als um einen wirksamen Schutz gegen vernichtende Hagelwetter, welche in manchen Gegenden fast alljährlich auftreten, aber auch in anderen Landstrichen, wo man sich nicht gegen Hagelschaden zu versichern pflegt, wegen ihrer Unberechenbarkeit ungemein ge fürchtet werden. Nebenher läuft die Hoffnung, bei lang an haltender Dürre den Eintritt nasser Witterung beschleunigen zu können, und als wirksames Mittel hierzu betrachtet man das seit drei Jahren mehrfach genannte Wetterschießen. Zu den berüchtigten Hagelgegenden gehören seit jeher Ober italien und die durch ihre blühende Obstcultur wie durch Wein bau in gleicher Weise reich gesegnete südliche Steiermark, wo man im Sommer 1896 die Schießversuche begann, die jetzt allent halben Nachahmung finden. An und für sich gehört ja nun auch das Wetterschießen zu den Dingen, auf welche der Ausspruch des Rabbi Ben-Akiba paßt, daß Alles schon dagewesen ist. Denn von jeher glaubte man, durch laute Geräusche schwere Unwetter paralysiren zu können, und die bekannte Inschrift auf fast allen älteren Glocken der Alpenländer „ku-I^urn kranxo" steht mit dem uralten Brauche der dortigen Bevölkerung in Verbindung, die Wetter durch Böllerschüsse zu vertreiben. Das häufige Unglück, welches hierbei durch den Gebrauch defeeter Böller und Mörser entstand, veranlaßte im vorigen Jahrhundert Maria Theresia, durch ein strenges Hofldecret das Wetterschießen zu untersagen. Seine Fortsetzung fand es jedoch in Frankreich, wo ein ehe maliger Secofficier, ein Marquis de Chevriers, auf seinem Gute in Maconnais seine früher gemachte Beobachtung, daß Kanonen donner auf dem Meere die Gewitter zerstreue, verwerthete, und wo im Jahre 1806 bereits aus 12 Batterien auf hageldrohende Wolken geschossen wurde. Spater gerieth die Sache gänzlich in Vergessenheit, bis sie von dem Bürgermeister Albert Stiger von Windisch-Feistritz zu neuem Leben erweckt wurde. Seitdem wird nicht nur in den österreichischen Alpen wieder fleißig geschossen, sondern auch in Oberitalien bemächtigte man sich mit Feuereifer der Idee, und im Jahre 1899 waren dort bereits mehr als 2000 Schießstationen in Thätigkeit, über deren Resultate auf dem ersten Wetterschießcongresse in Casale Monferrato vor wenigen Monaten berichtet und discutirt wurde. Bei Windisch-Feistritz ist feit Juni 1896, obwohl früher dort alljährlich schwere Hagelwetter die Weinberge verwüsteten, seit der Jnaugurirung des Wetterschießens kein Hagelschlag mehr vor gekommen; ähnlich lauten die Nachrichten von anderen Stationen, und wenn sich auch ein streng mathematischer Beweis für die Nützlichkeit des Wetterschießens nicht erbringen läßt, so sind doch alle an den Versuchen betheiligten — es gehören dazu die Physikprofessoren fast sämmtlicher österreichischen und italieni schen Universitäten — von der Wirksamkeit der Kanonade gegen den Himmel überzeugt, umsomehr, als in benachbarten Gegenden, wo man wicht schoß, die Hagelwetter mit altgewohnter Heftigkeit cintraten. Im Anfang glaubte man, daß die Schallwirkung oder die starke Rauchentwickelung bei den Schüssen das eigentlich wirksame Hinderniß der Hagelbildung seien. Diese Vermuthung hat sich als irrig erwiesen; es ist vielmehr die abwechselnde Verdichtung und Verdünnung der Luft oder, wie man es technisch bezeichnet, der Luftwirbel, welcher sich in Folge des Schusses weithin forr- Pflanzt und die Erstarrung der unterkühlten Wassertropfen ver hindert. Obwohl nämlich ohne Geschoß, also nur blind mit Pulver gefeuert wird, ist dieser „Wirbelring" so mächtig, daß bei Horizontalschüssen noch auf Entfernungen von 70—100 Meter sehr fest gebaute Scheiben durch den Luftdruck einfach zerfetzt werden. Es kommt aber natürlich hauptsächlich darauf an, den hagelstörcnde Wirbelring möglichst hoch gegen die Verderben drohenden Wolken cmporzuschlcudern, und zu diesem Zwecke kann man sich selbstverständlich nur des senkrechten oder nahezu senkrechten Schusses bedienen. Man benutzt hierzu steilstehcnde mörserähnliche Böllerkanonen mit sehr weiter Bohrung, die im Uebrigen sehr leicht gebaut sind, da sie keine Kugeln zu ver schießen haben, auf welche aber, um den Wirbelring wirksamer zu bedeutenden Höhen empor zu senden, ein LsH—4 Meter langer Metalltrichter von spitzer kegeliger Form aufgesetzt wird. Als Pulverladung dienen 80—120 Gramm schwarzes Pulver, welches bei der Entzündung in diesen Apparaten einen kurzen scharfen Knall giebt. Dann aber jagt sausend und heulend ein mächtiger Wirbelring mit fabelhafter Geschwindigkeit sich ausbreitend gen Himmel, klingt bis zu einem gewissen Minimum ab, worauf sich der von den Wolken refleckirte Schall wieder zu starkem Dröhnen und Schwirren verstärkt, um endlich plötzlich abzubrechen. Die wunderbare Wirkung dieser Schüsse, nach welchen die Wolken sich oft momentan auf kurze Zeit lichten und welche selbst ein bereits angebrochenes Hagelwetter in weiches Graupeln oder heftigen Regenguß verwandeln, ist noch keineswegs ganz aufge klärt. Doch ist ein von Plant« ausgeführtes Experiment geeig net, einiges Licht in dieses Dunkel zu bringen. Wenn man näm lich die beiden Pold.ähte eines starken elektrischen Stromes so anordnet, daß der eine von unten in ein Wasserbecken eintritt und bis nahe an die Oberfläche tritt, während der andere von oben bis nahe an die Wasserfläche heranreicht, ohne dieselbe jedoch zu berühren, und dann einen Strom von hoher Spannung hin durchsendet, der seinen Ausgleich nur durch Ueberspringung der Unterbrechungsstelle finden kann, so vertieft sich der Wasserspiegel in Form eines Trichters, aus welchem Wassertheilchen mit großer Heftigkeit herausgeschleudert werden, die anfangs flüssig find, plötzlich aber in feste Form übergeben und al» winzige Hagel körner herausgeschleudert werden. Das Experiment mißlingt unfehlbar, wenn dabei nicht absolute Ruhe herrscht. Die geringste Luftbewegung, wie sie durch einen heftigen Athemzug oder die Bewegung der Hand verursacht wird, bringt das Experiment zum Scheiter», insofern dann nur Tropfen herausfallen. Ganz ähnliche Umstände herrschen in den Minuten, welche dem Ausbruch eines Hagelwetters vorangehen, nur mit dem ein zigen Unterschiede, daß das Wasser nicht unten, sondern oben ist, und daß es nicht in flüssiger Form, sondern als Massendampf, der seiner Condensation nahe ist, vorhanden ist. Eine geringe Abkühlung der Luft führt sofort zur Tropfenbildung. Im Uebrigen sind auch in dem Gewittervezirke ganz wie bei dem Versuch entgegengesetzte Elektricitäten vorhanden, die nach Aus gleich streben, und die unheimliche Ruhe und Windstille, die dem Hagelwetter vorausgeht, entspricht ganz der für den Laborato riumsversuch unerläßlichen Abwesenheit jeder Luftbewcgung. Nach dem Gesagten ist es also durchaus nicht so aussichtslos, wenigstens in diesem Puncte dem Landwirth ein wirksames Mittel gegen die blind und wahllos zerstörenden Naturkräfte in die Hand geben zu können, und es bleibt nur bedauerlich, daß in den deutschen Rheingegendeu, welche in ihrer Rebencultur doch auch werthvolle Güter zu schützen haben, noch nichts zur Fruckificirung des ohne Zweifel höchst beachtenswerthen Wetter schießens sich regt, welches auch nicht auf unsick-ereren Grundlagen sich aufbaut, als das seit langem geübte Rauchfeuer zum Schutze der blühenden Weinberge gegen Nachtfrost. Unsicherer ist es, ob man auf dem gedachten Wege auch Regen nach langr Dürre erzielen kann. Die Amerikaner behaupten diese Möglichkeit zwar schon seit fast 40 Jahren, als nach einer der ge waltigsten Kanonaden bei Bull-Run im Bürgerkriege nach un endlicher Trockenheit plötzlich ausgiebiger Regenfall eintrat. Geld ist bei den im größten Maßstabe 1890 und 1891 ausgeführ- ten Versuchen nicht gespart worden; man ließ sogar Hunderte von unbemannten Ballons steigen, welche eine automatisch in bestimmter Höhe sich entzündende Sprengladung trugen. Leider kann man nicht verschweigen, daß die Versuche keineswegs ein wandfrei waren. Immerhin ist eS nicht unmöglich, daß das Wetterschießen auch in diesem Puncte wirkt. Wasserdampf ist in der Atmosphäre auch in trockenen Sommertagen reichlich vor handen. Daß es nicht zur Regenbildung kommt, liegt an dem latenten Gleichgewicht der Atmosphäre, und die Erschütterung derselben bis zu Höhen von 1 .'500—2000 Meter, wie es durch das Wetterschießen geschieht, kann unter geeigneten Umständen doch den Anstoß zu einem Wetterumschlag geben. Dem Touristen schönes Wetter für seine Sommerreise herzu zaubern, scheint freilich vorläufig ganz unmöglich. Vielleicht kommt die Menschheit einmal auch dahin, wenn sic daS Ueber- menschenthum erklommen hat, welches die neunmal Weisen z. B den hypothetischen Marsbewohnern imputiren.
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